VwGH vom 22.03.1993, 91/13/0060
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Schubert und die Hofräte Dr. Pokorny, Dr. Fellner, Dr. Hargassner und Mag. Heinzl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Oberkommissärin Dr. Büsser, über die Beschwerde der X GesmbH in W, vertreten durch Dr. F, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der FLD für Wien, NÖ und Bgld Berufungssenat I, vom , Zl. 6/1-1013/90-07, betreffend einheitliche und gesonderte Feststellung von Einkünften und Gewerbesteuer für das Jahr 1986, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 11.630,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin, die ein Textilgroß- und -einzelhandelsunternehmen in Form einer offenen Handelsgesellschaft betreibt, erwarb mit Kaufvertrag vom "Goldscheider-Keramiken" im Wert von S 6.000.000,-- und widmete diese noch am selben Tag zur Bildung einer Sammlung dem Österreichischen Museum für angewandte Kunst, welches die Schenkung mit Schreiben vom annahm.
In ihrer Abgabenerklärung für das Kalenderjahr 1986 machte die Beschwerdeführerin den gesamten Kaufpreis gemäß § 4 Abs. 4 Z. 5 lit. g EStG 1972 als Betriebsausgabe geltend.
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde lehnte diese die Anerkennung der strittigen Aufwendungen als Betriebsausgabe mit der Begründung ab, daß die Kunstgegenstände zwar aus Betriebsmitteln finanziert worden seien, sich aber nicht im Betriebsvermögen befunden hätten. Daß eine Sachspende aus dem Betriebsvermögen stamme, sei jedoch Voraussetzung für deren Beurteilung als Zuwendung im Sinne des § 4 Abs. 4 Z. 5 lit. g EStG 1972.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde aus dem Grunde der Rechtswidrigkeit des Inhaltes mit dem Antrag auf Bescheidaufhebung.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in welcher sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Zuwendungen aus dem Betriebsvermögen an Museen von Gebietskörperschaften sind gemäß § 4 Abs. 4 Z. 5 lit. g des Einkommensteuergesetzes 1972 Betriebsausgaben, wobei sowohl Geld- als auch Sachspenden begünstigt behandelt werden können (vgl. Hofstätter-Reichel, Kommentar zu § 4 Abs. 4 Z. 5 EStG 1972, TZ 3). Ausschließlich die Frage, ob die Zuwendung einer Keramiksammlung an das Museum für angewandte Kunst einen bei der betrieblichen Gewinnermittlung abzugsfähigen Ausgabenposten im Sinne dieser Gesetzesvorschrift darstellt, steht zwischen den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens in Streit.
Soweit die Beschwerdeführerin der belangten Behörde die Rechtsauffassung unterstellt, Wirtschaftsgüter des gewillkürten Betriebsvermögens schlechthin vom Anwendungsbereich des § 4 Abs. 4 Z. 5 EStG 1972 auszunehmen, mißversteht sie die Begründung des angefochtenen Bescheides. Den von der Beschwerdeführerin kritisierten Rechtsstandpunkt hat die belangte Behörde nicht eingenommen. Sie hat den Keramiken vielmehr die Qualifikation als gewillkürtes Betriebsvermögen mit der Begründung abgesprochen, daß die Beschwerdeführerin in ihrem Rechenwerk eine solche Widmung dieser Wirtschaftsgüter mangels Einbuchung ihrer Anschaffungskosten nicht erkennbar gemacht habe.
