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VwGH vom 24.11.1999, 94/13/0255

VwGH vom 24.11.1999, 94/13/0255

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss und die Hofräte Dr. Fellner, Dr. Hargassner, Mag. Heinzl und Dr. Fuchs als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Fössl, über die Beschwerde der E in W, vertreten durch Dr. Herbert Laimböck, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Karlsplatz 2/15, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom , Zl. 6/3 - 3406/92-10, betreffend Einkommensteuer für das Jahr 1990, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin beantragte in ihrer Einkommensteuererklärung für 1990 ua die Berücksichtigung von mit diversen Auseinandersetzungen mit ihrem geschiedenen Ehemann in Zusammenhang stehenden Rechtsanwalts- und Prozesskosten im Ausmaß von S 164.030,04 als außergewöhnliche Belastung. Diese Kosten seien für die Bemühungen der Beschwerdeführerin angefallen, einerseits ihren Ehemann nach der Ehescheidung im Rahmen einer außergerichtlichen Aufteilung des ehelichen Vermögens zum Hauptschuldner für gemeinsame Kreditverbindlichkeiten in Höhe von rd S 8 Mio erklären zu lassen bzw eine Entschuldung dieser Kreditverbindlichkeiten zu erreichen und andererseits eine Herausgabe der der Beschwerdeführerin als Hälfteeigentümerin einer vermieteten Liegenschaft zustehenden Einnahmen und die gerichtliche Bestellung eines Zwangsverwalters für die entsprechende Liegenschaft zu erreichen.

Anlässlich der Veranlagung der Beschwerdeführerin zur Einkommensteuer für 1990 anerkannte das Finanzamt diese Kosten nicht als außergewöhnliche Belastungen.

In einer dagegen erhobenen Berufung wurde insbesondere vorgebracht, dass der geschiedene Ehemann sogar seiner Unterhaltspflicht gegenüber seinen Kindern nur nach Klage nachkomme, die Beschwerdeführerin als seinerzeitige Ehefrau bei der Bank persönlich für die Schulden ihres geschiedenen Ehemannes mithafte und trotz aller Bemühungen "bis jetzt" (Datum der Berufung ) von der Bank nicht aus der Haftung entlassen worden sei. Über Vorhalt der belangten Behörde teilte die Beschwerdeführerin in der Folge mit, dass die Gründe für die Aufnahme des Kredites durch ihren Ehemann in einer katastrophalen Lage seines Unternehmens gelegen gewesen sei, in welchem die Beschwerdeführerin zum Zeitpunkt der Kreditaufnahme und Bürgschaftsübernahme als Dienstnehmerin beschäftigt gewesen sei. Ohne die Aufnahme des Kredites, welcher ursprünglich S 6 Mio betragen habe und durch Zinsenbelastungen und Spesen auf rd S 8 Mio angewachsen sei, wäre der Fortbestand des Unternehmens gefährdet gewesen. Da die Beschwerdeführerin nunmehr geschieden sei, sei es für sie schwer, Bilanzen oder sonstige Unterlagen zur damaligen wirtschaftlichen Situation zu beschaffen. Die Beschwerdeführerin hätte jedoch niemals einer Bürgschaftsübernahme zugestimmt, wenn sie sich durch die Aufnahme des Kredites nicht eine Verbesserung der wirtschaftlichen Situation des Unternehmens ihres Ehemannes versprochen hätte. Sie sei primär daran interessiert gewesen, das Unternehmen als Existenzsicherung der Familie (bei damals noch aufrechter Ehe) und ihren Arbeitsplatz zu erhalten. Dem Schriftsatz waren diverse Unterlagen angeschlossen, darunter ein Schreiben der Bank vom ,welches die Mitteilung enthält, dass die Beschwerdeführerin aus der persönlichen Haftung für das Kreditengagement ihres (geschiedenen) Ehemannes entlassen wurde.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung ab. Hinsichtlich der Kosten im Zusammenhang mit dem Kreditengagement begründete sie dies im Wesentlichen damit, dass die Bürgschaftsübernahme nach dem Vorbringen im Berufungsverfahren erfolgt sei, um eine existenzbedrohende Notlage ihres geschiedenen Ehemannes abzuwenden. Nach der Aktenlage und dem Vorbringen der Beschwerdeführerin hätten jedoch keine konkreten Anhaltspunkte für eine solche Notlage ihres Ehemannes und damit der Familie bestanden. Die Kreditengagements des Ehemannes zwischen 1970 und 1980, für welche die Beschwerdeführerin jeweils als Gesamtschuldnerin zur ungeteilten Hand mitgehaftet habe, hätten in in laufender Rechnung ausnützbaren Kontokorrentkrediten bestanden, welche für das im Jahr 1966 käuflich erworbene Juweliergeschäft verwendet worden seien. Wenngleich die Ertragsentwicklung des Juweliergeschäftes im aktenmäßig verfügbaren Zeitraum 1978 bis 1987 als anhaltend negativ bezeichnet werden müsse, so habe die Aufnahme der Kredite nicht der Tilgung bestehender existenzbedrohender Betriebsschulden oder der Beseitigung einer Überschuldung des Betriebes, sondern der Mit- und Weiterfinanzierung des laufenden, 1976 durch Eröffnung einer Zweigstelle sogar ausgeweiteten Geschäftsbetriebes gedient. Ernsthafte Schwierigkeiten zwischen dem Kreditnehmer und dem Kreditgeber seien erst ab 1985 aufgetreten, die in weiterer Folge zur Androhung von Zwangsversteigerungsmaßnahmen geführt hätten. Das Verhalten des Kreditgebers gegenüber dem Kreditnehmer bis 1980 und die Tatsache, dass der angeblich in seiner Existenz bedrohte Betrieb noch heute bestehe, sprächen nicht für das Vorliegen einer zu den Zeitpunkten der Aufnahme und Ausweitung der Kredite drohenden Insolvenz.

