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VwGH vom 20.09.1995, 94/13/0168

VwGH vom 20.09.1995, 94/13/0168

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss und die Hofräte Dr. Fellner, Dr. Hargassner, Mag. Heinzl und Dr. Fuchs als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Cerne, über die Beschwerde des G in W, vertreten durch Dr. L, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom , Zl. GA 7 - 992/94, betreffend Haftung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid vom zog das Finanzamt den Beschwerdeführer gemäß § 9 und § 80 BAO zur Haftung für Abgabenschuldigkeiten der W-GmbH in Höhe von insgesamt S 28,011.268,-- (Umsatzsteuer 1987 S 7,187.527,-- und Umsatzsteuer 1988 S 20,823.741,--) heran.

Im Rahmen eines Ansuchens um Verlängerung der Rechtsmittelfrist gegen den Haftungsbescheid stellte der durch den Beschwerdeführer bevollmächtigte Wirtschaftstreuhänder P. am den Antrag auf Mitteilung der dem Haftungsbescheid zugrundeliegenden Abgabenbescheide (§ 248 BAO). Diesem Antrag kam die Behörde am nach.

Die Beibringung der Begründung für die am eingebrachte Berufung erfolgte durch den mittlerweile bevollmächtigten Rechtsanwalt Dr. L. (den nunmehrigen Beschwerdevertreter) mit Schriftsatz vom . In der Begründung "für die Berufung gegen den Haftungsbescheid und gegen die Grundlagenbescheide (U 1987 und U 1988)" wurde insbesondere Mangelhaftigkeit des Verfahrens geltend gemacht, weil der Haftungsbescheid ergangen sei, ohne dem Beschwerdeführer die Möglichkeit einer Stellungnahme und eines entsprechenden Vorbringens zu geben. Der Beschwerdeführer sei ab 1988 nicht mehr Geschäftsführer der W-GmbH (nunmehr G-GmbH), und er habe daher bezüglich der von der "Unternehmung durchzuführenden steuerlichen Abwicklung und Erledigungen keinen Einfluß und auch keine Kenntnis" mehr gehabt. In den Jahren 1987 und 1988, soweit der Beschwerdeführer noch als Geschäftsführer verantwortlich tätig gewesen sei, seien die Buchhaltung durch die Kanzlei des Wirtschaftstreuhänders P. ordnungsgemäß geführt und auch darauf begründet die Bilanzen erstellt worden. Die entsprechenden Buchungsbelege seien vorhanden gewesen und es könne dem Beschwerdeführer nicht ohne sonstige Beweismittel angelastet werden, daß er, da er keinen Zugang mehr zu diesen Unterlagen habe, im Rahmen des Haftungsbescheides zur Haftung herangezogen werde. Im Rahmen der Abtretung der Gesellschaftsanteile Ende 1988 habe er alle Geschäftsunterlagen ordnungsgemäß übergeben und er sei rechtlich nicht mehr in der Lage, diese zu beschaffen.

Über Vorhalt des Finanzamtes legte der Beschwerdeführer einen Gesellschafterbeschluß vom über seine Abberufung als Geschäftsführer der W-GmbH vor.

