VwGH vom 27.04.2006, 2003/16/0093

VwGH vom 27.04.2006, 2003/16/0093

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Steiner und die Hofräte Dr. Höfinger und Dr. Zehetner als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Thurin, über die Beschwerde der T-GmbH in W, vertreten durch Dr. Harry Neubauer und Dr. Christa Springer, Rechtsanwälte in 1010 Wien, An der Hülben 4, gegen den Bescheid des Unabhängigen Finanzsenates (Zollsenat 2) vom , GZ. ZRV/0064- Z 2L/02, betreffend Zollschuld, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Am wurden für die Beschwerdeführerin als Empfängerin insgesamt 30 Karton Hosen mit Ursprung aus der Volksrepublik China in der Einfuhr zum freien Verkehr abgefertigt. Mit Zahlungsaufforderung vom wurde die Beschwerdeführerin davon in Kenntnis gesetzt, dass die Anmelderin L GmbH (mit näher bezeichnetem Abgabenkonto) die dafür mit Abgabenbescheid vom vorgeschriebenen Eingangsabgaben in Höhe von S 27.462,-- (Zoll: S 9.919,-- und Einfuhrumsatzsteuer S 17.543,--) nicht entrichtet habe. Die Beschwerdeführerin wurde aufgefordert, die Eingangsabgaben binnen drei Wochen zur Einzahlung zu bringen. Weiters wurde ihr mit demselben Schriftstück die Zahlung von Säumniszinsen bescheidmäßig vorgeschrieben.

Dagegen erhob die Beschwerdeführerin mit Schreiben vom "Einspruch" und führte begründend aus, sie habe der C GmbH den Auftrag (zur Verzollung) erteilt, welche diesen an die L GmbH weitergeleitet habe. Sie habe die Rechnung der C GmbH auch bezahlt. Auf der Rückseite der "Zollbullette" habe sie einen Vermerk der L GmbH gefunden, wonach diese am die Abgaben entrichtet habe. Falls die Abgaben tatsächlich nicht entrichtet worden wären, hätte das Zollamt die Beschwerdeführerin unverzüglich davon verständigen müssen, weil sie nunmehr keinerlei Möglichkeit habe, sich an der L GmbH oder der C GmbH schadlos zu halten.

Mit Bescheid des Hauptzollamtes Wien vom wurde die Berufung vom mit der Begründung zurückgewiesen, dass eine Zahlungsaufforderung keinen Bescheid im Sinne des § 92 BAO darstelle.

Mit Berufungsvorentscheidung vom wurde der dagegen erhobenen Berufung stattgegeben und der erstinstanzliche Zurückweisungsbescheid vom aufgehoben.

Mit Bescheid vom wurde der Beschwerdeführerin die Eingangsabgabenschuld in Höhe von S 27.462,-- zur Zahlung vorgeschrieben. Begründend wurde ausgeführt, dass diese vom Anmelder bisher nicht entrichtet worden seien und es sich um ein Gesamtschuldverhältnis handle.

Mit Berufungsvorentscheidung vom wurde die dagegen erhobene Berufung als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin stellte einen "Antrag auf Entscheidung über die Berufung vom durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz".

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen. Begründend führte die belangte Behörde nach Wiedergabe des Verfahrensganges und der rechtlichen Grundlagen aus, die Vorschreibung der Eingangsabgabenschuld sei auf das Aufschubkonto der Anmelderin erfolgt. Eine Entrichtung der Eingangsabgabenschuld habe nachweislich durch die Kontoinhaberin nicht stattgefunden. Der offenbar von der Spedition L GmbH auf der Rückseite der Anmeldungsdurchschrift angebrachte Vermerk "Abgaben entrichtet am " habe sich als nicht nachvollziehbar erwiesen. Vielmehr hätten Nachforschungen ergeben, dass von der Kontoinhaberin im gesamten April 1995 auf das ihr bewilligte Aufschubkonto keine Zahlungen geleistet worden seien. Eine Benachrichtigung, ob und inwieweit Abgaben durch die Kontoinhaberin entrichtet worden seien, sei gesetzlich nicht vorgesehen. Im Rahmen von Gesamtschuldverhältnissen bestehe nach § 214 Abs. 7 BAO die Möglichkeit, mit einer speziellen Widmung auf dem Zahlungsbeleg die Verbuchung einer Einzahlung gezielt zu einer betreffenden Abgabenschuld auf dem Aufschubkonto durchzuführen, um das Risiko einer doppelten Entrichtung (einerseits Entrichtung an den Vertragspartner und andererseits nachträgliche Heranziehung als Schuldner im Rahmen eines Gesamtschuldverhältnisses) auszuschließen. Auf Grund der Nichtentrichtung des geschuldeten Abgabenbetrages durch die Anmelderin sei daher im Rahmen des Gesamtschuldverhältnisses die Warenempfängerin zu Recht vom Hauptzollamt Wien zur Zahlung herangezogen worden.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde, mit welcher Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge des Vorliegens von Verfahrensfehlern geltend gemacht werden. Die Beschwerdeführerin erachtet sich - aus dem Beschwerdevorbringen immerhin erkennbar - in ihrem Recht, nicht als Gesamtschuldnerin zur Zahlung der Eingangsabgaben herangezogen zu werden, verletzt.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift, in welcher sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Nach § 2 Abs. 1 ZollR-DG und § 26 Abs. 1 UStG 1994 gelten - mit im Beschwerdefall nicht relevanten Ausnahmen - für die Einfuhrumsatzsteuer die Rechtsvorschriften für Zölle sinngemäß.