Bei der Frage, ob eine existenzgefährdende Notlage nachweislich unmittelbar drohe, sei nach Auffassung des Senates im Übrigen keine betriebsbezogene, sondern eine personen- bzw. familienbezogene Betrachtungsweise anzustellen und Beurteilung vorzunehmen. Das Lebensalter, die physische und die geistige Handlungsfähigkeit der im Jahr 1939 und 1950 geborenen damaligen Eheleute seien zu den jeweiligen Zeitpunkten der Kreditengagements 1970,1976, 1978 und1980 derart gewesen, dass eine nicht in der Betriebs(fort)führung des Juweliergeschäftes liegende anderweitige Erwerbstätigkeit beider Personen zweifellos zumutbar gewesen wäre.

Hinsichtlich der Kosten, die mit der im Hälteeigentum der Beschwerdeführerin stehenden vermieteten Liegenschaft in Verbindung stehen, führte die belangte Behörde aus, dass es sich dabei um bereits im Feststellungsbescheid zu erfassende Sonderwerbungskosten handle, weil diese in unmittelbarem Zusammenhang mit der gemeinschaftlichen Erzielung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung aus der gegenständlichen Liegenschaft (Vorenthaltung von Einnahmen, untreue Verwaltung) gestanden seien.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die dagegen erhobene Beschwerde erwogen:

Gemäß § 34 Abs. 1 EStG 1988 in der für den Streitzeitraum geltenden Fassung kann jeder unbeschränkt Steuerpflichtige beantragen, dass bei Ermittlung des Einkommens (§ 2 Abs. 2), nach Abzug der Sonderausgaben (§ 18) außergewöhnliche Belastungen abgezogen werden. Die Belastung muss folgende Voraussetzung erfüllen:


