VwGH vom 25.02.2003, 99/14/0340
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höß und die Hofräte Mag. Heinzl, Dr. Zorn, Dr. Robl und Dr. Büsser als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Racek, über die Beschwerde des Dr. R P, Rechtsanwalt in 4600 Wels, Bauernstraße 9, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Oberösterreich (Berufungssenat III) vom , GZ. RV467/1-6/1999, betreffend Umsatz- und Einkommensteuer für 1997, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von 332 EUR binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer erzielte im Streitjahr Einkünfte aus selbständiger Arbeit als Rechtsanwalt in W, wo er auch einen Zweitwohnsitz unterhielt. Der Familienwohnsitz befand sich im 83 Kilometer entfernten U, wo seine Lebensgefährtin u.a. eine Frühstückspension betrieb. Im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ist ausschließlich strittig, ob die Kosten des Zweitwohnsitzes in W als Betriebsausgaben abzugsfähig sind und ein entsprechender Vorsteuerabzug zusteht.
In den für das Jahr 1997 ergangenen Bescheiden betreffend Umsatz- und Einkommensteuer verneinte das Finanzamt diese Frage und anerkannte die Aufwendungen für den Zweitwohnsitz (Miete und Strom) in Höhe von 69.274 S nicht als Betriebsausgaben und kürzte die geltend gemachten Vorsteuern um 6.287,53 S. Die Begründung eines eigenen Haushalts am Beschäftigungsort sei nur dann betrieblich veranlasst, wenn der Familienwohnsitz des Steuerpflichtigen von seinem Beschäftigungsort so weit entfernt sei (nach der Verwaltungspraxis 120 km), dass ihm eine tägliche Rückkehr nicht zugemutet werden könne. Dies treffe im Beschwerdefall nicht zu.
In der dagegen erhobenen Berufung brachte der Beschwerdeführer vor, dass ihm die tägliche Rückkehr an den Familienwohnsitz nicht zugemutet werden könne, weil die Strecke mit öffentlichen Verkehrsmitteln nur mit einem unzumutbaren Zeitaufwand zu bewältigen und er deshalb auf die Benutzung seines PKWs angewiesen sei, was jedoch im Winter aufgrund der meist vereisten Bundesstraße sehr gefährlich sei. Auch habe er 1997 "genau 135 mal in W übernachtet" und sich dadurch einen "Mehrkilometeraufwand von 22.410 Kilometern" erspart. Wenn die Behörde schon die Kosten für den Zweitwohnsitz nicht anerkenne, müssten zumindest die ansonsten zwingend angefallenen "Mehrkilometeraufwendungen" als Betriebsausgaben berücksichtigt werden.
Das Finanzamt wies die Berufung mit Berufungsvorentscheidung ab, weil eine Fahrtdauer von einer Stunde zumutbar sei und überdies der Großteil der Strecke auf der Autobahn zurückgelegt werden könne. Fiktive Fahrtkosten kämen nicht als Betriebsausgabe in Betracht.
In seinem Antrag auf Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz erwiderte der Beschwerdeführer den Ausführungen des Finanzamtes, den auf Grund durchschnittlicher Kraftfahrzeugkosten ermittelten "Mehrkilometeraufwendungen" stünden tatsächliche Aufwendungen für einen Doppelwohnsitz gegenüber, sodass nicht von fiktiven, sondern von tatsächlichen Betriebsausgaben auszugehen sei. Überdies würde die Fahrtdauer von einer Stunde wegen der schlechten Witterungsverhältnisse im Winter und des stärkeren Verkehrsaufkommens im Sommer oft überschritten. Zudem sei die Unzumutbarkeit der täglichen Heimfahrt auch auf seine Tätigkeit als Rechtsanwalt zurückzuführen. Aus Zeitgründen könne er komplizierte Schriftsätze erst am Abend nach Ende der normalen Kanzleizeiten abfassen, oftmals fänden dann noch Besprechungen mit Klienten oder Kanzleipartnern statt. Die Übernachtung in W ermögliche auch ein intensiveres Fachliteraturstudium, welches wesentlich zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Betriebseinnahmen beitragen würde. Die Judikatur zur berufsbedingten doppelten Haushaltsführung betreffe hauptsächlich unselbständig Tätige, bei denen aber von ganz anderen Voraussetzungen auszugehen sei. Insbesondere seien bei Arbeitnehmern - anders als bei Einkünften aus selbständiger Arbeit - die Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte mit dem Verkehrsabsetzbetrag abgegolten. Bei selbständig Tätigen müssten die Kosten der Hin- und Rückfahrt zu (von) einer Betriebsstätte oder ersatzweise andere Kosten (wie hier für den Doppelwohnsitz) jedenfalls eine Betriebsausgabe darstellen.
