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VwGH vom 15.11.2000, 97/08/0120

VwGH vom 15.11.2000, 97/08/0120

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Knell und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Sulyok, Dr. Nowakowski und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hackl, über die Beschwerde des A in Z, vertreten durch Dr. Wolfgang Rohringer, Rechtsanwalt in 5580 Tamsweg, Untere Postgasse 115, gegen den Bescheid des unabhängigen Verwaltungssenates Salzburg vom , Zl. UVS-15/36/2-1996, betreffend Kostenbeitrag nach § 17 des Salzburger Behindertengesetzes 1981, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Salzburg hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 13.790,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit "Vergleich" vor der Bezirkshauptmannschaft Tamsweg vom verpflichtete sich der Beschwerdeführer, dem Land Salzburg als Träger des für den Sohn des Beschwerdeführers R.Z. erwachsenden Behindertenhilfeaufwandes ab 9/92 für die Dauer der Hilfeleistung einen Kostenersatz von S 2.500,-- zu leisten.

In den "Vergleich" wurde folgende Feststellung aufgenommen:

"Dieser Vergleich hat gemäß § 46 (1) des Salzburger Sozialhilfegesetzes, LGBl. Nr. 19/75 die Wirkung eines gerichtlichen Vergleiches und ist sofort vollstreckbar."

Auf Grund dieser Verpflichtungserklärung leistete der Beschwerdeführer einen monatlichen Kostenbeitrag von S 2.500,-- bis zum Jänner 1994, stellte jedoch ab Februar 1994 die Zahlungen ein, weil er die Auffassung vertrat, durch die rückwirkende Zuerkennung eines Pflegegeldes der Stufe 7 ab Juli 1993 im Jänner 1994 und die Weiterleitung von 60 % des Pflegegeldes an den Träger der Behindertenhilfe sei eine völlig neue Situation entstanden. Der Beschwerdeführer ersuchte die Bezirkshauptmannschaft Tamsweg am , "diese neue Sachlage Ihrer Betrachtungsweise zu Grunde zu legen, wobei wir eine bescheidmäßige Nachricht erwarten."

Am beantragte das Bundesland Salzburg gegen den Beschwerdeführer auf Grund des "Vergleiches der Bezirkshauptmannschaft Tamsweg vom " die Bewilligung der Exekution auf Geldforderungen. In Ansehung der mit Beschluss des Bezirksgerichts Tamsweg vom gleichen Tage bewilligten Exekution erhob der Beschwerdeführer gegen den geltend gemachten Anspruch am bei der Bezirkshauptmannschaft Tamsweg Einwendungen, weil der genannte Vergleich "aufgekündigt" und die "Bestätigung der Vollstreckbarkeit gesetzwidrig und irrtümlich" erteilt worden sei.

Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Tamsweg vom wurde der Beschwerdeführer - ohne dass über sein Oppositionsgesuch vom entschieden worden wäre - verpflichtet, ab dem "auf die Dauer des Vorliegens der gesetzlichen Voraussetzungen" gemäß § 17 des Salzburger Behindertengesetzes 1981 einen monatlichen Kostenbeitrag von S 3.400,-- zu leisten.

Der dagegen erhobenen Berufung gab die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid keine Folge, wobei sie den Spruch des angefochtenen Bescheides mit der Maßgabe bestätigte, dass nach den Worten "ist verpflichtet" die Worte "zu den Kosten der Eingliederungshilfe für R.Z., geboren " einzufügen seien.

Die belangte Behörde führte begründend aus, dass der schwerstbehinderte Sohn des Beschwerdeführers seit Herbst 1992 in der Regel von Montag bis Freitag in den Einrichtungen der Lebenshilfe Tamsweg untergebracht sei. Gemäß § 17 Abs. 1 des Salzburger Behindertengesetzes 1981, LGBl. Nr. 93, hätten die für den Behinderten gesetzlich unterhaltspflichtigen Personen zu den Kosten der Eingliederungshilfe beizutragen. Gemäß § 17 Abs. 3 leg. cit. gälten für diese Kostenbeiträge die Bestimmungen des 9. Abschnittes des Salzburger Sozialhilfegesetzes. Nach § 46 des Salzburger Sozialhilfegesetzes sei über Ersatzansprüche im Verwaltungsweg zu entscheiden. Die Berechnung eines zumutbaren Kostenbeitrages von S 3.400,-- entspreche einem Erlass der Salzburger Landesregierung, dem der Beschwerdeführer nicht sein eigenes Berechnungsmodell nach den Bestimmungen des ABGB entgegenstellen könne.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der die Behandlung der Beschwerde mit Beschluss vom , B 2695/96, ablehnte und diese dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:

Die Beschwerde macht - wie bereits die Berufung - geltend, dass der Ersatzanspruch (Kostenbeitragsanspruch) des Sozialhilfeträgers auf einer Legalzession der Unterhaltsansprüche des Hilfeempfängers (des Empfängers der Eingliederungshilfe nach dem Salzburger Behindertengesetz 1981) gegenüber dem Beschwerdeführer als unterhaltspflichtigem Vater beruhe. Das bedeute, dass der Anspruch erst dann auf den Sozialhilfeträger übergehen könne, wenn dem Beschwerdeführer der Forderungsübergang schriftlich angezeigt werde. Darüber hinaus werde der Beschwerdeführer dadurch in seinen Rechten verletzt, dass über einen familienrechtlichen Unterhaltsanspruch nicht von einem ordentlichen Gericht, sondern von einer Verwaltungsbehörde entschieden worden sei.

Der § 17 des Salzburger Behindertengesetzes 1981, LGBl. Nr. 93, lautet:

"§ 17. (1) Der Behinderte sowie die für ihn gesetzlich unterhaltspflichtigen Personen haben zu den Kosten der Eingliederungshilfe mit Ausnahme der Hilfe durch geschützte Arbeit entsprechend ihrer finanziellen Leistungskraft im Rahmen ihrer gesetzlichen Unterhaltspflicht beizutragen. Als gesetzlich unterhaltspflichtige Personen im Sinne dieses Gesetzes haben nur der Ehegatte (frühere Ehegatte) sowie die im ersten Grad Verwandten des Behinderten zu gelten. Erreichte das Ausmaß des Kostenbeitrages die Gesamtkosten der Hilfeleistung, kommt eine solche nicht in Betracht. Von einem Kostenbeitrag kann insoweit abgesehen werden, als dadurch der Erfolg der Hilfeleistung gefährdet oder ihrer Zielsetzung widersprochen würde.

(2) Die gemäß Abs. 1 beitragspflichtigen Personen sind zu einem nachträglichen Kostenbeitrag nur verpflichtet, wenn nachträglich bekannt wird, dass sie zur Zeit der Durchführung der Hilfeleistung zu Beitragsleistungen hätten herangezogen werden können.

(3) Für diese Kostenbeiträge und den Ersatz der Kosten der Eingliederungshilfe durch Dritte gelten, soweit nicht anderes bestimmt ist, die Bestimmungen des 9. Abschnittes des Sozialhilfegesetzes."

Die hier maßgeblichen Bestimmungen des 9. Abschnittes des Salzburger Sozialhilfegesetzes, LGBl. Nr. 19/1975, in der Fassung LGBl. Nr. 27/1994, lauten:

"§ 42. Für Leistungen zur Sicherung des Lebensbedarfes ist nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen vom Empfänger der Hilfe, seinen Erben, seinen unterhaltspflichtigen Angehörigen und von Dritten Ersatz zu leisten, gegen die der Sozialhilfeempfänger Rechtsansprüche besitzt, aus denen er seinen Lebensbedarf ganz oder teilweise decken kann.

(...)

§ 44. (1) Unterhaltsansprüche gegen Angehörige, deren Einkommen nicht gemäß § 12 Abs. 4 Berücksichtigung zu finden hat, und sonstige Rechtsansprüche des Sozialhilfeempfängers gegenüber Dritten, aus denen er seinen Lebensbedarf ganz oder teilweise decken kann, gehen für die Dauer der Hilfeleistung bis zur Höhe der Kosten auf den Sozialhilfeträger über, sobald dieser dem Dritten hievon schriftlich Anzeige erstattet. Mit Zustellung der schriftlichen Anzeige an den leistungspflichtigen Dritten ist der Sozialhilfeträger berechtigt, ohne Zutun des Sozialhilfeempfängers dessen Leistungsanspruch gegenüber dem Dritten allein geltend zu machen. Ersatzansprüche nach den Bestimmungen des Zivilrechtes (§ 1042 Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch) bleiben davon unberührt.