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1.
Sie muss außergewöhnlich sein (Abs. 2).
2.
Sie muss zwangsläufig erwachsen (Abs. 3).
3.
Sie muss die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit wesentlich beeinträchtigen (Abs. 4).
Die Belastung darf weder Betriebsausgaben, Werbungskosten noch Sonderausgaben sein.
Zwangsläufig erwächst eine Belastung dem Steuerpflichtigen nach § 34 Abs. 3 dann, wenn er sich ihr aus tatsächlichen, rechtlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann.
Handelt es sich um Belastungen aus Anlass eingegangener Bürgschaften, so muss nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes Zwangsläufigkeit schon für das Eingehen der Bürgschaftsverpflichtungen gegeben gewesen sein (vgl das hg Erkenntnis vom , 90/14/0063, mwA). Außerdem müssen folgende Voraussetzungen erfüllt sein (vgl etwa das hg Erkenntnis vom , 88/14/0199:
1. Es ist erforderlich, dass der Steuerpflichtige glaubt, durch die Übernahme von Bürgschaften eine existenzbedrohende Notlage eines nahen Angehörigen mit Aussicht auf Erfolg abwenden zu können.
2. Eine existenzbedrohende Notlage liegt nicht schon dann vor, wenn nur die Fortführung einer selbstständigen Betätigung ohne die Übernahme von Bürgschaften nicht mehr möglich scheint, sondern wenn die wirtschaftliche Existenz des nahen Angehörigen überhaupt verloren zu gehen droht, dieser also seine berufliche Existenz nicht auch auf andere ihm zumutbare Weise hätte erhalten können.
3. Die besicherten Kredite dürfen nicht dazu dienen, den Betrieb des Schuldners zu erweitern oder ihm sonst bessere Ertragschancen zu vermitteln.
4. Es besteht keine sittliche Verpflichtung eines Steuerpflichtigen zur Übernahme von Bürgschaften für Schulden, die ein naher Angehöriger ohne besondere Notwendigkeit eingegangen ist.
5. Eine Zwangsläufigkeit aus sittlichen Gründen setzt voraus, dass sich der Steuerpflichtige nach dem Urteil billig und gerecht denkender Menschen der Übernahme von Bürgschaften nicht entziehen kann. Nicht das persönliche Pflichtgefühl des Steuerpflichtigen, sondern der objektive Pflichtbegriff nach den herrschenden moralischen Anschauungen ist entscheidend. Es reicht daher nicht aus, dass das Handeln des Steuerpflichtigen menschlich verständlich ist, es muss vielmehr die Sittenordnung dieses Handeln gebieten.
Vor diesem Hintergrund ist das Beschwerdevorbringen nicht geeignet, eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufzuzeigen.
Die belangte Behörde hat die Berücksichtigung der geltend gemachten Kosten als außergewöhnliche Belastungen abgelehnt, wobei sie ausgehend davon, dass von der Beschwerdeführerin nur sittliche Gründe für die behauptete Zwangsläufigkeit geltend gemacht worden seien, unter anderem zum Ausdruck brachte, dass gegenständlich keine Anhaltspunkte für eine existenzbedrohende Notlage des Ehemannes der Beschwerdeführerin zu erkennen gewesen seien, solche Gründe für die Beteiligung der Beschwerdeführerin am Kreditengagement ihres Ehemannes daher zu verneinen gewesen seien.
Soweit die Beschwerdeführerin in der Beschwerde erstmals neben sittlichen auch rechtliche Gründe für die Zwangsläufigkeit ihres Engagements behauptet und diese mit der in § 90 ABGB normierten ehelichen Beistandspflicht zu begründen versucht, ist Folgendes zu sagen: Nach § 90 ABGB idF vor dem Eherechts-Änderungsgesetz 1999, BGBl I 125/1999, sind die Ehegatten einander zur umfassenden ehelichen Lebensgemeinschaft, besonders zum gemeinsamen Wohnen, sowie zur Treue, zur anständigen Begegnung und zum Beistand verpflichtet. Im Erwerb des anderen hat ein Ehegatte mitzuwirken, soweit ihm dies