VwGH vom 22.03.1993, 91/13/0134
Beachte
Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):
91/13/0135
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde des J in H, vertreten durch Dr. P, Rechtsanwalt in W, gegen die Bescheide der FLD für Wien, NÖ und Bgld 1) vom , Zl. GA 6/4-4211/89-01, betreffend Änderung der Bilanzen zum und zum , und 2) vom , Zl. GA 6/4-4212/89-01, betreffend Abweisung des Antrages auf Wiederaufnahme des Verfahrens hinsichtlich ESt- und GewSt für 1986 und 1987 (Berufungssenat VII), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer, der ein Müllabfuhr- und Transportunternehmen betreibt und seinen Gewinn durch Betriebsvermögensvergleich ermittelt, ersuchte mit Schriftsatz vom um Wiederaufnahme des Verfahrens hinsichtlich der erklärungsgemäß veranlagten und bereits in Rechtskraft erwachsenen Einkommen- und Gewerbesteuerbescheide für die Jahre 1986 und 1987. Als Wiederaufnahmegrund führte der Beschwerdeführer an, sein steuerlicher Vertreter hätte die Investitionsrücklagen zu niedrig ausgewiesen, weshalb sowohl Einkommen- als auch Gewerbesteuer für die beiden Jahre mit zu hohen Beträgen vorgeschrieben worden seien. Ergänzend wies der Beschwerdeführer noch darauf hin, daß er die Investitionsbegünstigungen nicht aus gewinnpolitischen Gründen, sondern im Hinblick auf die in den Folgejahren vorzunehmenden Investitionen gebildet habe.
In einer am beim Finanzamt eingelangten Eingabe beantragte der Beschwerdeführer die Änderung der Bilanzen zum und zum mit dem Begehren, die Investitionsrücklagen auf Basis des laufenden Gewinnes vor Gewerbesteuerrückstellung und vor Abzug der vorzeitigen Abschreibung zu ermitteln.
Mit den nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheiden wies die belangte Behörde im Instanzenzug sowohl den Antrag des Beschwerdeführers auf Bilanzänderung als auch den Wiederaufnahmeantrag als unbegründet ab. Nur bis zur Rechtskraft der Veranlagungsbescheide sei ein Antrag auf Bilanzänderung mit steuerrechtlicher Wirkung möglich. Auch eine Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 303 Abs. 1 lit. b BAO könne nicht bewilligt werden, weil neu hervorgekommene Tatsachen oder Beweismittel nicht vorlägen, überdies die nachteiligen Folgen der Unkenntnis von Vorschriften über die Berechnung von Bilanzposten im Wege der Wiederaufnahme nicht zu beseitigen seien.
Gegen die genannten Bescheide richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Antrag, die beiden Bescheide aus dem Grunde der Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes - hilfsweise jener infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften - aufzuheben.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in welcher sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Zur Berufungsentscheidung betreffend den Antrag auf
Bilanzänderung:
Gemäß § 4 Abs. 2 EStG 1972 hat der Steuerpflichtige die Vermögensübersicht (Bilanz) auch nach ihrer Einreichung beim Finanzamt zu berichtigen, soweit sie den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung unter Befolgung der Vorschriften dieses Bundesgesetzes nicht entspricht. Darüber hinaus ist eine Änderung der Vermögensübersicht (Bilanz) nur mit Zustimmung des Finanzamtes, im Rechtsmittelverfahren mit Zustimmung der Rechtsmittelbehörde zulässig.
Bis zur Einreichung beim Finanzamt kann die Bilanz jederzeit geändert werden; danach ist zu unterscheiden, ob eine Bilanzberichtigung oder eine Bilanzänderung vorliegt. Eine Berichtigung der Bilanz hat etwa dann zu erfolgen, wenn ein Bilanzposten unrichtig ist und dieser unzulässige Bilanzposten durch einen (steuerlich) zulässigen Bilanzposten ersetzt werden muß. Im Gegensatz zur Bilanzänderung ist die Bilanzberichtigung zwingend vorzunehmen und bedarf der Zustimmung der Abgabenbehörde nicht. Unter einer Bilanzänderung ist der Ersatz eines an sich zulässigen Bilanzansatzes durch einen anderen gleichfalls zulässigen Ansatz zu verstehen.
