VwGH vom 29.06.1999, 99/14/0128
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss und die Hofräte Dr. Karger, Dr. Graf, Mag. Heinzl und Dr. Zorn als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Doralt, über die Beschwerde des J H in V, vertreten durch Dr. Kurt Dellisch, Rechtsanwalt in 9020 Klagenfurt, Villacher Ring 59, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Kärnten vom , RV 75/1-4/95, betreffend Haftung nach § 9 BAO, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Aus der Beschwerde und dem angefochtenen Bescheid ergibt sich folgender Sachverhalt:
Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde der Beschwerdeführer gemäß § 9 Abs. 1 BAO zur Haftung für aushaftende Abgabenschulden der I-GmbH herangezogen. Er sei vom bis zur Eröffnung des Konkurses über das Vermögen der I-GmbH (am ) alleiniger Geschäftsführer dieser Gesellschaft gewesen. Soweit die Abgabenschulden die Konkursquote (3,08 %) überstiegen, seien sie uneinbringlich. Die in Haftung gezogene Umsatzsteuer 1993 betreffe die Nachforderung aus der Umsatzsteuerveranlagung für 1993. Hiezu habe der Beschwerdeführer ausgeführt: Die Nachforderung stehe in Zusammenhang mit einer im August 1993 beendeten Lieferung der I-GmbH. Über Wunsch des Kunden sei die Lieferung noch zum Monatsende fakturiert worden, nachdem die Fakturierung der I-GmbH für das laufende Monat bereits abgeschlossen und die Rechnungen an die Buchhaltung weitergegeben gewesen seien. Durch ein internes Kommunikationsproblem seien die vom Buchhalter bereits weitergemeldeten Daten für die Umsatzsteuervoranmeldung nicht korrigiert worden. Obwohl die Rechnung richtig verbucht und die Umsatzsteuer auf dem Verrechnungskonto ausgewiesen worden sei, sei der "Überhang" an Umsatzsteuer erst bei der Abstimmung der Jahressummen entdeckt und dem Finanzamt zur Kenntnis gebracht worden. Die Umsatzsteuernachforderung sei sodann am , also unmittelbar vor Konkurseröffnung, gebucht worden. Zu diesem Zeitpunkt hätte eine sofortige Entrichtung bereits gegen die Verpflichtung zur Gleichbehandlung der Gläubiger verstoßen.
Das Finanzamt sei davon ausgegangen, dass dem Beschwerdeführer eine Verletzung seiner Überwachungspflicht vorzuwerfen sei; ein Steuerbetrag von ca. 1 Mio. S hätte nicht monatelang unentdeckt bleiben können. Durch dieses Versäumnis sei die Abgabe uneinbringlich geworden.
Der Beschwerdeführer habe eingewendet, dass ihn kein Überwachungsverschulden treffe. Als technischer Geschäftsführer einer GmbH mit großem Geschäftsumfang sei ihm die Befassung mit jeder einzelnen Finanzamtszahlung nicht zumutbar. Als Techniker habe er in Kenntnis seiner "mangelnden diesbezüglichen Fähigkeiten" geeignete Dienstnehmer für die Buchhaltungsaufgaben angestellt. Zudem liege infolge eines einmaligen Übersehens eine entschuldbare Fehlleistung vor.
Die belangte Behörde halte dem entgegen, dass das Fehlen von Kenntnissen auf dem Gebiet des Abgabenrechts den Vertreter nicht exkulpiere. Der Vertreter müsse diesfalls entweder auf seine Funktion verzichten oder sich entsprechender Hilfskräfte bedienen und bei diesen für ein entsprechendes Maß an Überwachung Sorge tragen. Auch wenn Prokuristen, Buchhalter bzw Wirtschaftstreuhänder mit der Erfüllung abgabenrechtlicher Pflichten betraut würden, enthebe dies den Geschäftsführer nicht von seiner Pflicht, zumindest in solchen Abständen die Tätigkeit der Beauftragten zu überwachen, dass ihm die Verletzung abgabenrechtlicher Pflichten nicht verborgen bleibe. Der Geschäftsführer einer Gesellschaft habe darzutun, aus welchen Gründen ihm die Erfüllung der abgabenrechtlichen Pflichten nicht möglich gewesen sei, widrigenfalls angenommen werden dürfe, er sei seinen Pflichten schuldhaft nicht nachgekommen. Dabei reiche auch leichte Fahrlässigkeit zur Heranziehung zur Haftung aus. Im gegenständlichen Fall behaupte der Beschwerdeführer gar nicht, regelmäßig Kontrollen durchgeführt zu haben. Er berufe sich lediglich darauf, fachlich geschultes Personal angestellt und Anweisung zur ordnungsgemäßen Erfüllung der Aufgaben gegeben zu haben. Die Heranziehung zur Haftung sei eine Ermessensentscheidung, die innerhalb der Grenzen der Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommender Umstände zu treffen sei. Die Nichtentrichtung der Abgaben sei dem Beschwerdeführer anzulasten, weshalb der Beschwerdeführer aus Gründen der Zweckmäßigkeit im Sinne des öffentlichen Interesses an der Einbringung der Abgaben in Anspruch zu nehmen gewesen sei. Die durch den Konkurs der I-GmbH eingetretenen Vermögensverluste des Beschwerdeführers stünden nicht in Zusammenhang mit der Geltendmachung der Haftung und seien daher im Rahmen der Ermessensübung nicht zu berücksichtigen.
