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VwGH vom 09.11.1994, 91/13/0068

VwGH vom 09.11.1994, 91/13/0068

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss und die Hofräte Dr. Pokorny, Dr. Fellner, Dr. Hargassner und Mag. Heinzl als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Cerne, über die Beschwerde des C in M, vertreten durch Dr. A, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland (Berufungssenat VII) vom , Zl. 6/4-4185/89-09, betreffend Einkommensteuer für die Jahre 1984 und 1985, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.750,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Der Beschwerdeführer wurde für die Jahre 1984 und 1985 zur Einkommensteuer veranlagt; dabei wurde vom Finanzamt unter anderem festgestellt, daß dem Beschwerdeführer Einkünfte aus Kapitalvermögen im Ausmaß von S 504.998,-- (1984) und S 490.275,-- (1985) zugeflossen seien. Es handle sich dabei um verdeckte Gewinnausschüttungen einer GmbH, bei der Hinzuschätzungen zum Gewinn erfolgt seien, und an der der Beschwerdeführer beteiligt gewesen sei. In der Begründung der Bescheide wurde auf das Ergebnis einer Betriebsprüfung bei der GmbH und die danach an diese ergangenen Abgabenbescheide hingewiesen.

Der Beschwerdeführer beantragte, ihm Kopien der an die GmbH gerichteten Bescheide zuzustellen und die Berufungsfrist zu verlängern. Innerhalb verlängerter Frist brachte er dann gegen beide Einkommensteuerbescheide Berufung ein. Er habe am Verfahren betreffend die GmbH nicht teilgenommen, sodaß er keine Möglichkeit gehabt habe, zu den Feststellungen der Abgabenbehörde, insbesondere im Zuge der Betriebsprüfung, Stellung zu nehmen. Den Angaben der Geschäftsführer der GmbH, wonach verdeckte Gewinnausschüttungen - sollten solche angenommen werden - ausschließlich den Geschäftsführern zugekommen sein, habe die Abgabenbehörde keinen Glauben geschenkt. Die im Instanzenzug an den Masseverwalter der zwischenzeitig insolvent gewordenen GmbH ergangenen Bescheide seien vom Masseverwalter nicht mit Verwaltungsgerichtshofbeschwerde bekämpft worden.

Zu den Gewinnhinzuschätzungen brachte der Beschwerdeführer unter anderem folgendes vor:

Die GmbH habe ihre Arbeitnehmer in Wege von Gestellungsverträgen anderen Unternehmen zur Verfügung gestellt. Das Entgelt sei jeweils in Pauschbeträgen (entweder leistungsbezogen oder zeitbezogen) vereinbart worden. Die Auftraggeber hätten den Arbeitnehmern "Akonti" geleistet, die später mit den Pauschbeträgen verrechnet worden seien. Daß die Aufzeichnungen betreffend die geleisteten Arbeitsstunden in den Lohnkonten der GmbH von jenen der Auftraggeber abgewichen seien, habe seine Ursache in diesen Pauschalverrechnungen. Für manche Arbeitnehmer sei kein Lohnkonto geführt worden, weil sich deren Arbeit als ungenügend erwiesen habe. Die Auftraggeber hätten in solchen Fällen keine Zahlungen geleistet. Von der GmbH dennoch aus Kulanz bezahlte Arbeitslöhne oder von vermögenslosen Arbeitnehmern nicht rückerstattete Arbeitslöhne seien als Aushilfslöhne verbucht worden. Irrtümlich seien von Auftraggebern auch Arbeitsleistungen von Personen abgerechnet worden, die nicht Arbeitnehmer der GmbH gewesen seien. Weiters sei es vorgekommen, daß Partieführer zusätzlich Arbeitnehmer "angeheuert" hätten (teilweise als Ersatz für ausgefallene Arbeitnehmer), von deren Arbeitsleistung die GmbH nichts gewußt habe.

