VwGH vom 21.11.2001, 97/08/0020
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Sulyok, Dr. Strohmayer und Dr. Köller als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Müller, über die Beschwerde des F in T, vertreten durch Dr. Robert Eiter, Rechtsanwalt in Landeck, Malser Straße 13/II, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Tirol vom , Zl. Vd-4400/3/Br, betreffend Haftung für Beitragsschuldigkeiten gemäß § 67 Abs. 4 ASVG (mitbeteiligte Partei: Tiroler Gebietskrankenkasse in 6021 Innsbruck, Klara-Pölt-Weg 2), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund (Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen) Aufwendungen von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei Exekution zu ersetzen. Das Kostenbegehren der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse wird abgewiesen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde den Beschwerdeführer als Betriebsnachfolger im Betrieb eines näher genannten Hotels zur Zahlung eines Betrages von S 60.787,89 zuzüglich Verzugszinsen seit aus S 58.942,59 gemäß § 67 Abs. 4 und § 83 ASVG verpflichtet. Nach der Begründung schulde der frühere Betreiber des Hotels der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse für die bei ihm in Beschäftigung gestandenen Dienstnehmer Sozialversicherungsbeiträge für die Monate September 1995 bis November 1995 sowie einen Teil der Beitragsnachrechnung aufgrund der Beitragsprüfung vom (geprüfter Zeitraum Februar 1995 bis Februar 1996) in der Höhe von insgesamt S 60.787,89 samt Nebengebühren. Eingeleitete Fahrnisexekutionen hätten keine Deckung ergeben, ein Konkursantrag gegen den Dienstgeber sei mit Beschluss des Landesgerichtes Innsbruck vom mangels hinreichenden Vermögens abgewiesen worden. Der Beschwerdeführer habe den Betrieb mit Kaufvertrag vom erworben und sei daher Betriebsnachfolger gemäß § 67 Abs. 4 ASVG.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und - ebenso wie die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse - eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Wird ein Betrieb übereignet, so haftet gemäß § 67 Abs. 4 ASVG der Erwerber für Beiträge, die sein Vorgänger zu zahlen gehabt hätte, unbeschadet der fortdauernden Haftung des Vorgängers sowie der Haftung des Betriebsnachfolgers nach § 1409 ABGB unter Bedachtnahme auf § 1409a ABGB und der Haftung des Erwerbers nach § 25 des Handelsgesetzbuches für die Zeit von höchstens zwölf Monaten vom Tag des Erwerbes zurück gerechnet. Im Fall einer Anfrage beim Versicherungsträger haftet er jedoch nur mit dem Betrag, der ihm als Rückstand ausgewiesen worden ist.
§ 67 Abs. 5 ASVG in der zeitraumbezogen hier noch anzuwendenden Fassung vor dem gem. § 564 Abs. 1 Z. 1 ASVG am erfolgten Inkrafttreten der durch Art. I Z. 73 des Sozialrechts-Änderungsgesetzes 1996 (SRÄG 1996) bewirkten Änderung lautet:
"(5) Abs. 4 gilt nicht bei einem Erwerb aus einer Konkursmasse oder im Zuge eines Vollstreckungsverfahrens."
