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VwGH vom 06.11.1991, 91/13/0074

VwGH vom 06.11.1991, 91/13/0074

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Schubert und die Hofräte Dr. Pokorny, Dr. Fellner, Dr. Hargassner und Dr. Bumberger als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Cerne, über die Beschwerde der

1) Dr. N in W, 2) Dr. Y in G, beide vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland, Berufungssenat V, vom , Zl. 6/3-3095/90-09, betreffend Feststellung von Einkünften 1987, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerinnen haben dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerinnen waren je zur Hälfte Eigentümer der Liegenschaft EZ 556 KG Z, auf welcher sich ein Miethaus befindet, aus dem sie Einkünfte aus Vermietung erzielten. Mit Schenkungsvertrag vom schenkte die Zweitbeschwerdeführerin der Erstbeschwerdeführerin ihren Hälfteanteil, behielt sich jedoch im gleichen Vertrag auf Lebenszeit das Fruchtgenußrecht an dem geschenkten Hälfteanteil vor.

In dem für das Jahr 1987 ergangenen Bescheid des Finanzamtes nach § 188 Abs. 1 lit. d BAO wurde dem geltend gemachten Absetzungsbetrag für Abnutzung nach § 7 Abs. 1 EStG 1972 bezüglich des mit dem Fruchtgenußrecht der Zweitbeschwerdeführerin belasteten Hälfteanteils des Gebäudes die Anerkennung versagt.

In ihrer Berufung beantragten die Beschwerdeführerinnen, den angefochtenen Bescheid dahin abzuändern, daß der Erstbeschwerdeführerin (im folgenden als Eigentümerin bezeichnet) das Recht zur Geltendmachung der AfA hinsichtlich des gesamten Gebäudes zugebilligt werde, hilfsweise beantragten die Beschwerdeführerinnen die Abänderung des angefochtenen Bescheides dahin, daß die AfA hinsichtlich des vom Fruchtgenuß betroffenen Hälfteanteils des Gebäudes der Zweitbeschwerdeführerin (im folgenden als Fruchtnießerin bezeichnet) zugebilligt werde. Die über die Berufung ergangene Berufungsvorentscheidung des Finanzamts trug zu einem weiteren, im verwaltungsgerichtlichen Verfahren nicht mehr interessierenden Punkt der Berufung dem Anliegen der Berufungswerberinnen Rechnung, versagte aber weiterhin die begehrte AfA hinsichtlich des vom Fruchtgenuß betroffenen Gebäudeanteils, worauf die Beschwerdeführerinnen die Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz begehrten.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab. Zur Geltendmachung der Absetzung für Abnutzung sei nur der berechtigt, den der Wertverzehr des Gebäudes treffe. Dies könne die Fruchtnießerin nicht sein, zumal es ihr für die Stellung eines wirtschaftlichen Eigentümers auch an einem zu ihren Gunsten einverleibten Belastungs- und Veräußerungsverbot fehle. Der Geltendmachung der AfA hinsichtlich des vom Fruchtgenuß betroffenen Gebäudeanteils durch die Eigentümerin aber stehe entgegen, daß sie aus diesem ihrem Eigentumsanteil des Fruchtgenußrechtes wegen Einkünfte nicht erzielen könne.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die von beiden Beschwerdeführerinnen erhobene Beschwerde aus dem Grunde der Rechtswidrigkeit des Inhalts des Bescheides und der Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften mit dem Antrag auf Bescheidaufhebung.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in welcher sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Beschwerdeführerinnen behaupten, es habe sich der Verwaltungsgerichtshof mit der Frage, ob nach Einräumung eines Vorbehaltsnießbrauchs weder dem Fruchtgenußberechtigten noch dem Eigentümer die AfA eines Mietgebäudes zusteht, bisher noch nicht direkt beschäftigt. Sie haben darin insoweit Recht, als die in der bisherigen Judikatur zur Lösung angestandenen Fallkonstellationen tatsächlich nur entweder den zivilrechtlichen Eigentümer oder den Fruchtnießer betrafen, dessen Verlangen nach Geltendmachung der AfA in vergleichbaren Fällen aus den von der belangten Behörde dargetanen Gründen als unberechtigt erkannt worden war. Der vorliegende Fall, in dem Eigentümer und Fruchtnießer gemeinsam die Zubilligung der AfA für den vom Fruchtgenuß belasteten Gebäudeanteil alternativ an einen von ihnen begehren, führt indessen zum Ausspruch, daß keinem von beiden die begehrte Absetzung zusteht.

