VwGH vom 21.09.2005, 2003/16/0510
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Steiner und die Hofräte Dr. Höfinger, Dr. Köller, Dr. Thoma und Dr. Zehetner als Richter, im Beisein des Schriftführers MMag. Twardosz, LL.M., über die Beschwerde des B in W, vertreten durch die Doralt Seist Csoklich, Rechtsanwalts-Partnerschaft in 1090 Wien, Währingerstraße 2-4, gegen den Bescheid des Präsidenten des Handelsgerichtes Wien vom , Zl. Jv 3775 - 33/03, betreffend Gerichtsgebühren, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.088,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Schriftsatz vom brachte die Beschwerdeführerin beim Handelsgericht Wien auf Grund von drei Wechseln eine Wechselmandatsklage gegen die Beklagten Josef L., Anna L. und die L-GmbH ein. Darin beantragte sie, sämtlichen beklagten Parteien zur ungeteilten Hand die Zahlung von EUR 1,121.049,99 s. A., der erst- und zweitbeklagten Partei darüber hinaus zur ungeteilten Hand die Zahlung von EUR 378.950,01 s.A., sowie sämtlichen Parteien die Zahlung näher genannter Beträge an Wechselstempel und der gerichtlich bestimmten Kosten dieses Wechselzahlungsauftrages aufzutragen. Die Beschwerdeführerin verzeichnete für die Einbringung der Wechselmandatsklage Pauschalgebühren nach TP 1 GGG inklusive eines 15 %igen Streitgenossenzuschlages in Höhe von EUR 22.435,35.
Da von der Kostenbeamtin bei der Berechnung der Pauschalgebühr irrtümlich ein zu hoher Streitwert angesetzt worden war, wurde am ein Betrag von EUR 32.962,-- vom Gebührenkonto des Beschwerdeführervertreters eingezogen. In der Folge wurde der Differenzbetrag von EUR 10.526,65 zurückbezahlt.
Mit Eingabe vom brachte die Beschwerdeführerin eine "Klagsberichtigung" ein, in welcher sie - im Hinblick darauf, dass der begehrte gemeinsame Wechselzahlungsauftrag nicht zulässig sei - nunmehr gegen jeden einzelnen der Beklagten die Erlassung eines gesonderten Wechselzahlungsauftrages beantragte. Die Beschwerdeführerin ersuchte, die Differenz auf die bereits mit EUR 22.435,35 entrichtete Pauschalgebühr, die sich durch die getrennte Geltendmachung der Ansprüche ergeben habe, nämlich EUR 31.544,25, von dem genannten Gebührenkonto einzuziehen.
Die belangte Behörde zog daraufhin am weitere Pauschalgebühren in Höhe von EUR 19.509,-- und EUR 14.962,-- von dem genannten Gebührenkonto ein.
Mit Rückzahlungsantrag vom begehrte die Beschwerdeführerin die Rückzahlung des bei Einbringung der Klage durch Gebühreneinzug entrichteten Streitgenossenzuschlages in Höhe von EUR 2.926,35. Nach den Berechnungen der Beschwerdeführerin betrage die für die getrennten Wechselmandatsklagen anfallende Pauschalgebühr für die Klage gegen Josef L. EUR 19.509,--, für die Klage gegen Anna L. EUR 19.509,-- und für die Klage gegen die L-GmbH EUR 14.962,--. Daraus ergebe sich ein Gesamtbetrag von EUR 53.980,--. Streitgenossenzuschläge gemäß § 19a GGG würden bei dieser Berechnung nicht anfallen, weil es sich um drei getrennte Wechselmandatsverfahren ohne Streitgenossen handle. Die Differenz zwischen dem vom Gericht insgesamt eingezogenen Betrag in Höhe von EUR 67.433,-- und der für diese drei getrennten Wechselmandatsklagen anfallenden Pauschalgebühr von EUR 53.980,-- betrage EUR 13.453,--. Das Handelsgericht Wien habe per lediglich einen Betrag von EUR 10.526,65 rückgebucht. Der restliche Betrag in Höhe von EUR 2.926,35 sei bisher nicht gut geschrieben worden.
Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde dem Rückzahlungsantrag nicht statt und führte begründend aus, der Anspruch des Bundes auf die Gebühr werde hinsichtlich der Pauschalgebühren für das zivilgerichtliche Verfahren erster Instanz mit der Überreichung der Klage begründet. Die Beschwerdeführerin habe eine Wechselmandatsklage gegen drei Beklagte eingebracht. Das Gerichtsgebührengesetz knüpfe an formale äußere Tatbestände an. Ausschlaggebend für die Berechnung der Pauschalgebühr sei der Zeitpunkt der Einbringung der Klage. Zu diesem Zeitpunkt habe sich die Klage auf drei Beklagte bezogen, was eine Berechnung des Streitgenossenzuschlages nach sich gezogen habe. Der Ermäßigungstatbestand der Anmerkung 3 zu Tarifpost 1 GGG finde keine Anwendung, da die Klage gegen die Zweit- und Drittbeklagte weder vor Zustellung an den Verfahrensgegner zurückgezogen, noch von vornherein zurückgewiesen worden sei.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Verwaltungsgerichtshofbeschwerde wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes. Die Beschwerdeführerin erachtet sich in ihrem Recht "auf korrekte Vorschreibung der Pauschalgebühren nach dem Gerichtsgebührengesetz, insbesondere auf die Nichtvorschreibung von Streitgenossenzuschlägen, ferner auf Anwendung des Ermäßigungstatbestandes gemäß Anmerkung 3 zu TP 1 GGG sowie auf Rückzahlung zu viel entrichteter Gerichtsgebühren" verletzt.
