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VwGH vom 29.03.2001, 99/14/0105

VwGH vom 29.03.2001, 99/14/0105

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss sowie die Hofräte Dr. Karger, Dr. Graf, Mag. Heinzl und Dr. Zorn als Richter, im Beisein des Schriftführers MMag. Urtz, über die Beschwerde der L Gesellschaft mbH als Gesamtrechtsnachfolgerin der R GmbH in W, vertreten durch Schönherr, Barfuß, Torggler & Partner, Rechtsanwälte in 1010 Wien, Tuchlauben 13, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Oberösterreich, Berufungssenat I, vom , 14/33/2- BK/Ma-1996, betreffend Körperschaft- und Gewerbesteuer für die Jahre 1991 und 1992, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen von 15.000 S binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

In der gegen den im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid erhobenen Beschwerde wird ua ausgeführt, der in der Sache zuständige Berufungssenat I, der den angefochtenen Bescheid beschlossen habe, sei insofern rechtswidrig zusammengesetzt gewesen, als Mag. FG an der Entscheidung mitgewirkt habe. Mag. FG sei dem Berufungssenat I nicht als entsendetes Mitglied, sondern bloß als entsendeter Stellvertreter zugewiesen. Eine Mitwirkung des Mag. FG an der Entscheidung käme daher nur in Betracht, wenn alle entsendeten Mitglieder des Berufungssenates I verhindert gewesen wären. Dem Berufungssenat I seien 52 entsendete Mitglieder zugewiesen. Es sei daher höchst unwahrscheinlich, dass alle entsendeten Mitglieder des Berufungssenates I verhindert gewesen wären, weswegen ein entsendeter Stellvertreter an der Entscheidung hätte mitwirken müssen. Aus dem angefochtenen Bescheid ergebe sich auch kein Anhaltspunkt für die Verhinderung aller entsendeten Mitglieder des Berufungssenates I. Der angefochtene Bescheid sei daher infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde aufzuheben.

In ihrer Gegenschrift vertritt die belangte Behörde die Ansicht, für Berufungssenate als Kollegialbehörden gelte das Prinzip einer festen Geschäftsverteilung nicht, weswegen es irrelevant sei, ob im konkreten Fall im Berufungssenat I ein entsendetes Mitglied oder ein entsendeter Stellvertreter an der Entscheidung mitgewirkt habe.

In ihrer Replik zur Gegenschrift weist die Beschwerdeführerin darauf hin, die belangte Behörde habe es unterlassen darzutun, weswegen Mag. FG und nicht eines der 52 entsendeten Mitglieder des Berufungssenates I an der Entscheidung mitgewirkt hätte. Da Mag. FG als entsendeter Stellvertreter an der Entscheidung mitgewirkt habe, sei davon auszugehen, dass der Berufungssenat I rechtswidrig zusammengesetzt gewesen sei. Wenn der Gesetzgeber zwischen entsendeten Mitgliedern und entsendeten Stellvertretern unterscheide, könne dies nur den Sinn haben, dass entsendete Stellvertreter nur dann an der Entscheidung eines Berufungssenates mitwirken dürften, wenn alle entsendeten Mitglieder verhindert seien. Hätte der Gesetzgeber gewollt, dass entsendete Mitglieder und entsendete Stellvertreter in gleicher Weise an der Entscheidung mitwirken dürften, hätte sich die Differenzierung in entsendete Mitglieder und entsendete Stellvertreter erübrigt.

Auf Ersuchen des Verwaltungsgerichtshofes übermittelte die belangte Behörde das im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides gültige Verzeichnis der Mitglieder und Stellvertreter der Berufungskommission für Oberösterreich. Aus diesem Verzeichnis ergibt sich, dass Mag. FG dem Berufungssenat I nicht als von der Arbeiterkammer entsendetes Mitglied, sondern als entsendeter Stellvertreter zugewiesen ist.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 270 Abs 3 BAO entscheidet über Berufungen gemäß § 260 Abs 2 leg cit ein fünfgliedriger Berufungssenat, der sich aus dem Präsidenten der Finanzlandesdirektion oder einem von ihm bestimmten Finanzbeamten als Vorsitzenden und vier Beisitzern zusammensetzt. Von den Beisitzern haben einer der Gruppe der ernannten und drei der Gruppe der entsendeten Mitglieder der Berufungskommission anzugehören. Ein Mitglied muss von einer gesetzlichen Berufsvertretung selbständiger Berufe, ein weiteres von einer gesetzlichen Berufsvertretung unselbständiger Berufe entsendet sein, während das dritte Mitglied von der gesetzlichen Berufsvertretung des Berufungswerbers entsendet sein soll.

Nach § 263 Abs 2 BAO besteht die Berufungskommission aus zwei Gruppen von Mitgliedern, welche in je einer Liste zu vereinigen sind. Die erste Gruppe setzt sich aus den von den gesetzlichen Berufsvertretungen entsendeten, im jeweiligen Bundesland wohnhaften Mitgliedern zusammen, wobei das Bundesministerium für Finanzen die Zahl der von den einzelnen Berufsvertretungen zu entsendenden Mitglieder unter Berücksichtigung der Bedeutung der Berufsgruppen für die Steuerleistungen im Bundesland bestimmt. Die Mitglieder der zweiten Gruppe werden in erforderlicher Anzahl vom Bundesministerium für Finanzen ernannt. Abs 3 des eben zitierten § 263 BAO bestimmt, dass neben den Mitgliedern der Berufungskommissionen nach den Grundsätzen des Abs 2 leg cit die gleiche Anzahl von Stellvertretern zu bestellen und gleichfalls in je einer Liste zu vereinigen ist.

Wie der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom , 98/13/0153, ausgeführt hat, sind Stellvertreter zur Mitwirkung in Berufungssenaten erst dann heranzuziehen, wenn alle Mitglieder an der Mitwirkung verhindert sind. Die Verhinderung aller Mitglieder ist von der belangten Behörde darzutun.

Im Beschwerdefall ist strittig, ob die Heranziehung eines von einer gesetzlichen Berufsvertretung unselbständiger Berufe entsendeten Stellvertreters auch dann rechtens ist, wenn nicht feststeht, dass alle von den gesetzlichen Berufsvertretungen unselbständiger Berufe entsendeten Mitglieder verhindert sind, an der Entscheidung mitzuwirken.

Wie sich sowohl aus dem angefochtenen Bescheid als auch aus der Gegenschrift ergibt, hat es die belangte Behörde unterlassen, die Verhinderung aller zehn von den gesetzlichen Berufsvertretungen unselbständiger Berufe (Arbeiterkammer und Landarbeiterkammer) in die Berufungskommission entsendeten, dem Berufungssenat I zugewiesenen Mitglieder an der Entscheidung darzutun. Die Mitwirkung des Mag. FG in seiner Stellung als von einer gesetzlichen Berufsvertretung unselbständiger Berufe entsendeter Stellvertreter an der Entscheidung des Berufungssenates I erweist sich daher als rechtswidrig.

Da der Berufungssenat I, der den angefochtenen Bescheid beschlossen hat, nicht dem Gesetz entsprechend zusammengesetzt war, war der Bescheid gemäß § 42 Abs 2 Z 2 VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde aufzuheben.

Von der Durchführung der beantragten Verhandlung konnte aus den Gründen des § 39 Abs 2 Z 2 VwGG abgesehen werden.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl Nr 416/1994.

Wien, am