In der Überlegung, daß der Eigentümer es ist, der die natürliche Abnutzung einer durch ein Fruchtgenußrecht belasteten Sache, ihren Wertverzehr, grundsätzlich selbst zu tragen hat, wurzelt die ständige Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, daß auch nur dem Eigentümer und nicht dem Fruchtgenußberechtigten die AfA für die belastete Sache zusteht (vgl. die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 640/69, vom , Zlen. 81/14/0093 und 82/14/0054, vom , Zl. 85/13/0015, vom , Zl. 88/14/0009, und vom , Zl. 90/14/0139, Hofstätter-Reichel, Kommentar III B Tz 3 zu § 16 Abs. 1 Z. 8 EStG 1972, Reeger-Stoll, BAO - Kommentar 134, Stoll, BAO-Handbuch 65). Die Einschränkung in Schrifttum und Rechtsprechung, daß anderes gelten könne, wenn besondere vertragliche Gestaltungen eines eingeräumten Fruchtgenußrechtes dem Fruchtnießer eine eigentümerähnliche Rechtsstellung verschafften, wird von den Beschwerdeführerinnen mit Recht nicht aufgegriffen, haben sie doch im Verwaltungsverfahren das Vorliegen der dafür zu fordernden Voraussetzungen nicht dartun können.

Die Beschwerdeführerinnen treten dem vom Verwaltungsgerichtshof eingenommenen Standpunkt vielmehr unter Berufung auf gegenteilige Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs, auf eine behauptete Praxis der österreichischen Finanzverwaltung und auf die Lehrmeinung Ruppes (vornehmlich in der Abhandlung "Zur persönlichen Zurechnung von Aufwendungen, speziell von Absetzungen für Abnutzung" in Loitlsberger-Egger-Lechner, Rechnungslegung und Gewinnermittlung, Lechner-GedS 1987, 327 ff) entgegen. Die vorgetragenen Argumente haben den Verwaltungsgerichtshof nicht überzeugt.

Die den Boden auch seiner bisherigen Judikatur verlassende Entscheidung des Bundesfinanzhofes vom , VIII R 35/79, BStBl 1982 II, 380, hat die Berechtigung des Vorbehaltsfruchtnießers zur Geltendmachung der AfA damit begründet, daß der Vorbehaltsfruchtnießer die Sache nach Übereignung weiterhin nicht auf Grund eines vom Erwerber abgeleiteten Rechtes, sondern - wirtschaftlich betrachtet - ununterbrochen aufgrund eigenen Rechts nutze. Da er es gewesen sei, der die Herstellungs- oder Anschaffungskosten für das Wirtschaftsgut getragen habe, sei der Zusammenhang zwischen diesen auf die Nutzungsdauer des Gebäudes zu verteilenden Kosten einerseits und der Nutzung des Gebäudes zur Erzielung von Einkünften andererseits durch den Eigentumswechsel nicht unterbrochen.