Die belangte Behörde legte die Akten des Gerichts- und Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet begehrte.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß TP 1 GGG (in der im Beschwerdefall anzuwendenden Fassung) betragen die Pauschalgebühren in zivilgerichtlichen Verfahren erster Instanz bei einem Wert des Streitgegenstandes über EUR 363.360,-- 1,2 % vom jeweiligen Streitwert zuzüglich EUR 1.509,--.
Gemäß § 19a GGG erhöhen sich die in den Tarifposten 1 bis 4 angeführten Gebühren, u.a. wenn in einer Rechtssache mehrere Personen gemeinsam einen Anspruch gerichtlich geltend machen oder gerichtlich in Anspruch genommen werden. Die Erhöhung beträgt 10 %, wenn zumindest auf einer Seite zwei Streitgenossen (Antragsteller, Antragsgegner) vorhanden sind, und 5 % für jeden weiteren Streitgenossen (Antragsteller, Antragsgegner).
Wird die Klage vor Zustellung an den Verfahrensgegner zurückgezogen, so ermäßigen sich die Pauschalgebühren gemäß Anmerkung 3 zu TP 1 GGG auf ein Viertel. Das Gleiche gilt auch, wenn die Klage von Vornherein zurückgezogen wird. Bereits entrichtete Mehrbeträge sind zurückzuzahlen.
Gemäß § 2 Z 1 lit. a GGG wird der Anspruch des Bundes auf die Pauschalgebühr für das zivilgerichtliche Verfahren erster Instanz u. a. mit der Überreichung der Klage begründet. Die Klagserhebung ist ein formaler, äußerer Tatbestand, der die Gerichtsgebührenpflicht begründet (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2001/16/0601).
Gemäß § 235 Abs. 5 ZPO ist es weder eine Änderung der Klage noch eine Änderung der Partei, wenn die Parteibezeichnung auf diejenige Person richtig gestellt wird, von der oder gegen die nach dem Inhalt der Klage in einer jeden Zweifel ausschließenden Weise, etwa durch die Anführung der Bezeichnung ihres Unternehmens, das Klagebegehren erhoben worden ist. Eine solche Berichtigung ist in jeder Lage des Verfahrens auf Antrag oder von Amts wegen vorzunehmen, gegebenenfalls durch die Anwendung der §§ 84 und 85 ZPO.
Die Beschwerdeführerin wendet sich gegen die Vorschreibung des Streitgenossenzuschlages mit dem Vorbringen, dass durch die Trennung der Wechselmandatsklagen ohnedies noch weit höhere Gebühren angefallen seien, als für die ursprüngliche Klage samt Streitgenossenzuschlag. Diese sei auch deswegen unzulässig, weil mit dem Streitgenossenzuschlag der erhöhte Verwaltungsaufwand für Verfahren, die mehr als zwei Parteien betreffen, abgedeckt werden soll. Dieser Aufwand sei aber im Beschwerdefall nicht entstanden.
Damit verkennt sie aber, dass nach ständiger Rechtsprechung die Gerichtsgebührenpflicht bewusst an formale äußere Tatbestände anknüpft, um eine möglichst einfache Handhabung des Gesetzes zu gewährleisten. Eine ausdehnende oder einschränkende Auslegung des Gesetzes, die sich vom Wortlaut insoweit entfernt, als sie über das Fehlen eines Elementes des im Gesetz umschriebenen Tatbestandes, an den die Gebührenpflicht oder die Ausnahme hievon geknüpft ist, hinwegsieht, würde diesem Prinzip nicht gerecht werden. Es geht auch nicht an, im Wege der Analogie einen vom Gesetzgeber nicht vorgesehenen Ausnahmetatbestand zu begründen (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2003/16/0469 m. w.N.). Im Beschwerdefall entstand daher der Gebührenanspruch zum Zeitpunkt der Einbringung der Klage, die sich gegen drei beklagte Parteien richtete, sodass die Vorschreibung des Streitgenossenzuschlages dem Grunde nach zu Recht erfolgte.
Die Beschwerdeführerin ist jedoch im Recht, wenn sie sich auch gegen die Höhe des Streitgenossenzuschlages wendet und vorbringt, dieser wäre zumindest um drei Viertel zu reduzieren gewesen.
Im Beschwerdefall hat die Beschwerdeführerin nämlich noch vor Zustellung ihrer Wechselmandatsklage an die Verfahrensgegner diese dahingehend "berichtigt", dass sie diese unter Abstandnahme der Geltendmachung einer Solidarhaftung gegen sämtliche ehemals Beklagten nur mehr gegen den Erstbeklagten gerichtet hat. Gleichzeitig hat sie gegen die frühere Zweit- und Drittbeklagte jeweils eine eigene Wechselmandatsklage eingebracht. Dies stellt aber im Ergebnis eine teilweise Zurückziehung der Klage dar, die gemäß Anm. 3 zur TP 1 GGG zu einer Ermäßigung der bereits entrichteten und auf die zweit- und drittbeklagten Parteien anteilsmäßig entfallenden Pauschalgebühren auf ein Viertel führt.
Indem die belangte Behörde dies verkannte, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.
Die Kostenentscheidung stützt sich im Rahmen des gestellten Antrages auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.
Wien, am