(2) ...

(...)

§ 46. (1) Über die Ersatzansprüche nach §§ 8 Abs. 4, 43 und 44 ist im Verwaltungsweg zu entscheiden.

(2) Über Berufungen gegen gemäß Abs. 1 erlassene Bescheide entscheidet der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Salzburg."

Das Beschwerdevorbringen, welches aus diesen Bestimmungen abzuleiten sucht, der Beitrag der gesetzlich unterhaltspflichtigen Personen zu den Kosten der Eingliederungshilfe im Rahmen ihrer gesetzlichen Unterhaltspflicht könne und müsse in der in § 17 Abs. 3 Salzburger Behindertengesetz i.V.m. § 44 Abs. 1 Salzburger Sozialhilfegesetz vorgesehenen Weise im Wege einer Legalzession geleistet werden, übersieht, dass dem Träger der Behindertenhilfe die Möglichkeit offen steht, den Kostenbeitragspflichtigen einen laufenden (monatlichen) Kostenbeitrag "entsprechend ihrer finanziellen Leistungskraft im Rahmen ihrer gesetzlichen Unterhaltspflicht" (§ 17 Abs. 1 Salzburger Behindertengesetz) im Verwaltungsweg (§ 17 Abs. 3 leg. cit. i.V.m. § 46 Abs. 1 Salzburger Sozialhilfegesetz) aufzuerlegen. Diesen Weg hat die belangte Behörde beschritten. Es kann dahingestellt bleiben, ob ihr die in § 44 Abs. 1 Salzburger Sozialhilfegesetz für die Fälle des Kostenersatzes im Bereich der Sozialhilfe vorgesehene Legalzession im Bereich der Behindertenhilfe überhaupt offen stünde.

Der Beschwerdeführer macht jedoch zu Recht geltend, der auferlegte Kostenbeitrag von S 3.400,-- monatlich sei nicht "im Rahmen meiner Unterhaltspflicht, sondern nach einem Erlass des Amtes der Salzburger Landesregierung" berechnet worden. Nach seinen in der Berufung angestellten Überlegungen könne von ihm im Hinblick auf seine Unterhaltsnaturalleistungen an seinen Sohn äußerstenfalls S 1.500,-- monatlich gefordert werden.

Die Kostenersatzpflicht des § 17 Abs. 3 Salzburger Behindertengesetz ist (wie dies auch in ähnlichen Bestimmungen der Sozialhilfegesetze vorgesehen ist) dem Grund und der Höhe nach von drei Faktoren abhängig: Zum einen muss der (dem Grunde nach) Unterhaltspflichtige jedenfalls nur in dem Umfang und für den Zeitraum Ersatz leisten, als auf Grund von Bestimmungen des Salzburger Behindertengesetzes Hilfeleistungen zur Deckung eines Bedarfes des Unterhaltsberechtigten rechtens erbracht wurden. Die zweite Grenze der Ersatzpflicht ergibt sich aus der Unterhaltspflicht selbst: Mit der Wendung "im Rahmen ihrer gesetzlichen Unterhaltspflicht" in § 17 Abs. 1 Salzburger Behindertengesetz verweist das Gesetz auf die Vorschriften des Bürgerlichen Rechts über die Unterhaltsverpflichtung. Die öffentlich-rechtliche Ersatzpflicht knüpft dem Grund und der Höhe nach an die privatrechtliche Unterhaltsverpflichtung an und findet somit darin auch grundsätzlich ihre Grenze (vgl. die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 86/11/0058, und vom , Zl. 96/08/0236, mit Hinweisen auf die Vorjudikatur). Das Bestehen eines solchen Unterhaltsanspruchs des Sozialhilfeempfängers ist daher von den Sozialhilfebehörden als Vorfrage zu beurteilen. Eine dritte Begrenzung der Kostenbeitragspflicht ist schließlich dadurch gegeben, dass der Beschwerdeführer nur entsprechend seiner finanziellen Leistungskraft im Zeitpunkt der diesbezüglichen Entscheidung zu den Kosten der Eingliederungshilfe beizutragen hat (vgl. hiezu Pfeil, Österreichisches Sozialhilferecht, 526).

