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VwGH vom 28.09.1994, 91/13/0086

VwGH vom 28.09.1994, 91/13/0086

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung

verbunden):

91/13/0087

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat in den Beschwerdesachen der O in W, vertreten durch Dr. M, Rechtsanwalt in W, gegen 1. den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom , Zl. GA 5-2065/90, betreffend Geburtenbeihilfe, sowie 2. den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom , Zl. GA 5-2065/1/90, betreffend Gewährung von Familienbeihilfe für die Zeit ab , zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 9.130,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin war im Streitzeitraum jugoslawische Staatsbürgerin. Ihr Ehegatte, der die malische Staatsbürgerschaft besitzt, ist seit bei der Internationalen Atomenergie-Organisation (IAEO) beschäftigt.

Mit dem im Instanzenzug ergangenen, erstangefochtenen Bescheid wurde ein Antrag der Beschwerdeführerin auf Gewährung der Geburtenbeihilfe abgewiesen; mit dem ebenfalls im Instanzenzug ergangenen, zweitangefochtenen Bescheid wurde ein Antrag der Beschwerdeführerin auf Gewährung von Familienbeihilfe für die Zeit ab abgewiesen. Beide Bescheide wurden von der belangten Behörde damit begründet, daß die Beschwerdeführerin mit Rücksicht auf die Bestimmungen des Abkommens zwischen der Republik Österreich und der Internationalen Atomenergie-Organisation zur Abänderung des Abkommens vom über den Amtssitz der Internationalen Atomenergie-Organisation keinen Anspruch auf Familienbeihilfe bzw. Geburtenbeihilfe habe. Die Beschwerdeführerin hat den erstangefochtenen Bescheid mit der unter 91/13/0086 und den zweitangefochtenen Bescheid mit der unter 91/13/0087 protokollierten Beschwerde angefochten. In beiden Beschwerden wird inhaltliche Rechtswidrigkeit geltend gemacht.

Der Gerichtshof hat beide Beschwerden zur gemeinsamen Beratung und Beschlußfassung verbunden und hierüber erwogen:

Art. XI, Abschnitt 27 lit. a des Abkommens zwischen der Republik Österreich und der Internationalen Atomenergie-Organisation über den Amtssitz der Internationalen Atomenergie-Organisation, BGBl. Nr. 82/1958 (in der Folge kurz als Amtssitzabkommen bezeichnet) lautet:

"a) Die Regierung wird alle erforderlichen Maßnahmen treffen, um den nachstehend angeführten Personen die Einreise nach und den Aufenthalt in Österreich zu erleichtern, und wird ihrer Ausreise aus österreichischem Gebiet keine Hindernisse in den Weg legen und dafür sorgen, daß sie bei ihren Reisen zum und vom Amtssitzbereich nicht behindert werden, sowie ihnen während der Reise jeden erforderlichen Schutz zuteil werden lassen:

...

(iv) Angestellten der Vereinten Nationen oder einer anderen mit der IAEO gemäß Art. XVI. A. ihrer Satzung in Verbindung gebrachten Organisation, die bei der IAEO amtlichen Obliegenheiten zu genügen haben, sowie deren Ehegatten und unterhaltsberechtigten Kindern;

..."

Art. XV, Abschnitt 38 des Amtssitzabkommens bestimmt

folgendes:

"Angestellte der IAEO genießen in und gegenüber der Republik Österreich folgende Privilegien und Immunitäten:

...

f) Befreiung von Einwanderungsbeschränkungen und von der Ausländerregistrierung für sich selbst, ihre Ehegatten, ihre unterhaltsberechtigten Verwandten und andere Haushaltsangehörige;

...

i) der gleiche Schutz und die gleichen Repatriierungsmöglichkeiten für sich selbst, ihre Ehegatten, ihre unterhaltsberechtigten Verwandten und sonstige Haushaltsangehörige, wie sie Mitgliedern vergleichbaren Ranges des Personals der bei der Republik Österreich beglaubigten Leiter diplomatischer Vertretungsbehörden in Zeiten internationaler Krisen eingeräumt werden;

..."