Nun ist diese Auffassung auch in der deutschen Lehre von Kritik nicht verschont geblieben (vgl. die bei Herrmann-Heuer-Raupach, EStG und KöStG Anm. 86 zu § 7 EStG dargestellten Ausführungen und weiteren Literaturnachweise). Der Verwaltungsgerichtshof vermag sich der Ansicht des Bundesfinanzhofes schon deswegen nicht anzuschließen, weil er in der Frage, wer in der Vergangenheit die Anschaffungs- oder Herstellungskosten des Wirtschaftsgutes getragen hat, das tragende Kriterium für die Berechtigung zur Geltendmachung der AfA nicht sieht. Nach dem vom Verwaltungsgerichtshof gewonnenen Verständnis vom Zweck dieser Absetzungsbestimmung liegt dieser nicht in der Honorierung eines in der Vergangenheit getätigten Aufwands, sondern in der Berücksichtigung des bei der Einkunftserzielung in der Gegenwart eintretenden Wertverzehrs. Gestützt wird diese Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes gerade auch durch Ruppe, wenn er ausführt, entscheidend sei nicht, daß der Steuerpflichtige Aufwendungen für die Anschaffung von Wirtschaftsgütern hatte, sondern daß er eigenes Vermögen, das durch die Nutzung einem Wertverzehr unterworfen ist, für Einkünfteerzielung einsetzt (aaO 331). Einen solchen Einsatz leistet der Fruchtnießer nicht mehr, nachdem der Wertverzehr der Sache unbestreitbar den Eigentümer trifft.

Die von den Beschwerdeführerinnen ins Treffen geführte weitere Lehrmeinung Ruppes leitete die geforderte Absetzbarkeit fremden Vermögensverzehrs für eigene Einkünfte aus dem Zuwendungsgedanken ab. Wende der Eigentümer des Wirtschaftsgutes dessen Wertverzehr dem Fruchtnießer zu dessen Einkunftserzielung zu, sei der Fall so zu sehen, als hätte der Fruchtnießer eine Vermögensvermehrung erhalten und diese selbst aufgewendet, weshalb sie ihm auch steuerlich zugerechnet werden müsse (aaO, 328 f, 337).

Der Verwaltungsgerichtshof vermag sich dieser Überlegung nicht anzuschließen. Wird doch im Fruchtgenußfall das Wirtschaftsgut selbst nicht dem Fruchtnießer zugewendet, sondern ihm nur ein Nutzungsrecht an fremder Sache eingeräumt. Ließe dieses Nutzungsrecht als solches sich einer Abnutzung als zugänglich erkennen, wären Überlegungen über eine dafür einzuräumende Absetzung aus der von Ruppe vertretenen These anzustellen. Ob im Fall des Vorbehaltsnießbrauchs die Einräumung des Rechtes zur Nutzung einer fremden Sache als steuerlich berücksichtigungsfähige Zuwendung eines abnutzbaren Wirtschaftsgutes betrachtet werden könnte, braucht im vorliegenden Fall nicht beantwortet zu werden, weil die Geltendmachung einer AfA vom Fruchtgenußrecht selbst Gegenstand des verwaltungsbehördlichen Verfahrens nicht war und daher auch in der Beschwerde mit Recht nicht releviert wurde. Nicht kann dem genannten Autor gefolgt werden, wenn er aus der Zuwendung des bloßen Nutzungsrechtes an der Sache den Wertverzehr der Sache selbst dem Nutzungsberechtigten zurechnet: Die von Ruppe versuchte Abgrenzung seiner These von dem von ihm selbst als zu weitgehend abgelehnten Veranlassungsgedanken überzeugt vor dem Hintergrund des vom Autor mit Recht betonten Subjektsprinzips nicht, wenn man den Unterschied zwischen Sache und Nutzungsrecht im Auge behält. Auch zugewendeter Wertverzehr ist absetzbar nur bei Zuwendung des von diesem Wertverzehr betroffenen Wirtschaftsgutes. Zugewendet aber wurde das Recht und nicht die Sache.

Soweit die Beschwerdeführerinnen sich schließlich auf eine dem Vorbringen nach großzügige Verwaltungspraxis der Abgabenbehörde berufen, ist für sie aus einer solchen Argumentation nichts gewonnen. Abgesehen davon, daß der von ihnen als Beleg erwähnte Autor (Kohler in RdW 1987, 176) anderes als eine bloße Behauptung einer solchen Praxis - naturgemäß - nicht anzubieten hat, könnten die Beschwerdeführerinnen aus einer solchen Praxis für sich nichts beanspruchen. Es kann nämlich niemand aus einer - allenfalls rechtswidrigen - Vorgangsweise gegenüber Dritten für sich einen Anspruch auf vergleichbare Rechtswidrigkeit ableiten (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 87/14/0133, und das dort zitierte Vorjudikat). Weshalb es den Beschwerdeführerinnen gegenüber einen Verstoß gegen Treu und Glauben darstellen sollte, wenn die Abgabenbehörde - sei es auch abweichend von Vorjahren - zu der von ihr gefundenen rechtlichen Beurteilung des Fehlens einer Berechtigung zum Bezug der AfA durch die Fruchtnießerin gelangt ist, machen die Beschwerdeführerinnen in ihrer Verfahrensrüge nicht einsichtig.

