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VwGH vom 31.07.1996, 94/13/0251

VwGH vom 31.07.1996, 94/13/0251

Beachte

Serie (erledigt im gleichen Sinn):

94/13/0164 E

94/13/0225 E

95/13/0221 E

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss und die Hofräte Dr. Fellner, Dr. Hargassner, Mag. Heinzl und Dr. Fuchs als Richter, im Beisein des Schriftführers DDDr. Jahn, über die Beschwerde des R in W, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland (Berufungssenat II) vom , Zl. 6/1 - 1077/94-07, betreffend Einkommen- und Umsatzsteuer für 1992 und Festsetzung von Einkommensteuervorauszahlungen für 1994, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.120,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer war im Streitjahr 1992 als Kolporteur für die K-GmbH tätig.

Für 1992 brachte der Beschwerdeführer eine mit "Leermeldung gemäß § 21 Abs. 6 UStG 1972" überschriebene Umsatzsteuererklärung (Umsätze S 0,--) sowie eine Einkommensteuererklärung ein, in welcher in der Spalte "Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit" der Vermerk "bitte amtswegig feststellen" aufscheint, sowie Werbungskosten in Höhe von S 17.197,-- geltend gemacht wurden.

Das Finanzamt qualifizierte die Einkünfte des Beschwerdeführers als solche aus Gewerbebetrieb und veranlagte ihn sowohl zur Umsatzsteuer als auch zur Einkommensteuer, wobei es sowohl die steuerpflichtigen Umsätze als auch die entsprechenden Einkünfte anhand eines den Steuererklärungen beigeschlossenen Auszuges über die von der K-GmbH bezogenen Provisionen ermittelte. Die als Werbungskosten geltend gemachten Aufwendungen wurden als Betriebsausgaben berücksichtigt. Für 1994 erließ das Finanzamt einen Einkommensteuervorauszahlungsbescheid. Eine Begründung für die Abweichungen von den Steuererklärungen enthielten die Bescheide nicht.

In einer dagegen eingebrachten Berufung wurde unter Hinweis auf ein Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien, in welchem das Vertragsverhältnis eines Kolporteurs als Dienstvertrag beurteilt worden sei, und ein dieses Urteil bestätigendes Urteil des Oberlandesgerichtes Wien sowie einen Bescheid des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales, wonach die "Tätigkeit als Kolporteur" dem ASVG unterliege, vorgebracht, daß "keine Unternehmereigenschaft vorliegt", der Beschwerdeführer somit Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit, die nicht der Umsatzsteuer unterlägen, bezogen habe. Der Beschwerdeführer beantragte, die Umsatzsteuer für 1992 mit S 0,-- und die Einkommensteuer 1992 "erklärungsgemäß vorläufig" sowie die Einkommensteuervorauszahlung 1994 mit S 0,-- festzusetzen.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab. Dies im wesentlichen mit der Begründung, in der Entscheidung des Oberlandesgerichtes Wien sei das Vorliegen der Dienstnehmereigenschaft vor allem aus der persönlichen Abhängigkeit des Kolporteurs abgeleitet worden. Das Vorliegen eines Unternehmerrisikos, das immer dann vorliege, wenn der Abgabepflichtige durch persönlichen Einsatz die Höhe seines Einkommens bzw. seiner Einkünfte maßgeblich beeinflussen könne, sei für das Arbeitsgericht und das Oberlandesgericht sowie für das Bundesministerium für Arbeit und Soziales offenbar zur Beurteilung der Dienstnehmereigenschaft nicht maßgeblich gewesen. Es bestehe somit keinerlei Bindung im Sinne des § 116 BAO an derartige Urteile bzw. Bescheide, da diese das (Nicht)Vorliegen der Dienstnehmereigenschaft keineswegs nach steuerlichen, sondern nach anderen, von diesen unterschiedlichen Normen (z.B. ASVG) zu beurteilen hätten. Schließlich habe der Verwaltungsgerichtshof bereits im Erkenntnis vom , 81/13/0190, 82/13/0053, über die Unternehmereigenschaft bzw. Einkunftsart eines für eine Vorgängergesellschaft der K-GmbH tätigen Kolporteurs zu entscheiden gehabt. Darin seien sowohl die Unternehmereigenschaft als auch die Art der Einkünfte als solche aus Gewerbebetrieb bestätigt worden. Daß die Vertragsbedingungen des damaligen Beschwerdeführers von denen des nunmehrigen Beschwerdeführers abgewichen seien, habe dieser nicht behauptet.

