VwGH vom 23.02.2006, 2003/16/0493
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Steiner und die Hofräte Dr. Höfinger, Dr. Köller, Dr. Thoma und Dr. Zehetner als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Siegl, über die Beschwerde des D in S, vertreten durch Dr. Christian Adam, Rechtsanwalt in 5020 Salzburg, Sigmund-Haffner-Gasse 3, gegen den Bescheid der Allgemeinen Berufungskommission der Landeshauptstadt Salzburg vom , Zl. MD/00/38631/2002/4 (ABK/16/2002), betreffend Speiseeisabgabe für den Zeitraum vom bis , zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat der Landeshauptstadt Salzburg Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid vom schrieb der Bürgermeister der Stadtgemeinde Salzburg dem Beschwerdeführer gemäß § 148 Abs. 2 Salzburger Landesabgabenordnung (LAO) iVm § 3 Abs. 1 der Speiseeisabgabenverordnung (Gemeinderatsbeschluss vom , kundgemacht im Amtsblatt Nr. 4/1993, idgF) Speiseeisabgabe für den Zeitraum bis in Höhe von EUR 30.767,80 vor.
Der Beschwerdeführer erhob Berufung und führte darin im Wesentlichen aus, es fehle an einer landesgesetzlichen Grundlage zur Erhebung der Speiseeisabgabe. Die Speiseeisabgabenverordnung laut Beschluss des Gemeinderates vom sei daher verfassungswidrig.
Nach Ergehen einer abweisenden Berufungsvorentscheidung stellte der Beschwerdeführer einen Vorlageantrag.
Mit dem angefochtenen Bescheid wurde die Berufung abgewiesen. Begründend führte die belangte Behörde aus, der Behörde stehe kein Recht zur Beurteilung bzw. Prüfung der Verfassungsmäßigkeit von ordnungsgemäß kundgemachten Verordnungen zu. Eine Gemeinde sei im Rahmen des freien Beschlussrechtes legitimiert, das entsprechende materielle Abgabenrecht zu normieren. Gemäß Art. 118 Abs. 2 erster Satz B-VG falle unter anderem in den eigenen Wirkungsbereich der Gemeinden, im Rahmen der Finanzverfassung Abgaben auszuschreiben (Art. 116 Abs. 2 B-VG). Die Einordnung der Speiseeisabgabe in § 15 Abs. 3 Z 2 FAG 1997, BGBl. Nr. 201/1996, in den hier anzuwendenden Fassungen BGBl. I Nr. 130/1997 (für den Zeitraum bis ) sowie BGBl. I Nr. 29/2000 (für den Zeitraum bis ) unter die Gemeindeabgaben kraft freien Beschlussrechtes habe ihre verfassungsgesetzliche Grundlage in § 7 Abs. 5 F-VG 1948. Diese Vorschrift ermächtige die Gemeinden auch zur Erlassung selbstständigen materiellen Steuerrechts. Die Gemeinden seien also befugt, die für die Abgabenerhebung erforderlichen materiellrechtlichen Grundlagen selbst im Wege von selbstständigen Verordnungen zu schaffen.
Im Hinblick auf die Zuständigkeitsnorm des § 8 Abs. 1 F-VG 1948 wäre die Landesgesetzgebung aber nicht gehindert, gesetzliche Regelungen auch auf dem Gebiet von solchen ausschließlichen Gemeindeabgaben zu treffen (solche landesgesetzliche Bestimmungen bestünden im Land Salzburg keine), die der Bundesgesetzgeber gemäß § 7 Abs. 5 F-VG den Gemeinden auf Grund des freien Beschlussrechtes anheim gestellt habe, soferne derartige Regelungen die bundesgesetzlich erteilte Ermächtigung der Gemeinden lediglich konkretisierten, nicht aber einschränkten.
Gegen diesen Bescheid wurde Beschwerde vor dem Verfassungsgerichtshof erhoben. Mit Beschluss vom , B 393/03-3, lehnte dieser die Behandlung der Beschwerde unter Hinweis auf seine einschlägige Rechtsprechung (VfSlg. 14.642/1996, 15.583/1999 zum Inhalt des freien Beschlussrechtes der Gemeinden in Abgabensachen;
VfSlg. 15.583/1999 zur Bezeichnung der Angelegenheit als solche des eigenen Wirkungsbereiches der Gemeinde bereits im FAG) ab und führte dabei aus, dass gegen die Besteuerung der Veräußerung von Speiseeis im Rahmen der im Beschwerdefall maßgebenden finanzausgleichsrechtlichen Ermächtigung verfassungsrechtliche Bedenken nicht bestünden.