Manche Arbeitnehmer hätten von Auftraggebern Vorschüsse erhalten, obwohl ihr Dienstverhältnis mit der GmbH bereits beendet gewesen sei. Andererseits hätten Arbeitnehmer der GmbH bei den Auftraggebern keine Arbeitsleistungen erbracht, ohne daß der GmbH dies bekannt geworden sei. Arbeitsverweigerungen seien durch fälschliches Krankmelden verschleiert worden. Urlaube seien angemeldet und nicht konsumiert worden. Bei der GmbH krank gemeldete Arbeitnehmer seien in Wahrheit (schon wieder) gesund gewesen und hätten den Auftraggebern gegenüber Leistungen erbracht. Die Anzahl der geleisteten Arbeitsstunden sei durch "unseriöse Partieführer" verfälscht worden. Fallweise seien die betreffenden Arbeitsbestätigungen auch bloß nachlässig ausgefüllt worden. Alle diese Gründe seien maßgebend dafür, daß es zu Diskrepanzen zwischen der Lohnverrechnung der GmbH und den Verrechnungen mit den Auftraggebern gekommen sei. Der Betriebsprüfer habe aus diesen Diskrepanzen zu Unrecht auf die Bezahlung von Schwarzlöhnen geschlossen. Bei der Auszahlung von Tages- und Nächtigungsgeldern seien "zweifellos auch einige Fehler unterlaufen". So seien z.B. Nächtigungsgelder ausbezahlt worden, obwohl den Arbeitnehmern eine unentgeltliche Nächtigungsmöglichkeit zur Verfügung gestanden sei. Umgekehrt seien Vereinbarungen mit den Auftraggebern über Quartierbereitstellung nicht eingehalten worden. Die Tatsache, daß die Unterschriften auf vielen Aushilfslohn-Quittungen denselben Schriftzug aufwiesen, sei damit zu erklären, daß die Partieführer für die Aushilfslohnempfänger quittiert hätten; es habe sich aber bei den Empfängern um "keine erfundenen Namen gehandelt". Es sei richtig, daß die Kassa im Prüfungszeitraum nicht laufend geführt, sondern fallweise zu Wochenenden nachgebucht worden sei. Auch sei es vorgekommen, daß Einzahlungen der Geschäftsführer an Tagen verbucht worden seien, an denen die Geschäftsführer verreist gewesen seien. Dies lasse aber nicht den Schluß von unrichtigen Buchungen zu. Vielmehr seien in solchen Fällen nahe Angehörige der Geschäftsführer mit den Geldbeträgen in Vorlage getreten. Es müsse allerdings "eingeräumt werden, daß die Bücher der GmbH teilweise mangelhaft geführt wurden und die richtigen Sachverhalte fallweise nicht exakt wiedergeben."

Allenfalls wären bei der GmbH Lohnsteuerkorrekturen vorzunehmen, welche jedoch auf die Gewinne der GmbH keinen Einfluß gehabt bzw. deren Betriebsergebnisse nicht erhöht, sondern vermindert hätten. In Anbetracht "der Zulässigkeit einer Schätzung" könne "äußerstenfalls" eine Gewinnerhöhung von insgesamt S 358.247,04 (1984) bzw. S 390.851,53 (1985) vorgenommen werden, wobei der als verdeckte Gewinnausschüttung behandelte Anteil des Beschwerdeführers mit S 85.979,28 (1984) bzw. S 93.804,36 (1985) anzusetzen wäre. In Wahrheit spreche aber nichts dafür, daß dem Beschwerdeführer verdeckte Gewinnausschüttungen zugeflossen seien. Außerdem existiere ein Notariatsakt, wonach der Beschwerdeführer seine Gesellschaftsanteile an der GmbH seinem Vater schenkungsweise anbiete und mit diesem Anbot bis 1989 im Wort bleibe. Der Beschwerdeführer sei demnach nur als Treuhänder seines Vaters anzusehen.

Die Berufung enthielt zahlreiche Detailangaben betreffend Namen von Auftraggebern und Arbeitnehmern sowie Arbeitszeiten, Arbeitsleistungen und eine Vielzahl von entsprechenden Beweismitteln.