Die zur Geltendmachung der Absetzung für Abnutzung grundsätzlich berechtigte Eigentümerin des mit dem Fruchtgenuß belasteten Hälfteanteils ist von der Möglichkeit der Absetzung dadurch ausgeschlossen, daß sie Einkünfte aus diesem Hälfteanteil nicht erzielt, wie die belangte Behörde ebenso zutreffend erkannt hat. Da dem Fruchtgenußbelasteten die Erzielung positiver Erträge aus der Sache objektiv nicht möglich ist, kann ihm steuerlich keine Einkunftsquelle zugerechnet werden (vgl. hg. Erkenntnis vom , Zlen. 86/13/0023, 0024, 0025), was auch eine Geltendmachung der Absetzung für Abnutzung dieser Sache hindert. Nichts anderes kann für den Anteil an einem Gebäude gelten, hinsichtlich dessen einer anderen Person das Fruchtgenußrecht eingeräumt ist (hg. Erkenntnis vom , Zl. 84/13/0122). Dem von den Beschwerdeführerinnen für den Fall der Ablehnung der Berechtigung der Fruchtnießerin zur Geltendmachung der AfA alternativ ins Treffen geführten Kostentragungsgedanken steht demnach das Fehlen solcher Einkünfte aus dem belasteten Hälfteanteil entgegen, denen der aufgewendete Vermögensverzehr steuerlich entgegengehalten werden dürfte (so auch Ruppe, aaO 330 f). Den aus dem belasteten Anteil erlittenen Wertverzehr den Einkünften aus dem unbelasteten Anteil als Aufwand entgegenzuhalten, geht deshalb nicht an, weil dieser Wertverzehr eben nicht beim unbelasteten Anteil eingetreten ist.

Das von den Beschwerdeführerinnen bekämpfte Ergebnis, keiner von ihnen stünde die Berechtigung zur Geltendmachung der AfA bezüglich des belasteten Hälfteanteils zu, wird auch von Ruppe (aaO 328) in seiner Zusammenschau der bisherigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes mit dem Argument als fragwürdig angesehen, dieses Ergebnis stelle eine Verletzung des sogenannten objektiven Nettoprinzips dar. Es hält dieses Ergebnis der von Ruppe geforderten Hinterfragung aber stand, wenn man des aus §§ 1 und 2 EStG 1972 hervorleuchtenden Subjektprinzips der Einkommensteuer gewahr bleibt, wonach die Person es ist, die den Bezugspunkt für die Ermittlung des Steuergegenstandes bildet, und deren Leistungsfähigkeit in der Phase der Einkommensentstehung erfaßt werden soll (vgl. Doralt-Ruppe, Grundriß des österreichischen

Steuerrechts I4 15). Daß für jede objektiv zur Einkünfteerzielung getätigte Aufwendung auch ein Steuersubjekt gefunden werden müßte, dem dieser Aufwand steuerlich zugerechnet werden darf, ist im subjektbezogenen Einkommensteuerrecht nicht zwingend. Dies erweist sich gerade im Beschwerdefall, in welchem die steuerrechtlich irrelevante Privatsphäre es war, der die Entscheidung der Eigentümerin zuzuordnen ist, den Wertverzehr eines Hälfteanteiles ihres Miethauses unter Verzicht auf eigene Einkünfte für fremde Einkünfte zur Verfügung zu stellen.

Die Beschwerde mußte somit erfolglos bleiben. Sie war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers, BGBl. Nr. 104/1991 und § 59 Abs. 1 VwGG.