Mit Beschluss vom trat der Verfassungsgerichtshof die Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.
In seinem ergänzenden Schriftsatz vor dem Verwaltungsgerichtshof macht der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend. Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinem Recht, für die entgeltliche Abgabe von Speiseeis keine Speiseeisabgabe entrichten zu müssen, bzw. in seinem subjektiven Recht auf Nichtfestsetzung einer Speiseeisabgabe verletzt. "Zudem sieht sich der Beschwerdeführer in seinem subjektiven Recht verletzt, für die entgeltliche Abgabe von Speiseeis einen 5vH überschreitenden Abgabensatz entrichten zu müssen."
Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß Art. 116 Abs. 2 B-VG steht der Gemeinde das Recht zu, im Rahmen der Finanzverfassung ihren Haushalt selbstständig zu führen und Abgaben auszuschreiben.
Gemäß Art. 118 Abs. 2 B-VG umfasst der eigene Wirkungsbereich der Gemeinde auch die in Art. 116 B-VG angeführten Angelegenheiten.
Nach § 7 Abs. 5 F-VG 1948 kann die Bundesgesetzgebung Gemeinden ermächtigen, bestimmte Abgaben auf Grund eines Beschlusses der Gemeindevertretung auszuschreiben (sog. freies Beschlussrecht der Gemeinden).
§ 14 Abs. 1 Z 8 FAG 1997 idF BGBl. Nr. 130/1997 lautet:
"§ 14. (1) Ausschließliche Landes(Gemeinde)abgaben sind insbesondere:
(...)
8. Abgaben auf die Veräußerung von Speiseeis
einschließlich darin verarbeiteter oder dazu verabreichter Früchte und von Getränken, jeweils einschließlich der mitverkauften Umschließung und des mitverkauften Zubehörs, an Letztverbraucher. Veräußerungen an Letztverbraucher sind entgeltliche Lieferungen und sonstige Leistungen im Sinne des § 1 Abs. 1 Z 1 des Umsatzsteuergesetzes 1994, BGBl. Nr. 663, soweit die Veräußerung nicht für Zwecke des Wiederverkaufs im Rahmen einer nachhaltigen Tätigkeit erfolgt. (...)"
Mit der Novelle BGBl. Nr. 29/2000 wurde der Ausdruck "Getränke" durch die Wortfolge "alkoholfreie Getränke" ersetzt.
Durch § 15 Abs. 3 Z 2 FAG 1997 idF BGBl. Nr. 130/1997 wurden die Gemeinden ermächtigt, - vorbehaltlich weiter gehender Ermächtigung durch die Landesgesetzgeber - die gemäß § 14 Abs. 1 Z 8 leg. cit. bezeichneten Abgabe auf Speiseeis im Ausmaß von 10 % des Entgelts auszuschreiben.
Gemäß § 1 Abs. 1 Speiseeisabgabenverordnung der Stadt Salzburg, Beschluss des Gemeinderates vom , Amtsblatt Nr. 4/1993 idF des Beschlusses des Gemeinderates vom , Amtsblatt Nr. 3/1998, erhebt die Stadtgemeinde Salzburg auf die Veräußerung von Speiseeis einschließlich darin verarbeiteter oder darin verabreichter Früchte, jeweils einschließlich der mitverkauften Umschließungen und des mitverkauften Zubehörs an Letztverbraucher eine Abgabe (Speiseeisabgabe). Die Höhe der Speiseeisabgabe beträgt gemäß § 3 Abs. 1 leg. cit. in den verfahrensgegenständlichen Abgabenzeiträumen 10 %.
Laut Art. I des Beschlusses des Gemeinderates vom (kundgemacht im Amtsblatt Nr. 6/2001) wurde die Speiseeisabgabenverordnung der Stadt Salzburg mit Wirkung vom aufgehoben. Gemäß Art. II des genannten Beschlusses ist die Verordnung auf die vor ihrer Aufhebung verwirklichten Tatbestände weiterhin anzuwenden.
Der Beschwerdeführer rügt - wie schon in seiner Beschwerde vor dem Verfassungsgerichtshof -, der "Einhebung der Speiseeisabgabe" durch die Stadt Salzburg mangle es an einer landesgesetzlichen Grundlage. "Obwohl vom Bundesgesetz gefordert", habe das Land Salzburg als einziges Bundesland keine weiter gehende landesgesetzliche Ermächtigung normiert.