Mit Bescheid vom gab das Finanzamt der Berufung mit Berufungsvorentscheidung teilweise Folge. Die Haftungsverbindlichkeit wurde hinsichtlich der Umsatzsteuer 1988 auf den für die Monate Jänner bis Oktober 1988 aliquotierten Betrag von S 17,353.120,-- eingeschränkt (Gesamthaftungsbetrag somit S 24.540.647,--). Zur Begründung führte das Finanzamt aus, das Berufungsbegehren vom stütze sich ausschließlich darauf, daß der Beschwerdeführer mit Gesellschafterbeschluß vom als Geschäftsführer abgelöst worden sei und somit zum Zeitpunkt der Durchführung der abgabenbehördlichen Überprüfungen durch die Betriebsprüfungsabteilung nicht mehr wirksam Geschäftsführer gewesen sei. Bei der Beurteilung, welcher Geschäftsführer für welchen Zeitraum zur Haftung herangezogen werden könne, komme es u.a. auf die Fälligkeit jener Abgaben an, hinsichtlich derer ein Haftungsbescheid ausgestellt werden solle. Die Jahresumsatzsteuer 1988 sei am fällig geworden. Da der Beschwerdeführer am als Geschäftsführer abgelöst worden sei, sei er lediglich für den Zeitraum Jänner bis Oktober 1988 für die ordnungsgemäße Entrichtung der Umsatzsteuer verantwortlich gewesen. Nach den Feststellungen der Betriebsprüfung habe der Beschwerdeführer von den festgestellten Abgabenverkürzungen in den Jahren 1987 und 1988 volle Kenntnis gehabt. Nach Aufdeckung des vollen Ausmaßes der Abgabenverkürzungen im August 1989 habe der Beschwerdeführer die Geschäftsbücher und Geschäftsunterlagen beim Steuerberater P. abgeholt; sie seien seither unauffindbar. Mangels Nachweises der entsprechenden Voraussetzungen zur Geltendmachung von Vorsteuern bzw. für die Rechtmäßigkeit geltend gemachter Gutschriften sei es für den Zeitraum 1987 und 1-10/1988 zu den Nachforderungen durch die Betriebsprüfung gekommen. Aus der Tatsache, daß der Beschwerdeführer an der Aufklärung der fraglichen Sachverhalte nicht zur Mitwirkung bereit gewesen sei, sondern im Gegenteil die fraglichen Erhebungen "durch das Verschwindenlassen" der maßgeblichen Unterlagen erschwert habe, könne abgeleitet werden, daß dem Beschwerdeführer die maßgebliche Verantwortung für die fraglichen Abgabenverkürzungen anzulasten sei und er diese verschuldet habe. Trotz großzügig eingeräumter Fristen zur Beibringung von Gegenbeweisen habe der Beschwerdeführer keinerlei Unterlagen vorgelegt, aus denen sich der Nachweis seiner gänzlichen oder zumindest teilweisen Unschuld hätte entnehmen lassen. Da bezüglich des Beschwerdeführers auch im Zusammenhang mit anderen Gesellschaften, auf deren Geschäftsgebarung der Beschwerdeführer ebenfalls maßgeblichen Einfluß gehabt habe, gleichgelagerte Sachverhalts festgestellt worden seien, sei davon auszugehen, daß der Beschwerdeführer über ausreichende Geldmittel zur Abdeckung der Haftungsverbindlichkeit verfüge. Unbilligkeit bei Geltendmachung der Haftung, insbesondere unter Berücksichtigung der schweren abgabenrechtlichen Verfehlungen des Beschwerdeführers, liege daher nicht vor.

Nach Stellung eines Antrages auf Vorlage der Berufung an die Abgabenbehörde zweiter Instanz gab die belangte Behörde der Berufung - im Umfang der Berufungsvorentscheidung - teilweise Folge. Im wesentlichen - so die Ausführungen in der Begründung des angefochtenen Bescheides - werde im Antrag auf Vorlage der Berufung an die Abgabenbehörde zweiter Instanz vorgebracht, daß alle vorliegenden Entscheidungen von einem Sachverhalt ausgehen würden, ohne daß konkrete Beweismittel genannt oder zu Verfahrensergebnissen in bezug auf Tatsachenfeststellungen oder zur Beweiswürdigung konkrete Ausführungen gemacht worden seien. Nach Zitierung der Bestimmungen der §§ 80 Abs. 1 und 9 Abs. 1 BAO stellte die belangte Behörde fest, es sei unbestritten, daß der Beschwerdeführer bis Geschäftsführer der W-GmbH gewesen sei und daß die haftungsgegenständlichen Abgaben bei der GmbH uneinbringlich seien. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sei es Sache des Geschäftsführers, darzulegen, weshalb er nicht dafür habe Sorge tragen können, daß die Gesellschaft die anfallenden Abgaben rechtzeitig entrichtet habe, widrigenfalls von der Abgabenbehörde eine schuldhafte Pflichtverletzung angenommen werden könne. Er habe auch zeitgerecht für die Möglichkeit des Nachweises seines pflichtgemäßen Verhaltens vorzusorgen. Da der Beschwerdeführer die Buchhaltungsunterlagen laut Gesellschafterbeschluß vom übergeben habe, ohne Vorsorge für einen etwa zu erbringenden Nachweis eines pflichtgemäßen Verhaltens zu treffen, im gesamten Verfahren den derzeitigen Aufbewahrungsort der Geschäftsunterlagen nicht genannt habe bzw. habe nennen können, könne es nicht als rechtswidrig angesehen werden, wenn das Finanzamt mangels gegenteiliger Nachweise durch den Beschwerdeführer eine schuldhafte Pflichtverletzung angenommen habe. Da der Beschwerdeführer am als Geschäftsführer abgelöst worden sei, sei er lediglich für den Zeitraum 1987 und 1-10/1988 für die ordnungsgemäße Entrichtung der Umsatzsteuer verantwortlich gewesen und insoweit der Haftungsbetrag einzuschränken. Einwendungen gegen die Grundlagenbescheide seien nicht zielführend, weil Gegenstand des Berufungsverfahrens ausschließlich die Geltendmachung der Haftung sei.

