VwGH vom 02.08.1995, 94/13/0127

VwGH vom 02.08.1995, 94/13/0127

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss und die Hofräte Dr. Fellner, Dr. Hargassner, Mag. Heinzl und Dr. Fuchs als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Peternell, über die Beschwerde des A in W, gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland (Berufungssenat VI) vom , Zl. 6/3-3487/93-05, betreffend Umsatz- und Einkommensteuer für das Jahr 1990, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.770,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren an Stempelgebühren wird abgewiesen.

Begründung

Der Beschwerdeführer erklärte für das Jahr 1990 aus einer Untervermietung in W., M.-Gasse, bei Untermieteinnahmen von S 135.909,-- einen Überschuß der Werbungskosten über die Einnahmen von S 471.637,-- (unter den Werbungskosten waren Mietaufwendungen in Höhe von S 581.366,-- angeführt).

Bei der Veranlagung zur Einkommensteuer ließ das Finanzamt die negativen Einkünfte außer Ansatz; die Umsatzsteuer wurde gemäß § 21 Abs. 7 UStG 1972 nicht festgesetzt. Dies wurde damit begründet, daß Betätigungen gemäß § 1 Abs. 2 Liebhabereiverordnung, die in absehbarer Zeit keinen Gesamtgewinn (Gesamtüberschuß) erwarten ließen, keine einkommensteuerlich beachtliche Einkunftsquelle darstellten.

Daraufhin beantragte der Beschwerdeführer eine Bescheidbegründung, warum die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung des Jahres 1990 unter den Tatbestand des § 1 Abs. 2 Liebhabereiverordnung zu subsumieren seien, und erhob zugleich Berufung, weil es "einfach nicht den Tatsachen entspricht, daß keine Überschüsse zu erwirtschaften sind". Der Verlust im Jahr 1990 sei deshalb entstanden, weil der Untermieter die in Rechnung gestellte Miete aus einem Liquiditätsengpaß heraus nicht habe bezahlen können. Der Zufluß werde in einem der Folgejahre stattfinden und sich ein entsprechender Überschuß ergeben. § 1 Abs. 2 Liebhabereiverordnung sei auf den gegenständlichen Fall nicht anzuwenden.

In der Folge führte die Abgabenbehörde erster Instanz ein Ermittlungsverfahren durch, wobei im Zuge mehrerer Vorhaltsbeantwortungen u.a. bekanntgegeben wurde, daß der Beschwerdeführer laufend bemüht sei, die Mietenrückstände einzutreiben, die derzeitigen (Vorhaltsbeantwortung vom ) Mietenrückstände S 642.830,-- betrügen und von einer klagsweisen Eintreibung bis dato abgesehen worden sei, weil in den Jahren 1991 und 1992 sämtliche Mieten zeitgerecht bezahlt worden seien und der Beschwerdeführer "sich die Mietrechte selbst auf jeden Fall sichern will". Die Untermieterin, die C.-GesmbH (ein lateinamerikanisches Spezialitätenrestaurant), bezahle bei einer Grundmiete von brutto S 47.900,-- monatlich um rund 5 % mehr als der Beschwerdeführer seinerseits an die Vermietern Frau H. zu bezahlen habe; die Betriebskosten würden gesondert einmal im Jahr verrechnet (Vorhaltsbeantwortung vom ). Ein schriftlicher Untermietvertrag mit der C.-GesmbH bestehe nicht (Vorhaltsbeantwortung vom ).

In der abweisenden Berufungsvorentscheidung vom führte das Finanzamt aus, "nach eingehender Prüfung" könne nicht festgestellt werden, daß es sich im vorliegenden Fall um eine steuerlich beachtliche Einkunftsquelle handle. Aus der Untervermietung M.-Gasse ergebe sich für die Jahre 1983 bis 1990 ein Verlust von über S 600.000,--, wie folgt:

"1983 - 120.568,--

1984 - 126.557,--

1985 + 29.003,--

1986 + 49.391,--

1987 + 17.813,--

1988 + 55.382,--

1989 - 56.476,--

1990 (Streitjahr) - 471.637,-- (lt. Erkl.)

