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VwGH vom 27.05.1998, 94/13/0084

VwGH vom 27.05.1998, 94/13/0084

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss und Senatspräsident Dr. Pokorny sowie die Hofräte Dr. Fellner, Dr. Hargassner und Mag. Heinzl als Richter, im Beisein des Schriftführers DDDr. Jahn, über die Beschwerde der K & Co in W, vertreten durch Dr. Michael Breitenfeld, Rechtsanwalt in Wien I, Dominikanerbastei 10, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland (Berufungssenat VI) vom , Zl. 6/3-3407/93-04, betreffend Feststellung von Einkünften für das Jahr 1989, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin ist eine Kommanditgesellschaft. Im Zuge einer Betriebsprüfung für die Jahre 1987 bis 1989 stellte die Prüferin fest, daß die beiden Kommanditisten N und K mit aus der Gesellschaft ausgeschieden waren und ihre Anteile an eine weitere Gesellschafterin sowie einen neu eintretenden Gesellschafter übertragen hatten. Abweichend von der bisher erfolgten Berechnung der beiden Veräußerungsgewinne errechnete die Prüferin diese Gewinne wie folgt:

a) Veräußerungsgewinn von N:

negatives steuerliches Kapitalkonto S 1,224.851,--

Auflösung des anteiligen

Investitionsfreibetrages S 309.725,--

Summe S 1,534.576,--

abzüglich anteiliger Freibetrag S 36.750,--

abzüglich Verluste gemäß

§ 23a EStG 1972

aus 1987 S 346.299,--

aus 1988 S 648.187,--

steuerpflichtiger Veräußerungs-

gewinn S 503.340,--

b) Veräußerungsgewinn von K:

negatives steuerliches Kapitalkonto S 484.586,--

Auflösung des anteiligen

Investitionsfreibetrages S 206.483,--

Summe S 691.069,--

abzüglich anteiliger Freibetrag S 24.500,--

abzüglich Verlust gemäß

§ 23a EStG 1972

aus 1988 S 432.125,--

steuerpflichtiger Veräußerungs-

gewinn S 234.444,--.

Das Finanzamt folgte grundsätzlich den Prüfungsfeststellungen, vertrat aber die Auffassung, daß die abzugsfähigen Verluste gemäß § 23a EStG 1972 aus Vorperioden nicht schon im Bescheid betreffend die einheitliche und gesonderte Feststellung von Einkünften gemäß § 188 BAO, sondern erst in den jeweils abgeleiteten Einkommensteuerbescheiden zu berücksichtigen seien. Unter Einbeziehung der Anteile am laufenden Verlust der Beschwerdeführerin gelangte das Finanzamt schließlich zu nachstehenden bescheidmäßig festgestellten

Einkunftsanteilen:

N: Steuerpflichtiger Veräußerungs-

gewinn laut Betriebsprüfung S 503.340,--

zuzüglich Vorjahresverluste S 346.299,--

S 648.187,--

Summe S 1,497.826,--

abzüglich Anteil am laufenden

Verlust - S 248.350,--

Einkunftsanteil: S 1,249.476,--.

K: Steuerpflichtiger Veräußerungs-

gewinn laut Betriebsprüfung S 234.444,--

zuzüglich Vorjahresverlust S 432.125,--

Summe S 666.569,--

abzüglich Anteil am laufenden

Verlust - S 165.566,--

Einkunftsanteil: S 501.003,--.

Die Beschwerdeführerin erhob Berufung und beantragte, den Einkunftsanteil für N auf - S 418.611,-- und jenen für K auf - S 48.208,-- (jeweils unter Berücksichtigung der verrechenbaren Vorjahresverluste) herabzusetzen. Die Einkunftsanteile der übrigen Gesellschafter sollten unverändert bleiben. Begründet wurde der Berufungsantrag wie folgt:

Bei Ermittlung des Veräußerungsgewinnes dürfe nicht von den jeweiligen negativen Kapitalkonten ausgegangen werden, sondern es seien ausschließlich die realisierten stillen Reserven maßgebend. Bei einem Angehörigenverhältnis zwischen ausscheidenden und neu eintretenden Gesellschaftern sei die Übernahme eines negativen Kapitalkontos durch die neu eintretenden Gesellschafter, soweit dieses die tatsächlich vorhandenen (anteiligen) stillen Reserven übersteige, als Einlage zu beurteilen. Diese Auffassung werde auch in Abschnitt 79 Abs. 11 letzter Satz der Einkommensteuerrichtlinien 1984 vertreten und sei auch im Geltungsbereich des Einkommensteuergesetzes 1988 zu beachten, weil sich die Rechtslage nicht verändert habe.

