VwGH vom 21.02.2007, 2003/17/0016
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gruber und die Hofräte Dr. Holeschofsky, Dr. Köhler, Dr. Zens und Dr. Zehetner als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Schiffkorn, über die Beschwerde 1. des FB und
2. der SB, beide in St. Georgen an der Gusen und beide vertreten durch Mag. Dr. Johannes Winkler, Rechtsanwalt in 4010 Linz, Landstraße 14, gegen den Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom , Zl. BauR-012622/5-2000- EiVAi, betreffend Vorschreibung eines Verkehrsflächenbeitrages (mitbeteiligte Partei: Marktgemeinde St. Georgen an der Gusen, Marktplatz 12, 4222 St. Georgen an der Gusen), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführer haben dem Land Oberösterreich Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1.1. Mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Marktgemeinde als Abgabenbehörde erster Instanz wurde den Beschwerdeführern aus Anlass der Neuerrichtung der S-Gasse gemäß § 20 Oö BauO 1994 ein Verkehrsflächenbeitrag in der Höhe von S 68.391,93 für ein durch die S-Gasse aufgeschlossenes Grundstück ("Marktplatz 11") vorgeschrieben.
1.2. Die Beschwerdeführer erhoben Berufung. Sie verwiesen darauf, dass schon anlässlich der Errichtung des Objektes Marktplatz 11 im Jahre 1966 sämtliche Beiträge zur Herstellung öffentlicher Verkehrsflächen entrichtet worden seien. Auch § 19 Abs. 3 zweiter Satz Oö BauO 1994 stütze ihren Standpunkt.
1.3. Im Rahmen des Berufungsverfahrens wurde der Polier, der mit der Leitung der Bauarbeiten in der S-Gasse betraut war, niederschriftlich zum Zustand der Straße vor den Bauarbeiten vernommen und detailliert festgestellt, welche Bauarbeiten 1995 durchgeführt worden waren sowie ein Sachverständigengutachten zu diesen Baumaßnahmen eingeholt. Auf Grund dieser Erhebungen gelangte die Berufungsbehörde zum Schluss, dass die neu errichtete Straße dem gemäß § 20 Abs. 5 Oö BauO 1994 geforderten Ausbaustandard entspreche. Der Berufung wurde daher keine Folge gegeben und der erstinstanzliche Bescheid bestätigt.
1.4. Auf Grund der Vorstellung der Beschwerdeführer erging der nunmehr angefochtene Bescheid, mit dem die belangte Behörde nach Ergänzung der Sachverhaltsfeststellungen die Vorstellung als unbegründet abwies. Begründend führt die belangte Behörde zunächst aus, dass auf vor dem verwirklichte Tatbestände, deren Anspruch auf Vorschreibung noch nicht verjährt sei, nach Art. II Abs. 5 der Bauordnungsnovelle 1998, LGBl. Nr. 70, die §§ 19 bis 22 Oö BauO 1994 in der Fassung der genannten Novelle anzuwenden seien. Nach Wiedergabe der Erläuterungen zur Novelle 1998 hinsichtlich der Klarstellung in § 19 Abs. 3 Oö BauO 1994, dass im Fall der Erneuerung einer bereits bestehenden, im Sinn des § 20 Abs. 5 erster Satz Oö BauO 1994 ausgebauten Straße der Anspruch nicht neuerlich entstehe und des Wortlauts des § 20 Abs. 5 erster Satz Oö BauO 1994 in der Fassung LGBl. Nr. 70/1998, wird dargelegt, dass aus diesen Bestimmungen folge, dass die Sanierung einer bereits bestehenden Straße sich daher rechtlich als eine Neuerrichtung darstellen könne, die die Beitragspflicht auslöse.