Mit Schreiben vom machte der Vertreter des Beschwerdeführers dem Finanzamt im wesentlichen folgenden Vorschlag:

1. Die dem Beschwerdeführer und seiner Schwester (dieser waren vom Finanzamt ebenfalls verdeckte Gewinnausschüttungen der GmbH zugerechnet worden) vorgeschriebenen Einkommensteuerbeträge für die Jahre 1984 und 1985 sollten mit Berufungsvorentscheidungen auf insgesamt S 145.138,-- (Beschwerdeführer) bzw. S 155.506,-- (Schwester des Beschwerdeführers) herabgesetzt werden. Die Abgaben würden teilweise durch Einzahlungen von je S 50.000,-- entrichtet werden. Der Rest sollte in der Weise beglichen werden, daß dem Finanzamt ausstehende Forderungen der in Konkurs befindlichen GmbH zur Eintreibung überlassen würden.

2. Das Finanzamt sollte sich verpflichten, von einem an den Beschwerdeführer gerichteten Haftungsbescheid (offensichtlich Abgabenschulden der GmbH betreffend) keinen "Gebrauch zu machen".

3. Die Steuerverbindlichkeiten des Vaters des Beschwerdeführers (S 11.724,--) sollten "auf Null gestellt" werden.

Das Finanzamt erließ Berufungsvorentscheidungen, mit denen die Berufungen des Beschwerdeführers "im Sinne des Punktes 1" des oben erwähnten Schreibens erledigt wurden. Eine "Verquickung" mit der Inanspruchnahme des Beschwerdeführers als Haftender für Abgabenschulden der GmbH wurde hingegen als "nicht möglich" abgelehnt.

Der Beschwerdeführer beantragte die Entscheidung über seine Berufungen durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz und wies darauf hin, daß der Vorschlag seines Vertreters eine Einheit dargestellt habe. Da das Finanzamt auf diesen Vorschlag nicht zur Gänze eingegangen sei, müsse "die vorgeschlagene Einigung ... nicht als zustandegekommen angesehen werden".

Die belangte Behörde gab den Berufungen insoweit statt, als sie die Abgabenvorschreibung im Ausmaß der Berufungsvorentscheidungen bestätigte.

Gegen diese Entscheidung wendet sich die Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die belangte Behörde erkennt zunächst richtig, daß zwischen dem Körperschaftsteuerverfahren betreffend eine Kapitalgesellschaft und dem Einkommensteuerverfahren betreffend die Gesellschafter der Kapitalgesellschaft keine Bindung besteht, insbesondere auch nicht in der Frage der Feststellung bzw. Zurechnung von verdeckten Gewinnausschüttungen. Das bedeutet, daß die Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft in ihrem Einkommensteuerverfahren eine bei der Kapitalgesellschaft mit rechtskräftigem Bescheid festgestellte verdeckte Gewinnausschüttung insoweit in Abrede stellen können, als sie ihnen zugerechnet wird. Wenn bei einer Kapitalgesellschaft Schwarzgeschäfte als erwiesen angenommen werden und daran die Annahme geknüpft wird, daß der wirtschaftliche Erfolg dieser Geschäfte an die Gesellschafter ausgeschüttet wurde, so können die Gesellschafter im Einkommensteuerverfahren nicht nur die Annahme der Ausschüttung bekämpfen, sondern auch das Vorliegen der Schwarzgeschäfte selbst. Die Frage, ob einem Abgabepflichtigen Einkünfte aus Kapitalvermögen zugeflossen sind oder nicht, umfaßt nämlich nicht nur den Vorgang des Zuflusses als solchen, sondern auch die Feststellung jener wirtschaftlichen Vorteile, deren Zufluß angenommen wird. Soweit die belangte Behörde in ihrer Gegenäußerung zur Stellungnahme des Beschwerdeführers (betreffend die Gegenschrift der belangten Behörde) die Rechtsauffassung zu vertreten scheint, es sei im Einkommensteuerverfahren nicht mehr zu prüfen, ob verdeckte Gewinnausschüttungen vorliegen, sondern nur welcher Person (welchen Personen) sie zuzurechnen sind, verkennt sie, daß das naheliegendste Argument dafür, keine verdeckten Gewinnausschüttungen erhalten zu haben, darin besteht, das Vorliegen verdeckter Gewinnausschüttungen überhaupt in Abrede zu stellen. Der Umstand, daß bei einem anderen Steuerpflichtigen - im Beschwerdefall bei der GmbH - ein Sachverhalt in einem rechtskräftigen Bescheid als erwiesen angenommen wurde, bedeutet weder, daß dieser Sachverhalt zutreffend angenommen wurde, noch daß in einem anderen Verfahren - im Beschwerdefall jenes des Beschwerdeführers - Bindung an die Sachverhaltsannahme besteht, es sei denn, daß besondere Rechtsvorschriften, wie z.B. jene des § 252 BAO, solches normieren. Derartiges trifft aber, wie bereits gesagt, auf den Beschwerdefall nicht zu.