In einer Stellungnahme der Betriebsprüferin zur Berufung wurde darauf hingewiesen, daß § 24 Abs. 2 EStG 1988 ausdrücklich normiere, daß im Falle des Ausscheidens eines Gesellschafters, der als Unternehmer (Mitunternehmer) des Betriebes anzusehen sei, als Veräußerungsgewinn jedenfalls der Betrag seines negativen Kapitalkontos zu erfassen sei, den er nicht auffüllen müsse. Diese Textstelle sei im Einkommensteuergesetz 1972 nicht enthalten gewesen.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung ab. Sie stützte sich dabei auf die oben erwähnte Bestimmung des § 24 Abs. 2 EStG 1988 und wies außerdem darauf hin, daß aus den Einkommensteuerrichtlinien keine über die gesetzlichen Bestimmungen hinausgehenden Rechte und Pflichten abgeleitet werden könnten.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

§ 24 Abs. 2 letzter Satz EStG 1988 lautet:

"Im Falle des Ausscheidens eines Gesellschafters, der als Unternehmer (Mitunternehmer) des Betriebes anzusehen ist, ist als Veräußerungsgewinn jedenfalls der Betrag seines negativen Kapitalkontos zu erfassen, den er nicht auffüllen muß."

Dieser gesetzlichen Regelung liegt der Gedanke zugrunde, daß ein negatives Kapitalkonto eines Mitunternehmers - gleichgültig ob es auf Verluste früherer Perioden oder auf Entnahmen oder auf beides zurückzuführen ist - grundsätzlich eine Verpflichtung des Mitunternehmers der Mitunternehmerschaft gegenüber zur Auffüllung des negativen Kapitalkontos zum Ausdruck bringt. Handelsrechtlich besteht eine derartige Verpflichtung allerdings bei eingeschränkter Haftung, wie sie insbesondere bei einem Kommanditisten gegeben ist, nur insoweit, als eine entsprechende vertragliche Verpflichtung, sei es im Gesellschaftsvertrag, sei es zu einem späteren Zeitpunkt zusätzlich eingegangen wurde. Anderenfalls besteht lediglich die Verpflichtung des § 169 Abs. 1 HGB, wonach künftige Gewinne zur Auffüllung des bedungenen Kapitalkontos zu verwenden sind. Nur ein Verstoß gegen diese Vorschrift bewirkt, daß der Kommanditist den Gläubigern gegenüber gemäß § 171 in Verbindung mit § 172 Abs. 4 HGB auch über seine Einlage hinaus haftet. Eine derartige Verpflichtung ist, soweit sie schlagend wird, steuerlich zu berücksichtigen.

In jenen Fällen jedoch, in denen bei einem Kommanditisten durch Verlustzuweisungen ein negatives Kapitalkonto entsteht, zu dessen Auffüllung er handelsrechtlich nicht verpflichtet ist, sodaß sein Ausscheiden ohne vorherige Auffüllung des Kapitalkontos keine schuldbefreiende und damit gewinnwirksame Rechtsfolge nach sich zieht, war es erforderlich, eine derartige Rechtsfolge für steuerliche Zwecke ausdrücklich zu normieren. Das hat der Gesetzgeber zunächst mit § 23a Abs. 2 EStG 1972, in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 80/1987, und in der Folge ganz allgemein mit § 24 Abs. 2 letzter Satz EStG 1988 getan. Anderenfalls wären Verluste eines Kommanditisten, denen im steuerlichen System der Gewinnermittlung durch Vermögensvergleich der Gedanke einer Vermögenseinbuße zugrundeliegt, in unbeschränktem Ausmaß steuerlich zu berücksichtigen (insbesondere im Wege des Verlustausgleiches), ohne daß der nachträgliche Wegfall der unterstellten Vermögenseinbuße bei seinem Ausscheiden aus der Kommanditgesellschaft steuerlich als Wegfall einer Verbindlichkeit gewinnerhöhend erfaßt werden könnte.

§ 24 Abs. 2 letzter Satz EStG 1988 trifft somit eine Regelung, mit der im Ergebnis eine handelsrechtlich allenfalls nicht bestehende Verpflichtung eines ausscheidenden Mitunternehmers zur Auffüllung seines negativen Kapitalkontos für steuerliche Zwecke jedenfalls als bestehend fingiert wird, sodaß die Übernahme dieser (fingierten) Verpflichtung durch bisherige oder neu eintretende Gesellschafter schuldbefreiend wirkt und so zu einem Veräußerungsgewinn führt.

