VwGH vom 22.03.1995, 94/13/0264
Beachte
Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):
94/13/0265
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss und die Hofräte Dr. Pokorny, Dr. Fellner, Dr. Hargassner und Mag. Heinzl als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Cerne, über die Beschwerde
1) der T-GmbH und 2) der X-AG, beide in W und beide vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in M, gegen die Bescheide der FLD für Wien, NÖ und Bgld 1) vom , Zl. GA 7 - 1179/94, und 2) vom , Zl. GA 7 - 1191/94, jeweils betreffend Abgabennachsicht, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Den Beschwerdeschriften und den ihnen angeschlossenen Ausfertigungen der angefochtenen Bescheide ist folgender Sachverhalt zu entnehmen:
Die Beschwerdeführerinnen hatten mit der B. AG einen Rahmenvertrag betreffend die Kompensation von Steuerguthaben geschlossen. Auf Grund dieses Rahmenvertrages wurden von der B. AG am Umbuchungsanträge gestellt, mit denen die Umsatzsteuervorauszahlungen der Beschwerdeführerinnen für den Voranmeldungszeitraum Jänner 1994 abgedeckt werden sollten. Im Vertrauen auf das Vorhandensein eines von der B. AG "überrechneten" Steuerguthabens deckten die Beschwerdeführerinnen ihre am fälligen Umsatzsteuervorauszahlungsschulden nicht ab, wobei die Beschwerdeführerinnen allerdings nicht wußten, daß das Steuerguthaben der B. AG aus einer erst am vorgenommenen Berichtigung der Umsatzsteuervoranmeldung für Dezember 1993 resultierte, die auf Grund einer am rückwirkend zum gelegten Schlußrechnung einer gemeinnützigen Bau- und Wohnungsgenossenschaft mit einer Vorsteuer von 72 Mio. S erfolgt war. Dieser Umsatzsteuerbetrag war von der Genossenschaft bereits am an das Finanzamt überwiesen worden. Da das Steuerguthaben der B. AG auf Grund des Bescheides des Finanzamtes erst am entstanden war und zufolge der Bestimmung des § 211 Abs. 1 lit. g BAO erst mit Wirksamkeit von diesem Tag umgebucht werden konnte, galten die Beschwerdeführerinnen im Zeitraum vom bis zum mit ihren Umsatzsteuervorauszahlungen als säumig, sodaß vom Finanzamt der Erstbeschwerdeführerin ein Säumniszuschlag in Höhe von S 115.668,-- und der Zweitbeschwerdeführerin ein solcher in Höhe von S 36.322,-- vorgeschrieben wurde.
Den von den Beschwerdeführerinnen gestellten Anträgen auf Nachsicht der festgesetzten Säumniszuschläge nach § 236 Abs. 1 BAO blieb mit den angefochtenen Bescheiden im Instanzenzug ein Erfolg versagt. In der Begründung ihrer Bescheide vertrat die belangte Behörde die Auffassung, daß das von den Beschwerdeführerinnen ins Treffen geführte Vertrauen auf die bislang problemlos erfolgte Steuerkompensation im Wege der Umbuchung von der B. AG nicht geeignet sei, eine aus der Besonderheit des Einzelfalles bedingte sachliche Unbilligkeit der Einhebung der verhängten Säumniszuschläge darzutun. Da Abgabenschulden Bringschulden seien, hätten die Beschwerdeführerinnen das Risiko der nicht rechtzeitigen Tilgung ihrer Umsatzsteuervorauszahlungen im Wege der Umbuchung tragen müssen. Im Eintritt der gesetzlich vorgesehenen Säumnisfolgen der nicht rechtzeitig erfolgten Tilgung ihrer Umsatzsteuervorauszahlungsschulden könne ein vom Gesetzgeber nicht beabsichtigtes Ergebnis nicht erkannt werden. Die Beschwerdeführerinnen hätten es bei gehöriger Aufmerksamkeit zudem in der Hand gehabt, die Vorschreibung eines Säumniszuschlages durch Einbringung eines Zahlungserleichterungsansuchens zu verhindern. Daß die erst am eingebrachte berichtigte Umsatzsteuervoranmeldung der B. AG noch am selben Tag bearbeitet werden würde, habe nicht ernsthaft angenommen werden können, woraus zu folgern sei, daß die Beschwerdeführerinnen sich wegen der über sie verhängten Säumniszuschläge an der B. AG schadlos halten könnten. Die seinerzeit fristgerechte Entrichtung des Umsatzsteuerbetrages durch die Genossenschaft sei ohne Bedeutung für die von den Beschwerdeführerinnen verletzte Pflicht zur rechtzeitigen Abfuhr ihrer Selbstbemessungsabgaben.
