VwGH vom 19.12.2000, 99/14/0294
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss und die Hofräte Mag. Heinzl, Dr. Zorn, Dr. Robl und Dr. Büsser als Richter, im Beisein des Schriftführers MMag. Urtz, über die Beschwerde des J P in W, vertreten durch Dr. Christian Prem und Dr. Michael Mathes, Rechtsanwälte in Wien I, Falkestraße 1, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom , Zl. RV/134-16/14/99, betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) für 1995, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer machte in seiner Einkommensteuererklärung für 1995 Anwaltskosten in Höhe von S 106.000,-- als außergewöhnliche Belastung geltend. Das Finanzamt vertrat die Ansicht, dass die geltend gemachten Aufwendungen weder aus tatsächlichen, rechtlichen oder sittlichen Gründen zwangsläufig erwachsen seien und versagte deren Anerkennung als außergewöhnliche Belastung.
In einer dagegen erhobenen Berufung wandte der Beschwerdeführer ein, er sei im Zuge seiner 1979 eingereichten (Ehe)Scheidung gezwungen gewesen, auch seine vermögensrechtlichen Ansprüche gegen das "gemeinsame Unternehmen mit seinem Schwiegervater" gerichtlich geltend zu machen. Die Kosten des betreffenden Verfahrens seien grundsätzlich durch eine Rechtsschutzversicherung gedeckt gewesen. Im Jahr 1981 habe sich sein damaliger Anwalt jedoch - ohne sein Wissen und Einverständnis - in seinem Namen aus der Versicherung abfinden lassen (ehe noch der Ausgang des Prozesses absehbar gewesen sei) und habe zusätzlich weiteres Honorar verlangt, sodass ihm der Beschwerdeführer die Vollmacht habe entziehen müssen. In der Folge habe Rechtsanwalt Dr. M seine Vertretung übernommen, der die Angelegenheit mit seinem Rechtsschutzanspruch in Ordnung habe bringen wollen und sowohl seine Scheidung samt Pflegschaftsverfahren wie auch die Firmenauseinandersetzung habe zu Ende führen sollen. Letztere habe über 7 Jahre gedauert und schließlich zu keinem positiven Ende für den Beschwerdeführer geführt. Die Entscheidung des Obersten Gerichtshofes legte der Beschwerdeführer der Berufung bei. Dr. M habe - trotz laufender Akontozahlungen und des "katastrophalen Urteilsspruches" - eine umfassende Endabrechnung für seine Honorarforderung gelegt, ohne die "entsprechende Versicherung" in Anspruch zu nehmen. Der Beschwerdeführer habe inzwischen eine weitere Rechtsschutzversicherung abgeschlossen, um jedenfalls fortgesetzten Versicherungsschutz zu genießen. Der Beschwerdeführer habe sich in der Folge geweigert, der Forderung Dris. M nachzukommen, da sich dieser auftragswidrig verhalten und die Ansprüche des Beschwerdeführers gegen die Versicherung bzw. den ehemaligen Rechtsvertreter nicht durchgesetzt habe. Der in der Folge von Dr. M erhobenen Klage sei schließlich stattgegeben worden, sodass der Beschwerdeführer gezwungen gewesen sei, eine Forderung, die "eigentlich durch die Rechtsschutzversicherung gedeckt war und gegen diese erhoben werden sollte", selbst zu bezahlen. Diese Belastung stelle für den Beschwerdeführer umso mehr eine außerordentliche Lebensbürde dar, als der Beschwerdeführer bereits durch den verlorenen "Basisprozess" über Gebühr belastet worden sei und während der gesamten Prozessdauer stets für zwei Kinder allein habe sorgen müssen.
In einem nach Erlassung einer abweisenden Berufungsvorentscheidung gestellten Antrag auf Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz meinte der Beschwerdeführer, die Zwangsläufigkeit der außergewöhnlichen Ausgabe ergebe sich aus dem durch Dr. M als Kläger aufgezwungenen Gerichtsprozess bezüglich nachträglich geforderter Honoraransprüche. In der Folge stellte der Beschwerdeführer den Gang dieses Verfahrens dar, welcher letztlich zugunsten des klagenden Rechtsanwaltes geendet hat.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung ab.