Der Beschwerdeführer beantragt die Aufhebung dieses Bescheides wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Unter dem Gesichtspunkt einer Verletzung von Verfahrensvorschriften rügt der Beschwerdeführer unter anderem, daß die belangte Behörde in ihrer Entscheidung offenbar von einem Sachverhalt ausgegangen sei, wie er dem vom Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom , 81/13/0190, 82/13/0053, entschiedenen Beschwerdefall zugrunde gelegen sei. Die dort getroffenen Sachverhaltsfeststellungen deckten sich jedoch nicht mit den beim Beschwerdeführer tatsächlich gegebenen Verhältnissen.

Dieser Verfahrensrüge kommt Berechtigung zu: Dem Inhalt der vorgelegten Verwaltungsakten ist zu entnehmen, daß die Abgabenbehörde von den eingereichten Abgabenerklärungen ohne Vorhalt im Sinne des § 161 Abs. 3 BAO und ohne jede Begründung im Bescheid abgewichen ist. Auch im Berufungsverfahren wurde, sei es in einer Berufungsvorentscheidung, sei es in einem ergänzenden Vorhalt, der Beschwerdeführer in keiner Weise davon in Kenntnis gesetzt, aus welchen Gründen das Finanzamt von den Abgabenerklärungen abgewichen ist, bzw. von welchem Sachverhalt bei Erlassung der Abgabenbescheide ausgegangen wurde. Erstmals im angefochtenen Bescheid erwähnt die belangte Behörde das hg. Erkenntnis vom und läßt damit erkennen, daß sie von einem Sachverhalt ausgehe, wie er diesem Beschwerdefall zugrunde lag. Damit wurde jedoch gegen den Grundsatz des Parteiengehörs (§ 115 Abs. 2 BAO) verstoßen, weil dem Beschwerdeführer keine Gelegenheit eingeräumt wurde, zu dieser Sachverhaltsannahme Stellung zu nehmen. Dieser Verfahrensmangel ist im Beschwerdefall auch wesentlich, weil der Gerichtshof bei der Frage, ob eine Tätigkeit im Rahmen eines Dienstverhältnisses oder selbständig ausgeübt wird, wiederholt ausgesprochen hat, daß stets das Gesamtbild der vereinbarten Tätigkeit maßgebend sein wird (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , 88/14/0115), weshalb unter Umständen schon geringfügige Abweichungen im Sachverhaltsbereich geeignet sein können, eine andere Beurteilung herbeizuführen (vgl. das ebenfalls zur Einkünftequalifikation eines Kolporteurs ergangene Erkenntnis vom heutigen Tag, 95/13/0220). Wenn die belangte Behörde meint, der steuerlich vertretene Beschwerdeführer habe (im Berufungsverfahren) nicht behauptet, daß die Vertragsbedingungen des Beschwerdeführers in dem mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , 81/13/0190, 82/13/0053, abgeschlossenen Verfahrens andere als des nunmehrigen Beschwerdeführers gewesen seien, so ist darauf hinzuweisen, daß der Beschwerdeführer - auch wenn er steuerlich vertreten war - hiezu keine Veranlassung hatte, weil - wie oben dargestellt - erstmals im angefochtenen Bescheid zum Ausdruck gebracht wurde, daß die Behörde von einem Sachverhalt ausgeht, wie er dem zitierten Erkenntnis vom zugrunde lag.

Die belangte Behörde hat daher Verfahrensvorschriften verletzt, bei deren Einhaltung sie zu einem anderen Bescheid hätte kommen können.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich im Rahmen des gestellten Antrages auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.