Die im Schrifttum (Quantschnigg/Schuch, Einkommensteuerhandbuch Seite 967f) vertretene Rechtsauffassung, daß eine Auffüllungsverpflichtung, die dem ausscheidenden Gesellschafter gegenüber aus privaten Gründen nicht geltend gemacht wird, zu keinem Veräußerungsgewinn führt, basiert auf der eben dargelegten Fiktion und geht von der Überlegung aus, daß eine "Schuldübernahme" aus privaten, somit außerbetrieblichen Gründen, als steuerneutrale Einlage zu werten ist. Der Vorgang des Ausscheidens des Gesellschafters aus der Gesellschaft wird dabei gedanklich in zwei Vorgänge aufgespalten: Durch die unterstellte Schenkung entsprechender finanzieller Mittel und deren Einlage durch den ausscheidenden Gesellschafter wird dessen negatives Kapitalkonto aufgefüllt, sodaß der Ausscheidungsvorgang selbst bereits ohne negatives Kapitalkonto zu beurteilen und damit auch § 24 Abs. 2 letzter Satz EStG 1988 unanwendbar ist.

Tatsächlich mag es Sachverhalte geben, denen eine derartige Beweiswürdigung zugrundeliegt. Voraussetzung dafür ist aber, daß Umstände vorliegen, die klar zu Tage treten lassen, daß der Gesellschafterwechsel nicht auf ein entgeltliches Rechtsgeschäft wie unter einander fremden Personen zurückzuführen, sondern von Schenkungsabsicht getragen ist. Diesem Erfordernis kommt deswegen besonderes Gewicht zu, weil § 24 Abs. 2 letzter Satz EStG 1988 gerade in jenen Fällen Bedeutung erlangt, in denen ein real - das heißt unter Einbeziehung stiller Reserven und eines allfälligen Firmenwertes - überschuldeter Gesellschaftsanteil übertragen wird, ohne daß für den ausscheidenden Gesellschafter eine handelsrechtliche Auffüllungsverpflichtung besteht. Nur in diesen Fällen übersteigt der Veräußerungsgewinn die stillen Reserven und einen allfälligen Firmenwert. Der Gesetzgeber geht demnach davon aus, daß die an die Stelle des ausscheidenden Gesellschafters tretenden Gesellschafter bereit sind, mit der Übernahme des negativen Kapitalkontos für den Erwerb des Gesellschaftsanteiles mehr aufzuwenden, als dessen Buchwert nach Aufdeckung der stillen Reserven und des Firmenwertes beträgt. Worauf diese Bereitschaft zurückgeführt werden kann, etwa auf Konkurrenzüberlegungen, auf aleatorische Elemente oder auf spekulative Zukunftserwartungen, kann dahinstehen. Jedenfalls unterstellt der Gesetzgeber dabei ein betriebliches Interesse, das gleichermaßen unter einander fremden Personen wie unter nahen Angehörigen vorhanden sein kann. Tritt daher an die Stelle des betrieblichen Interesses eine private Motivation, so muß dies mit besonderer Deutlichkeit in Erscheinung treten.

Das trifft im Beschwerdefall nicht zu. Der abstrakten Behauptung, unter nahen Angehörigen sei das Ausscheiden eines Kommanditisten mit negativem Kapitalkonto rechtlich (stets) anders zu beurteilen als bei einander fremden Personen, sind nicht nur die obigen Ausführungen, sondern auch der Grundsatz entgegenzuhalten, daß steuerlich anzuerkennende Vertragsgestaltungen zwischen nahen Angehörigen in der Regel so beschaffen sein sollen, wie sie unter einander fremden Personen üblicherweise getroffen werden. Richtig ist zwar, daß die Bereitschaft zu unentgeltlichen Zuwendungen unter einander nahestehenden Personen eher anzutreffen sein wird als unter einander fremden Personen. Dennoch muß eine vom üblichen Erscheinungsbild abweichende, nur durch ein bestehendes Naheverhältnis erklärbare Vertragsgestaltung nach außen hin deutlich in Erscheinung treten, soll sie steuerliche Berücksichtigung finden. Im Beschwerdefall wurde weder das behauptete Naheverhältnis durch konkrete Angaben offengelegt, noch kann dem Abtretungsvertrag ein Hinweis darauf entnommen werden, daß die Übernahme der negativen Kapitalkonten durch die Erwerber der Gesellschaftsanteile in Schenkungsabsicht und daher aus privaten Beweggründen erfolgt ist. Vielmehr wird im Abtretungsvertrag die Übernahme der negativen Kapitalkonten durch die Erwerber der Gesellschaftsanteile ausdrücklich als "Abtretungsentgelt" bezeichnet.

Bei dieser Sachlage war die belangte Behörde nicht verpflichtet, von Amts wegen einen vom offengelegten Sachverhalt abweichenden Sachverhalt zu ermitteln. Es kommt daher auch der von der Beschwerdeführerin vorgebrachten Rüge, daß sich die belangte Behörde bei Erlassung des angefochtenen Bescheides an der in den Einkommensteuerrichtlinien 1984 vertretenen Rechtsansicht zu orientieren gehabt hätte, keine Berechtigung zu, ganz abgesehen davon, daß Erlaßregelungen - um eine solche handelt es sich dabei - keine normative Grundlage für die Erlassung von Bescheiden darstellen.

Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.