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VwGH vom 05.08.1992, 91/13/0120

VwGH vom 05.08.1992, 91/13/0120

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Schubert und die Hofräte Dr. Pokorny, Dr. Fellner, Dr. Hargassner und Mag. Heinzl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Kirchmayr, über die Beschwerde des P in K, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland (Berufungssenat IX) vom , Zl 6/5-5002/85-02, betreffend Einkommensteuer 1981 und 1982, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer führte in seinen Einkommensteuererklärungen für 1981 und 1982 unter Beruf oder Art der Tätigkeit Konsulent für Fotogrammetrie an und erklärte diesbezüglich Einkünfte aus selbständiger Arbeit. Nach erklärungsgemäßer Veranlagung zur Einkommensteuer für diese Jahre wurde bei einer abgabenbehördlichen Prüfung die Ansicht vertreten, daß die Tätigkeit des Beschwerdeführers als Sachverständiger für Fotogrammetrie nicht als wissenschaftlich zu qualifizieren und keiner der im § 22 EStG 1972 aufgezählten freiberuflichen Tätigkeiten ähnlich sei, weshalb die Einkünfte des Beschwerdeführers als solche aus Gewerbebetrieb beurteilt wurden. Das Finanzamt folgte dieser Ansicht und erließ nach Wiederaufnahme der Einkommensteuerverfahren für 1981 und 1982 entsprechende neue Sachbescheide, wobei nicht belegbare Betriebsausgaben im Sinne des § 4 Abs 6 EStG 1972 außer Ansatz blieben.

In einer gegen diese Bescheide eingebrachten Berufung wurde im wesentlichen ausgeführt, der Beschwerdeführer hätte von der Technischen Universität ein Diplom als geprüfter Rechentechniker erhalten und beschäftige sich seit 12 Jahren mit der Frage der Fotogrammetrie. Der Beschwerdeführer wäre bereits im In- und Ausland als Fachmann auf diesem Gebiet anerkannt gewesen, bevor sich die Universität mit der Fotogrammetrie befaßt hätte. Er werde noch heute in komplizierten Fällen mit der Klärung von Fragen vom Ausland zu Hilfe gerufen. Das von ihm in jahrzehntelanger Forschung entwickelte Programm für Fotogrammetrie sei sein alleiniges geistiges Eigentum und besitze sonst niemand, auch nicht die Technische Universität in Wien. Der Beschwerdeführer sei der einzige Fachmann außerhalb der Technischen Universität und es gebe in ganz Europa nur eine Handvoll Wissenschaftler, die sich mit dieser Frage beschäftigen. Es handle sich um eine rein wissenschaftliche Tätigkeit, die den Einkünften aus selbständiger Arbeit zuzuordnen sei. Über Vorhalt wurde ergänzend ausgeführt, daß die Berufsbezeichnung "geprüfter Rechentechniker" nach erfolgter Ablegung der Diplomprüfung des Studiums der Rechentechnik verliehen werde. Diese Studienrichtung befasse sich mit Problemlösungen unter Einsatz von elektronischen Datenverarbeitungsanlagen, insbesondere unter Verwendung von höheren mathematischen Methoden. Nach Beendigung dieses Studiums sei man befähigt, Probleme unter Heranziehung technisch-mathematischer Methoden zu lösen und für den Einsatz der elektronischen Datenverarbeitung aufzubereiten und die zugehörigen Problemanalysen und EDV-Programmsysteme selbständig zu erstellen. Der Beschwerdeführer sei 1976 in die Liste der allgemein beeideten gerichtlichen Sachverständigen für das Fachgebiet Kriminologie - Verschiedenes "Unfallbildrekonstruktion durch fotogrammetrische Methoden sowie Auswertung von Tachografenscheiben" eingetragen. Insbesondere in einer weiteren Eingabe wurde zur Entwicklungsarbeit und Gutachtertätigkeit des Beschwerdeführers Stellung genommen. Die Gutachtertätigkeit beschränke sich nicht auf das bloße Bedienen einer EDV-Anlage. Vielmehr wäre jedes erstellte Gutachten ein Unikat und das Ergebnis eines beträchtlichen geistigen Einsatzes. Die EDV-Anlage stelle nur ein Werkzeug dar, das die aufwendigen und komplizierten und mathematischen Rechenvorgänge bei der Auswertung und die Erstellung von exakten maßstabsgetreuen Auswertungsskizzen in der aus ökonomischen Gründen erforderlichen kurzen Zeit ermögliche. Dieses Werkzeug könne nur in der Hand eines sachkundigen, mit der Gesamtproblematik vertrauten Anwenders brauchbare Ergebnisse liefern. Die vom Beschwerdeführer durchgeführte geodätische Vermessung des Straßenverlaufes und der wesentlichen Umgebungseinzelheiten zur Gewinnung einer maßstabgerechten Grundrißskizze sei eine Tätigkeit, die typischerweise von Zivilingenieuren (Geometer) durchgeführt werde.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wurde die Berufung abgewiesen. Wiewohl die Tätigkeit des Beschwerdeführers eines beträchtlichen geistigen Einsatzes bedürfe und jedes Gutachten ein Unikat sei, gehe nicht hervor, daß die Gutachten der Erweiterung wissenschaftlicher Erkenntnisse dienten bzw. die Vermehrung menschlichen Wissens im Interesse der Allgemeinheit zum Ziel hätten. Die Tätigkeit des Beschwerdeführers diene vielmehr nur einem von vornherein ganz bestimmten Kreis, nämlich seiner Klientel, vorrangig den Gerichten, und sei somit nicht wissenschaftlich.

