VwGH vom 28.05.2002, 99/14/0332
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Mag. Heinzl, Dr. Zorn, Dr. Robl und Dr. Büsser als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. iur. Mag. (FH) Schärf, über die Beschwerde des H L in L, vertreten durch Grassner Lenz Thewanger & Partner, Rechtsanwälte in 4020 Linz, Elisabethstraße 1, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Oberösterreich vom , Zl. RV720/1-10/1999, betreffend Haftung gemäß § 9 BAO, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von 332 EUR binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid des Finanzamtes vom wurde der Beschwerdeführer als Geschäftsführer der Komplementär-GmbH einer KG für aushaftende Abgabenschuldigkeiten der KG zur Haftung herangezogen und aufgefordert, die entsprechenden Beträge zu entrichten.
Der Beschwerdeführer erhob Berufung, in der er vorbrachte, dass die Uneinbringlichkeit der Abgaben bei der Primärschuldnerin - es werde ein Zwangsausgleich angestrebt - noch nicht feststehe. Auch habe er über keine ausreichenden Mittel zur rechtzeitigen Abgabenentrichtung verfügt. Im Jahr 1998 sei es bei einem näher bezeichneten Auftrag zu einem von der Primärschuldnerin nicht erwarteten "Rechnungsabstrich von ATS 500.000,-- " gekommen, was zu einer Einschränkung eines zur Betriebsmittelfinanzierung in Anspruch genommenen Zessionskredites und letztlich zur Insolvenz geführt habe.
Mit Vorhalt der belangten Behörde vom wurde der Beschwerdeführer aufgefordert, eine Aufstellung vorzulegen, aus der hervorgehe, welche finanziellen Mittel der KG im Zeitraum vom bis zur Konkurseröffnung zur Verfügung gestanden und wie diese Mittel verwendet worden seien. Weiters möge dargelegt werden, in welchem Verhältnis andere Gläubiger (Banken, Lieferanten, Gebietskrankenkasse, ESG, Telekom, etc.) in diesem Zeitraum befriedigt worden seien.
Der Beschwerdeführer erläuterte daraufhin erneut, dass bereits 1998 ein Liquiditätsengpass eingetreten sei und die Hausbank lediglich nach Maßgabe von Geldeingängen Zahlungsmittel freigegeben habe. Insbesondere die Abbuchungen von Kreditraten und Zinsen hätten die Liquidität des Unternehmens belastet. Andererseits seien die Zahlungen von öffentlichen Bauträgern nur schleppend eingetroffen. Dennoch sei der Beschwerdeführer bemüht gewesen, seinen Zahlungsverpflichtungen gegenüber dem Finanzamt nachzukommen, was "aus den Buchhaltungsunterlagen eindeutig nachzuweisen sei", weshalb der Antrag gestellt werde, die Buchhaltungsunterlagen einer finanzbehördlichen Überprüfung zu unterziehen. Aufgrund der Bestimmungen des Umsatzsteuergesetzes habe der Beschwerdeführer zudem unabhängig vom Erhalt des Entgelts Umsatzsteuer an das Finanzamt abzuführen gehabt; im Zeitpunkt der Konkurseröffnung habe die noch nicht vereinnahmte Umsatzsteuer "mind. S 600.000,00" betragen. Zur Frage der Mittelverwendung führte der Beschwerdeführer wörtlich aus:
"Folgende Zahlungen an Lieferanten wurden festgestellt:
01.01 - S 1.148.590,40, wobei ein wesentlicher Teil bereits vom Masseverwalter bezahlt wurde. Zu Ihrer Anfrage, welche finanziellen Mittel zur Verfügung standen, ist darauf hinzuweisen, dass zum Zeitpunkt der Konkurseröffnung ein Betrag von ca. S 350.000,00 vorhanden und dieser Betrag dem Masseverwalter übergeben wurde.
Bezüglich der Zweitbank, der ... ist darauf hinzuweisen, dass
keinerlei Kreditrahmen zur Verfügung gestellt wurde.
Bezüglich der Verbindlichkeiten gegenüber der ESG - Telekom,
Lieferanten etc... verweisen wir auf das Anmeldungsverzeichnis
beim Konkursgericht, jedenfalls wurden nur vereinzelt die Schulden im Zeitraum 01.01. - 31.03. beglichen.
Sehr geehrte Frau Mag. F, wir beantragen daher den vorgelegten Sachverhalt durch eine abgabenbehördliche Prüfung feststellen zu lassen, sowie die zeugenschaftliche Einvernahme der Herren Harald L., Thomas L., (Adresse angegeben) sowie des Bilanzerstellers Steuerberater Mag. O."
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung dem Grunde nach ab, schränkte den Haftungsbetrag aber auf 254.452 S (Umsatzsteuer 12/1998 und Säumniszuschlag 1999) ein.
Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, der Geschäftsführer habe sich nach seinen eigenen Angaben durch den Abschluss eines Zessionsvertrages der Möglichkeit begeben, für die rechtzeitige Abgabenentrichtung Sorge zu tragen. Auch lasse die Vorhaltsbeantwortung nicht erkennen, dass alle Gläubiger der Primärschuldnerin gleich behandelt worden wären. In der Zeit zwischen und seien die Abgabenschulden lediglich zu 14,18 % getilgt worden. Aufgrund näher dargestellter Überlegungen könne davon ausgegangen werden, dass die Lieferanten mit einer höheren Quote befriedigt worden seien. Weder durch die Einsichtnahme in den Konkursakt noch durch die Befragung des Masseverwalters könne festgestellt werden, welche Mittel vor Konkurseröffnung tatsächlich noch zugeflossen und wie diese verwendet worden seien. Ebenso wenig sei ersichtlich, wie eine Parteieneinvernahme zur Klärung des Sachverhaltes beitragen solle, zumal dem Beschwerdeführer Gelegenheit gegeben worden sei, schriftlich zu den Vorhalten der Abgabenbehörde Stellung zu nehmen. Da die Geltendmachung der Haftung die Uneinbringlichkeit der betreffenden Abgaben bei der Primärschuldnerin im Zeitpunkt der Haftungsinanspruchnahme voraussetze, sei die Haftung insoweit einzuschränken gewesen, als durch zwischenzeitige Abgabengutschriften bereits eine Tilgung erfolgt sei. Weiters sei den Gläubigern im Insolvenzverfahren ein Zwangsausgleich mit einer Quote von 20 % angeboten worden, sodass auch die noch ausstehenden Abgaben dem Beschwerdeführer nur im (mit Sicherheit uneinbringlichen) Ausmaß von 80 % zur Haftung hätten vorgeschrieben werden dürfen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die dagegen erhobene Beschwerde erwogen:
Gemäß § 9 Abs. 1 BAO haften die in den §§ 80 ff bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können.
Der Beschwerdeführer bringt zunächst wie im Verwaltungsverfahren vor, die Primärschuldnerin habe sich bei Entstehung der Abgabenschulden bereits in einem schweren Liquiditätsengpass befunden, sodass auch die Verbindlichkeiten anderer Gläubiger "nicht oder nur marginal besser gestellt" worden seien. Eine Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes zu Lasten der Abgabenbehörde liege daher nicht vor.
Mit diesen Ausführungen zeigt der Beschwerdeführer keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist es Sache des Geschäftsführers darzutun, weshalb er nicht dafür Sorge tragen konnte, dass die Gesellschaft die anfallenden Abgaben rechtzeitig entrichtet hat. Es hat nicht die Abgabenbehörde das Ausreichen der Mittel zur Abgabenentrichtung nachzuweisen, sondern der zur Haftung herangezogene Geschäftsführer das Fehlen ausreichender Mittel. Reichen die liquiden Mittel zur Begleichung aller Verbindlichkeiten der Gesellschaft nicht aus, so hat der Vertreter nachzuweisen, dass die vorhandenen Mittel anteilig für die Begleichung aller Verbindlichkeiten verwendet wurden. Unterbleibt der Nachweis, kann die Behörde von einer schuldhaften Pflichtverletzung ausgehen (vgl. für viele die hg. Erkenntnisse vom , 99/14/0277, und vom , 98/14/0082).
Einen derartigen Nachweis hat der Beschwerdeführer trotz ausdrücklicher Aufforderung durch die belangte Behörde nicht erbracht. Soweit in der Beschwerde eingewendet wird, der angefochtene Bescheid führe zu einer Bevorzugung des Abgabengläubigers, weil die übrigen Gläubiger auf die Zwangsausgleichsquote beschränkt seien, lässt sie außer Acht, dass die gegenständliche Haftungsbestimmung, die ein pflichtwidriges Verhalten des Vertreters und einen dadurch bewirkten Einnahmenausfall der Abgabenbehörde zur Voraussetzung hat, einem zivilrechtlichen Schadenersatzanspruch nachgebildet ist. Durch die Normierung der Haftung im Abgabenverfahren wird die Einbringung einer Schadenersatzklage entbehrlich (vgl. das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom , 96/15/0049), die Rechte anderer Gesellschaftsgläubiger hingegen nicht geschmälert.