Der durch die Novelle 1998 neu in § 19 Abs. 3 Oö BauO 1994 eingefügte Satz ("Dies gilt nicht im Fall der Erneuerung oder Sanierung einer schon bestehenden Verkehrsfläche") schließe eine Beitragsvorschreibung nur aus, wenn die bestehende Straße schon mit mittelschwerer Befestigung (Tragkörper und Verschleißbelag) einschließlich der Niveauherstellung und der Oberflächenentwässerung ausgestattet gewesen sei. Nach Wiedergabe der Beweisergebnisse der Gemeindebehörde ging die belangte Behörde auf einen Einwand der Beschwerdeführer hinsichtlich der Beweiswürdigung ein, demzufolge der vernommene Polier über den Zustand der Straße vor den Baumaßnahmen nichts aussagen könne, da er nicht von Beginn an auf der Baustelle beschäftigt gewesen sei. Hiezu sei durch eine Stellungnahme der mitbeteiligten Marktgemeinde klargestellt worden, welche Maßnahmen vor dem Beginn der Tätigkeit des als Zeugen vernommenen Poliers auf der Baustelle gesetzt worden seien. Im Jahre 1996 seien zwar Kanalbauarbeiten an der Straße durchgeführt worden, die Straßenbauarbeiten selbst seien jedoch erst 1997 durchgeführt worden. Daraus sei ersichtlich, dass der weitaus überwiegende Teil der Straße unter der Leitung des vernommenen Poliers aufgegraben worden sei. Es sei daher von der Einholung des beantragten Sachverständigengutachtens an Hand von von den Beschwerdeführern zur Verfügung gestellten Bildern zum Vorzustand der Straße Abstand genommen worden. Es bestehe kein Grund, es nicht als erwiesen anzusehen, dass die S-Gasse vor dem 1997 erfolgten Straßenbau den Ausbauzustand nach § 20 Abs. 5 Oö BauO 1994 noch nicht aufgewiesen habe.
Zur Frage der unterbliebenen Anrechnung von Vorleistungen der Rechtsvorgänger der Beschwerdeführer wird auf den Wortlaut des § 20 Abs. 7 Oö BauO 1994 verwiesen und hervorgehoben, dass demnach der Abgabepflichtige dann, wenn solche Leistungen nicht ausreichend belegt werden können, die Erbringung der Leistungen glaubhaft zu machen habe. Die Initiative habe daher vom Abgabepflichtigen auszugehen.
1.5. Gegen diesen Bescheid erhoben die Beschwerdeführer zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der deren Behandlung mit Beschluss vom , B 45/01, ablehnte und die Beschwerde antragsgemäß dem Verwaltungsgerichtshof abtrat.
In der im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof ergänzten Beschwerde wird Rechtswidrigkeit des Inhalts und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht. Die Beschwerdeführer berufen sich insbesondere auf Unterlagen der mitbeteiligten Marktgemeinde, aus denen hervorgehe, dass die mitbeteiligte Marktgemeinde (Verhandlungsschriften und einen Bescheid betreffend den Neubau des Amtshauses) "die nunmehr geforderten Anliegerbeiträge bereits einmal im Zuge einer privatrechtlichen Vereinbarung mit den Rechtsvorgängern der Beschwerdeführer übernommen" habe.
1.6. Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.
Auch die mitbeteiligte Marktgemeinde hat in einer Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde beantragt.
2. Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
2.1. Infolge der zeitlichen Lagerung des Beschwerdefalles sind die §§ 19 und 20 Oö BauO 1994 - wie die Gemeindebehörden und die belangte Behörde zutreffend angenommen haben - in der Fassung durch die Novelle LGBl. Nr. 70/1998 anzuwenden. Sie lauten (auszugsweise):
"§ 19
Beitrag zu den Kosten der Herstellung öffentlicher
Verkehrsflächen
(1) Anlässlich der Erteilung einer Baubewilligung für den Neu- , Zu- oder Umbau von Gebäuden, die durch eine öffentliche Verkehrsfläche der Gemeinde oder des Landes (§ 8 O.ö. Straßengesetz 1991) aufgeschlossen sind, hat die Gemeinde dem Eigentümer des Bauplatzes oder des Grundstücks, auf dem das Gebäude errichtet werden soll oder schon besteht, mit Bescheid einen Beitrag zu den Kosten der Herstellung dieser öffentlichen Verkehrsfläche (Verkehrsflächenbeitrag) vorzuschreiben. Ausgenommen sind Radfahr-, Fußgänger- und Wanderwege.