Die belangte Behörde wies die Berufung mit dem angefochtenen Bescheid ab und führte begründend aus, dass bei einer Fahrzeit von einer Stunde (laut einer Auskunft des ÖAMTC) und einer Entfernung von 83 km die tägliche Rückkehr zum Familienwohnsitz zumutbar sei. Da es sowohl selbständig als auch unselbständig Tätige mit unregelmäßigen oder in den Abend fallenden Arbeitszeiten gebe und zahlreiche Erwerbstätige im Einzugsbereich großer Städte mit ähnlichen Witterungsverhältnissen zu rechnen hätten, stelle die Situation des Beschwerdeführers keinen Einzelfall dar. Es stimme zwar, dass die Rechtsprechung vor allem Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit betroffen habe, doch bestehe zwischen Werbungskosten und Betriebsausgaben kein inhaltlicher Unterschied, gleichartige Aufwendungen müssten für Selbständige genauso abzugsfähig sein wie für Unselbständige. Auch wenn Unselbständigen ein Verkehrsabsetzbetrag zustünde, liege darin für den Beschwerdeführer jedenfalls kein Nachteil, weil er die tatsächlichen Aufwendungen für die Fahrten zwischen dem Familienwohnsitz und der Betriebsstätte absetzen könne. Da die geltend gemachten "Mehrkilometeraufwendungen" aber nicht tatsächlich angefallen seien, könnten sie auch nicht Betriebsausgaben sein. Betriebsausgaben würden nämlich einen Wertabgang voraussetzen, sodass ersparte Ausgaben demnach keine Betriebsausgaben darstellten.
Über die dagegen erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:
Gemäß § 20 Abs. 1 EStG 1988 dürfen bei den einzelnen Einkünften die für den Haushalt des Steuerpflichtigen aufgewendeten Beträge nicht abgezogen werden. Aufwendungen für die eigene Wohnung (im Beschwerdefall für Miete und Strom) sind daher nicht als Betriebsausgaben (Werbungskosten) abzugsfähig. Erwachsen einem Steuerpflichtigen allerdings dadurch doppelte Haushaltskosten, dass ihm die tägliche Rückkehr vom Beschäftigungsort an den Familienwohnsitz wegen der Entfernung nicht zumutbar ist, so können die dadurch bedingten Mehraufwendungen Betriebsausgaben darstellen, vorausgesetzt, dass die Verlegung des Familienwohnsitzes an den Beschäftigungsort gleichfalls nicht zugemutet werden kann (vgl. für viele das hg. Erkenntnis vom , 96/15/0205).
Die belangte Behörde hat die Feststellung getroffen, dass dem Beschwerdeführer die tägliche Rückkehr an den Familienwohnsitz zumutbar sei. Eine Strecke von 83 km stelle keine unüblich weite Entfernung dar und könne vom Beschwerdeführer unter Verwendung seines Kraftfahrzeuges - auf einen Großteil der Strecke unter Benutzung einer Autobahn - zurückgelegt werden.
Der Beschwerdeführer wirft der belangte Behörde vor, sie habe diese Feststellung deshalb unter Verletzung von Verfahrensvorschriften getroffen, weil sie keinen "ausreichenden Kostenvergleich" vorgenommen habe. Wie im Verwaltungsverfahren dargestellt, könnten die "Kostenarten als annähernd gleichwertig angesehen werden".