Dies im Wesentlichen mit der Begründung, Prozesskosten erfüllten nach herrschender Lehre und Rechtsprechung dann das Erfordernis der Zwangsläufigkeit, wenn der Prozess dem Beschwerdeführer aufgezwungen worden sei und er schließlich in diesem Prozess obsiegt habe. Prozesskosten, die lediglich Folge der Klagsführung durch den Abgabepflichtigen, wie gegenständlich der vom Beschwerdeführer als Kläger in Gang gesetzte Rechtsstreit betreffend die Auseinandersetzung des vormals vom Beschwerdeführer mit dem ehemaligen Schwiegervater gemeinsam geführten Unternehmens, seien daher nicht als außergewöhnliche Belastung abzugsfähig. Für die Frage nach der Zwangsläufigkeit gemäß § 34 Abs 3 EStG 1988 sei unerheblich, ob die Prozesskosten (direkt) durch die Honorarforderung des Parteienvertreters oder (indirekt) durch Ausfall der Rechtsschutzversicherung entstanden seien. Entscheidend sei allein die Motivation für den Prozess und die Parteistellung des Abgabepflichtigen in diesem Prozess.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die dagegen erhobene Beschwerde erwogen:
Gemäß § 34 Abs. 2 EStG 1988 in der (auch für den Streitzeitraum) geltenden Fassung ist eine Belastung, die zu einer Ermäßigung der Einkommensteuer führt, außergewöhnlich, wenn einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse und gleicher Vermögensverhältnisse erwachsen.
Die Belastung erwächst dem Steuerpflichtigen gemäß § 34 Abs. 3 leg. cit. zwangsläufig, wenn er sich ihr aus tatsächlichen, rechtlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann.
Nach übereinstimmender Ansicht von Lehre und Rechtsprechung (vgl. Hofstätter/Reichel, Die Einkommensteuer (EStG 1988), Kommentar zu § 34 Abs. 3, Tz 1 und Quantschnigg/Schuch, Einkommensteuerhandbuch, Seite 1272 sowie die jeweils angeführte hg. Judikatur) ergibt sich aus der Bestimmung des § 34 Abs. 3 EStG mit aller Deutlichkeit, dass freiwillig getätigte Aufwendungen nach § 34 ebenso wenig Berücksichtigung finden können, wie Aufwendungen, die auf Tatsachen zurückzuführen sind, die vom Steuerpflichtigen vorsätzlich herbeigeführt wurden oder die sonst die Folge eines Verhaltens sind, zu dem sich der Steuerpflichtige aus freien Stücken entschlossen hat.
Was die Frage der Berücksichtigung von Kosten eines Zivilprozesses - um solche handelt es sich im Beschwerdefall ausschließlich - als außergewöhnliche Belastung anlangt, so vertreten Lehre und Rechtsprechung die Auffassung (vgl. Hofstätter/Reichel, § 34 EStG 1988, Einzelfälle, Stichwort "Prozesskosten" und die dort zitierte Judikatur), dass im Allgemeinen davon auszugehen ist, dass Prozesskosten deshalb nicht zwangsläufig erwachsen, weil jede Prozessführung mit dem Risiko verbunden ist, die Kosten ganz oder teilweise selbst tragen zu müssen. Eine allgemeine Regel lasse sich aber vor allem dann nicht aufstellen, wenn dem Steuerpflichtigen die Prozessführung als beklagte Partei aufgezwungen wird. Zwangsläufigkeit von Prozesskosten habe die Rechtsprechung aber stets dann verneint, wenn die Prozessführung auf Tatsachen zurückzuführen ist, die vom Steuerpflichtigen vorsätzlich herbeigeführt wurden oder die sonst die Folge eines Verhaltens sind, zu dem sich der Steuerpflichtige aus freien Stücken entschlossen hat.
