VwGH vom 18.09.1991, 91/13/0072
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Iro und die Hofräte Dr. Schubert, Dr. Pokorny, Dr. Fellner und Dr. Hargassner als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Cerne, über die Beschwerde des Ernst S in B, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in A, gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland, Berufungssenat VII, vom , Zl. 6/4-4300/88-05, betreffend Umsatz-, Einkommen- und Gewerbesteuer für die Jahre 1982-1986, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,- zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer übt seit März 1982 die Tätigkeit eines sogenannten "Wenders" aus. Es handelt sich dabei um eine Tätigkeit, die darauf abzielt, kranken Menschen durch Handauflegen und Kräfteübertragung Heilung bzw. Linderung zu verschaffen.
Eine beim Beschwerdeführer durchgeführte abgabenbehördliche Prüfung (BP) stellte fest, daß er aus dieser Tätigkeit auch Umsätze und Einkünfte bzw. Einkommen und Gewerbeerträge erzielt habe. Die BP ermittelte die Abgabenbemessungsgrundlagen mangels Aufzeichnungen und sonstiger Unterlagen im Schätzungsweg, wobei sie die Schätzung in erster Linie auf die eigenen Angaben des Beschwerdeführers gegenüber der BP über seine Einnahmen gründete und das Ergebnis im Wege einer Berechnung der für die Lebenshaltung notwendigen Aufwendungen verprobte. Der Beschwerdeführer erhob gegen die aufgrund der BP erlassenen Abgabenbescheide Berufung, zu der die BP Stellung nahm. Das Finanzamt bot dem Beschwerdeführer Gelegenheit, zu dieser Stellungnahme eine Gegenäußerung abzugeben. Der Beschwerdeführer nahm diese Gelegenheit wahr.
Die belangte Behörde gab der Berufung mit dem angefochtenen Bescheid keine Folge.
Vorliegende Beschwerde macht schlüssig sowohl inhaltliche Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides als auch dessen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die belangte Behörde vermißt laut Gegenschrift in der Beschwerde die Angabe von Beschwerdepunkten und Beschwerdegründen, ist aber mit diesem Einwand nur insoweit im Recht, als der Beschwerdeführer nicht zwischen Beschwerdepunkten und Beschwerdegründen unterschied. Was er unter den "Beschwerdepunkten" vortrug, stellt sich als Darlegung von Beschwerdegründen dar. Diese Beschwerdegründe sind in einem Maße konkretisiert, das die von der belangten Behörde offenbar für geboten erachtete Zurückweisung der Beschwerde mangels Angabe von Beschwerdegründen verbietet. Allein das Bestreiten der Nachhaltigkeit der Tätigkeit sowie der Gewinnabsicht im Sinne des § 28 BAO und damit einer gewerblichen Tätigkeit bedeutet eine aus der Sicht des § 28 Abs. 1 Z. 5 VwGG ausreichende Ausführung von Beschwerdegründen.
Auch die Beschwerdepunkte läßt der Inhalt der Beschwerde ausreichend erkennen: Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinem Recht verletzt, ohne Vorliegen eines gesetzlichen Tatbestandes nicht zu einer Steuer herangezogen zu werden, beziehungsweise (in eventu) im Recht auf eine in einem einwandfreien Verfahren durchgeführte Schätzung der Abgabenbemessungsgrundlagen.
In der Sache kann der Beschwerde jedoch kein Erfolg beschieden sein.
Nach § 23 Z. 1 EStG 1972 sind Einkünfte aus Gewerbebetrieb Einkünfte aus einer selbständigen, nachhaltigen Betätigung, die mit Gewinnabsicht unternommen wird und sich als Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr darstellt, wenn die Betätigung weder als Ausübung der Land- und Forstwirtschaft noch als selbständige Arbeit anzusehen ist. Diese Umschreibung der Einkünfte aus Gewerbebetrieb folgt der Definition des Gewerbebetriebes, wie ihn der in der Beschwerde zitierte § 28 BAO enthält. Da die beiden eben genannten Vorschriften den Begriff des Gewerbebetriebes eigenständig umschreiben, kommt es entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers nicht darauf an, ob sich eine Tätigkeit mit § 1 der Gewerbeordnung deckt (vgl. z. B. die von der belangten Behörde erwähnten hg. Erkenntnisse vom , Zl. 87/14/0165, und vom , Zl. 88/13/0064).