Art. III des Abkommens zwischen der Republik Österreich und der Internationalen Atomenergie-Organisation zur Abänderung des Abkommens vom über den Amtssitz der Internationalen Atomenergie-Organisation, BGBl. Nr. 413/1971 (Abänderung des Amtssitzabkommens) trifft schließlich die nachstehende Regelung:

"Personen, auf die sich dieses Abkommen bezieht, die jedoch weder österreichische Staatsbürger noch Staatenlose mit Wohnsitz in der Republik Österreich sind, werden keinen Vorteil aus den österreichischen Bestimmungen über Familienbeihilfe und Geburtenbeihilfe ziehen."

Die wiedergegebenen rechtlichen Bestimmungen sind im wesentlichen wortgleich mit jenen, die im Amtssitzabkommen mit der OPEC vorgesehen sind, und die vom Gerichtshof in seinem Erkenntnis vom , 83/13/0014, zitiert wurden. Der Gerichtshof hat in diesem Erkenntnis den Ehegatten einer Angestellten der OPEC als Person angesehen, "auf die sich dieses Abkommen bezieht". Dies deshalb, weil die im Amtssitzabkommen für Einreise nach Österreich, Aufenthalt in Österreich und Ausreise aus Österreich bedungenen Erleichterungen und Schutzrechte als Vorrechte anzusehen seien, die auch der Ehegatte eines Angestellten der Organisation genießt. Das von der Beschwerdeführerin vorgebrachte Argument, diese Vorrechte hätten "keinen finanziellen Charakter", vermag nichts daran zu ändern, daß sich das Amtssitzabkommen (auch) auf diese Personen bezieht. Auf die Art der Vorrechte kommt es dabei nicht an.

Die Beschwerdeführerin bringt weiters vor, sie sei bei einem österreichischen Arbeitgeber beschäftigt, der von ihrem Arbeitslohn "entsprechende Abgaben" entrichte. Auf dieses Faktum stellt aber Art. III der Änderung des Amtssitzabkommens nicht ab.

Die verfassungsrechtlichen Bedenken der Beschwerdeführerin teilt der Gerichtshof schon aus folgenden Erwägungen nicht:

Familienbeihilfen und Geburtenbeihilfen sind Sozialleistungen, die dazu dienen, die mit der Geburt und dem Unterhalt von Kindern verbundenen finanziellen Lasten zu erleichtern, wobei ein Lastenausgleich vorgenommen wird. Die Lasten selbst treffen grundsätzlich die durch Gesetz zur Unterhaltsleistung verpflichteten Personen. Sieht nun ein Amtssitzabkommen vor, daß die Angestellten einer Organisation mit Rücksicht auf ihre Privilegierung insbesondere auch auf steuerlichem Gebiet von bestimmten Sozialleistungen ausgeschlossen sein sollen, so erscheint es nicht unsachlich, auch die im gemeinsamen Haushalt lebenden Ehegatten der privilegierten Angestellten von diesen Leistungen auszuschließen. Personen, die im gemeinsamen Haushalt leben, partizipieren nämlich regelmäßig von wirtschaftlichen Vorteilen, die einem Mitglied der Haushaltsgemeinschaft zukommen. Durch die Privilegierung eines Haushaltsangehörigen kommt es zu einer Entlastung der Haushaltsgemeinschaft, sodaß eine weitere Entlastung durch Berücksichtigung von Unterhaltskosten unter dem Gesichtspunkt des Gleichbehandlungsgrundsatzes nicht mehr geboten erscheint. Der Gerichtshof sieht sich daher nicht veranlaßt, die Anregung der Beschwerdeführerin aufzugreifen und beim Verfassungsgerichtshof einen Antrag auf Überprüfung der Verfassungsmäßigkeit der genannten Bestimmung des Amtssitzabkommens zu stellen.

Die Beschwerden erweisen sich sohin als unbegründet und waren daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers, BGBl. Nr. 416/1994.