Als "Erwerber" gemäß § 67 Abs. 4 ASVG (unter dem Gesichtspunkt der Nachfolge unter Lebenden) ist jene Person zu verstehen, die den Betrieb oder einen organisatorisch selbstständigen Teilbetrieb des Betriebsvorgängers (Beitragsschuldners) auf Grund eines Veräußerungsgeschäftes (von Veräußerungsgeschäften) mit ihm erworben hat; die bloße Bestandnahme eines Betriebes (eines Teilbetriebes) begründet daher keine Haftung nach dieser Gesetzesstelle. Zum Betriebserwerb ist es allerdings nicht erforderlich, dass alle zum Betrieb gehörigen Betriebsmittel erworben werden; es genügt vielmehr der Erwerb jener Betriebsmittel, welche die (nach Betriebsart und Betriebsgegenstand) wesentliche Grundlage des Betriebes des Betriebsvorgängers gebildet haben und den Erwerber mit ihrem Erwerb in die Lage versetzen, den Betrieb fortzuführen. Der Erwerb einzelner, nicht die wesentliche Grundlage des Betriebes darstellenden Betriebsmittel von einem Dritten schließt die Betriebsnachfolge nicht aus. Es ist auch nicht entscheidend, ob der Betrieb tatsächlich fortgeführt wird, und ob im Falle der Fortführung der Betriebsgegenstand und die Betriebsart gleich bleiben (ständige Rechtsprechung vgl. z.B. das Erkenntnis vom , Zl. 89/08/0211, und aus jüngerer Zeit jenes vom , Zl. 94/08/0109).
Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur gleich gelagerten Haftungsbestimmung des § 14 BAO zählen bei Gastronomieunternehmen, wie Kaffeehäusern, Hotels und Konditoreien, das Grundstück, das Gebäude und die Einrichtung, nicht jedoch das Warenlager und das Personal zu den wesentlichen Grundlagen des Unternehmens (vgl. die Erkenntnisse vom , Zl. 90/14/0122; vom , Zl. 89/17/0259; vom , Zl. 91/17/0023; vom , Zl. 93/17/0066, und vom , Zl. 99/16/0465).
Der Beschwerdeführer wendet sich zunächst dem Grunde nach gegen seine Inanspruchnahme als Betriebsnachfolger mit zwei Argumenten: er macht geltend, es sei zwischen der Stilllegung des alten und der "Gründung des neuen Betriebes ein beachtlicher Zeitraum z.B. 7 Monaten verstrichen", sodass die Einstellung des früheren und die Errichtung eines neuen Betriebes vorliege. Ferner vertritt er die Auffassung, dass ein (haftungsbefreiter) Erwerb "im Zuge eines Vollstreckungsverfahrens" auch dann vorliege, wenn ein Vollstreckungsverfahren anhängig sei und bloß während dieses Verfahrens ein Erwerbsvorgang stattfinde.
Den zuerst erwähnten Ausführungen ist zu entgegnen, dass der Betriebsvorgänger das Hotel nach den Beschwerdebehauptungen bis Dezember 1995 betrieben hat und die belangte Behörde von einem Erwerbsvorgang ausgegangen ist, der bereits am stattgefunden hat. Eine Betriebsunterbrechung von zwei Monaten (die bei Hotels saisonbedingt auch durchaus für einen längeren Zeitraum vorkommen kann) vermag für sich allein genommen aber das Vorliegen eines lebenden Betriebes noch nicht in Frage zu stellen. Dies gilt auch für eine mehrmonatige Betriebsunterbrechung nach dem Erwerbsvorgang, sofern diese nicht dadurch verursacht wurde, dass etwa die wesentlichen Grundlagen des Betriebes mangels entsprechenden Erwerbes erst angeschafft werden mussten (vgl. das Erkenntnis vom , 91/14/0248); nur in dieser Konstellation - deren Vorliegen hier aber nicht behauptet wird - indizierte die Betriebunterbrechung, dass kein lebender Betrieb übernommen worden ist. Wenn der Beschwerdeführer aber einen lebenden Betrieb übernommen hat, dann ist unentscheidend, wann er den Hotelbetrieb wieder aufgenommen hat, weil nach der oben wiedergegebenen Rechtsprechung maßgebend ist, dass er den Betrieb rechtsgeschäftlich erworben hat, nicht aber auch, ob und ab wann er ihn fortbetrieben hat.
