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VwGH vom 20.10.1993, 91/13/0168

VwGH vom 20.10.1993, 91/13/0168

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss und die Hofräte Dr. Pokorny, Dr. Fellner, Dr. Hargassner und Mag. Heinzl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Oberkommissärin Dr. Büsser, über die Beschwerde der F OHG in W, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland, Berufungssenat II, vom , Zl. 6/1 - 1111/91-04, betreffend einheitliche und gesonderte Gewinnfeststellung für das Jahr 1989, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in Höhe von S 11.540,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die beschwerdeführende OHG unterhielt in einem gemieteten Geschäftslokal einen gastgewerblichen Betrieb. Im Jahre 1989 kam es zwischen den Vertragspartnern des Bestandvertrages über das Geschäftslokal zu Verhandlungen über dessen Rückgabe durch die Beschwerdeführerin an den Vermieter, über deren Inhalt und Ergebnis dem mit der Betriebsprüfung der Beschwerdeführerin betrauten Organ folgende Urkunden vorgelegt wurden:

Mit Schreiben vom wurde von der Beschwerdeführerin ihrem Bestandgeber unter Bezugnahme auf vorangegangene Besprechungen angeboten, die Mietrechte per zurückzulegen und das Geschäftslokal zu diesem Zeitpunkt geräumt dem Bestandgeber zu übergeben, wofür der Bestandgeber der Beschwerdeführerin als Ablöse einen einmaligen Betrag von S 4,5 Mio. exklusive Umatzsteuer zu zahlen hätte, wobei ein Betrag von S 2,5 Mio. bei Übergabe der Mieträumlichkeiten und der Restbetrag von S 2 Mio. am fällig sein sollte. Dieses Anbot der Beschwerdeführerin sollte dem Inhalt des Schreibens vom nach bis zum gelten.

In einem am vor dem Bezirksgericht Innere Stadt Wien geschlossenen Vergleich verpflichtete sich die I.F. OHG dem Bestandgeber der Beschwerdeführerin gegenüber, das näher bezeichnete Geschäftslokal bis spätestens geräumt von jeder "beweglichen Fahrnis" unter Verzicht auf Räumungsaufschub zu übergeben.

In einem Schreiben vom teilte der beim vorgenannten Vergleichsabschluß als Rechtsvertreter der sich verpflichtenden Partei aufgetretene Rechtsanwalt der F. OHG mit, daß auf Grund deren Anbotes zur Übergabe der Mietrechte am Restaurant seitens des Bestandgebers ein Betrag von S 5,280.000,-- an ihn angewiesen worden sei, welcher Betrag sich aus S 4,4 Mio. zuzüglich 20 % Umsatzsteuer zusammensetze.

Mit Schreiben vom bestätigte der beim Vergleichsabschluß als Rechtsvertreter des Bestandgebers aufgetretene Rechtsanwalt dem Anwalt der sich verpflichtenden Partei, daß der Betrag von S 4,4 Mio. zuzüglich 20 % Umsatzsteuer, insgesamt sohin von S 5,280.000,-- als Mietrechtsablöse bezahlt worden sei.

Die Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens gehen übereinstimmend davon aus, daß die Beschwerdeführerin es war, welche sich in dem genannten Vergleich zur Räumung verpflichtet und in der Folge den in dem Anwaltsschreiben genannten Betrag als Mietrechtsablöse erhalten hatte. Streit besteht über die Frage, ob die periodengerechte Besteuerung des aus dem Erhalt der Ablösezahlung resultierenden Aufgabegewinns dessen Erfassung schon für das Jahr 1989, wie die belangte Behörde meint, oder erst für das Jahr 1990, wie die Beschwerdeführerin es ansieht, geboten hatte.

Der Betriebsprüfer, welchem das Finanzamt folgte, vertrat die Auffassung, daß die "Betriebsveräußerung" deswegen im Jahre 1989 steuerlich zu erfassen sei, weil aus den Urkunden ersehen werden könne, daß die Mietrechte mit zurückgelegt worden seien, was durch den Inhalt des gerichtlichen Vergleichs nicht widerlegt werde; es sei im Jahre 1990 auch keine Geschäftstätigkeit mehr ausgeübt worden.

