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VwGH vom 15.01.1997, 94/13/0185

VwGH vom 15.01.1997, 94/13/0185

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss und die Hofräte Dr. Hargassner und Dr. Fuchs als Richter, im Beisein des Schriftführers DDDr. Jahn, über die Beschwerde des Dr. F in A, vertreten durch Dr. T, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland (Berufungssenat Ia) vom , GZ. 6/1 - 1225/93-08, betreffend Einkommensteuer 1991, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid bezog die belangte Behörde Einkünfte aus Kapitalvermögen in Höhe von S 29.611,-- (unter Anrechnung einer Kapitalertragsteuer von S 2.918,65) in die Einkommensteuerveranlagung 1991 ein und verweigerte auch die Zuerkennung des beantragten Alleinverdienerabsetzbetrages für Alleinerhalter.

Zu den Einkünften aus Kapitalvermögen wies die belangte Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheides im wesentlichen darauf hin, sie könne diesbezüglich vorgetragenen verfassungsrechtlichen Bedenken nicht nähertreten, zumal die Behörde ihre Entscheidung aufgrund der bestehenden Rechtslage zu treffen habe. Hinsichtlich der Zuerkennung des Alleinerhalterabsetzbetrages und des Kinderzuschlages zum Alleinerhalterabsetzbetrag sei festzuhalten, daß der Begriff des Alleinverdieners bzw. Alleinerhalters, der durch Abschnitt I Art. I Z. 23 Abgabenänderungsgesetz 1989, BGBl. Nr. 660, rückwirkend ab der Veranlagung für das Jahr 1989 neu gefaßt worden sei, bis einschließlich der Veranlagung 1992 in Geltung gewesen sei (Aufhebung des § 106 EStG 1988 durch Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom , G 240/91, mit Fristsetzung gemäß Art. 140 Abs. 5 B-VG). Alleinerhalter im Sinn des § 33 Abs. 4 EStG 1988 sei daher stets nur ein Steuerpflichtiger mit Kind. In der für 1991 gültigen Fassung des § 106 EStG 1988 seien als Kinder im Sinne dieses Gesetzes nur Kinder anzusehen, für die dem Steuerpflichtigen oder dem nicht dauernd getrennt lebenden Ehegatten Familienbeihilfe gewährt werde. Da die Bezieherin der Familienbeihilfe nicht Ehegattin des Beschwerdeführers sei, sondern dessen Lebensgefährtin, seien sowohl der Alleinerhalterabsetzbetrag als auch die Kinderzuschläge zum Alleinerhalterabsetzbetrag nicht zu gewähren gewesen.

Die Behandlung einer gegen diesen Bescheid zunächst an den Verfassungsgerichtshof gerichteten Beschwerde lehnte dieser (u.a. unter Hinweis auf ebenfalls den Beschwerdeführer betreffende Ablehnungsbeschlüsse vom , B 1393/91, und vom , B 1819/92) mit Beschluß vom , B 2103/93-3, ab und trat sie antragsgemäß gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof ab.

Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof erachtet sich der Beschwerdeführer in seinem Recht, "keine über die Kapitalertragsteuer hinausgehende Einkommensteuer auf Sparzinsen zahlen zu müssen", und in seinem Recht "auf Alleinverdienerabsetzbetrag sowie den Kinderzuschlag hiezu (für drei Kinder)" verletzt.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt, von der Erstattung einer Gegenschrift jedoch Abstand genommen. Der Beschwerdeführer hat zu seiner Beschwerde einen weiteren "ergänzenden Schriftsatz" eingebracht.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Gemäß § 33 Abs. 4 EStG 1988 (BGBl. Nr. 400/1988 in der im Beschwerdefall anzuwendenden Fassung BGBl. Nr. 660/1989) stand einem Alleinverdiener oder Alleinerhalter ein Alleinverdienerabsetzbetrag von S 4.000,-- jährlich zuzüglich einem Kinderzuschlag von S 1.800,-- für jedes Kind (§ 106) zu. Alleinerhalter war nach dieser Gesetzesbestimmung ein Steuerpflichtiger mit Kind, der zu Beginn des Veranlagungszeitraumes oder mindestens vier Monate im Veranlagungszeitraum ledig oder geschieden war oder von seinem Ehegatten dauernd getrennt lebte und für sich Unterhaltsleistungen von höchstens S 40.000,-- jährlich erhielt. Im Falle einer eheähnlichen Gemeinschaft galten die für den Alleinverdiener maßgeblichen Einkunftsgrenzen.

Als Kinder im Sinne dieses Bundesgesetzes galten gemäß § 106 EStG 1988 (in der Stammfassung BGBl. Nr. 400/1988) Kinder, für die dem Steuerpflichtigen oder dem nicht dauernd getrennt lebenden Ehegatten Familienbeihilfe aufgrund des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 oder eine gleichartige ausländische Beihilfe im Sinn des § 4 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 gewährt wurde.

Es ist unbestritten, daß der Beschwerdeführer keine "Kinder im Sinn des § 106 EStG 1988 (in der Stammfassung)" hatte, weil für die in seinem Haushalt lebenden Kinder seine Lebensgefährtin die Familienbeihilfe bezog.