Da die vom Beschwerdeführer ausgeübte Tätigkeit nach ihrem äußeren Erscheinungsbild und ihrem wirtschaftlichen Gehalt nicht unter eines der im § 4 in Verbindung mit § 5 Ziviltechnikergesetz angeführten Fachgebiete einzuordnen sei, könne auch nicht von einer unmittelbaren Ähnlichkeit zu einer im Ziviltechnikergesetz geregelten Tätigkeit gesprochen werden, sodaß die Tätigkeit die für die steuerliche Beurteilung unmittelbare Ähnlichkeit nicht aufweise, obwohl sie in bezug auf die verwendeten Hilfsmittel (z.B. geodätische Vermessung) und die Art der Präsentation der Ergebnisse (Gutachten) der Tätigkeit eines Ziviltechnikers mittelbar ähnlich sei.

Diesen nunmehr mit Beschwerde angefochtenen Bescheid bekämpft der Beschwerdeführer wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in welcher die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Mit der Frage, wann eine Tätigkeit als wissenschaftliche anzusehen ist, hat sich der Verwaltungsgerichtshof bereits mehrmals befaßt. Er gelangte unter anderem zur Auffassung, der wissenschaftlich Tätige müsse eine schwierige Aufgabe nach streng sachlichen und objektiven Gesichtspunkten zu lösen versuchen, wobei er sich in qualifizierter Form wissenschaftlicher Methoden bedienen und das Ergebnis seiner Arbeit geeignet sein muß, der Erweiterung wissenschaftlicher Erkenntnisse zu dienen (vgl etwa das hg Erkenntnis vom , 82/14/0304). Die wissenschaftliche Tätigkeit muß sich nicht nur auf die Grundlagenforschung beschränken, sondern kann auch der Lösung von Fragen des praktischen Lebens dienen. Es können auch Gutachten, wenngleich sie zweckbestimmt sind, wissenschaftliche Leistungen darstellen.

Wissenschaftlichkeit liegt vor, wenn Methoden schöpferisch zur Gewinnung neuer Erkenntnisse angewendet werden, sodaß der Wissensstand in sachlicher und methodischer Hinsicht bereichert wird (vgl das hg Erkenntnis vom , 84/15/0220).