Es steht dem Abgabepflichtigen gemäß § 9 Abs. 1 EStG 1972 unter bestimmten, in dieser gesetzlichen Bestimmung genannten Voraussetzungen frei, eine steuerfreie Rücklage im Ausmaß bis zu 25 v.H. des ermittelten Gewinnes zu bilden; dabei ist es seiner Disposition überlassen, in welcher Höhe er den Rücklagenbetrag wählt. Eine Bilanz, in der eine Investitionsrücklage aufscheint, die nicht im zulässigen Höchstausmaß gebildet wurde, widerspricht weder den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung noch den Vorschriften des Einkommensteuergesetzes 1972. Demzufolge bedeutet die Erhöhung einer Investitionsrücklage nach Einreichung der Bilanz beim Finanzamt keine Bilanzberichtigung - wie der Beschwerdeführer erstmals im Beschwerdeschriftsatz behauptet -, sondern eine Bilanzänderung im Sinne des zweiten Satzes des § 4 Abs. 2 EStG 1972 (vgl. auch die hg. Erkenntnisse vom , 87/13/0176, und vom , 86/14/0070). Bilanzierungswahlrechte kann der Abgabepflichtige jedoch nur so lange ausüben, als der sich auf den Veranlagungszeitraum beziehende Steuerbescheid, dem das Besteuerungsmerkmal zugrunde liegt, auf das sich das Wahlrecht bezieht, noch nicht rechtskräftig ist. Dies folgt zwingend aus dem gesetzlich statuierten Erfordernis behördlicher Zustimmung; für einen solchen Akt bestünde außerhalb des Veranlagungsverfahrens kein Raum. Eine Bilanzänderung ist daher mit steuerrechtlicher Wirkung nur bis zum rechtskräftigen Abschluß des Besteuerungsverfahrens möglich (vgl. auch das Urteil des Bundesfinanzhofes vom , I R 136/85, BStBl. 1990, II, S. 905).
Vor dem Hintergrund dieser Überlegungen kann der belangten Behörde somit nicht erfolgreich entgegengetreten werden, wenn sie unter Hinweis auf den Umstand, daß der Antrag auf Änderung der Bilanzen erst nach Rechtskraft der Veranlagungsbescheide gestellt worden war, zur Abweisung der Berufung des Beschwerdeführers gelangt ist.
Zur Berufungsentscheidung betreffend die Wiederaufnahme des Verfahrens:
Gemäß § 303 Abs. 1 lit. b BAO führt das Neuhervorkommen von Tatsachen oder Beweismitteln dann zur begehrten Wiederaufnahme des Verfahrens, wenn diese Tatsachen oder Beweismittel im abgeschlossenen Verfahren ohne Verschulden der Partei nicht geltend gemacht werden konnten.
Eine neu hervorgekommene Tatsache im Sinne dieser Gesetzesbestimmung erblickt der Beschwerdeführer darin, daß er von den bei Erstellung der Bilanzen unterlaufenen Fehlern erst nach Rechtskraft der Bescheide Kenntnis erlangt habe. Er vertritt überdies die Auffassung, es treffe ihn kein Verschulden am Unterlassen der Geltendmachung der maßgebenden Tatsachen im Besteuerungsverfahren, weil die unrichtige Berechnung der Investitionsrücklagen auf dem Versehen eines Mitarbeiters seines steuerlichen Vertreters beruht habe.
Zutreffend hat die belangte Behörde erkannt, daß es dem Beschwerdeführer zu einem Erfolg seines Wiederaufnahmeantrages schon am Vorliegen einer die Wiederaufnahme der Verfahren rechtfertigenden neu hervorgekommenen Tatsache fehlte. Neu gewonnene Erkenntnisse in bezug auf die rechtliche Beurteilung unverändert gebliebener Sachverhaltselemente sind nämlich nicht "Tatsachen" im Sinne des § 303 Abs. 1 lit. b BAO (vgl. Stoll, Bundesabgabenordnung-Handbuch, 723f). Der Wiederaufnahmegrund war schon deshalb zur Erfolglosigkeit verurteilt, ohne daß es einer Betrachtung des weiteren - erst recht nicht vorgelegenen - Erfordernisses der Verschuldensfreiheit des Beschwerdeführers bedurfte.
Der Beschwerdeführer wurde durch den angefochtenen Bescheid auch im behaupteten Recht auf Anwendung der Bestimmung des § 293b BAO nicht verletzt. Einen Antrag auf Berichtigung der Bescheide hat er nicht gestellt, auf amtswegiges Vorgehen der Behörde hat er keinen Anspruch; im übrigen waren die Bescheide aus dem Grunde der von ihm vorgenommenen Ermittlung der Investitionsrücklagen auch nicht rechtswidrig. Der Hinweis des Beschwerdeführers auf seine vermeintliche Rettungspflicht nach § 2 Abs. 2 AHG ist bei der gegebenen Sachlage unverständlich.
Die Beschwerde war somit gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 104/1991.