Die belangte Behörde traf - vom Beschwerdeführer nicht bestrittene - Feststellungen über die für die Unterbringung des Sohnes des Beschwerdeführers in den Jahren 1994 und 1995 aufgewendeten Kosten von durchschnittlich S 41.575,-- monatlich, stellte diesen Kosten die Zahlungen aus dem Titel des Pflegegeldes von S 12.600,-- monatlich gegenüber und verwies zur Berechnung der Unterhaltspflicht auf den erstinstanzlichen Bescheid. Dieser wiederum geht von einem "anrechenbaren" Monatseinkommen des Beschwerdeführers von S 29.744,40 aus und gelangt - offenbar in Anwendung eines nicht näher konkretisierten Erlasses der Salzburger Landesregierung - nach Abzug pauschalierter Aufwendungen für Leben und Wohnung, Berücksichtigung eines "Arbeitnehmerfreibetrages" und eines "Familienfaktors" sowie unter Hinzurechnung eines "Familienbeihilfeanteils" von 60 % (unter Annahme einer "tatsächlichen Aufenthaltszeit zu Hause" von ca. 35 %) zu einem gerundeten "Kostenbeitrag" von S 3.400,--.

Mit diesen Feststellungen und Berechnungsmethoden wird die belangte Behörde den erwähnten Bestimmungen über die Ermittlung des gesetzlichen Unterhaltsanspruches unter Berücksichtigung der hiezu ergangenen Judikatur nicht gerecht. Die belangte Behörde, die diese Frage wie erwähnt als Vorfrage zu lösen hat, müsste ausgehend davon, dass den Kindern von ihren Eltern gemäß § 140 ABGB der angemessene und nicht nur der notwendige Unterhalt gebührt ( = AnwBl 1997, 748 (Prohaska)), zunächst die Bemessungsgrundlage ermitteln (vgl. z.B. Dittrich/Tades ABGB35 E. 253 ff zu § 140) und sodann den Unterhaltsanspruch nach den aus dem Gesetz ableitbaren Maßstäben (vgl. hiezu die von der Judikatur entwickelten Prozentsätze, aaO E. 1374 ff) unter allfälliger Anrechnung von gerechtfertigten Naturalleistungen (aaO E. 142 ff) berechnen.

Sollte die vom Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom , B 3419/95, genannte Voraussetzung einer Unterbringung des Unterhaltsberechtigten, durch die sein Lebensunterhalt "vollends gesichert" ist (also einer Unterbringung, die alle Lebenshaltungskosten inklusive Verpflegung, Kleidung und weitere Anliegen deckt), im vorliegenden Fall nicht gegeben sein, so wäre dies bei der Frage der Abschöpfung der Familienbeihilfe beim unterhaltspflichtigen Angehörigen zu berücksichtigen (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 95/08/0128).

Weil die belangte Behörde die Voraussetzungen für die Bemessung der Kostenersatzpflicht verkannt hat, war der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

Für die ebenfalls vorzunehmende Entscheidung über das Oppositionsgesuch des Beschwerdeführers ist anzumerken, dass im Zeitpunkt des Abschlusses des "Vergleichs" vom der § 46 des Salzburger Sozialhilfegesetzes (auf welchen sich das beim Vergleich verwendete Formular im Schlusssatz noch bezieht) nicht mehr den Inhalt hatte, dass Vergleichen über Ersatzansprüche die Wirkung gerichtlicher Vergleiche zukommt (vgl. die gemäß ihrem Artikel II Abs. 1 bereits mit Beginn der Kundmachung folgenden Monats in Kraft getretene Novelle des § 46 Salzburger Sozialhilfegesetz durch LGBl. Nr. 40/1991). Der als "Vergleich" bezeichneten Vereinbarung vom kam somit bereits im Zeitpunkt ihres Abschlusses weder die Wirkung eines Exekutionstitels, noch die eines verwaltungsrechtlichen Vertrages (vgl. dazu Antoniolli/Koja, Allgemeines Verwaltungsrecht3, 537) zu.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers, BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am