Vor diesem Hintergrund zeigt der Beschwerdeführer eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides nicht auf:
Der Beschwerdeführer setzt sich in weiten Teilen der Beschwerde - zum Teil mit erstmalig in der Beschwerde vorgetragenen Sachverhaltsverhaltselementen - damit auseinander, aus welchen Gründen seiner Ansicht nach die Prozessführung gegen seinen ehemaligen Schwiegervater durch ihn als Kläger geboten gewesen, aus welchen Gründen die Klage erfolgversprechend erschienen sei und welche (rechts-)widrigen Umstände und Fehlleistungen - bezogen auf die in den Prozessen erkennenden Gerichte, die Rechtsvertreter und die Rechtsschutzversicherung zum für den Beschwerdeführer überraschenden negativen Prozessausgang und zum Entstehen der den Beschwerdeführer treffenden Kosten geführt hätten.
Diese Gründe mögen aus subjektiver Sicht des Beschwerdeführers diesen veranlasst haben, den Prozess - dessen Kosten ausschließlich streitgegenständlich sind - gegen seinen Schwiegervater zu führen bzw ebenfalls aus Sicht des Beschwerdeführers dazu geführt haben, dass der Prozess verloren wurde und die entsprechenden Aufwendungen entstanden sind. Dies ändert jedoch nichts daran, dass der "Basisprozess", aus welchem die strittigen Aufwendungen resultieren, dem Beschwerdeführer nicht - durch Klage eines Prozessgegners - aufgezwungen, sondern durch freiwillig erfolgte Klageerhebung durch den Beschwerdeführer eingeleitet wurde.
Der Ansicht des Beschwerdeführers, dass er den "Basisprozess" aus sittlichen Gründen hätte führen müssen, um vor einem unabhängigen Gericht öffentlich den wahren Sachverhalt kundzutun, damit es Kunden wie Lieferanten sowie vor allem seinen (damals noch minderjährigen) Kindern ermöglicht werde, sich (auch die Kinder mit zunehmender Reife) autark ein eigenes Urteil zu bilden, kann schon deshalb nicht gefolgt werden, weil die Sittenordnung eine Prozessführung aus diesen Gründen keineswegs gebietet.
Auch eine Verletzung von Verfahrensvorschriften behauptet der Beschwerdeführer zu Unrecht: Es trifft zwar zu, dass im angefochtenen Bescheid auch ausgeführt wird, dass die strittigen Aufwendungen aus einem Zivilrechtsstreit resultierten, in welchem der Beschwerdeführer beklagte Partei gewesen sei und in welchem entschieden worden sei, dass die Forderung des Klägers gegen den Beschwerdeführer zu Recht bestehe. Unmittelbar danach führte die belangte Behörde aber aus, dass dieser Prozess als Folgeprozess zu dem vom Beschwerdeführer in Gang gesetzten Zivilrechtsstreit mit seinem Schwiegervater anzusehen sei, welcher für den klagenden Beschwerdeführer "nicht zufrieden stellend" ausgegangen sei. Damit brachte die belangte Behörde aber unzweifelhaft und zutreffend zum Ausdruck, dass es für die Beurteilung der Frage, ob die strittigen Prozesskosten zwangsläufig erwachsen sind, entscheidend auf diesen "Basisprozess" ankommt. Gerade durch den Hinweis auf den "Basisprozess" wird klargestellt, dass es (nach Ansicht der belangten Behörde) nicht darauf ankommt, ob dem Beschwerdeführer die Prozesskosten durch den für ihn negativen Ausgang des späteren "Honorarprozesses" aufgezwungen wurden, sondern darauf, wie es zur Entstehung dieser Prozesskosten gekommen ist.
Eine Auseinandersetzung mit dem weiteren Beschwerdevorbringen, es widerspreche der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, dass neben einem aufgezwungenen Prozess auch eine weitere Voraussetzung, nämlich der erfolgreiche Abschluss dieses Prozesses treten müsse, erübrigt sich im Beschwerdefall, weil der entscheidende Prozess im gegenständlichen Fall - wie oben aufgezeigt - nicht aufgezwungen, sondern vom Beschwerdeführer durch seine eigene Klage und damit freiwillig in Gang gesetzt wurde.
Die Beschwerde erweist sich somit insgesamt als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs 1 VwGG abzuweisen war.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl Nr 416/1994.
Wien, am