Auf das zuletzt zitierte Erkenntnis stützt sich auch der Beschwerdeführer in der Beschwerde und betont in diesem Zusammenhang den von der belangten Behörde nicht bestrittenen Umstand, daß jedes einzelne seiner Gutachten ein Unikat darstellt. Dieser Umstand vermag jedoch nicht zu begründen, daß die vom Beschwerdeführer in den Streitjahren erstatteten Gutachten geeignet sind, den Wissensstand in sachlicher oder methodischer Hinsicht zu bereichern. Wie der Beschwerdeführer einräumt, wurde von den Abgabenbehörden die mehrjährige Phase der Tätigkeit des Beschwerdeführers, in welcher er eine brauchbare Methode zur entsprechenden Problemlösung entwickelte, als wissenschaftlich anerkannt. Daß der Beschwerdeführer diese seine Methode anläßlich der in den Streitjahren erstatteten Gutachten weiter entwickelt hat, hat der Beschwerdeführer weder im Verwaltungsverfahren noch in der Beschwerde vorgebracht. Im Hinblick darauf, daß eine Tätigkeit nicht bereits dann wissenschaftlich ist, wenn sie auf Erkenntnissen einer Wissenschaft aufbaut, diese verwertet und sich wissenschaftlicher Methoden bedient, sondern im gegebenen Zusammenhang erst, wenn sie ausschließlich oder nahezu ausschließlich der Forschung, dh dem Erringen NEUER wissenschaftlicher Erkenntnisse dient (vgl abermals das hg Erkenntnis vom , 82/14/0304), ist der Behörde zuzustimmen, wenn sie einer Tätigkeit, welche mangels Bereicherung des Wissensstandes lediglich die Anwendung einer wissenschaftlichen Methode darstellt, die Wissenschaftlichkeit abspricht. Dies auch dann, wenn die Methode, der sich der Beschwerdeführer bei seiner Tätigkeit bedient, von ihm selbst entwickelt wurde, weil der Umstand, wer die angewandte Methode entwickelt hat, keinen Einfluß auf die Beurteilung der Tätigkeit als solcher haben kann. Dem steht einerseits das Vorbringen des Beschwerdeführers nicht entgegen, daß es auch Menschen, welche das Programm des Beschwerdeführers beherrschten, verwehrt wäre, entsprechende Gutachten zu erstellen, weil zur Erstellung der Gutachten neben der Beherrschung des Programmes zweifellos eine entsprechende Sachkenntnis hinzuzutreten hat, die ihrerseits aber nach den vorangeführten, zur Wissenschaftlichkeit entwickelten Kriterien noch nicht die eines Wissenschaftlers sein muß. Andererseits reicht das Vorbringen des Beschwerdeführers, die "Neuerarbeitung" von Gutachten hindere die Gerichte nicht, in gleichgelagerten Fällen auf seine bereits erstellten Gutachten zurückzugreifen und somit dem Recht und der Rechtssicherheit zu dienen, nicht hin, hinsichtlich der Tätigkeit des Beschwerdeführers in den Streitjahren davon auszugehen, daß sie eine Vermehrung menschlichen Wissens im Interesse der Allgemeinheit zum Ziel hätte (vgl abermals das zitierte Erkenntnis vom , 82/14/0304). Die belangte Behörde durfte daher zu Recht davon ausgehen, daß die Tätigkeit des Beschwerdeführers in den Streitjahren nicht wissenschaftlich war.

Der belangten Behörde ist aber auch zuzustimmen, wenn sie die im verwaltungsgerichtlichen Verfahren strittige Tätigkeit des Beschwerdeführers nicht als eine der Tätigkeit eines Ziviltechnikers ähnliche freiberufliche Tätigkeit beurteilt hat. Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits mehrfach ausgesprochen hat, setzt Ähnlichkeit im Sinne des § 22 Abs 1 Z 1 EStG 1972 jedenfalls eine tatsächliche Tätigkeit voraus, die den wesentlichen und typischen Teil der Tätigkeit umfasse, zu der die einschlägigen Vorschriften für den freien Beruf, zu dem Ähnlichkeit angenommen werden soll, berechtigen (vgl dazu die hg Erkenntnisse vom , 91/13/0048,