Soweit der Beschwerdeführer unter Hinweis auf den schadenersatzrechtlichen Charakter der Geschäftsführerhaftung vorbringt, die Abgabenbehörde dürfe die Haftung nur für jenen Teil der Abgabenschulden aussprechen, welcher bei anteilsmäßiger Befriedigung aller Gläubiger an die Abgabenbehörde abzuführen gewesen wäre, ist er gleichfalls auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen. Demnach ist diesen Überlegungen zwar grundsätzlich zu folgen, allerdings obliegt es dem Geschäftsführer, die entsprechende Quote zu errechnen (vgl. für viele das hg. Erkenntnis vom , 97/13/0080). Wird wie im Beschwerdefall dieser Nachweis nicht angetreten, kann dem Vertreter die uneinbringliche Abgabe zur Gänze vorgeschrieben werden (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 98/14/0142). Die in diesem Zusammenhang gerügte Verletzung von Verfahrensvorschriften durch das Unterbleiben der Einsichtnahme in den Konkursakt liegt nicht vor. Wie die belangte Behörde zu Recht ausgeführt hat, ist nicht erkennbar, inwiefern aus dem Konkursakt das Fehlen von Mitteln im haftungsrelevanten Zeitraum hätte ersichtlich sein können. Auch in der Beschwerde wird dies nicht dargelegt. Welchen Beitrag die Einvernahme des Masseverwalters in diesem Zusammenhang hätte leisten können, zeigt die Beschwerde gleichfalls nicht auf.
Dass der (Zwangs-)Ausgleich einer GmbH der Haftungsinanspruchnahme des Geschäftsführers nicht entgegensteht, hat der Verwaltungsgerichtshof in dem bereits erwähnten Erkenntnis eines verstärkten Senates vom in Abkehr von seiner früheren Rechtsprechung mit eingehender Begründung ausgesprochen. Auf die diesbezüglichen Entscheidungsgründe des zitierten Erkenntnisses wird gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen. Für den Zwangsausgleich einer Kommanditgesellschaft und den gemäß §§ 9 und 81 BAO zur Haftung herangezogenen Vertreter kann nichts anderes gelten.
Unter dem Gesichtspunkt der Verletzung von Verfahrensvorschriften rügt der Beschwerdeführer, aus der Vorhaltsbeantwortung vom sei "ersichtlich", dass der Beschwerdeführer als Vertreter der KG einen Betrag von mindestens 600.000 S an Umsatzsteuer abgeführt habe, obwohl diese Umsatzsteuerbeträge im Zeitpunkt der Konkurseröffnung noch nicht vereinnahmt waren. Warum der genannte Betrag nicht in voller Höhe als Gutschrift verrechnet und den Haftungsbetrag mindernd berücksichtigt worden sei, könne dem angefochtenen Bescheid nicht entnommen werden.
Mit diesem Vorbringen wird eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides schon deshalb nicht aufgezeigt, weil der Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren selbst eingeräumt hat, die Abfuhr der gegenständlichen Umsatzsteuer habe den Bestimmungen des Umsatzsteuergesetzes entsprochen. Anders als der Beschwerdeführer offenbar meint, erfolgte die Einschränkung der Haftung nicht auf Grund dieses (im Zusammenhang mit der Darstellung des "Liquiditätsengpasses" gemachten) Vorbringens, sondern deshalb, weil nach Ergehen des erstinstanzlichen Haftungsbescheides andere Abgabengutschriften auf dem Abgabenkonto der KG verbucht worden waren.
Zur generellen Verfahrensrüge, die belangte Behörde habe es unterlassen, beantragte Beweise aufzunehmen, ist der Beschwerdeführer an die Bestimmung des § 183 Abs. 3 BAO zu erinnern. Danach setzt die Beachtlichkeit eines Beweisantrages die ordnungsgemäße (konkrete und präzise) Angabe des Beweisthemas, das mit dem Beweismittel erwiesen werden soll, voraus. Beweisanträgen, die nicht ausreichend erkennen lassen, welche konkrete Tatsachenbehauptung im Einzelnen durch das angebotene Beweismittel erwiesen werden soll, braucht die Abgabenbehörde im Grunde des § 183 Abs. 3 BAO ebenso nicht zu entsprechen wie solchen Beweisanträgen, die auch die abstrakte Tauglichkeit des Beweismittels zur Beweisführung über das Beweisthema nicht einsichtig machen (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 98/13/0162). Weder die in der Berufungsschrift noch die in der Vorhaltsbeantwortung vom gestellten Beweisanträge enthalten ein Vorbringen, zu welchen vom Beschwerdeführer behaupteten (für die Frage der Haftung wesentlichen) Tatsachen und Punkten, die beantragten Beweise aufgenommen werden sollen.
Auch eine Verletzung der amtswegigen Ermittlungspflicht wirft der Beschwerdeführer der belangten Behörde zu Unrecht vor. Warum es dem Beschwerdeführer nicht, der Abgabenbehörde im Rahmen einer weiteren Ermittlungstätigkeit aber schon möglich gewesen wäre, die entscheidungswesentlichen Fragen über das Vorhandensein liquider Mittel und deren Verwendung zu beantworten, macht die Beschwerde nämlich nicht einsichtig.
Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001.
Wien, am