zumutbar und es nach den Lebensverhältnissen der Ehegatten üblich ist. Daraus ergibt sich aber keine rechtliche Verpflichtung der Ehefrau zur persönlichen Haftung für Kreditengagements des Ehemannes im Ausmaß von S 6 Mio (aufwärts), zumal die Beschwerdeführerin im Verwaltungsverfahren (und in der Beschwerde) keine Einkommens- und Vermögensverhältnisse dargetan hat, welche eine entsprechende Haftungsübernahme als zumutbar im Sinn des § 90 ABGB erscheinen ließe. Auf das hg Erkenntnis vom , 90/13/0062, beruft sich die Beschwerdeführerin in diesem Zusammenhang schon deshalb zu Unrecht, weil eine Darlehensaufnahme von S 250.000,-- (wie sie dem damaligen Beschwerdefall zu Grunde lag) mit der Übernahme einer persönlichen Haftung für Kreditengagements in der im Beschwerdefall vorliegenden Größenordnung nicht zu vergleichen ist.
Die Beschwerdeführerin behauptet in der Beschwerde - wie ausgeführt - zwar auch die Zwangsläufigkeit aus sittlichen Gründen, tritt aber den im angefochtenen Bescheid angeführten, dagegen sprechenden Gründen konkret nicht entgegen. Sie stellt auch nicht in Abrede, dass den Eheleuten auch ohne die Betriebs(fort)führung eine zumutbare Erwerbstätigkeit möglich gewesen wäre, was schon alleine gegen eine Zwangsläufigkeit beim Eingehen der Haftungsverpflichtung spricht.
Die Beschwerdeführerin stellt zur Begründung ihrer kostenintensiven Bemühungen, aus der Haftung entlassen zu werden, ihre nach erfolgter Ehescheidung (im Jahr 1985) bestehende Situation in Zusammenhang mit der drohenden Inanspruchnahme aus der eingegangenen Haftung dar, und versucht damit eine Zwangsläufigkeit der entsprechenden Aufwendungen darzutun. Hiezu ist allerdings im Sinn der oben angeführten Rechtsprechung daran zu erinnern, dass die Beschwerdeführerin sich in diese Situation mangels tatsächlicher, rechtlicher und sittlicher Gründe, diese Haftungen zu übernehmen zu müssen, freiwillig begeben hat, die Rechtsanwalts- und Prozesskosten zur Befreiung aus dieser Situation daher auch deshalb nicht zwangsläufig erwachsen sind.
Das Beschwerdevorbringen hinsichtlich der Kosten, die mit der im Hälfteeigentum der Beschwerdeführerin stehenden, vermieteten Liegenschaft in Zusammenhang stehen, ist ebenfalls nicht geeignet, eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufzuzeigen. Die diesbezüglich von der Beschwerdeführerin behauptete Zwangsläufigkeit vermag nichts daran zu ändern, dass es sich bei den entsprechenden Aufwendungen um Sonderwerbungskosten der Beschwerdeführerin im Zusammenhang mit Einkünften aus Vermietung und Verpachtung handelt. Unter Berücksichtigung des § 34 Abs. 1 letzter Satz EStG 1988 entsprach es damit aber dem Gesetz, wenn diese (Werbungskosten darstellenden) Aufwendungen nicht als außergewöhnliche Belastungen berücksichtigt wurden.
Verfehlt ist auch die Rüge einer behaupteten Verletzung von Verfahrensvorschriften, die belangte Behörde habe den Ehemann der Beschwerdeführerin nicht aufgefordert, Unterlagen zur wirtschaftlichen Lage seines Unternehmens zu den Zeitpunkten der Kreditengagements beizubringen, weil ein Steuerpflichtiger, der Aufwendungen als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt wissen will, selbst das Vorliegen jener Umstände darzulegen hat, auf die die abgabenrechtliche Begünstigung gestützt werden kann (vgl. das hg Erkenntnis vom , 96/15/0004).
Die Beschwerde war somit gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen. Von der Durchführung der beantragten Verhandlung war aus den Gründen des § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abzusehen.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am