Nachhaltigkeit im Sinn der beiden eben genannten Vorschriften durfte die belangte Behörde allein aufgrund der Tatsache unterstellen, daß der Beschwerdeführer die strittige Tätigkeit durch Jahre hindurch ausübte (siehe Schubert - Pokorny - Schuch - Quantschnigg, Einkommensteuerhandbuch2, § 23 Tz 12). Auf die Gewinnabsicht, die sich als Willensakt regelmäßig nicht unmittelbar, sondern nur mittelbar aufgrund des nach außen in Erscheinung tretenden Sachverhaltes feststellen läßt, durfte die belangte Behörde unbedenklich aus den durch mehrere Jahre tatsächlich erzielten Gewinnen aus einer an sich schon "gewinnträchtigen" Tätigkeit schließen (Schubert - Pokorny - Schuch - Quantschnigg, aaO, Tz 13), wobei die tatsächlich erzielten Gewinne, wie die weiteren Erwägungen zeigen, in einem einwandfreien Verfahren ermittelt wurden. Der Beschwerdeführer vermochte somit die Annahme der belangten Behörde, er habe als "Wender" eine gewerbliche Tätigkeit im Sinne des § 2 Abs. 3 beziehungsweise des § 23 Z. 1 EStG 1972 entfaltet, nicht zu widerlegen. Warum der Beschwerdeführer keine umsatzsteuerpflichtige Tätigkeit ausgeübt haben soll, ist der Beschwerde überhaupt nicht zu entnehmen.
Zur Schätzung der Besteuerungsgrundlagen ist zunächst zu bemerken, daß der Beschwerdeführer keinerlei Aufzeichnungen führte und im Rechtsmittelverfahren in keiner Weise bei der Feststellung seiner Einkünfte durch die Abgabenbehörde mitwirkte, sondern sich im wesentlichen darauf beschränkte, die eigenen Aussagen gegenüber der BP über die erzielten Einnahmen abzuschwächen, ohne irgendwelche Anhaltspunkte dafür zu geben, welche Einnahmen beziehungsweise Einkünfte er wirklich erzielte.
Allein das Fehlen jeglicher Unterlagen begründet die Schätzungsbefugnis der Abgabenbehörde.
Bezüglich der Höhe der Schätzung ist den Ausführungen in der Beschwerde im einzelnen folgendes entgegenzuhalten:
Es trifft nicht zu, daß der Beschwerdeführer über Befragen der BP, was er verdiene, keine Antwort geben konnte und erst über Vorhalt, mindestens soundsoviele tausend Schilling im Monat einzunehmen, mit Ja geantwortet habe. Der Beschwerdeführer machte vielmehr gegenüber der BP von sich aus ganz konkrete, glaubhafte und auch denkfolgerichtige Angaben über seine Einnahmen. Heißt es doch in der Niederschrift über seine Vernehmung vom :
"Seit lebe ich sowie meine Familie (Gattin, Essen für Kinder) von den Einnahmen aus meiner Tätigkeit als Lebensberater. Diese Einnahmen wurden von Jahr zu Jahr mehr. Sie beliefen sich z.B. 1984 auf ungefähr S 15.000,- monatlich, 1986 auf cirka S 30.000,- monatlich."
Der Beschwerdeführer hat also nicht vorgehaltene Einnahmen bestätigt, sondern von sich aus unter genauer Angabe des Beginnes der Tätigkeit die daraus erzielten Einnahmen bekanntgegeben. Auf den eigenen Angaben des Beschwerdeführers beruht die von der belangten Behörde bestätigte Schätzung durch die BP. Die durchaus vernünftigen Angaben des Beschwerdeführers über seine Einnahmen, aber auch, ja vor allem über seine sonstige finanzielle Gebarung mußten Zweifel an der Richtigkeit seiner Angaben in der Niederschrift vom auch nicht im Hinblick auf den in der Beschwerde behaupteten beeinträchtigten Geisteszustand des Beschwerdeführers begründen; seine detaillierten Angaben über seine wirtschaftlichen Verhältnisse insgesamt berechtigen zu der Annahme, daß der Beschwerdeführer die Angaben in der Niederschrift vom im Vollbesitz seiner geistigen Kräfte machte. Die detaillierten Angaben des Beschwerdeführers in der Niederschrift über seine wirtschaftlichen Verhältnisse (Einnahmen, Grundstückskäufe, Kreditaufnahmen, Kreditrückzahlungen) widerlegen die Beschwerdebehauptung, er habe keinerlei Beziehungen zu Geld und Ziffern. Das Vorbringen in der Beschwerde, der Beschwerdeführer könne Geldscheine nicht richtig deuten, verstößt gegen das Neuerungsverbot des § 41 Abs. 1 VwGG.