Gegen diese Bescheide erhoben die Beschwerdeführerinnen zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, welcher deren Behandlung jedoch mit seinem Beschluß vom , B 1965/94 und B 2038/94, abgelehnt und sie gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten hat. Vor diesem Gerichtshof beantragen die Beschwerdeführerinnen die Aufhebung der angefochtenen Bescheide aus dem Grunde der Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes und jener infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften mit der Erklärung, sich durch die angefochtenen Bescheide in ihrem Recht auf Abgabennachsicht nach § 236 BAO als verletzt zu erachten.
Der Verwaltungsgerichtshof hat die Beschwerden wegen ihres sachlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Beratung und Beschlußfassung verbunden und über sie erwogen:
Gemäß § 236 Abs. 1 BAO können fällige Abgabenschuldigkeiten auf Antrag des Abgabepflichtigen ganz oder zum Teil durch Abschreibung nachgesehen werden, wenn ihre Einhebung nach Lage des Falles unbillig wäre. Die im § 236 Abs. 1 BAO bezogene Unbilligkeit der Abgabeneinhebung kann entweder persönlich oder sachlich bedingt sein, wobei sachlich bedingte Unbilligkeit dann anzunehmen ist, wenn im Einzelfall bei Anwendung des Gesetzes aus anderen als persönlichen Gründen ein vom Gesetzgeber offenbar nicht beabsichtigtes Ergebnis eintritt, sodaß es zu einer anormalen Belastungswirkung und, verglichen mit ähnlichen Fällen, zu einem atypischen Vermögenseingriff kommt. Da die Unbilligkeit der Abgabeneinhebung nach der Lage des Falles tatbestandsmäßige Voraussetzung für die im § 236 BAO vorgesehene Ermessensentscheidung ist, so ist für eine Ermessensentscheidung kein Raum mehr, wenn die Abgabenbehörde die Unbilligkeit der Abgabeneinhebung verneint (vgl. hiezu für viele das hg. Erkenntnis vom , 92/13/0256, mit weiteren Nachweisen).
Soweit die Beschwerdeführerinnen der belangten Behörde Ermessensmißbrauch vorwerfen, geht diese Rüge ins Leere, weil die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid Ermessen nicht geübt, sondern die Ansicht vertreten hat, daß Unbilligkeit der Abgabeneinhebung nicht vorliege. Da die Beschwerdeführerinnen einen Sachverhalt, aus dem sich das Vorliegen persönlicher Unbilligkeit der Abgabeneinhebung ergeben könnte, nicht vorgetragen und auch zum geltend gemachten Aufhebungsgrund der Rechtswidrigkeit der angefochtenen Bescheide infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften kein Vorbringen erstattet haben, das einen Verfahrensmangel erkennen ließe, entscheidet sich das Schicksal ihrer Beschwerden an der Frage, ob der belangten Behörde ein Rechtsirrtum in der Beurteilung unterlaufen ist, daß der von den Beschwerdeführerinnen zur Begründung ihres Nachsichtsbegehrens geltend gemachte Sachverhalt eine sachliche Unbilligkeit der Einhebung der festgesetzten Säumniszuschläge nicht begründe. Der Gerichtshof sieht die von der belangten Behörde gefundene Beurteilung nicht als rechtswidrig an.
Den Beschwerdeführerinnen ist grundsätzlich beizupflichten, wenn sie im Ergebnis ihrer Betrachtungen zu Wesen und Zweck des Rechtsinstitutes der Abgabennachsicht zur Auffassung gelangen, daß sachliche Unbilligkeit einer Abgabeneinhebung in Fällen anzunehmen ist, in denen das ungewöhnliche Entstehen einer Abgabenschuld zu einem unproportionalen Vermögenseingriff beim Steuerpflichtigen führt. Der in der anormalen Belastungswirkung und, verglichen mit ähnlichen Fällen, im atypischen Vermögenseingriff gelegene offenbare Widerspruch der Rechtsanwendung zu den vom Gesetzgeber beabsichtigten Ergebnissen muß seine Wurzel in einem außergewöhnlichen Geschehensablauf haben, der auf eine vom Steuerpflichtigen nicht beeinflußbare Weise eine vom Steuerpflichtigen nach dem gewöhnlichen Lauf nicht zu erwartende Abgabenschuld ausgelöst hat, die zudem auch ihrer Höhe nach unproportional zum auslösenden Sachverhalt ist.