Auch den von der belangten Behörde angenommenen Übergabezeitpunkt (und damit den Haftungszeitraum) vermag der Beschwerdeführer nicht mit Erfolg in Zweifel zu ziehen, wird doch unter Punkt III. Absatz 2 des mit der Beschwerde in Ablichtung vorgelegten Kaufvertrages ausdrücklich vereinbart, dass die Übergabe und Übernahme des Vertragsobjektes in den tatsächlichen Besitz des Käufers am Tag der Unterfertigung dieses Vertrages durch die Vertragsparteien (somit spätestens am ) erfolgte. Dies wird auch in der Beschwerde nicht bestritten, aber darauf hingewiesen, dass die grundbücherliche Durchführung der Eintragung des Eigentumsrechtes des Beschwerdeführers an der Betriebsliegenschaft erst am durchgeführt worden sei. Darauf kommt es aber deshalb nicht an, weil nicht entscheidend ist, ob und wann der Beschwerdeführer grundbücherlicher Eigentümer der Betriebsliegenschaft wurde, sondern wann er aufgrund eines Rechtsgeschäftes (von Rechtsgeschäften) den Hotelbetrieb (worin die Verfügungsgewalt über die Liegenschaft eingeschlossen ist) erworben hat. Es ist nicht strittig, dass die zum Betrieb gehörenden Betriebsmittel ("sämtliches Inventar") als Liegenschaftszubehör Gegenstand des genannten Kaufvertrages gewesen sind, sodass der Beschwerdeführer aufgrund des Kaufvertrages das Eigentumsrecht an diesen Betriebsmitteln bereits mit der Übergabe derselben erworben hat und er aufgrund dieses Veräußerungsgeschäftes ungeachtet der Frage, zu welchem Zeitpunkt dessen dingliche Wirkungen ob der Betriebsliegenschaft eingetreten sind, bereits in der Lage gewesen wäre, den Betrieb auf der Betriebsliegenschaft fortzuführen.
Der Beschwerdeführer hat die Betriebsmittel aufgrund des erwähnten Vertrages und daher nicht "im Zuge eines Vollstreckungsverfahrens" erworben. Die gegenteilige Auffassung des Beschwerdeführers scheitert schon am insoweit klaren und eindeutigen Wortsinn des § 67 Abs. 5 ASVG (vgl. das Erkenntnis vom , Zl. 98/08/0389).
Schließlich wurde auch die Haftung des Beschwerdeführers für die Sozialversicherungsbeiträge, die sein Vorgänger für den Monat Februar 1995 zu zahlen gehabt hätte, zurecht bejaht, da die Fälligkeit dieser Beiträge - wie keiner weiteren Erörterung bedarf (vgl. § 58 ASVG) - im Haftungszeitraum zwischen dem und dem eingetreten ist.
Letztlich vermag der Beschwerdeführer auch nicht mit Erfolg als Begründungsmangel geltend zu machen, dass die belangte Behörde die Haftungssumme in der Begründung des angefochtenen Bescheides nicht näher aufgeschlüsselt und nachvollziehbar dargestellt habe. Der Beschwerdeführer hat diese Rüge bereits in seinem Einspruch gegen den erstinstanzlichen Bescheid erhoben, worauf die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse in ihrem Vorlagebericht darauf hingewiesen hat, den Beschwerdeführer bereits in einem früheren Schreiben ausführlich über die Höhe der Beiträge und deren Entstehung in Kenntnis gesetzt zu haben und ein Kontoblatt mit der genauen Aufschlüsselung der entstandenen Beitragsrückstände der Stellungnahme anzuschließen. Der Vorlagebericht wurde dem Beschwerdeführer zur Stellungnahme übermittelt, der diesem Vorbringen in seiner dazu erstatteten Äußerung vom nicht entgegengetreten ist, sondern sich nur (mehr) gegen seine Inanspruchnahme dem Grund nach gewendet hat. Die belangte Behörde durfte daher davon ausgehen, dass die Höhe der Beiträge nicht strittig und daher auch nicht weiter begründungsbedürftig ist. Auch der behauptete Begründungsmangel liegt daher nicht vor.
Die Beschwerde war daher gem. § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Das Kostenbegehren der mitbeteiligten Partei war mangels anwaltlicher Vertretung derselben abzuweisen.
Wien, am