VwGH vom 04.10.2001, 97/08/0084
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Sulyok, Dr. Strohmayer und Dr. Köller als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Müller, über die Beschwerde des R in O, vertreten durch Dr. Stefan Glaser, Rechtsanwalt in 4910 Ried im Innkreis, Hauptplatz 17, gegen den auf Grund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Oberösterreich vom , Zl. B1-12896C87-11, betreffend Ersatzleistung nach § 25 Abs. 3 AlVG, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.890,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der früher unselbstständig tätig gewesene Beschwerdeführer eröffnete am in O. einen Gastgewerbebetrieb. Am meldete er an die oberösterreichische Gebietskrankenkasse, dass Frau Brigitte R. bei ihm ab gegen einen Monatslohn von S 3.120,-- durchschnittlich an drei Tagen bzw. 9 Stunden in der Woche als Zimmermädchen beschäftigt sei.
Zum Zwecke der Vorlage an das Arbeitsmarktservice R. (AMS) stellte der Beschwerdeführer am selben Tag auch eine "Lohnbescheinigung für Aushilfsarbeiten" aus, wonach Brigitte R. ab dem bei ihm als Zimmermädchen auf unbestimmte Zeit "geringfügig beschäftigt" sei. Im Monat August habe sie (bisher) am 1., 9. und 10. gearbeitet. Die formularmäßige Frage "Wurde eine periodisch wiederkehrende Leistungspflicht vereinbart und die Tage im Vorhinein festgelegt?" verneinte der Beschwerdeführer, die Frage "Handelt es sich um eine Beschäftigung auf Abruf?" bejahte er. Der Stundenlohn betrage S 80,--, die Beschäftigungszeit in der Woche "ca 3 Tage ca 9 Stunden".
Am teilte die oberösterreichische Gebietskrankenkasse dem Beschwerdeführer mit, dass Arbeitnehmer, die kürzer als die Normalarbeitszeit beschäftigt würden, nach dem "Kollektivvertrag für das Hotel- und Gastgewerbe" pro Tag für 4 Stunden (zu je S 67,--) und mit einer täglichen Trinkgeldpauschale von S 10,-- entlohnt werden müssten. Daraus ergebe sich ein monatlicher Anspruchslohn der Brigitte R. von S 3.610,62. Damit werde die für 1995 mit S 3.452,-- festgesetzte Geringfügigkeitsgrenze überschritten, sodass Versicherungspflicht in der Vollversicherung bestehe. Daraufhin vereinbarte der Beschwerdeführer mit Brigitte R., nur mehr zwei Tage pro Woche zu je 4,5 Stunden zu arbeiten, und erstattete bei der Gebietskrankenkasse eine entsprechende Änderungsmeldung.
Am stellte das AMS durch eine Hauptverbandsabfrage fest, dass Brigitte R. vom bis in einem vollversicherungspflichtigen Dienstverhältnis gestanden sei und widerrief gegenüber Brigitte R. mit Bescheid vom die Zuerkennung des Karenzurlaubsgeldes für diesen Zeitraum, weil Brigitte R. in einem vollversicherungspflichtigen Dienstverhältnis gestanden und daher nicht arbeitslos gewesen sei. Von einer Rückforderung des Überbezuges von S 7.285,-- für diesen Zeitraum wurde über Berufung der Brigitte R. mit Bescheid der belangten Behörde vom abgesehen, weil sie weder falsche Angaben gemacht oder maßgebende Tatsachen verschwiegen habe, noch hätte erkennen können, dass das Karenzurlaubsgeld auf Grund spezieller kollektivvertraglicher Bestimmungen nicht gebühre.
Mit Bescheid vom verpflichtete das AMS den Beschwerdeführer gemäß § 25 Abs. 3 AlVG zum Rückersatz des zu Unrecht von Brigitte R. bezogenen Karenzurlaubsgeldes von S 7.285,-
-, weil er als Arbeitgeber auf der "Lohnbescheinigung für August 95" durch den Hinweis auf die geringfügige Beschäftigung als Zimmermädchen "falsche Angaben gemacht" habe, obwohl er "mit den kollektivvertraglichen Bestimmungen" hätte vertraut sein müssen.
Der Beschwerdeführer erhob Berufung, in der er unter anderem ausführte:
" Für mich völlig überraschend wurde mir ... mit Brief der OÖGKK vom mitgeteilt, dass der Kollektivvertrag des Hotel- und Gastgewerbes vorsieht, dass gastgewerbliche Arbeitnehmer, die kürzer als Normalarbeitszeit beschäftigt werden, pro Tag für 4 Stunden entlohnt werden müssen. Es handelt sich dabei um eine an sich überhaupt nicht vorhersehbare und völlig überraschende Regelung. Ich wäre niemals auf die Idee gekommen, dass seitens eines Kollektivvertrages eine dreistündige Arbeitszeit nicht gestattet sei und diese zwangsweise auf 4 Stunden angehoben werden kann.
(...)
Die Erstbehörde bleibt die genaue Erklärung schuldig, welche mir nach diesem Bundesgesetz obliegende Anzeige ich unterlassen hätte. Mir obliegt diesbezüglich keine in diesem Bundesgesetz normierte Anzeigepflicht, welche ich unterlassen habe. Ich habe lediglich Frau R. eine völlig ordnungsgemäße und den tatsächlichen Gegebenheiten entsprechende Lohnbescheinigung für August 1995 ausgestellt."
Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde dieser Berufung mit folgender - auszugsweise wiedergegebenen - Begründung nicht statt:
"In offensichtlicher Unkenntnis der kollektivvertraglichen Bestimmungen waren Sie der Ansicht, dass auf Grund des relativ geringen zeitlichen Ausmaßes der Beschäftigung von Frau R. im konkreten Fall nur eine geringfügige Beschäftigung vorliegen würde, weswegen Sie für den relevanten Zeitraum nur eine Lohnbescheinigung für Aushilfsarbeiten und keine Arbeitsbescheinigung ausgestellt haben. (...) Als Dienstgeber ist es Ihnen ... sehr wohl zumutbar, über die Bestimmungen des für Ihren Bereich anwendbaren geltenden Kollektivvertrag informiert zu sein, auch - oder besser gesagt - insbesondere dann, wenn dieser 'seltsame Regelungen' enthält. Entgegen Ihrer Ansicht nach kann es daher sehr wohl 'jedem' Arbeitgeber zugemutet werden, dass er sämtliche Bestimmungen der ihn betreffenden Kollektivverträge kennt. So werden die nötige Geschäftskundigkeit und ausreichende fachliche Kenntnisse vorausgesetzt, sodass davon auszugehen ist, dass es Ihnen als Dienstgeber zumutbar ist, Frau R. mit einer täglichen Mindestarbeitszeit von 4 Stunden an jedem der von Ihnen angegebenen drei Arbeitstage pro Woche angemeldet zu haben.
Da Sie dies jedoch nicht gemacht haben, ist Ihnen nach Ansicht des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten grobe Fahrlässigkeit vorzuwerfen."
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde. Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Der Beschwerdeführer macht geltend, die von ihm ausgestellte Lohnbescheinigung habe der tatsächlichen Vereinbarung entsprochen. Andere Angaben wären wahrheitswidrig gewesen. Er habe seine Anzeigeverpflichtung erfüllt. Ihm könne die Unkenntnis der Details kollektivvertraglicher Bestimmungen nicht als grobe Fahrlässigkeit angelastet werden.
Gemäß § 25 Abs. 3 AlVG kann eine dritte Person zum Ersatz verpflichtet werden, wenn sie "eine ihr nach diesem Bundesgesetz obliegende Anzeige vorsätzlich oder aus grober Fahrlässigkeit unterlassen oder falsche Angaben gemacht und hiedurch einen unberechtigten Bezug verursacht hat". Dem Tatbestandsmerkmal des "hiedurch" (nämlich durch die unterlassenen oder falschen Angaben) verursachten unberechtigten Bezuges kommt dabei eine über das bloße Erfordernis eines ursächlichen Zusammenhanges hinausgehende Bedeutung im Sinne eines normativen Zurechnungskriteriums zu (vgl. die Erkenntnisse vom , Zl. 93/08/0197, und vom , Zl. 97/08/0586).
Die Argumentation der belangten Behörde, das Außerachtlassen der (im angefochtenen Bescheid nicht zitierten, aber nach den nicht bestrittenen Annahmen der belangten Behörde hier anzuwendenden) Bestimmung des Kollektivvertrages für Arbeiter im Hotel- und Gastgewerbe über eine Entlohnung von nicht unter vier Stunden pro Tag für Teilzeitbeschäftigte sei ein Fehler, der einem sorgfältigen Dienstgeber nicht passieren können, ist damit im Ansatz verfehlt. Denn die tatsächlichen Angaben des Beschwerdeführers über die Einzelheiten des Dienstverhältnisses waren unzweifelhaft richtig, nur die (gar nicht in den Aufgabenbereich des Beschwerdeführers fallende) rechtliche Einschätzung des Vorliegens einer geringfügigen Beschäftigung i.S. des § 5 Abs. 2 ASVG, die der Beschwerdeführer daraus ableitete, waren unter dem Aspekt des für die Versicherungspflicht nach dem ASVG ausschlaggebenden Anspruchslohnes offenbar falsch. Hätte die belangte Behörde die ihr vom Beschwerdeführer bekannt gegebenen Daten selbst einer rechtlichen Beurteilung unterzogen, so hätte sie den (auch für eine Beurteilung der Arbeitslosigkeit nach § 12 Abs. 6 AlVG i.V.m. § 26 Abs. 6 AlVG maßgebenden) Anspruchslohn und damit ein Überschreiten der Geringfügigkeitsgrenze im Anspruchszeitraum grundsätzlich auch selbst (allenfalls unter Inanspruchnahme der Unterstützung der Gebietskrankenkasse gemäß § 69 Abs. 1 AlVG) erkennen können.
Der angefochtene Bescheid war schon deshalb gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Bei diesem Ergebnis brauchte nicht geprüft zu werden, ob die auf "falsche Angaben" einer dritten Person aufbauende Tatbestandsvariante des § 25 Abs. 3 AlVG voraussetzt, dass die dritte Person - ebenso wie nach der ersten Tatbestandsvariante - nicht nur mit derselben Verschuldensform gehandelt, sondern sie auch eine Verpflichtung zu "Angaben" gegenüber dem Arbeitsamt "nach diesem Bundesgesetz" getroffen hat, ob sich bejahendenfalls eine solche Verpflichtung aus den §§ 69 Abs. 2 und 71 Abs. 1 AlVG ergibt und ob es sich bei der "Lohnbescheinigung für Aushilfsarbeiten" um eine "Bestätigung des Dienstgebers" i.S. des § 46 Abs. 4 AlVG handelte (vgl. die diese Fragen ebenfalls offen lassenden Erkenntnisse vom , Zl. 93/08/0197, und - ebenfalls im Zusammenhang mit einer Nichtbeachtung der gegenständlichen kollektivvertraglichen Bestimmung durch den Arbeitgeber - vom , Zl. 95/08/0111).
Aus den oben angeführten Gründen war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers, BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am