Die belangte Behörde hat den vom Beschwerdeführer angestellten "Kostenvergleich" nicht in ihre Überlegungen zur Frage der Zumutbarkeit der täglichen Heimfahrt miteinbezogen. Eine Rechtswidrigkeit liegt darin schon deshalb nicht, weil der Beschwerdeführer selbst nicht behauptet hat, dass ihm aus Kostengründen die tägliche Heimfahrt nicht zumutbar gewesen wäre. Das diesbezügliche Vorbringen des Beschwerdeführers im Verwaltungsverfahren war vielmehr darauf ausgerichtet, die Kostenneutralität der Begründung eines zweiten Wohnsitzes am Beschäftigungsort darzulegen. Auf diesen Umstand kam es indes im Grunde der Bestimmung des § 20 Abs. 1 EStG 1988 - wie die belangte Behörde zu Recht erkannt hat - nicht an.
Der Beschwerdeführer bringt weiter vor, er sei (aus näher dargestellten Gründen) für die Fahrten zwischen Familienwohnsitz und Betriebsstätte auf die Verwendung eines PKW angewiesen. Autofahrten erforderten einen hohen Aufwand an Konzentration, was zu einer erheblich schnelleren Ermüdung führen und sich in der Folge negativ auf seine Arbeitskraft auswirken würde. Es mag sein, dass die vom Beschwerdeführer gewählte Form der privaten Lebensgestaltung seiner beruflichen Tätigkeit förderlich ist, eine Unzumutbarkeit der täglichen Heimfahrt wird damit jedoch ebenso wenig aufgezeigt wie mit dem Vorbringen, aus volkswirtschaftlichen Überlegungen (Ersparnis möglicher Unfallkosten) und aus Gründen des Umweltschutzes sei dem Unterhalten einer Zweitwohnung der Vorzug zu geben.
Die weiteren Beschwerdeausführungen, die "unteren Instanzen" hätten übersehen, dass für Arbeitnehmer Sonderregelungen für die Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte bestünden, und in bestimmten Berufszweigen Mitarbeiterunterkünfte "unabhängig von einer 120 Kilometergrenze" steuerfrei zur Verfügung gestellt werden könnten, gehen an der im Beschwerdefall entscheidenden Frage, ob die Begründung eines Zweitwohnsitzes am Betriebsort infolge Unzumutbarkeit der täglichen Heimfahrt betrieblich veranlasst ist, vorbei.
Wie schon im Verwaltungsverfahren trägt der Beschwerdeführer vor, dass seinem (Alternativ-)Antrag auf Berücksichtigung der "ansonsten anfallenden Mehrkilometeraufwendungen" zu Unrecht nicht entsprochen worden sei. Es lägen keine fiktiven Betriebsausgaben vor, weil ihm tatsächlich Aufwendungen für den Doppelwohnsitz in W entstanden seien und diese Aufwendungen nur geringfügig von den "ansonsten anfallenden Mehrkilometeraufwendungen" abweichen würden. Die Aufwendungen entfielen auf "dieselbe Kostenstelle (Berufssitz W)" und zumindest eine "Kostenart" müsse berücksichtigt werden, da es ansonsten zu einer "Doppel-Nichtanerkennung von Betriebsausgaben ein und derselben Kostenstelle" komme.
Mit diesem Vorbringen zeigt der Beschwerdeführer keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf. Die dem Beschwerdeführer erwachsenen Aufwendungen für den Zweitwohnsitz waren auf Grund der täglichen Erreichbarkeit des Familienwohnsitzes privat veranlasst und können - da der Besteuerung nicht ein fiktiver, sondern der tatsächlich verwirklichte Sachverhalt zu Grunde zu legen ist (vgl. etwa das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , 99/15/0147) - nicht unter dem Titel der "ansonsten angefallenen" Betriebsausgaben abgesetzt werden. Dass der Beschwerdeführer ohne den Zweitwohnsitz höhere Fahrtkosten gehabt hätte, ändert nichts daran, dass diese "höheren" Fahrtkosten vor dem Hintergrund des tatsächlich verwirklichten Sachverhalts nicht entstanden sind.
Die Beschwerde erweist sich somit insgesamt als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Der Ausspruch über den Kostenersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001.
Wien, am