VwGH vom 29.07.2004, 2003/16/0139

VwGH vom 29.07.2004, 2003/16/0139

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Steiner und die Hofräte Dr. Höfinger, Dr. Köller, Dr. Thoma und Dr. Zehetner als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Siegl, über die Beschwerden der S Gastronomie GmbH in G, vertreten durch die BDO Tschofen Treuhand Wirtschaftsprüfungsgesellschaft GmbH, 6800 Feldkirch, Gallmiststraße 17, 1. gegen den Bescheid der Vorarlberger Landesregierung vom , Zl. IIIa-230.358, betreffend Getränkesteuer und Aussetzung eines Verfahrens (Zl. 2003/16/0139) und 2. wegen Verletzung der Entscheidungspflicht in einer Angelegenheit der Getränkesteuer (Zl. 2003/16/0140), zu Recht erkannt:

Spruch

Zu 1. Der angefochtene Bescheid wird in seinem Ausspruch über die Festsetzung und Rückerstattung der Getränkesteuer für die Jahre 1995 bis 1997 wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben (Spruchpunkt II.); hinsichtlich der Entscheidung über die Aussetzung (Spruchpunkt I.) wird die Beschwerde als gegenstandslos erklärt und das Verfahren eingestellt.

Das Land Vorarlberg hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Zu 2. Das Verfahren wird wegen Nachholung des versäumten Bescheides durch die belangte Behörde eingestellt.

Das Land Vorarlberg hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 585,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die beschwerdeführende Gesellschaft betreibt einen Restaurationsbetrieb. Im Jänner 1996 hat sie der Gemeinde G. Getränkesteuer für alkoholische und alkoholfreie Getränke für das Jahr 1995 in der Höhe von S 6.193,-- erklärt.

Mit Schriftsatz vom beantragte die beschwerdeführende Gesellschaft erstmals, die Getränkesteuer für ihren Betrieb für das Jahr 1995 mit S 0,-- festzusetzen und die bereits entrichtete Getränkesteuer für das Jahr 1995 rückzuerstatten.

Mit Bescheid vom setzte der Bürgermeister der Gemeinde G. die Getränkesteuer für den Betrieb der beschwerdeführenden Gesellschaft für das Jahr 1995 mit S 6.193,-- fest und stellte fest, dass dieser Betrag bezahlt worden sei.

Mit weiterem Bescheid vom selben Tag setzte der Bürgermeister der Gemeinde G. die Getränkesteuer für den Betrieb der beschwerdeführenden Gesellschaft für das Jahr 1996 mit S 73.504,53 und für das Jahr 1997 mit S 73.314,-- fest und stellte fest, dass diese Beträge bezahlt worden seien.

Gegen diese beiden Bescheide vom erhob die beschwerdeführende Gesellschaft Berufungen (vom ), in denen sie die Anträge stellte, die Getränkesteuer für das Jahr 1995 sowie für die Jahre 1996 und 1997 jeweils mit S 0,-- festzusetzen und die zu Unrecht entrichtete Getränkesteuer für die genannten Jahre rückzuerstatten.

Mit Schreiben vom an die Gemeinde G. teilte die beschwerdeführende Gesellschaft Folgendes mit (Unterstreichung fehlt im Original):

"Sollte die Getränkesteuer vom Europäischen Gerichtshof als EU-widrig erklärt werden, beantragen wir die Rückzahlung der seit 1995 bis einschließlich 1999 zu Unrecht eingehobenen Getränkesteuer."

In einem weiteren Schreiben an die Gemeinde G. vom beantragte die beschwerdeführende Gesellschaft die bescheidmäßige Festsetzung der Getränkesteuer für das Jahr 1999 mit S 0,-- und die Rückzahlung der für dieses Jahr zu Unrecht entrichteten Getränkesteuer.

Mit Schriftsatz vom stellte die beschwerdeführende Gesellschaft an die Abgabenkommission der Gemeinde G den Antrag, dass die Zuständigkeit zur Entscheidung über die von ihr gestellten Anträge auf Rückzahlung der Getränkesteuer vom für das Jahr 1995 und vom für die Jahre 1996 bis 1998 an die Behörde zweiter Instanz übergingen.