Die BP hatte in der Stellungnahme zur Berufung des Beschwerdeführers Beobachtungen über bei seinem Haus geparkte Pkw und Kleinbusse festgehalten. Offenbar unter Bezugnahme auf diese Beobachtungen trägt der Beschwerdeführer in der Beschwerde vor, daß "auf diesem kleinen Vorplatz" sechs Fahrzeuge auf einmal (wie festgehalten) nicht stehen könnten. Die BP hat jedoch nicht die am Vorplatz, sondern überhaupt die beim Haus des Beschwerdeführers geparkten Kraftfahrzeuge vermerkt. Abgesehen davon hatte der Beschwerdeführer in der Gegenäußerung zur Stellungnahme der BP einen gleichartigen Einwand nicht erhoben.
Dem Vorwurf, das Finanzamt hätte Personen, welche die Tätigkeit des Beschwerdeführers in Anspruch nahmen, nicht bloß als Auskunftspersonen, sondern als Zeugen einvernehmen müssen, ist zu entgegnen, daß die Mehrzahl der befragten Personen ohnehin als Zeugen einvernommen worden sind. Abgesehen davon kommt nach § 166 BAO als Beweismittel alles in Betracht, was zur Feststellung des maßgebenden Sachverhaltes geeignet und nach Lage des einzelnen Falles zweckdienlich ist. Diese Eignung (Zweckdienlichkeit) kommt auch den Aussagen von Auskunftspersonen zu, sie unterliegen der freien Beweiswürdigung durch die Behörde. Die Beweiswürdigung der Aussagen der Auskunftspersonen (und der Zeugen) durch die belangte Behörde im Sinne der Glaubwürdigkeit und Richtigkeit der Aussagen begegnet umso weniger Bedenken, als der Beschwerdeführer nichts vorzubringen vermag, was die Glaubwürdigkeit und Richtigkeit in Frage stellen würde.
Die Rüge des Beschwerdeführers, daß er zum Ergebnis der Beweisaufnahme nicht Stellung nehmen durfte, trifft nicht zu. Vielmehr hat die BP das Ergebnis der Beweisaufnahme in ihrer Stellungnahme zur Berufung vermerkt und das Finanzamt bot dem Beschwerdeführer, wie ausgeführt, Gelegenheit zu einer Gegenäußerung. Der Beschwerdeführer nahm diese Gelegenheit auch wahr, ohne die Aussagen über die von den Zeugen (Auskunftspersonen) bezahlten Beträge in Zweifel zu ziehen. Auch die Beschwerde entkräftet die Aussagen über die bezahlten Beträge nicht.
Die Feststellungen der belangten Behörde über die Kundenfrequenz beim Beschwerdeführer beruhen auf den Stichproben der BP, wie sie auf S. 1 der Stellungnahme zur Berufung im ersten Abschnitt festgehalten sind. Mit diesen Stichproben konnte sich die belangte Behörde begnügen. Wenn der Beschwerdeführer die Stichproben nicht für repräsentativ erachtete, wäre es an ihm gelegen gewesen, im Rahmen seiner Mitwirkungspflicht Beweise zu benennen, die die Feststellung eines repräsentativeren Ergebnisses erlaubt hätten.
Die Rüge des Beschwerdeführers, die belangte Behörde habe sich nicht damit auseinandergesetzt, was seine Kinder zum Lebensunterhalt beitragen, grenzt an Mutwillen. Hat doch der Beschwerdeführer die Antwort auf diesbezügliche Fragen unbestrittenermaßen verweigert. Feststellungen über die Einkommensverhältnisse der Kinder hätten noch nichts über ihren Beitrag zum Familienunterhalt besagt.
Die Zahl der beim Haus des Beschwerdeführers geparkten Pkw hat die BP lediglich zum Beweis einer nachhaltigen Tätigkeit des Beschwerdeführers vermerkt, nicht aber auch darauf ihre Schätzung gegründet (siehe auf Seite 1 den zweiten Abschnitt der Stellungnahme der BP).
Das Vorbringen in der Beschwerde, der Beschwerdeführer sei gesundheitlich nicht in der Lage, täglich Besuche zu empfangen, Besuche ein- bis zweimal in der Woche seien viel, stellt eine gemäß § 41 Abs. 1 VwGG unbeachtliche Neuerung dar.
Daß die Einkünfte aus der Wendertätigkeit zu geringfügig waren, um den Lebensunterhalt des Beschwerdeführers zu decken, war eines jener Sachverhaltselemente, das von ihm zu beweisen war. Der Beweis ist nicht gelungen, womit auch der Beschwerde der Erfolg zu versagen war. Sie war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG und die Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 104/91.