Gemäß Art. 201 Abs. 3 ZK ist Zollschuldner der Anmelder. Im Falle der indirekten Vertretung ist auch die Person Zollschuldner, für deren Rechnung die Zollanmeldung abgegeben wird.

Gibt es für eine Zollschuld mehrere Zollschuldner, so sind diese gemäß Art. 213 ZK gesamtschuldnerisch zur Erfüllung dieser Zollschuld verpflichtet.

Bei Vorliegen eines Gesamtschuldverhältnisses ist hinsichtlich der Geltendmachung von Abgaben grundsätzlich nationales Recht anzuwenden (vgl. Witte, Zollkodex3, Art. 213, Rz 3).

Die Beschwerdeführerin behauptet in ihrer Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof erstmals, bereits mit Berufungsvorentscheidung vom sei ihrer "Berufung stattgegeben und der Bescheid mit der Begründung aufgehoben worden, dass die Geltendmachung eines Gesamtschuldverhältnisses mit einer Zahlungsaufforderung nicht mehr zulässig sei". Die Abgabenvorschreibung mit Bescheid vom widerspreche daher dem Grundsatz "ne bis in idem".

Abgesehen davon, dass dieses Vorbringen dem im verwaltungsgerichtlichen Verfahren herrschenden, aus § 41 VwGG abzuleitenden Neuerungsverbot widerspricht, ergibt sich aus den vorgelegten Verwaltungsakten - worauf die belangte Behörde auch in ihrer Gegenschrift hinweist -, dass die Berufungsvorentscheidung vom die Zurückweisung der Berufung gegen die Zahlungsaufforderung vom betroffen hat. Diese Entscheidung stand aber einer erstmals bescheidmäßigen Abgabenvorschreibung nicht entgegen. Dass ihr bereits vor Erlassung des Abgabenbescheides vom die gegenständlichen Eingangsabgaben bescheidmäßig vorgeschrieben worden seien, behauptet die Beschwerdeführerin nicht.

Die Beschwerdeführerin rügt weiters, dem angefochtenen Bescheid lasse sich nicht entnehmen, welche konkreten Nachforschungen die belangte Behörde zur Feststellung, dass im April 1995 auf das Aufschubkonto keine Zahlungen geleistet worden seien, angestellt habe, unterlässt es aber, die Relevanz des behaupteten Verfahrensmangels darzulegen. Der Feststellung der belangten Behörde, dass auf dem Aufschubkonto der L GmbH im Monat April 1995 überhaupt keine Zahlungseingänge verbucht worden seien, wird in der Beschwerde nicht entgegen getreten. Aus welchen Gründen daraus auf die Entrichtung der Eingangsabgabe geschlossen werden könnte, wird in der Beschwerde nicht dargelegt. Es wurden auch im Abgabenverfahren keine Umstände behauptet, welche nahe gelegt hätten, dass die Verbuchung der gegenständlichen Eingangsabgabenschuld am Aufschubkonto unrichtigerweise unterblieben oder auf einem anderen Konto der Anmelderin erfolgt ist (etwa durch Vorlage eines Zahlungsbeleges oder Nennung eines Zeugen). Der bloße Hinweis auf einen von der Anmelderin auf der Rückseite der Anmeldungsdurchschrift angebrachten Vermerk reicht noch nicht aus, um die Richtigkeit der abgabenbehördlichen Feststellung in Frage zu stellen.

Weiters wendet die Beschwerdeführerin die Verjährung der gegenständlichen Eingangsabgaben ein.

Gemäß Art. 221 Abs. 3 ZK darf die Mitteilung an den Zollschuldner nach Ablauf einer Frist von drei Jahren nach dem Zeitpunkt des Entstehens der Zollschuld nicht mehr erfolgen.

Mit Verordnung (EG) Nr. 2700/2000 des Europäischen Parlaments und des Rates vom , ABl. EG Nr. L 311 vom , wurde Art. 221 Abs. 3 ZK dahingehend ergänzt, dass diese Frist ab dem Zeitpunkt ausgesetzt wird, in dem ein Rechtsbehelf gemäß Art. 243 eingelegt wird, und zwar für die Dauer des Rechtsbehelfs. Gemäß Art. 2 der genannten Verordnung trat diese an am siebten Tag nach ihrer Veröffentlichung in Kraft.

Verjährungsbestimmungen sind keine Normen des materiellen Rechtes, sondern des Verfahrensrechtes (vgl. Ritz, BAO3, Tz 2 zu § 207, mwN).

Bei Änderungen verfahrensrechtlicher Rechtsvorschriften ist im Allgemeinen das neue Recht ab dem Zeitpunkt seines Inkrafttretens anzuwenden, und zwar auch auf solche Rechtsvorgänge, die sich vor Inkrafttreten des neuen Verfahrensrechtes ereignet haben. Die Gesetzmäßigkeit eines vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheides ist grundsätzlich nach der im Zeitpunkt der Erlassung des Bescheides geltenden Rechtslage zu beurteilen (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl 2002/16/0076, mwN).

Nach der im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides geltenden Rechtslage war damit die Verjährungsfrist bis zur Erlassung des angefochtenen Bescheides ausgesetzt (vgl. dazu auch die hg. Erkenntnisse jeweils vom , Zlen 2003/16/0012 und 2002/16/0301). Der Einwand der Beschwerdeführerin, wonach zwischenzeitig Verjährung eingetreten sei, ist daher ebenfalls unbegründet.

Die Beschwerde war aus den oben dargestellten Erwägungen gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333/2003, insbesondere deren § 3 Abs. 2.

Wien, am