VwGH vom 23.11.2005, 2003/16/0503
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Steiner und die Hofräte Dr. Höfinger, Dr. Köller, Dr. Thoma und Dr. Zehetner als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Stummer, über die Beschwerde der H GmbH & Co KG, vertreten durch Waldbauer & Paumgarten & Naschberger Rechtsanwälte Partnerschaft in 6332 Kufstein, Josef-Egger-Straße 3, gegen den Gemeinderat der Gemeinde S wegen Verletzung der Entscheidungspflicht in einer Getränkesteuerangelegenheit, zu Recht erkannt:
Spruch
Der Antrag der Beschwerdeführerin vom , der Gemeinderat der Gemeinde S möge als sachlich in Betracht kommende Oberbehörde an Stelle des Gemeindevorstandes der Gemeinde S über den Vorlageantrag der Beschwerdeführerin vom in der Sache selbst erkennen, wird als unzulässig zurückgewiesen.
Die Gemeinde S hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid vom wies der Bürgermeister der Gemeinde S Anträge auf Rückzahlung von Steuern auf alkoholische Getränke betreffend den Abgabenzeitraum 1995 bis 1999 ab. Die Beschwerdeführerin erhob dagegen mit Schriftsatz vom Berufung. Nach Ergehen einer abweisenden Berufungsvorentscheidung vom stellte die Beschwerdeführerin am einen Vorlageantrag. Am richtete die Beschwerdeführerin an den Gemeinderat der Gemeinde S einen "Devolutionsantrag gemäß § 73 Abs. 2 AVG" mit der Begründung, der Gemeindevorstand der Gemeinde S habe bislang über den Vorlageantrag nicht entschieden. Mit Bescheid des Gemeinderates der Gemeinde S vom wurde das Verfahren über den Vorlageantrag im Hinblick auf das beim EuGH anhängige Verfahren bezüglich der Getränkesteuer aus verfahrensökonomischen Gründen ausgesetzt. Mit Bescheid vom gab die Tiroler Landesregierung der dagegen erhobenen Vorstellung Folge und behob den Aussetzungsbescheid des Gemeinderates.
Mit der vorliegenden, am zur Post gegebenen Säumnisbeschwerde begehrte die Beschwerdeführerin, der Verwaltungsgerichtshof möge in Stattgebung der Säumnisbeschwerde über den Devolutionsantrag vom , mit welchem beantragt worden sei, der Gemeinderat der Gemeinde S möge als sachlich in Betracht kommende Oberbehörde an Stelle des Gemeindevorstandes der Gemeinde S über die Vorlage der Berufung der Beschwerdeführerin vom in der Sache selbst erkennen, der Berufung antragsgemäß stattgeben und die bezahlte Steuer auf alkoholische Getränke für den geltend gemachten Zeitraum zurückerstatten.
Die Beschwerdeführerin erachtete sich "dadurch, dass die belangte Behörde seit , zumindest seit , bis heute nicht über den Devolutionsantrag entschieden hat, obwohl ihr dies möglich gewesen wäre", in ihrem subjektiven Recht auf Entscheidung verletzt.
Die belangte Behörde stellte nicht in Abrede, dass innerhalb der sechsmonatigen Entscheidungsfrist keine Entscheidung über den Devolutionsantrag der Beschwerdeführerin ergangen ist und legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor.
Mit Verfügung vom gab der Verwaltungsgerichtshof dem Antrag des Gemeinderates der Gemeinde S, die Frist zur Bescheiderlassung bis zum zu verlängern, statt. Ergänzend wurde unter Hinweis auf § 234 TLAO ausgeführt, dass - anders als im Anwendungsbereich des AVG - in Abgabenverfahren eine Devolution nur gegen die Säumnis der Abgabenbehörde erster Instanz an die Abgabenbehörde zweiter Instanz vorgesehen sei. Ein unzulässig gestellter Devolutionsantrag sei daher nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes zurückzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 1 Abs. 1 lit. a der Tiroler Landesabgabenordnung (TLAO) gilt dieses Gesetz in Angelegenheiten der nicht bundesgesetzlich geregelten öffentlichen Abgaben des Landes und der Gemeinden, mit Ausnahme der Verwaltungsabgaben. Gemäß § 1 Abs. 2 TLAO gilt dieses Gesetz weiters für die Erstattung von Abgaben und Beiträgen sinngemäß, soweit in anderen Abgabengesetzen nichts anderes bestimmt ist.
§ 48 TLAO sieht vor, dass sich die sachliche und örtliche Zuständigkeit der Abgabenbehörden nach den Vorschriften über ihren Wirkungsbereich und nach den Abgabenvorschriften richtet.
Das Tiroler Getränke- und Speiseeissteuergesetz 1993, LGBl. Nr. 88/1993 idF LGBl. Nr. 53/1998 enthält keine Vorschriften über die örtliche und sachliche Zuständigkeit von Abgabenbehörden.
Gemäß § 49 TLAO ist in Angelegenheiten der Gemeindeabgaben in erster Instanz der Bürgermeister (mit Ausnahme der Abgabenangelegenheiten der Landeshauptstadt Innsbruck) und in zweiter Instanz der Gemeindevorstand (Stadtrat) sachlich zuständig, so die in § 48 TLAO erwähnten Vorschriften keine Bestimmungen über die sachliche Zuständigkeit enthalten.
Die Abgabenbehörden sind verpflichtet, über die in Abgabenvorschriften vorgesehenen anbringen der Parteien ohne unnötigen Aufschub zu entscheiden (§ 234 Abs. 1 TLAO).
Wird einer Partei ein Bescheid der Abgabenbehörde erster Instanz nicht innerhalb von sechs Monaten nach dem Einlangen des Anbringens bekannt gegeben, geht gemäß § 234 Abs. 2 TLAO auf ihr schriftliches Verlangen die Zuständigkeit zur Entscheidung auf die Abgabenbehörde zweiter Instanz über. Für Bescheide, die auf Grund von Abgabenerklärungen zu erlassen sind, beträgt die Frist ein Jahr.
Anders als im Anwendungsbereich des AVG ist in Abgabenverfahren eine Devolution somit nur gegen die Säumnis der Abgabenbehörde erster Instanz an die Abgabenbehörde zweiter Instanz vorgesehen (vgl. auch § 311 BAO). Im Beschwerdefall wurde mit dem Devolutionsantrag jedoch eine Säumnis der Abgabenbehörde zweiter Instanz geltend gemacht. Der Devolutionsantrag vom war daher als unzulässig zurückzuweisen.
Hinsichtlich des in der Beschwerde angeführten hg. Beschlusses vom , Zl. 2001/16/0517, wird angemerkt, dass dieser keine über den damaligen Beschwerdefall hinausgehende Bedeutung entfaltet hat.
Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf den §§ 47 ff VwGG i.V.m. § 3 Abs. 2 der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.
Wien, am