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- 623.648,--"

In seinem Antrag auf Vorlage der Berufung an die Abgabenbehörde zweiter Instanz machte der Beschwerdeführer ergänzend zu seinem bisherigen Vorbringen geltend, er könne der Argumentation der Abgabenbehörde erster Instanz nicht folgen. Der Mietenausfall in einem Jahr könne nicht Liebhaberei verursachen. Rechne man den gesamten Rückstand an zu erhaltenden Mieten dem in der Berufungsvorentscheidung errechneten Verlust hinzu, ergebe sich wiederum ein positives Gesamtergebnis.

Nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung, bei der seitens des Beschwerdeführers u.a. argumentiert wurde, aufgrund des Aufschlages von 5 % ergebe sich objektiv ein Überschuß von S 15.000,-- pro Jahr, gab die belangte Behörde mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid der Berufung keine Folge. In der Begründung führt die belangte Behörde aus, der Beschwerdeführer sei Geschäftsführer der C.-GesmbH und an dieser als Gesellschafter ab 1989 mit 70 % (bis 1989 mit 90 %) beteiligt. Unter diesen Umständen sei "es verständlich, daß es zwischen dem Bw. und dem Untermieter "keinen schriftlichen Untermietvertrag" gibt, noch daß der Bw. Eintreibungsmaßnahmen, welcher Art auch immer, auch nur andeutet". Bemerkenswert sei, daß im Jahr 1993 über den Untermieter der Konkurs verhängt worden sei, hinsichtlich dessen am ein Zwangsausgleich angenommen worden sei. Dennoch werde seitens des Beschwerdeführers nur von einem "Engpaß" (Anführungszeichen im Original) des Untermieters gesprochen und nicht einmal behauptet, daß dieser überwunden sei, "oder auch nur angedeutet, wann das bis zum Ende des Streitjahres Fällige tatsächlich einträfe, von den fälligen Mieten für die Folgejahre gar nicht zu reden". Unter diesen Umständen sei nicht erkennbar, "daß die Einnahmen aus der gegenständlichen Untervermietung insgesamt gesehen in absehbarer Zeit ein positives Ergebnis erbringen könnten, so daß sich zwangsläufig aus der gegenseitigen Nähe des Bw. zum Untermieter der Tatbestand des § 1 Abs. 2 der Liebhabereiverordnung vom ergibt, was auch schon das Finanzamt richtig erkannt hatte".

In der Beschwerde werden "Rechtsirrtum" (dieser liege in der Auslegung der Liebhabereiverordnung im Hinblick auf die einkommen- und umsatzsteuerliche Behandlung der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung im Jahr 1990) und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in der Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Liebhabereiverordnung vom , BGBl. Nr. 322/1990, (im folgenden: Verordnung) ist - nach der Aufhebung ihres eine Übergangsbestimmung enthaltenden Art. II durch das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom , Slg. 12943 - auf Tatbestände anzuwenden, die ab ihrem Inkrafttreten (mit dem der Kundmachung der Verordnung im Bundesgesetzblatt folgenden Tag, das ist der ) verwirklicht worden sind. Für den Beschwerdefall, der eine Veranlagung für das Jahr 1990 betrifft, ist die belangte Behörde damit nicht zu Unrecht von der grundsätzlichen Anwendbarkeit der Verordnung ausgegangen (siehe dazu die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom , 93/15/0236, und vom , 93/15/0099).