Die Beschwerde macht sowohl inhaltliche Rechtwidrigkeit des angefochtenen Bescheides als auch dessen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in der Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Nach § 80 Abs. 1 BAO haben die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen, zu denen auch die Geschäftsführer mit beschränkter Haftung zählen, alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen, und sind befugt, die diesen zustehenden Rechte wahrzunehmen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, daß die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden.

Gemäß § 9 Abs. 1 BAO haften die in den §§ 80 ff BAO bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist es Sache des Geschäftsführers, darzutun, weshalb er nicht dafür Sorge tragen konnte, daß die Gesellschaft die anfallenden Abgaben rechtzeitig entrichtet hat, widrigenfalls von der Abgabenbehörde eine schuldhafte Pflichtverletzung i.S.d. § 9 Abs. 1 BAO angenommen werden darf (siehe z.B. die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom , 83/13/0110, vom , 87/14/0148, und vom , 89/14/0043).

Im Beschwerdeverfahren ist nicht strittig, daß die in Haftung gezogenen Abgaben bei der Gesellschaft uneinbringlich sind; es ist auch unbestritten, daß der Beschwerdeführer im Jahr 1987 und im Jahr 1988 bis zum Vertreter der Gesellschaft i.S.d. § 80 Abs. 1 BAO gewesen ist.

Da von der belangten Behörde mit der teilweise stattgebenden Entscheidung im angefochtenen Bescheid eine Einschränkung der Haftungsbeträge auf die bis zum Ausscheiden des Beschwerdeführers aus seiner Geschäftführertätigkeit fällig gewordenen Umsatzsteuerbeträge erfolgte, ist den Beschwerdeausführungen darin nicht zu folgen, wonach die belangte Behörde sein Ausscheiden als Geschäftsführer unberücksichtigt gelassen hätte. Weil somit ausschließlich die Haftung für Abgabenschuldigkeiten in Rede stand, deren Fälligkeiten in den Zeitraum der Geschäftsführertätigkeit des Beschwerdeführers für die W-GmbH fielen, dieser Umstand dem Beschwerdeführer auch in der Berufungsvorentscheidung dargelegt wurde, wäre es i.S. der zitierten Rechtsprechung zur Vermeidung der Haftungsinanspruchnahme seine Aufgabe gewesen, eine fehlende schuldhafte Pflichtverletzung i.S.d. § 9 Abs. 1 BAO darzulegen. Es war nicht entscheidend, ob der Beschwerdeführer in der Lage war, NACH seinem Ausscheiden als Geschäftsführer (und Übergabe der Geschäftsunterlagen) für die Entrichtung der Abgaben zu sorgen, wie dies in der Beschwerde darzustellen versucht wird. Der Beschwerdeführer hat im gesamten Verwaltungsverfahren (und auch in der Beschwerde) kein substantiiertes Vorbringen erstattet, warum er im Zeitraum seiner Geschäftsführung an der Erfüllung seiner abgabenrechtlichen Pflichten gehindert gewesen wäre, sodaß die von der Abgabenbehörde angenommene schuldhafte Pflichtverletzung nicht als rechtswidrig erkannt werden kann. Die in der Beschwerde gerügte unterlassene Einvernahme des Wirtschaftstreuhänders P. stellt keinen wesentlichen Verfahrensmangel dar. Die Betrauung eines Steuerberaters mit der Wahrnehmung abgabenrechtlicher Pflichten allein entbindet den Vertreter nach § 80 BAO nicht seiner Pflichten (vgl. z.B. das Erkenntnis vom , 94/13/0095, m.w.N.). Zu welchem konkreten Beweisthema der Wirtschaftstreuhänder P. darüber hinaus hätte befragt werden sollen, läßt auch die Beschwerde offen.

Festzuhalten ist schließlich, daß Gegenstand des vorliegenden Verfahrens nur die Heranziehung zur Haftung gemäß § 9 BAO war und damit eine rechtswirksame Zustellung der betreffenden Abgabenbescheide keine Voraussetzung dafür darstellt, daß hinsichtlich der von diesen Bescheiden umfaßten Abgaben ein Haftungsbescheid gemäß § 224 BAO erlassen wird (vgl. dazu beispielsweise die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom , 91/15/0007, und vom , 94/14/0156). Im übrigen sind die Beschwerdeausführungen, die auf eine Nichtbekanntgabe der Grundlagenbescheide hinauslaufen, aktenwidrig, weil nach dem unbestrittenen Akteninhalt aufgrund des Antrages des damaligen steuerlichen Vertreters des Beschwerdeführers die Grundlagenbescheide (Umsatzsteuer 1987 und 1988) am zugestellt worden sind (und dagegen in der Folge nach der Aktenlage auch Berufung eingebracht wurde).

Der angefochtene Bescheid erweist sich daher insgesamt nicht als rechtswidrig, sodaß die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen war.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.