, 87/14/0032, , 3746/80, 82/14/0334, , 2158/78, und vom , 1932, 2118/76, Slg 5073/F). Der Beschwerdeführer begründet seine Ansicht, seine Tätigkeit sei der eines Ziviltechnikers ähnlich, damit, daß sowohl vom Ziviltechniker als auch von ihm Punkte in gleicher Art und Weise vermessen, zugeordnet und fotogrammetrisch ausgearbeitet werden. Nun kann aber unter Berücksichtigung des Ziviltechnikergesetzes BGBl Nr 146/1957 in der Vermessung von Punkten und deren fotogrammetrischer Auswertung nicht der wesentliche und typische Teil der Tätigkeit eines Ziviltechnikers gesehen werden: Gemäß § 5 Abs 2 lit B b) Ziviltechnikergesetz umfaßt die Berechtigung eines Ingenieurkonsulenten für Vermessungswesen das gesamte Fachgebiet ober Tag und, soweit diese Arbeiten nicht mit Arbeiten des Markscheidewesens gemäß lit c unmittelbar zusammenhängen, auch solche unter Tag, ferner die Verfassung von Teilungsplänen zur katastralen und grundbücherlichen Teilung von Grundstücken, Grenzermittlungen nach dem Stand der Katastralmappe oder auf Grund von Urkunden und die Mitwirkung bei der Erneuerung unkenntlich gewordener Grenzen, in allen diesen Fällen einschließlich der Vermarkung nach § 845 des Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuches, weiters die Verfassung von Lageplänen zur grundbücherlichen Abschreibung ganzer Grundstücke, Aufschließungspläne für Siedlungszwecke und Aufteilungspläne über Pachtgründe, Arbeiten, betreffend die Bodenforschung und Bodenaufschließungen, Mitwirkung an der Landesplanung, agrarische Operationen, Kommassierungen und Arrondierungen, Verfassung und Ausführung von kartographischen, geodätisch-astronomischen und geophysikalischen Arbeiten, die Auswertung von Erd- und Luftbildmessungen, die Ausführung von Erdbildmessungen, ferner mit Genehmigung des Bundesministers für Bauten und Technik die Ausführung von Luftbildmessungen und im Einvernehmen mit dem Bundesamt für Eich- und Vermessungswesen Arbeiten zur Ausführung von katastralen Neuvermessungen unter Einhaltung der diesbezüglichen Vorschriften.

Danach stellt die Vermessung von Punkten und gegebenenfalls deren fotogrammetrische Auswertung bestenfalls einen engen Teilbereich der Tätigkeit von Ziviltechnikern dar. Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom , 87/13/0205, ausgeführt hat, kann es in jedem Berufszweig vorkommen, daß ein Berufsangehöriger seine Tätigkeit in unüblicher Weise einschränkt. Trifft dies zu, so übt er seinen Beruf nicht mehr berufstypisch aus. Seine Tätigkeit entspricht dann nicht dem Berufsbild, wie es üblicherweise in Erscheinung tritt. Übt eine berufsfremde Person eine Tätigkeit aus, die einer solchen eingeschränkten Berufstätigkeit ähnlich ist, so bezieht sich die Ähnlichkeit eben nur auf eine atypisch eingeschränkte, nicht aber auf die berufsbildtypische Tätigkeit des Berufsangehörigen. Um eine Tätigkeit als einer der im § 22 Abs 1 Z 1 EStG 1972 namentlich aufgezählten Berufstätigkeit unmittelbar ähnlich beurteilen zu können, sind überdies Gemeinsamkeiten in den einschlägigen Wissens- und Erfahrungsgebieten und in der Ausbildung für die einander ähnlichen Berufe erforderlich (vgl das hg Erkenntnis vom , 87/13/0169). Daß derartige Gemeinsamkeiten zwischen der Tätigkeit des Beschwerdeführers und der Tätigkeit von Ziviltechnikern nicht vorliegen, wird schon aus dem Vorbringen des Beschwerdeführers deutlich, wonach die Anwendung der Einbildfotogrammetrie zur Rekonstruktion von Unfallfotos eine spezielle Tätigkeit ist, die auf Grund ihrer komplexen und komplizierten mathematischen Erfordernisse nur unter Einsatz der elektronischen Datenverarbeitung und unter Verwendung von eigens dazu entwickelten Computerprogrammsystemen, die standardmäßig nicht vorhanden sind, durchgeführt werden kann. Bei einer derartig speziellen Tätigkeit ist auszuschließen, daß sie mit dem auf anderen Ausbildungs-, Wissens- und Erfahrungsgebieten beruhenden typisierten Bild eines Ziviltechnikers übereinstimmt.

Die Beschwerde erweist sich somit insgesamt als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs 1 VwGG abzuweisen war.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl Nr 104/1991.