Ausgangspunkt für das vorliegende Verfahren ist der Bescheid vom , mit dem der Bürgermeister der Gemeinde G. den Antrag der beschwerdeführenden Gesellschaft vom auf Rückzahlung der Getränkesteuer für die Jahre 1995 bis 1999 abgewiesen hat.

Gegen diesen Bescheid erhob die beschwerdeführende Gesellschaft Berufung, in der sie unter anderem die Unzuständigkeit des Bürgermeisters geltend machte. Dieser sei in den Verfahren über die Rückzahlung der Getränkesteuer nicht mehr zuständig, weil auf Grund der Devolutionsanträge vom (betreffend die Rückzahlung der Getränkesteuer für die Jahre 1995 bis 1998) und vom (betreffend die Rückzahlung der Getränkesteuer für das Jahr 1999) die Zuständigkeit zur Entscheidung auf die Abgabenkommission übergegangen sei.

Mit dem vom Bürgermeister ausgefertigten Bescheid vom gab die Abgabenkommission der Gemeinde G. der Berufung keine Folge.

In der gegen diesen Bescheid erhobenen Vorstellung wies die beschwerdeführende Gesellschaft unter anderem wieder auf die Unzuständigkeit des Bürgermeisters zur Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides hin.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid setzte die belangte Behörde das Verfahren hinsichtlich der Getränkesteuer für das Jahr 1999 "bis zur Entscheidung des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) in der Rechtssache C-147/01" (Spruchpunkt I) aus und gab der Vorstellung "hinsichtlich der Festsetzung und Rückerstattung der Getränkesteuer für den Zeitraum 1995 - 1997" keine Folge. Über die Getränkesteuer für das Jahr 1998 hat die belangte Behörde nicht entschieden.

In der Begründung des angefochtenen Bescheides gab die belangte Behörde den Gang des Verwaltungsverfahrens wieder und stellte die einschlägige Rechtslage dar. Unter anderem nahm sie auf den Antrag der beschwerdeführenden Gesellschaft vom auf Rückzahlung der Getränkesteuer für das Jahr 1995 sowie auf den Antrag vom betreffend die Jahre 1995 bis 1999 Bezug. Mit der Frage der Zuständigkeit hat sie sich nicht näher auseinandergesetzt.

Mit den vorliegenden - in einem gemeinsamen Schriftsatz eingebrachten - Beschwerden macht die beschwerdeführende Gesellschaft einerseits Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften des angefochtenen Bescheides, andererseits die Verletzung der Entscheidungspflicht der belangten Behörde hinsichtlich der Rückerstattung der Getränkesteuer für das Jahr 1998 geltend. Durch den angefochtenen Bescheid erachtet sich die beschwerdeführende Gesellschaft in ihrem Recht auf Rückerstattung der Getränkesteuer auf alkoholische Getränke für die Jahre 1995, 1996, 1997 und 1999 verletzt.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und zur Bescheidbeschwerde eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt. Die beschwerdeführende Gesellschaft hat eine Äußerung zur Gegenschrift erstattet.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Bei den folgenden Erwägungen ist davon auszugehen, dass die Entscheidungen über die Festsetzung bzw. die Rückzahlung der Getränkesteuer für jedes einzelne der in Rede stehenden Jahre (1995 bis 1999) insofern trennbar sind, als sie für sich allein und ohne inneren Zusammenhang mit anderen Jahren einen eigenen Bemessungszeitraum darstellen, somit einen eigenen Entscheidungsgegenstand bilden und einem gesonderten Abspruch zugänglich sind (vgl. Stoll, BAO-Kommentar I, 948 f).

Zu 1. Spruchpunkt I:

Hinsichtlich der Getränkesteuer für das Jahr 1999 hat die belangte Behörde das Verfahren bis zur Entscheidung des EuGH in der Rechtssache C-147/01 ausgesetzt.

Mit hat der EuGH dieses Verfahren entschieden. Mit Beendigung dieses Verfahrens hat der Aussetzungsbescheid seine Wirksamkeit verloren, weshalb ab diesem Zeitpunkt die Möglichkeit einer Rechtsverletzung nicht mehr gegeben war. Da somit das rechtliche Interesse der beschwerdeführenden Gesellschaft weggefallen ist, war die Beschwerde als gegenstandslos zu erklären und das verwaltungsgerichtliche Verfahren einzustellen (vgl. das Erkenntnis vom , Zl. 90/13/0276).