Die Beschwerde richtet sich gegen diesen Bescheid, soweit er die Haftung für Umsatzsteuer und Säumniszuschlag betrifft.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:
Gemäß § 9 Abs. 1 BAO haften die in den §§ 80 ff bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat der Vertreter darzutun, aus welchen Gründen ihm die Erfüllung abgabenrechtlicher Pflichten unmöglich war, widrigenfalls angenommen wird, dass die Pflichtverletzung schuldhaft war (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 96/15/0053). Nur der Vertreter wird in der Regel jenen ausreichenden Einblick in die Gebarung des Vertretenen haben, der ihm entsprechende Behauptungen und Nachweise ermöglicht (vgl. Ritz, BAO-Kommentar2, § 9 Tz 22).
Entgegen dem Beschwerdevorbringen wurde mit dem angefochtenen Bescheid schon deshalb kein Verstoß gegen die Unschuldsvermutung des Art. 6 Abs. 2 EMRK gesetzt, weil in der Heranziehung zur Haftung nach § 9 BAO kein strafrechtlicher Vorwurf begründet ist. Ins Leere geht damit aber auch das Beschwerdevorbringen, wonach die Unterlassung der Umsatzsteuervoranmeldung und der Abfuhr der Umsatzsteuer eine Finanzordnungswidrigkeit sei und eine solche Vorsatz voraussetze, weshalb die belangte Behörde auch im gegenständlichen Fall (für die Haftung nach § 9 BAO) Feststellungen über das Vorliegen von Vorsatz hätte treffen müssen.
Der Beschwerdeführer wendet sich auch mit folgendem Vorbringen dagegen, dass ihm überhaupt Verschulden vorgeworfen werde: Er sei als Techniker zum alleinigen Geschäftsführer der I-GmbH bestellt worden, es seien aber im Einvernehmen mit den Gesellschaftern geeignete Personen für den Finanzbereich angestellt worden, auf deren ordnungsgemäße Aufgabenerfüllung er sich habe verlassen müssen, weil ihm weder die Fähigkeit noch die Zeit zur Verfügung gestanden sei, eine vollständige und detaillierte Kontrolle insbesondere der Umsatzsteuervoranmeldungen und der Abfuhr der Umsatzsteuern durchzuführen. Es sei fraglich, ob er als Techniker die Buchhaltung eines Großbetriebes hätte daraufhin überprüfen müssen, ob bei Vorliegen außergewöhnlicher Umstände, wie der Rechnungslegung gegenüber einem Kunden nach bereits erfolgtem Monatsabschluss, ein Fehler unterlaufen sei. Ihm könne keine Einlassungsfahrlässigkeit vorgeworfen werden, weil er damit habe rechnen können, dass ihm die I-GmbH als Arbeitgeber entsprechendes Personal zur Bewältigung aller Aufgaben, die die Möglichkeit eines einzelnen Menschen weit überstiegen, bereitstelle. Die belangte Behörde werfe ihm Überwachungsverschulden vor. Eine Überwachung sei aber so lange nicht notwendig, als der Geschäftsführer nicht durch besonders auffällige Umstände auf mögliche Fehlleistungen hingewiesen werde.
Diesem Vorbringen ist entgegenzuhalten, dass der Vertreter verpflichtet ist, das mit der Erfüllung abgabenrechtlicher Pflichten betraute Personal in solchen Abständen zu überwachen, die es ausschließen, dass ihm die Verletzung abgabenrechtlicher Pflichten, insbesondere abgabenrechtlicher Zahlungspflichten verborgen bleibt (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 97/14/0080). Diese Überwachungspflicht besteht auch dann, wenn es noch nicht zu einer Fehlleistung des Personals gekommen ist. Rechtsunkenntnis in buchhalterischen und steuerrechtlichen Belangen vermag den Vertreter nicht zu exkulpieren; wer trotz Rechtsunkenntnis Erkundigungen unterlässt, handelt zumindest fahrlässig (vgl. die hg. Erkenntnisse vom , 94/15/0122, und vom , 89/17/0083).
Im angefochtenen Bescheid wird ausgeführt, der Beschwerdeführer habe gar nicht behauptet, entsprechende Maßnahmen zur Überwachung des mit dem Rechnungswesen betrauten Personals gesetzt zu haben. Auch die Beschwerde enthält keine Ausführungen zu entsprechenden Überwachungsmaßnahmen. Solcherart ist es aber nicht als rechtswidrig zu erkennen, dass die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid von einer schuldhaften Pflichtverletzung des Beschwerdeführers ausgegangen ist.
Die Beschwerde vermag auch nicht aufzuzeigen, dass die belangte Behörde das Ermessen nicht dem Gesetz entsprechend geübt hätte. Sie verweist darauf, dass der Beschwerdeführer Dienstnehmer der I-GmbH gewesen sei und durch den Konkurs der Gesellschaft (mangels Zugehörigkeit zum Personenkreis des § 1 IESG) Vermögenseinbußen habe hinnehmen müssen.
Die belangte Behörde ist im Rahmen der Ermessensübung auf diesen Vermögensverlust des Beschwerdeführers eingegangen. Wenn sie aus diesem Umstand aber eine Zurücknahme der Haftung nicht abgeleitet hat, so ergibt sich daraus nicht eine rechtswidrige Ermessensübung, zumal der Haftungstatbestand nach § 9 BAO nicht darauf abstellt, ob der Vertreter seine Tätigkeit entgeltlich oder unentgeltlich entfaltet hat. Es trifft auch nicht zu, dass die Haftung nur bis zur Höhe der aktuellen Einkünfte bzw des aktuellenVermögens des Haftungspflichtigen geltend gemacht werden dürfte (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 89/15/0067).
Da sohin bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen lässt, dass die vom Beschwerdeführer behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.
Wien, am