Die Beschwerdeführerin stützt sich zur Begründung der Betriebsausgabeneigenschaft ihrer Zuwendung auf die von Hofstätter-Reichel, a.a.O., vertretene Auffassung, wonach bei Sachzuwendungen, die zuvor Gegenstand des Betriebsvermögens nicht waren, davon auszugehen sei, daß der Gesetzgeber für diesen Fall die (vorübergehende) Aufnahme des betroffenen Wirtschaftsgutes ins Betriebsvermögen für Zwecke der Zuwendung gemäß § 4 Abs. 4 Z. 5 EStG 1972 selbst dann zulasse, wenn es ansonsten seiner Art nach weder zum notwendigen noch (bei Gewinnermittlung nach § 5 EStG 1972) gewillkürten Betriebsvermögen gerechnet werden könne. Dieser Auffassung wurde in der Literatur im wesentlichen mit der Begründung widersprochen, daß dem normativen Gehalt der Bestimmung des § 4 Abs. 4 Z. 5 EStG 1972 keine Modifizierung des Betriebsvermögensbegriffes entnommen werden könne; seit der Schaffung der Norm des § 18 Abs. 1 Z. 7 EStG 1972 bestehe nach einer ausdehnenden Interpretation des Betriebsvermögensbegriffes auch kein Bedürfnis (vgl. Nolz, Die einkommensteuerlichen Bestimmungen im Abgabenänderungsgesetz 1981, in ÖStZ 1982, 8f., Schubert-Pokorny-Schuch-Quantschnigg, Einkommensteuerhandbuch2, TZ 115 zu § 4 EStG 1972, sowie Werndl, Die steuerbegünstigten Zuwendungen an Wissenschaft und Forschung, in SWK 1988/7, AI, 101f).
Die Interpretation des vom Gesetz verwendeten Ausdrucks der "Zuwendungen aus dem Betriebsvermögen" hat nach der für alle Gesetze geltenden (vgl. die zu ENr. 1 zu § 6 ABGB in MGA 233 wiedergegebene hg. Judikatur) Auslegungsregel des § 6 ABGB auf der Basis des Wortsinnes vor dem Hintergrund der hervorleuchtenden gesetzgeberischen Absicht zu erfolgen. Der offene Widerspruch der in § 4 Abs. 4 Z. 5 EStG 1972 als Betriebsausgaben normierten Aufwendungen zum ersten Satz des § 4 Abs. 4 leg. cit. läßt die betrachtete Bestimmung als Norm verstehen, die andere als fiskalische Zwecke verfolgt, was für ihre Auslegung nach dem Gesetzeszweck nicht ohne Einfluß bleiben kann (vgl. Doralt-Ruppe, Grundriß des österreichischen Steuerrechts I4, 9f). § 4 Abs. 4 Z. 5 EStG 1972 ist mit ihrem Inhalt, solche Aufwendungen dem Betriebsausgabenbereich zuzuordnen, welchen die betriebliche Veranlassung fehlt, als begünstigende Lenkungsmaßnahme anzusehen (vgl. Stoll, Forschungszuwendungen als steuerliche Abzugsposten, Wien 1978, 37). Daß der Gesetzgeber des Abgabenänderungsgesetzes 1981, BGBl. Nr. 620, sich - entgegen dem Inhalt der der Gesetzwerdung vorangegangenen Regierungsvorlage - dazu entschloß, solche Zuwendungen nicht bloß den Sonderausgaben zuzuzählen, sondern sie weiterhin als Betriebsausgaben zu belassen, und gleichzeitig für solche Zuwendungen, soweit sie nicht aus dem Betriebsvermögen erfolgen, den Sonderausgabentatbestand des § 18 Abs. 1 Z. 7 EStG 1972 zu schaffen, läßt das gesetzgeberische Bestreben erkennen, die in § 4 Abs. 4 Z. 5 EStG 1972 angeführten Zuwendungen nach wie vor auch gewerbesteuerrechtlich zu begünstigen (vgl. auch Werndl, Tatbestandliche Voraussetzungen für Forschungszuwendungen iSd § 4 Abs. 4 Z. 5 lit. d EStG 1972, in ÖStZ 1983, 234ff).