Vorauszuschicken ist, daß der aus der Verordnung gewonnene Liebhabereibegriff grundsätzlich auch für die umsatzsteuerrechtliche Beurteilung herangezogen werden kann und daß die in der Verordnung gebrauchten Worte "Vermutung" und "Widerlegung" entsprechend dem zitierten Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes als "untechnisch" zu verstehen sind und es sich dabei um einen Komplex von Regel-Ausnahmen-Gegenausnahmen handelt (vgl. dazu das Erkenntis des Verwaltungsgerichtshofes vom , 93/14/0036, m.w.N.).

Nach § 1 Abs. 1 der Verordnung ist das Vorliegen von Einkünften zu vermuten bei einer Betätigung (einer Tätigkeit oder einem Rechtsverhältnis), die


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-
durch die Absicht veranlaßt ist, einen Gesamtgewinn oder einen Gesamtüberschuß der Einnahmen über die Werbungskosten zu erzielen, und
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nicht unter Abs. 2 fällt.
Voraussetzung ist, daß die Absicht anhand objektiver Umstände (§ 2 Abs. 1 und 3) nachvollziehbar ist.
Gemäß § 1 Abs. 2 der Verordnung ist Liebhaberei (mit der Widerlegungsmöglichkeit nach § 2 Abs. 4) zu vermuten bei einer Betätigung, wenn Verluste entstehen
1.
aus der Bewirtschaftung von Wirtschaftsgütern, die sich nach der Verkehrsauffassung in einem besonderen Maß für eine Nutzung im Rahmen der Lebensführung eignen (z.B. Wirtschaftsgüter, die der Sport- und Freizeitausübung dienen, Luxuswirtschaftsgüter, Wirtschaftsgüter, die der Befriedigung des persönlichen Wohnbedürfnisses dienen) und typischerweise einer besonderen in der Lebensführung begründeten Neigung entsprechen oder
2.
aus Tätigkeiten, die typischerweise auf eine besondere in der Lebensführung begründete Neigung zurückzuführen sind.
Die Subsumtion der im Beschwerdefall strittigen Untervermietung an die C.-GesmbH unter den Tatbestand des § 1 Abs. 2 der Verordnung ist bereits vom Ansatz her verfehlt. Mit den Aussagen zur "gegenseitigen Nähe" des Beschwerdeführers zur Untermieterin wird in keiner Weise zum Ausdruck gebracht, daß es sich BEI DEM MIETOBJEKT um die Bewirtschaftung eines Wirtschaftsgutes handle, DAS sich nach der Verkehrsauffassung in einem besonderen Maß für eine Nutzung im Rahmen der Lebensführung i.S.d. § 1 Abs. 2 Z. 1 der Verordnung eigne.
Die von der belangten Behörde angesprochene "gegenseitige Nähe" könnte allenfalls unter Fremdvergleichsgesichtspunkten bei der Beurteilung einer eventuellen Aufgabe der Gesamtüberschußerzielungsabsicht i.S.d. § 1 Abs. 1 i.V.m. § 2 Abs. 3 der Verordnung von Bedeutung sein. Dazu wären aber (worauf auch die Beschwerde zutreffend verweist) weitergehende Erhebungen und Feststellungen etwa über die Beweggründe zur Aufrechterhaltung des Mietverhältnisses oder auch die Behandlung der rückständigen Mieten im Konkurs bzw. Zwangsausgleich 1993 erforderlich gewesen; festzuhalten ist dazu im übrigen, daß die Ausführungen im angefochtenen Bescheid zu den nicht bezahlten Mieten "für die Folgejahre", nämlich für die Jahre 1991 und 1992, aktenwidrig sind (siehe die Vorhaltsbeantwortung vom ).
Insgesamt war aber der angefochtene Bescheid aufgrund der schon bei Anwendung der Verordnung auf den Beschwerdefall unterlaufenen Rechtswidrigkeit (unrichtige Zuordnung zu § 1 Abs. 2 der Verordnung) wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994, insbesondere deren Art. III Abs. 2. Stempelgebühren waren nur im entrichteten Ausmaß von S 270,-- zuzuerkennen.