In ihrer gegen den Bescheid über die einheitliche und gesonderte Gewinnfeststellung für das Jahr 1989 erhobenen Berufung widersprach die Beschwerdeführerin der behördlichen Auffassung über die Verwirklichung der Betriebsaufgabe schon im Jahre 1989 mit dem Vorbringen, daß es auf die im Zuge von Vertragsverhandlungen erstatteten Vorschläge nicht ankommen könne, weil diese lediglich den Wunsch eines Vertragspartners bekundet hätten. Der Konsens der Absichten habe erst im gerichtlichen Vergleich vom seinen Niederschlag gefunden, in welchem sich die Vertragspartner auf den als Übergabetermin geeinigt hätten; einem gerichtlichen Vergleich müsse aber höhere Beweiskraft beigemessen werden als geäußerten Vorschlägen.

Der Betriebsprüfer trat der Auffassung der Berufung mit dem Hinweis darauf entgegen, daß das Anbot vom von einer Zurücklegung der Mietrechte per ausgegangen sei; dieses Anbot sei durch Überweisung der Summe von S 5,280.000,-- angenommen worden. Im Vergleich sei über den Zeitpunkt der Übergabe der Mietrechte nicht abgesprochen, sondern nur die Räumungsverpflichtung der Beschwerdeführerin mit spätestens festgelegt worden.

Die Beschwerdeführerin erwiderte dieser Stellungnahme mit dem Standpunkt, daß die Überweisung eines Geldbetrages eine Annahmeerklärung im Regelfall nicht ersetzen könne. Zudem habe das Anbot der Beschwerdeführerin nach seinem ausdrücklichen Inhalt nur bis gegolten; die Überweisung der Summe von S 5,280.000,-- sei jedoch erst zu einem späteren Zeitpunkt erfolgt, sodaß ein Vertragsabschluß durch Anbot und Annahme gar nicht zustande gekommen sei, weshalb der Standpunkt, daß die Betriebsaufgabe am stattgefunden habe, weiterhin vertreten werde.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab. Der von der Beschwerdeführerin vorgetragenen Auffassung über die höhere Beweiskraft des gerichtlichen Vergleichs sei entgegenzusetzen, daß der Bundesabgabenordnung feste Beweisregeln fremd seien. In Würdigung des Inhalts der vorliegenden Urkunden sei tatsächlich von einer vertraglichen Einigung noch vor Abschluß des gerichtlichen Vergleiches auszugehen. Für eine solche Einigung spreche nicht nur die Überweisung eines Betrages von über S 5 Mio. durch einen Vertragspartner, sondern ebenso auch die Bereitschaft der Beschwerdeführerin zum Abschluß des Räumungsvergleichs, welcher ihren Bestandgeber zur Exekution berechtigt habe. Mit der entgeltlichen Aufgabe der Mietrechte am Lokal sei die wesentliche Geschäftsgrundlage für den gastgewerblichen Betrieb weggefallen, woran die mit dem im Vergleich terminisierte Räumungsverpflichtung nichts ändern könne. Schließlich seien im Jahre 1990 auch keine Warenumsätze getätigt, sondern lediglich die Restbestände des Warenlagers in Höhe von S 14.787,70 ins Privatvermögen entnommen worden. Der Aufgabegewinn habe daher bereits im Jahre 1989 versteuert werden müssen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Antrag, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, allenfalls jener infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben; die Beschwerdeführerin erachtet sich durch den angefochtenen Feststellungsbescheid in ihrem Recht auf periodengerechte Gewinnermittlung verletzt.