Mit Erkenntnis vom , G 82/91 und G 240, 241/91, hat der Verfassungsgerichtshof § 106 EStG 1988 in der zitierten Fassung als verfassungswidrig aufgehoben. Zugleich bestimmte der Gerichtshof gemäß Art. 140 Abs. 5 B-VG, daß die Aufhebung (mit Ausnahme für die Anlaßfälle) mit Ablauf des wirksam wird (Abs. 2 der Kundmachung BGBl. Nr. 458/1991). Damit war die in Rede stehende Bestimmung noch bis zu diesem Zeitpunkt anzuwenden und auch verfassungsrechtlich unangreifbar (zur Endgültigkeit dieser Fristsetzung siehe auch den Beschluß des Verfassungsgerichtshofes vom , B 1819/92-4).

Im allgemeinen hat die Rechtsmittelbehörde das im Zeitpunkt der Erlassung ihres Bescheides geltende Recht anzuwenden; eine andere Betrachtungsweise ist aber geboten, wenn etwa der Gesetzgeber in einer Übergangsbestimmung zum Ausdruck bringt, daß auf anhängige Verfahren noch das bisher geltende Recht anzuwenden ist, oder wenn darüber abzusprechen ist, was an einem bestimmten Stichtag oder in einem konkreten Zeitraum rechtens ist. Die letztgenannte Überlegung trifft - falls das Gesetz nicht ausdrücklich anderes anordnet - für die Vollziehung von Normen des materiellen Abgabenrechts zu: Mit einem Abgabenbescheid wird ein Leistungsgebot hinsichtlich einer Abgabenschuld ausgesprochen, die bereits - unabhängig vom behördlichen Tätigwerden - mit der Verwirklichung des Abgabentatbestandes entstanden ist (vgl. § 4 Abs. 1 BAO). Für die Erlassung von Abgabenbescheiden ist daher jenes Gesetz maßgebend, innerhalb dessen zeitlichen Bedingungsbereiches (vgl. hiezu Walter Mayer, Bundesverfassungsrecht8 (1996), Rz. 489) der Sachverhalt gesetzt worden ist, der die Verwirklichung des Abgabentatbestandes bewirkt (vgl. dazu das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , 96/14/0017, sowie etwa Stoll, BAO-Kommentar, 62 f).

Die belangte Behörde hat somit zu Recht bei Erlassung des (über die Einkommensteuer 1991 absprechenden) angefochtenen Bescheides die Bestimmung des § 106 EStG 1988 in seiner Stammfassung zur Anwendung gebracht. Das vom Beschwerdeführer erstattete Vorbringen einer "denkunmöglichen" bzw. "einfachgesetzlich-fehlerhaften" Anwendung des Einkommensteuergesetzes, weil im Zeitpunkt der Bescheiderlassung (mit seiner Zustellung am ) § 106 EStG 1988 bereits außer Kraft getreten gewesen sei, vermag sohin keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufzuzeigen.

Im übrigen (insbesondere auch zur Sparzinsenbesteuerung) wiederholt die Beschwerde jene verfassungsrechtlichen Normbedenken, die bereits in den zu den oben zitierten Ablehnungsbeschlüssen vom und führenden Verfassungsgerichtshofbeschwerden und den nachfolgenden (ergänzten) Verwaltungsgerichtshofbeschwerden (Zlen. 92/13/0213 und 93/13/0071) vorgetragen wurden. Dazu regt der Beschwerdeführer neuerlich an, der Verwaltungsgerichtshof möge näher definierte Teile des § 27 Abs. 1 Z. 4 sowie § 46 Abs. 1 Z. 2 EStG 1988 und Abs. 2 der Kundmachung BGBl. Nr. 1991/458 sowie den Klammerausdruck "(§ 106)" in § 33 Abs. 4 EStG 1988 wegen Verfassungswidrigkeit, insbesondere wegen Verletzung des demokratischen Prinzips, des Eigentumsrechtes und des Rechtes auf Gleichheit, beim Verfassungsgerichtshof anfechten. Damit wird kein der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes unterliegendes Recht (§ 28 Abs. 1 Z. 4 VwGG) bezeichnet. Die Aufgabe des Verwaltungsgerichtshofes liegt darin, die Gesetzmäßigkeit der Verwaltung zu sichern (vgl. dazu das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom , K I-1/94-11), nicht aber vom Beschwerdeführer kritisierte Ablehnungsentscheidungen des Verfassungsgerichtshofes einer Kontrolle zu unterziehen (vgl. dazu auch die zu den Zlen. 92/13/0213 und 93/13/0071 ergangenen Beschlüsse des Verwaltungsgerichtshofes vom und ). An der fehlenden Prüfungskompetenz auf verfassungsrechtlicher Ebene kann auch ein bloßes "Umstellen" der behaupteten Verfassungswidrigkeit auf eine Rechtswidrigkeit wegen zugrundeliegender verfassungwidriger Norm laut Beschwerde nichts ändern.

Da die auf einfachgesetzlicher Ebene geltend gemachte Rechtsverletzung nicht vorlag, war die Beschwerde insgesamt gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.