Der Gesetzgeber des Abgabenänderungsgeseztes 1981, BGBl. Nr. 620, hat damit die zuvor in der Begünstigung allein der betrieblichen Einkünfte gelegene Ungleichheit seiner Lenkungsmaßnahme (vgl. Stoll, a.a.O., 36f) durch Schaffung des Sonderausgabentatbestandes des § 18 Abs. 1 Z. 7 EStG 1972 für nicht aus einem Betriebsvermögen erfolgende Zuwendungen beseitigt, gleichzeitig aber an der auch gewerbesteuerrechtlichen Wirksamkeit der für die erwünschten Zuwendungen gewährten Begünstigung für die betrieblichen Einkünfte festgehalten.
Vor diesem Hintergrund ist der Begriff der "Zuwendungen aus dem Betriebsvermögen" zu interpretieren. Der offenkundigen gesetzgeberischen Absicht widerspricht die von der belangten Behörde im Beschwerdefall gefundene Auslegung. Eine solche Auslegung schränkt den Anwendungsbereich des § 4 Abs. 4 Z. 5 EStG 1972 für Sachzuwendungen - bedenkt man zudem die auch an gewillkürtes Betriebsvermögen zu stellenden Anforderungen (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 629/72) - nämlich im Ergebnis tatsächlich auf jene seltenen Fälle ein, auf welche die Beschwerdeführerin mit der Anführung des Antiquitätenhändlers oder des Erzeugers wissenschaftlicher Geräte hinweist. Eine solche Beschränkung seines Anwendungsbereichs läßt sich mit dem Zweck der Bestimmung des § 4 Abs. 4 Z. 5 EStG 1972 nicht vereinbaren. Der Zweck des Gesetzes liegt im Anreiz zur Förderung. Dem dient für die außerbetrieblichen Einkunftsarten der Sonderausgabentatbestand, für die betrieblichen Einkunftsarten die Betriebsausgabenpost unter Einschluß ihrer auch gewerbesteuerlichen Wirkung. Es ist dem Gesetz keine Wertung zu entnehmen, die es rechtfertigen würde, ein geraume Zeit im - notwendigen oder gewillkürten - Betriebsvermögen gestandenes Wirtschaftsgut im Falle seiner Zuwendung im Sinne des § 4 Abs. 4 Z. 5 EStG 1972 in stärkerer Weise zum Anlaß einer steuerlichen Begünstigung als ein solches Wirtschaftsgut zu nehmen, das aus Betriebsvermögen angeschafft und sogleich zugewendet wurde. Ebensowenig erscheint es sachlich gerechtfertigt, zwischen der Zuwendung von Geld zur Anschaffung von Sachwerten und der Zuwendung der Sachwerte, die unmittelbar mit betrieblichen Geldmitteln angeschafft wurden, zu unterscheiden. Auch der Wortlaut des Gesetzes gebietet eine solche Auslegung nicht zwingend. Es bedarf hiezu keines abweichenden Verständnisses vom Begriff des Betriebsvermögens. Vielmehr gelangt eine Wortauslegung zu dem mit der gesetzgeberischen Absicht im Einklang stehenden Ergebnis dann, wenn sie dem Begriff der "Zuwendung" seine ihm gemäße Bedeutung einräumt. Zuwendung ist mehr als bloße Sachübergabe. Zuwendung enthält mit dem ihr im Rahmen des § 4 Abs. 4 Z. 5 EStG 1972 innewohnenden Element der Freigebigkeit die Übernahme auch des der Gabe zugrundeliegenden Aufwandes - etwa ihrer Besorgung und ihres Erwerbs. Zugewendet aus Betriebsvermögen ist eine Sache damit auch dann, wenn sie unmittelbar aus Betriebsvermögen angeschafft und unmittelbar nach der Anschaffung übereignet wurde. Der Verwaltungsgerichtshof tritt dem Ergebnis der von Hofstätter-Reichel, a.a.O., vorgenommenen Auslegung somit bei.
Der angefochtene Bescheid war demnach aus dem Grunde inhaltlicher Rechtswidrigkeit gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 104/1991.