VwGH vom 25.02.2003, 99/14/0337
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höß und die Hofräte Mag. Heinzl, Dr. Zorn, Dr. Robl und Dr. Büsser als Richter, im Beisein des Schriftführerin Dr. Racek, über die Beschwerde der T GmbH in E, vertreten durch Dr. Günther Klepp, Dr. Peter Nöbauer und Mag. Franz Hintringer, Rechtsanwälte in 4020 Linz, Graben 28, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Oberösterreich (Berufungssenat I) vom , Zl. RV192/1-6/1998, betreffend Umsatzsteuer 1997, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.102,76 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Kostenmehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
In der Berufung gegen den Umsatzsteuerbescheid 1997 beantragte die Beschwerdeführerin die Gewährung des Vorsteuerabzuges aus den Betriebsausgaben für den Kleinbus Renault Espace J63 in Höhe von S 10.237,14.
Begründet wurde das Berufungsbegehren im Wesentlichen damit, dass die Versagung des Vorsteuerabzugsrechtes, soweit es sich um die Aufwendungen für das verfahrensgegenständliche Kraftfahrzeug handle, EG-rechtswidrig sei. Die Verordnung BGBl. 273/1996 verstoße gegen Art. 17 Abs. 6 der Sechsten Mehrwertsteuerrichtlinie, weil durch die genannte Verordnung ein neuer Vorsteuerausschlusstatbestand begründet worden sei. Da dies unzulässig sei, würde die Verordnung BGBl. Nr. 273/1996 durch die zitierte Richtlinie verdrängt werden.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab. Unbestritten stehe nach der Verordnung des Bundesministers für Finanzen über die steuerliche Einstufung von Fahrzeugen als Personenkraftwagen und Kombinationskraftwagen, BGBl. Nr. 273/1996, der Vorsteuerabzug nicht zu. Fraglich sei jedoch, ob besagte Verordnung den Vorsteuerabzug für "Klein(Auto)busse" unzulässig einschränke. Bejahendenfalls wäre sie als gemeinschaftsrechtwidrig nicht anzuwenden. Dies sei jedoch nicht der Fall, weil die strittige Verordnung aus dem Jahr 1996 lediglich eine Präzisierung bzw. Klarstellung der Rechtslage unter Berücksichtigung früherer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu den bis zum EU-Beitritt Österreichs geltenden Bestimmungen darstelle, sodass von einer Einschränkung des Vorsteuerabzuges keine Rede sei.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde erwogen:
Lieferungen und sonstige Leistungen, die im Zusammenhang mit der Anschaffung, der Miete oder dem Betrieb von Personenkraftwagen, Kombinationskraftwagen oder Krafträdern stehen (ausgenommen Fahrschulkraftfahrzeuge, Vorführkraftfahrzeuge und Kraftfahrzeuge, die ausschließlich zur gewerblichen Weiterveräußerung bestimmt sind, sowie Kraftfahrzeuge, die zu mindestens 80 % dem Zweck der gewerblichen Personenbeförderung oder der gewerblichen Vermietung dienen), berechtigen gemäß § 12 Abs. 2 Z 2 lit. b UStG 1994 nicht zum Vorsteuerabzug. Die genannte Gesetzesbestimmung wurde unverändert aus der bis zum Beitritt Österreichs zur EU geltenden Bestimmung des § 12 Abs. 2 Z 2 lit. c UStG 1972 übernommen.
Im Erlass Z 09 1202/4-IV/9/87 des Bundesministers für Finanzen vom , AÖF 330/1987, wird darauf verwiesen, dass Kleinbusse nicht unter die für Personenkraftwagen und Kombinationskraftwagen geltenden einschränkenden umsatzsteuerlichen Bestimmungen fielen, für Kleinbusse vielmehr die Möglichkeit des Vorsteuerabzuges bestehe. Unter einem Kleinbus sei ein Fahrzeug zu verstehen, das ein kastenwagenförmiges Äußeres sowie Beförderungsmöglichkeiten für mehr als sechs Personen aufweise.
Auf Grund der Verordnungsermächtigung des § 12 Abs. 2 Z. 2 lit. b UStG 1994 in der Fassung Strukturanpassungsgesetz 1996, BGBl. 201, erließ der Bundesminister für Finanzen die Verordnung über die steuerliche Einstufung von Fahrzeugen als Personenkraftwagen und Kombinationskraftwagen, BGBl. 273/1996 (im folgenden Verordnung).