Dementsprechend hat der Beschwerdeführer ein umfangreiches Berufungsvorbringen erstattet, in welchem er versucht, an zahlreichen Einzelfällen und mit ebenso zahlreichen Beweisanboten aufzuzeigen, daß die von der Abgabenbehörde angenommenen Schwarzgeschäfte der GmbH nicht oder zumindest nicht im festgestellten Ausmaß getätigt worden seien. Die belangte Behörde hat sich mit diesem Vorbringen nicht auseinandergesetzt. Sie hält dies deswegen für entbehrlich, weil der Beschwerdeführer die in den Berufungsvorentscheidungen getroffenen Feststellungen unwidersprochen gelassen habe. Nun wurden aber in den Berufungsvorentscheidungen gar keine Feststellungen getroffen, in denen sich das Finanzamt mit dem Berufungsvorbringen betreffend das Vorliegen oder Nichtvorliegen von Schwarzgeschäften auseinandergesetzt hätte. Vielmehr hat das Finanzamt einen Teil der vorgeschlagenen "Einigung" aufgegriffen und dem Beschwerdeführer verdeckte Gewinnausschüttungen in jenem Maße zugerechnet, dessen steuerliche Auswirkung vom Beschwerdeführer für den Fall der "Einigung" akzeptiert worden wäre. Der Beschwerdeführer hat diese "Einigung" in der Folge ausdrücklich als nicht zustandegekommen bezeichnet, weil das Finanzamt wesentlichen Punkten seines Einigungsvorschlages, vor allem seiner Entlassung aus der Gesamtschuld als Haftender für Abgabenschulden der GmbH, nicht zugestimmt hat.

Der Gerichtshof hält es für entbehrlich, an dieser Stelle den rechtlichen Charakter und die Zulässigkeit eines solchen "Einigungsvorschlages" zu prüfen (vgl. allerdings das hg. Erkenntnis vom , 92/13/0058). Tatsache ist nämlich, daß diese "Einigung" nicht zustande gekommen ist, und daß der Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren ausdrücklich betont hat, seine Vorschläge dürften nicht als Präjudiz für seinen Rechtsstandpunkt gewertet werden, wonach die im Körperschaftsteuerverfahren festgestellten Schwarzgeschäfte nicht bzw. nicht im festgestellten Ausmaß getätigt worden seien. Unter diesen Umständen war die belangte Behörde verpflichtet, sich mit dem Berufungsvorbringen eingehend und detailliert auseinanderzusetzen. Da die belangte Behörde dieser Verpflichtung nicht entsprochen hat, war der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.

Aus prozeßökonomischen Gründen sieht sich der Gerichtshof noch veranlaßt darauf hinzuweisen, daß er die Rechtsansicht der belangten Behörde teilt, wonach ein Anbot auf schenkungsweise Überlassung von Gesellschaftsanteilen nicht zur Folge hat, daß die Gesellschaftsanteile steuerlich bereits dem Annahmeberechtigten zuzurechnen wären. Eine derartige Rechtsfolge ist regelmäßig erst mit der Annahme eines derartigen Anbotes verbunden (vgl. auch das hg. Erkenntnis vom , 89/14/0033).

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers, BGBl. Nr. 416/1994. Der Ersatz von Stempelgebühren war nur in jener Höhe zuzusprechen, in der Stempelgebühren für Beilagen zu entrichten waren, die der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung dienten.