(2) Wird ein Gebäude oder der Bauplatz oder das Grundstück, auf dem ein Gebäude errichtet werden soll oder schon besteht, durch mehrere öffentliche Verkehrsflächen aufgeschlossen, ist der Beitrag nur einmal zu entrichten.
(3) Wird eine öffentliche Verkehrsfläche errichtet und dadurch der Bauplatz oder das Grundstück, auf dem ein Gebäude schon besteht, aufgeschlossen, ist der Beitrag anlässlich der Errichtung der öffentlichen Verkehrsfläche vorzuschreiben. Dies gilt nicht im Fall der Erneuerung oder Sanierung einer schon bestehenden Verkehrsfläche. Abs. 1 und 2 sowie §§ 20 und 21 gelten sinngemäß.
(4) Abgabepflichtig ist derjenige, der im Zeitpunkt der Vorschreibung Eigentümer des Grundstücks ist.
..."
"§ 20
Berechnung des Verkehrsflächenbeitrags
(1) Der Beitrag ist für die Grundstücksfläche ...
...
(5) Den Einheitssatz hat die Landesregierung durch Verordnung nach den Durchschnittskosten der Herstellung einer öffentlichen Verkehrsfläche mit mittelschwerer Befestigung (Tragkörper und Verschleißbelag) einschließlich der Niveauherstellung und der Oberflächenentwässerung pro Quadratmeter festzusetzen. ...
(7) Sonstige oder frühere, insbesondere auch auf Grund privatrechtlicher Vereinbarungen oder anderer gesetzlicher Bestimmungen für die Herstellung der öffentlichen Verkehrsfläche geleistete Beiträge sind auf den Verkehrsflächenbeitrag anzurechnen, wobei die Beiträge, bezogen auf den vom Österreichischen Statistischen Zentralamt kundgemachten Verbraucherpreisindex und den Monat ihrer vollständigen Entrichtung, um jenen Prozentsatz zu ändern sind, um den sich dieser Index geändert hat. Dies gilt gegebenenfalls auch für geleistete Hand- und Zugdienste und für erbrachte Sachleistungen. Können solche sonstige oder frühere Beitragsleistungen weder von der Gemeinde noch vom Abgabepflichtigen (§ 19 Abs. 4) ausreichend belegt werden, besteht ein Anspruch des Abgabepflichtigen auf Anrechnung nur insoweit, als er die von ihm oder von seinen Rechtsvorgängern erbrachten Leistungen glaubhaft machen kann."
§ 58 Abs. 6 Oö BauO 1994 in der Stammfassung (vor LGBl. Nr. 96/2006) lautete:
"§ 58
Übergangsbestimmungen
...
(6) Der Beitrag zu den Kosten der Herstellung öffentlicher Verkehrsflächen der Gemeinde (§§ 19 und 20) ist nicht vorzuschreiben, wenn bereits nach den bisherigen Bestimmungen ein Beitrag geleistet wurde. Wurde nach den bisher geltenden §§ 20 und 21 bereits ein ermäßigter Beitrag geleistet, ist dieser Beitrag anzurechnen."
2.2. Zur Auslegung des Begriffes der Errichtung einer öffentlichen Verkehrsfläche im ersten Satz des § 19 Abs. 3 Oö BauO 1994 in der hier maßgeblichen Fassung sowie zur Auslegung des zweiten Satzes dieser Gesetzesbestimmung genügt es, gemäß § 43 Abs. 2 VwGG auf die Entscheidungsgründe des hg. Erkenntnisses vom , Zl. 2004/17/0147, zu verweisen.
Aus den dort dargelegten Gründen ist der in § 19 Abs. 3 Oö BauO 1994 umschriebene Abgabentatbestand dann gegeben, wenn Ausbaumaßnahmen technisch und wirtschaftlich der Neuerrichtung einer Verkehrsfläche gleichzusetzen sind, was voraussetzt, dass hiedurch eine solche im Ausbauzustand des § 20 Abs. 5 erster Satz Oö BauO 1994, also mit mittelschwerer Befestigung (Tragkörper und Verschleißbelag) einschließlich der Niveauherstellung und der Oberflächenentwässerung, geschaffen wird. Wird durch eine Baumaßnahme der genannte Ausbauzustand der Straße erstmals erreicht, so liegt kein Fall einer bloßen "Erneuerung oder Sanierung einer schon bestehenden Verkehrsfläche" im Sinne des zweiten Satzes des § 19 Abs. 3 Oö BauO 1994 vor.