§ 10 dieser Verordnung lautet:
"Klein-Autobusse, auch wenn sie kraftfahrrechtlich und zolltarifarisch als Personenkraftwagen oder Kombinationskraftwagen eingestuft sind, sind steuerrechtlich keine Personenkraftwagen oder Kombinationskraftwagen, wenn sie eine einem Autobus entsprechende Form aufweisen und weiters eine der folgenden Voraussetzungen erfüllen:
1. Das Fahrzeug ist kraftfahrrechtlich für eine Beförderung von mindestens neun Personen (einschließlich des Fahrzeuglenkers) zugelassen und enthält zusätzlich einen Gepäcksraum im Fahrzeuginneren. Die erste Sitzreihe ist bereits werkseitig mit drei fixen Sitzplätzen ausgestattet.
2. Das Fahrzeug ist kraftfahrrechtlich für die Beförderung von mindestens sieben Personen (einschließlich des Fahrzeuglenkers) zugelassen und weist bereits werkseitig hinter der dritten Sitzreihe in hinterster Position einen Laderaum mit einer Länge von mindestens 500 mm auf. Diese Länge muss im Durchschnitt vom Laderaumboden bis zur Höhe von 500 mm über dem Laderaumboden erreicht werden."
Der Metropol Treuhand WirtschaftstreuhandgmbH und Michael Stadler, C-409/99, - auf Grund eines Vorabentscheidungsersuchens des Verwaltungsgerichtshofes - ausgeführt:
Die Regelung eines Mitgliedstaates, die nach dem Inkrafttreten der Sechsten Mehrwertsteuerrichtlinie 77/388/EWG, im Folgenden Richtlinie (für Österreich ist die Richtlinie zum Zeitpunkt des Beitrittes zur EU am in Kraft getreten) die bestehenden Vorsteuerausschlusstatbestände erweitere und sich damit vom Ziel der Richtlinie entferne, verstoße gegen deren Art. 17 Abs. 2 und stelle keine nach Art. 17 Abs. 6 Unterabs. 2 zulässige Ausnahme dar. Art. 17 Abs. 6 der Richtlinie enthalte eine "Stand-still"-Klausel, die die Beibehaltung der innerstaatlichen Ausschlusstatbestände vom Vorsteuerabzugsrecht vorsehe, die vor dem Inkrafttreten der Richtlinie in Geltung gestanden seien. Mit dieser Bestimmung sollten die Mitgliedstaaten ermächtigt werden, bis zum Erlass der gemeinschaftsrechtlichen Regelung der Tatbestände des Ausschlusses vom Vorsteuerabzugsrecht durch den Rat alle Regelungen des innerstaatlichen Rechts über den Ausschluss des Vorsteuerabzugs beizubehalten, die ihre Behörden zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Richtlinie tatsächlich angewandt hätten. "Angesichts dieses besonderen Zweckes umfasst der Begriff innerstaatliche Rechtsvorschriften im Sinne von
Artikel 17 Absatz 6 Unterabsatz 2 der Sechsten Richtlinie nicht nur Rechtsetzungsakte im eigentlichen Sinne, sondern auch die Verwaltungsakte und Verwaltungspraktiken der Behörden des betroffenen Mitgliedstaats" (Rz. 49).
Der EuGH betont im genannten Urteil, es sei einem Mitgliedstaat nach Art. 17 Abs. 6 Unterabs. 2 der Richtlinie verwehrt, die Ausgaben für bestimmte Kraftfahrzeuge nach dem Inkrafttreten der Richtlinie vom Recht auf Vorsteuerabzug auszuschließen, wenn zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Richtlinie für solche Ausgaben das Recht auf Vorsteuerabzug nach ständiger, auf einem Ministerialerlass beruhender Praxis der Verwaltungsbehörden dieses Mitgliedstaates gewährt worden sei.
In rechtlicher Hinsicht ergibt sich aus der Entscheidung des EuGH für den gegenständlichen Fall, dass der Vorsteuerabzug im Zusammenhang mit dem Betrieb des Fahrzeuges Renault Espace nicht deshalb versagt werden durfte, weil dieses Fahrzeug nicht die im § 10 der Verordnung festgelegten Anforderungen erfüllt, wenn nur die im Erlass des Bundesministers für Finanzen vom , AÖF 330/1987, angegebenen Voraussetzungen erfüllt sind.
In Verkennung der Rechtslage hat sich die belangte Behörde nicht damit auseinander gesetzt, ob das von der Beschwerdeführerin betriebene Fahrzeug den im Erlass des Bundesministers für Finanzen vom , AÖF 330/1987, festgelegten Voraussetzungen entspricht.
Der angefochtene Bescheid war sohin gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001. Die Umrechnung der entrichteten Stempelgebühren gründet sich auf § 3 Abs. 2 Eurogesetz, BGBl. I Nr. 72/2000. Das Mehrbegehren war abzuweisen, weil die Entrichtung einer Beilagengebühr (für den angefochtenen Bescheid) gemäß § 24 Abs. 3 VwGG nicht erforderlich war.
Wien, am