Eine solche Fallkonstellation liegt aber nicht vor. Wie die Beschwerdeführerinnen selbst einräumen, ist der Säumniszuschlag im Sinne des § 217 BAO eine objektive Rechtsfolge der verspäteten Entrichtung einer Abgabe. Daß die Einhebung des Säumniszuschlages nicht schon allein deshalb unbillig ist, weil den Steuerschuldner an der verspäteten Entrichtung der Abgabe kein Verschulden trifft, hat der Verwaltungsgerichtshof bereits mehrfach ausgesprochen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , 91/15/0017, mit weiteren Nachweisen). Der von den Beschwerdeführerinnen vorgetragene Sachverhalt läßt einen Geschehensablauf der zuvor beschriebenen Beschaffenheit nicht erkennen, weil es nämlich durchaus in ihrer Ingerenz gelegen war, das Entstehen der Abgabenschuld der Säumniszuschläge zu verhindern. Angesichts der Bestimmung des § 211 Abs. 1 lit. g BAO, wonach bei Umbuchung von Guthaben eines Abgabepflichtigen auf Abgabenschuldigkeiten eines anderen Abgabepflichtigen die Abgaben am Tag der nachweislichen Antragstellung, frühestens jedoch am Tag der Entstehung der Guthaben als entrichtet gelten, wäre es Sache der Beschwerdeführerinnen gewesen, sich bei der B. AG durch Rückfrage über den Bestand eines der Umbuchung zugänglichen Guthabens dieser Gesellschaft, das eine Tilgung der Umsatzsteuervorauszahlungsschulden der Beschwerdeführerinnen mit Wirksamkeit vom Tag des Umbuchungsantrages der B. AG bewirken konnte, zu vergewissern. Unterließen die Beschwerdeführerinnen eine solche Vergewisserung, dann nahmen sie das Risiko des Fehlens eines der Umbuchung zugänglichen Guthabens der B. AG zum Fälligkeitszeitpunkt ihrer Umsatzsteuervorauszahlungsschulden auf sich und mußten die Folgen des tatsächlichen Fehlens eines der Umbuchung zugänglichen Guthabens ihres Vertragspartners aus dem Rahmenvertrag über die Kompensation von Steuerguthaben im Fälligkeitszeitpunkt ihrer Abgabenschulden als schlichte Auswirkung der normalen Rechtslage auf sich nehmen.
Zutreffend verweist die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid auf den Umstand, daß von einer Bearbeitung der erst am Fälligkeitstag der Umsatzsteuervorauszahlungsschulden der Beschwerdeführerinnen eingelangten berichtigten Umsatzsteuervoranmeldung der B. AG noch am selben Tag nicht ausgegangen werden konnte, sodaß die Überreichung dieser berichtigten Umsatzsteuervoranmeldung durch die B. AG erst am eine Vorgangsweise war, die den Beschwerdeführerinnen als Partnerinnen des behaupteten Vertrages mit der B. AG Ersatzansprüche gegen diese für die verhängten Säumniszuschläge verschaffen konnte, was einer Beurteilung der Einhebung der festgesetzten Säumniszuschläge als sachlich unbillig erst recht im Wege stehen muß (vgl. hiezu auch das hg. Erkenntnis vom , 94/14/0094).
Im soeben zitierten Erkenntnis hat der Verwaltungsgerichtshof auch klargestellt, daß Vorgänge auf dem Abgabenkonto eines anderen Abgabepflichtigen auf die Beurteilung der Billigkeit oder Unbilligkeit der Einhebung eines festgesetzten Säumniszuschlages ohne Einfluß sind, weshalb somit auch aus dem Hinweis der Beschwerdeführerinnen auf die von der Baugenossenschaft als Vertragspartnerin der B. AG seinerzeit fristgerecht erfolgte Entrichtung deren Umsatzsteuerschuld für den Standpunkt der Beschwerdeführerinnen nichts zu gewinnen ist. Daß der Säumniszuschlag bei kurzer Dauer des Verzuges einer höheren "Verzinsung" des geschuldeten Abgabenbetrages entspricht als bei längerer Dauer, hat der Verwaltungsgerichtshof wiederholt schon als Auswirkung der allgemeinen Rechtslage erkannt, die eine Unbilligkeit der Einhebung des Säumniszuschlages nicht begründen kann (vgl. dazu die bereits zitierten hg. Erkenntnisse vom , 92/13/0256, und vom , 91/15/0017).
Da somit der Inhalt der Beschwerden schon erkennen ließ, daß die von den Beschwerdeführerinnen behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, waren die Beschwerden gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.