Zu 1. Spruchpunkt II:

Gegenstand von Spruchpunkt II war der Abspruch über die Vorstellung gegen die Entscheidung der Behörde zweiter Instanz (Abgabenkommission der Gemeinde G.), mit der diese die Berufung der beschwerdeführenden Gesellschaft gegen den Bescheid des Bürgermeisters der Gemeinde G. vom abgewiesen hat. Mit diesem erstinstanzlichen Bescheid war der Antrag der beschwerdeführenden Gesellschaft "vom auf Rückzahlung der Getränkesteuer für den Zeitraum bzw. das Jahr 1995 bis 1999" abgewiesen worden.

Hinsichtlich des Antrages vom hat die beschwerdeführende Gesellschaft mit Schriftsatz vom beantragt, dass die Zuständigkeit zur Entscheidung über den Antrag auf Rückzahlung der Getränkesteuer vom hinsichtlich der Jahre 1996, 1997 und 1998 auf die Behörde zweiter Instanz, somit die Abgabenkommission, übergehe; für das Jahr 1995 bezog sie sich auf ihren Antrag vom .

Gemäß § 129 Abs. 2 (Vorarlberger) Abgabenverfahrensgesetz 1984 geht auf schriftliches Verlangen der Partei die Zuständigkeit zur Entscheidung an die Behörde zweiter Instanz über, wenn Bescheide der Behörden erster Instanz mit Ausnahme solcher Bescheide, die aufgrund von Abgabenerklärungen zu erlassen sind, der Partei nicht innerhalb von sechs Monaten nach Einlangen der Anbringen zugestellt werden.

Im vorliegenden Fall ist somit die Zuständigkeit zur Entscheidung über den Rückzahlungsantrag vom hinsichtlich der Jahre 1996, 1997 und 1998 auf die Abgabenkommission übergegangen; der Bürgermeister von G war hinsichtlich dieser Zeiträume zur Erlassung eines solchen Bescheides nicht mehr zuständig.

Dasselbe gilt für die Entscheidung über den das Jahr 1995 betreffenden Rückzahlungsantrag. Im erstinstanzlichen Bescheid ist zwar nur vom Antrag vom die Rede, tatsächlich wurde ein solcher Antrag von der beschwerdeführenden Gesellschaft aber bereits am gestellt. Der später gestellte Antrag wiederholt den früheren Antrag nur, ohne ein eigenes Begehren, über das gesondert zu entscheiden gewesen wäre, darzustellen.

Die Abgabenkommission der Gemeinde G war demnach als Berufungsbehörde allein dafür zuständig, die sachliche Unzuständigkeit des Bürgermeisters zur Entscheidung über die genannten Rückzahlungsanträge aufzugreifen, den bekämpften Bescheid in diesem Umfang zu beheben, und allenfalls die an sie übergegangene Zuständigkeit in dieser Sache wahrzunehmen.

Die Nichtbeachtung der Zuständigkeitsnormen, die eine erste Instanz als unzuständig erscheinen lasse, durch die zweite Instanz, die über das Rechtsmittel jedenfalls zu entscheiden hatte, ist formell gesehen eine inhaltliche Rechtswidrigkeit, materiell gesehen handelt es sich um eine Zuständigkeitsfrage (vgl. das Erkenntnis vom , Zl. 93/05/0103). Hat die belangte Behörde die Unzuständigkeit der Behörde erster Instanz insofern nicht aufgegriffen, als sie den zweitinstanzlichen Bescheid deswegen (zumindest im genannte Umfang 1995 bis 1998) nicht behoben hat, hat sie ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet, weshalb er die Jahre 1995 bis 1997 betreffend gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben war.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz im Verfahren über die Bescheidbeschwerde beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333/2003.

Zu 2.: Hinsichtlich der Getränkesteuer für das Jahr 1998 hat die belangte Behörde den Bescheid vom , Zl. IIa- 230.358, erlassen und eine Abschrift dieses Bescheides dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegt. Das Verfahren über die Säumnisbeschwerde war daher gemäß § 36 Abs. 2 VwGG einzustellen.

Über den Aufwandersatz im Verfahren über die Säumnisbeschwerde wurde gemäß §§ 47 ff, insbesondere § 55 Abs. 1

2. Satz VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333, im Rahmen des gestellten Begehrens entschieden.

Wien, am