Die belangte Behörde hat Teile der Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in welcher sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Eine Aufgabe des Betriebes liegt nach herrschender Auffassung dann vor, wenn der bisherige Betriebsinhaber im Rahmen eines einheitlichen wirtschaftlichen Vorganges sich in einem Zuge mit der Aufgabe der betrieblichen Tätigkeit aller Wirtschaftsgüter des Betriebsvermögens entweder begibt oder sie in sein Privatvermögen überführt, wobei die Besteuerung des Aufgabegewinns zeitpunktbezogen in dem Jahr zu erfolgen hat, in welches der Zeitpunkt fällt, zu dem die Aufgabehandlungen bereits so weit fortgeschritten sind, daß dem Betrieb die wesentlichen Grundlagen entzogen sind (vgl. Hofstätter-Reichel,

Die Einkommensteuer, Kommentar, TZ 31 und 33 zu § 24 EStG 1988, mit jeweils weiteren Nachweisen). Bei Wirtschaftsgütern, die zwar betrieblich genutzt wurden, aber nicht im Eigentum des Betriebsinhabers standen, genügt es, um auch für sie die Voraussetzung für die Annahme der Aufgabe des Betriebes herzustellen, daß sich der Betriebsinhaber seiner Rechte begibt, die er im Zusammenhang mit seiner betrieblichen Tätigkeit hatte, wobei die für die Aufgabe solcher Rechte an ihn gezahlten Entgelte zu dem im Zuge der Betriebsaufgabe erzielten Veräußerungserlös gehören (dieselben a.a.O., TZ 31 zu § 24 EStG 1988, mit weiterem Nachweis).

Im Beschwerdefall hat die belangte Behörde den für die Verwirklichung der Betriebsaufgabe zeitlich entscheidenden Schritt in jener vertraglichen Einigung der Beschwerdeführerin mit ihrem Bestandgeber gesehen, welche die Aufgabe ihrer Bestandrechte am Lokal zum Inhalt hatte. Damit hat sie die Rechtslage verkannt. Maßgebend war nicht der Zeitpunkt der vertraglichen Einigung über die Beendigung des Bestandverhältnisses und die Rückgabe des Bestandobjekts, ebenso nicht der Zeitpunkt der Leistung der Mietrechtsablöse durch den Bestandgeber, sondern ausschließlich jener der Erfüllung der getroffenen Vereinbarung durch die Beschwerdeführerin. Erst im Zeitpunkt der tatsächlichen Übergabe des Lokals an den Bestandgeber war die Betriebsaufgabe dadurch verwirklicht, daß die Beschwerdeführerin ihrem Betrieb die essentielle Grundlage des der betriebenen Gastwirtschaft dienenden Lokals entzogen hatte.

Diesen Zeitpunkt allerdings hat die belangte Behörde, ausgehend von ihrer vom Verwaltungsgerichtshof nicht geteilten Rechtsansicht über die Maßgeblichkeit des Zeitpunkts der vertraglichen Einigung über die Bestandrechtsaufgabe, im angefochtenen Bescheid nicht festgestellt. Daß die Beschwerdeführerin im Jahre 1990 keine Warenumsätze mehr getätigt hat, spricht zwar für die Annahme, daß die Rückgabe des Lokals noch im Jahre 1989 erfolgt sein dürfte, konnte die belangte Behörde aber nicht davon entbinden, den Rückgabezeitpunkt durch geeignete Beweisaufnahmen festzustellen. Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin war dieser Zeitpunkt nicht zwingend mit dem im Vergleich festgesetzten Räumungszeitpunkt gleichzusetzen. Es enthält der gerichtliche Vergleich nämlich keine rechtsgeschäftliche Erklärung der Vertragsparteien über den Endzeitpunkt ihres Bestandverhältnisses; er schuf lediglich einen die Räumung zum sichernden Exekutionstitel und sagt nichts darüber aus, für welchen Zeitpunkt die Parteien ihr Rechtsverhältnis aufzulösen vereinbarten, und zu welchem Zeitpunkt die Beschwerdeführerin diese Vereinbarung durch Übergabe des Bestandobjekts tatsächlich erfüllt hat. Bei dem Beschwerdevorbringen, wonach auch die faktische Übergabe des Lokals erst am erfolgt sei, handelt es sich, wie die belangte Behörde in der Gegenschrift zutreffend bemerkt, um eine gemäß § 41 Abs. 1 VwGG unbeachtliche Neuerung.

Dadurch, daß die belangte Behörde in Verkennung der Rechtslage den für die Verwirklichung der Betriebsaufgabe maßgeblichen Zeitpunkt nicht festgestellt hat, erweist sich der angefochtene Bescheid als inhaltlich rechtswidrig, was zu seiner Aufhebung nach § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG führen mußte.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.