Die Gemeindebehörden haben daher zutreffend geprüft, ob der Ausbauzustand der in Rede stehenden Straße vor Inangriffnahme der vorschreibungsgegenständlichen Straßenbauarbeiten dem im ersten Satz des § 20 Abs. 5 Oö BauO 1994 umschriebenen Standard entsprach. Die belangte Behörde hat ergänzende Erhebungen vorgenommen und Sachverhaltsfeststellungen getroffen und im Ergebnis mit dem Gemeinderat der mitbeteiligten Marktgemeinde angenommen, dass die Baumaßnahmen, aus deren Anlass die Abgabenvorschreibung erfolgte, zur erstmaligen Herstellung einer den Voraussetzungen des § 20 Abs. 5 Oö BauO 1994 entsprechenden Straße geführt hätten.
Die in der Beschwerde enthaltenen Ausführungen betreffend die Verletzung von Verfahrensvorschriften im Zusammenhang mit den genannten Sachverhaltsfeststellungen sind nicht geeignet, einen relevanten Verfahrensmangel darzutun. Einerseits ist angesichts des Zeitpunkts der Durchführung der Straßenbauarbeiten nicht erheblich, ob der vernommene Polier von Beginn der Bauarbeiten (insbesondere jener am Amtsgebäude, nach dessen Errichtung die Straßenarbeiten durchgeführt wurden) an auf der Baustelle beschäftigt war, andererseits sind die unterschwellig geäußerten Zweifel an der Qualifikation des Zeugen (der als Straßenbaupolier für die Durchführung der Arbeiten verantwortlich war) nicht geeignet, Bedenken gegen die Beweiswürdigung hervorzurufen. Im Übrigen ist den Ausführungen in der Gegenschrift der mitbeteiligten Marktgemeinde zu den Gründen, weshalb die Einholung einer Stellungnahme des mit den Hochbauarbeiten am Amtsgebäude befassten Baumeisters entbehrlich war, nichts hinzuzufügen.
Die belangte Behörde konnte daher zu Recht davon ausgehen, dass durch die 1997 durchgeführten Baumaßnahmen der Abgabentatbestand des § 19 Oö BauO 1994 verwirklicht wurde.
2.3. Im Zusammenhang mit der im Abgabenverfahren gerügten Unterlassung der Anrechnung von Leistungen der Rechtsvorgänger der Beschwerdeführer enthält die vorliegende Beschwerde nur die Hinweise auf die Verhandlungsschrift über die Sitzung des Gemeinderats der mitbeteiligten Marktgemeinde vom , der zu Folge die Gemeinde die S-Gasse als Straße und Gehsteig in ihre Verwaltung übernommen habe. Wieso sich aus diesem Umstand ergeben sollte, dass die Rechtsvorgänger der Beschwerdeführer einen Verkehrsflächenbeitrag geleistet hätten, bleibt unerfindlich. Aus der vollständigen Wiedergabe der von den Beschwerdeführern zitierten Passage des Protokolls in der Gegenschrift der mitbeteiligten Marktgemeinde ist ersichtlich, dass darin auf einen (schon damals) in der Vergangenheit liegenden Zeitpunkt Bezug genommen wird und ausdrücklich festgehalten wurde, dass die Gemeinde die Errichtungskosten getragen habe. Dass sich aus diesem Protokoll etwas für den Standpunkt der Beschwerdeführer ergeben sollte, ist daher nicht nachvollziehbar.
2.4. Aus den dargelegten Erwägungen ergibt sich, dass die Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid in ihren Rechten weder wegen der geltend gemachten noch wegen einer vom Verwaltungsgerichtshof aus eigenem aufzugreifenden Rechtswidrigkeit verletzt worden sind.
Die Beschwerde war infolgedessen gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
2.5. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.
Wien, am
Fundstelle(n):
OAAAE-61242