Damit dürfte aber der Beschwerdeführer die Bedeutung der in § 15 Abs. 3 Z 2 FAG verwendeten Wortfolge "vorbehaltlich weiter gehender Ermächtigung durch die Landesgesetzgeber" verkennen. Diese kann keineswegs dahingehend verstanden werden, dass eine Gemeinde zur Schaffung selbstständigen Steuerrechts nicht bereits allein auf Grund der auf § 7 Abs. 5 F-VG 1948 gestützten bundesgesetzlichen Ermächtigung des § 15 Abs. 3 Z 2 FAG 1997 berechtigt wäre (vgl. dazu die im bereits genannten Ablehnungsbeschluss des Verfassungsgerichtshofes vom angeführte Judikatur).
Der Verfassungsgerichtshof hat beispielsweise in seinem Erkenntnis vom , Zl. B 1620/97, VfSlg. Nr. 15.583, dargelegt, dass die Gemeinden befugt sind, die für die Abgabenerhebung erforderlichen materiell-rechtlichen Grundlagen selbst im Wege von selbstständigen Verordnungen zu schaffen, dass aber im Hinblick auf die Zuständigkeitsnorm des § 8 Abs. 1 F-VG 1948 die Landesgesetzgebung nicht gehindert ist, gesetzliche Regelungen auf dem Gebiet von solchen ausschließlichen Gemeindeabgaben zu treffen, die der Bundesgesetzgeber gemäß § 7 Abs. 5 F-VG dem freien Beschlussrecht der Gemeinden anheim gestellt hat, soferne derartige Regelungen die bundesgesetzlich erteilte Ermächtigung lediglich konkretisieren und nicht einschränken (vgl. auch das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2001/16/0526, mwN).
Hat es der Landesgesetzgeber - wie im Beschwerdefall - unterlassen, eine bundesgesetzliche Ermächtigung durch Erlassung eines entsprechenden Landesgesetzes zu konkretisieren, so hat dies auf die Befugnisse der Gemeinden zur Abgabenausschreibung keinen hindernden Einfluss.
Eine von der Gemeinde auf Grund freien Beschlussrechtes eingehobene Abgabe bedarf nämlich keiner landesgesetzlichen Grundlage (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2001/17/0151).
Der Beschwerdeführer bringt weiters vor, das Urteil des Europäischen Gerichtshofes vom , Rs. 437/97, habe zur Folge, dass das durch eine "geringe Beigabe alkoholischer Getränke verfeinerte" Speiseeis (bei einem Alkoholgehalt von mehr als 5 % der Masse) als steuerfreies "Getränk" angesehen werden müsse.
Abgesehen davon, dass bereits nach dem allgemeinen Sprachgebrauch Speiseeis, welches üblicherweise nicht im flüssigen, sondern im gefrorenen Zustand abgegeben und verzehrt wird, nicht zu den Getränken gezählt wird, hat der EuGH in dem genannten Urteil auch ausdrücklich zwischen der Besteuerung von Getränken und von Speiseeis unterschieden, indem er ausgeführt hat, dass weder Art. 33 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG noch Art. 3 Abs. 3 der Richtlinie 92/12/EWG der Beibehaltung einer auf alkoholfreie Getränke und Speiseeis erhobenen Steuer entgegensteht. Ausschließlich für die Besteuerung alkoholischer Getränke hat er die Unvereinbarkeit mit dem Gemeinschaftsrecht festgestellt. Dem genannten Urteil kann somit keineswegs entnommen werden, dass Abgaben auf Speiseeis, selbst wenn dieses Alkohol enthalten sollte, gemeinschaftsrechtswidrig wäre.
Bei der Speiseeisabgabe und bei der Getränkesteuer handelt es sich um unterschiedliche Besteuerungsgegenstände (zur abgabenrechtlichen Einordnung von Waren, die aus Speiseeis und anderen Bestandteilen zusammengesetzt sind, vgl. beispielsweise das in der Beschwerde genannte hg. Erkenntnis vom , Zl. 81/17/0118, mwN; zur jener von Waren, die aus alkoholischen Flüssigkeiten und anderen Bestandteilen zusammengesetzt sind, vgl. das hg. Erkenntnis vom , VwSlg 5086/F).
"Dass spätestens seit dem (...) der Steuersatz von
10v. H. auf Speiseeis somit rechtswidrig geworden" wäre, kann dem genannten Urteil ebenfalls nicht entnommen werden.
Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.
Wien, am