VwGH vom 19.05.1993, 91/13/0032
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Liska und die Hofräte Dr. Pokorny, Dr. Fellner, Dr. Hargassner und Mag. Heinzl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Oberkommissärin Dr. Büsser, über die Beschwerde der X-Vereinigung in W, vertreten durch Dr. A, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom , Zl. 6/2-2322/87-11, betreffend Haftung für die Jahre 1978 bis 1981 gemäß § 101 EStG 1972, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 11.600,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der beschwerdeführende Verein trat in den Jahren 1978 bis 1981 als Veranstalter von Freistilringerturnieren auf. Im Zuge einer auch die Streitjahre umfassenden Betriebsprüfung bei der Beschwerdeführerin kam hervor, daß Teile der den mit einer einzigen Ausnahme durchwegs ausländischen Ringern bezahlten Gagen der Besteuerung nicht unterzogen worden waren.
Zwischen den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens steht nunmehr ausschließlich die Frage in Streit, ob als haftungspflichtiger Entgeltschuldner im Sinne des § 101 Abs. 1 EStG 1972 für die nicht abgeführten Abgaben die Beschwerdeführerin - so die Auffassung der belangten Behörde - oder der als einziger Inländer am Turnier teilnehmende Ringer XY - so die Auffassung der Beschwerdeführerin - anzusehen ist.
Der Betriebsprüfer traf hiezu folgende Feststellungen:
Jährlich vor Beginn des Turnieres sei zwischen der Beschwerdeführerin und dem Ringer XY ein Vertrag abgeschlossen worden, nach welchem XY sich verpflichtet habe, zum einen selbst an den Turnieren als aktiver Ringer teilzunehmen, und zum anderen auf Turnierdauer eine bestimmte Anzahl von Ringern stellig zu machen, diese zu betreuen und den ungehinderten und klaglosen Ablauf des Turnieres zu gewährleisten. XY sei es nach diesen Verträgen oblegen, der Beschwerdeführerin die Ringer namhaft zu machen, mit welchen die Beschwerdeführerin, sofern sie die vorgeschlagenen Ringer akzeptierte, Einzelverträge für das jeweilige Turnier geschlossen habe. Bezüglich der Ringergagen sei in den Verträgen vereinbart worden, daß 50 % der täglichen Bruttoeinnahmen abzüglich der Umsatzsteuer an die Ringer auszubezahlen sei. Die Ringergagen seien dabei in der Weise flüssig gemacht worden, daß den Ringern ein Sockelbetrag in Form einer täglichen Abendgage sowie Leistungsprämien im Rahmen der Hälfte der Einnahmen zugestanden wären. Die Entscheidung, wann an welchen Ringer in welcher Höhe Leistungsprämien auszuzahlen seien, sei dem Ringer XY zugestanden. Die tatsächlich ausbezahlten Ringergagen habe die Beschwerdeführerin trotz Aufforderung nicht nachweisen können. Während der Turniere seien von XY Akontobeträge für Ringergagen aus der Vereinskasse in der Größenordnung zwischen S 806.280,-- im Jahre 1979 und S 346.754,-- im Jahre 1981 behoben und in der Buchhaltung der Beschwerdeführerin verbucht worden. Nach dem Ende des Turniers seien Barbeträge an den Verein zurückgezahlt und auf dem Verrechnungskonto Ringer gegengebucht worden. In weiterer Folge seien vom Bankkonto der Beschwerdeführerin Auslandsüberweisungen an die E. in Liechtenstein in namhafter Höhe durchgeführt worden, welche in der Buchhaltung der Beschwerdeführerin dem Ringerspesenkonto gewinnmindernd angelastet worden wären. Die Beschwerdeführerin habe für die jeweils engagierten Ringer Lohnkonten geführt, aus welchen die Aufenthaltsdauer der einzelnen Ringer im Inland und deren für das gesamte Turnier bezogenen Bruttobezüge ebenso ersichtlich seien wie jene des Ringers XY. Die in diesen Lohnkonten aufscheinenden Ringergagen seien offenkundig unvollständig. Die Überweisung der Beträge an die E. in Liechtenstein sei vom damaligen Vereinspräsidenten mit der Begründung veranlaßt worden, daß zwischen der E. und der Beschwerdeführerin ein Vertrag bestehe, nach welchem die E. sich gegen Entrichtung der in der Folge überwiesenen Pauschalbeträge verpflichtet habe, ein Ringerteam zur Teilnahme an den Freistilringerturnieren zu entsenden und dafür bestimmte Auslagen zu übernehmen.
Rechtlich erachtete der Prüfer, daß nach den vorgefundenen Vertragsgestaltungen kein Zweifel daran bestehen könne, daß die Beschwerdeführerin als Veranstalter der Freistilringerturniere anzusehen sei, habe sie doch im eigenen Namen Verträge mit den von XY namhaft gemachten ausländischen Ringern abgeschlossen und diesen Ringern sowie XY als Gage die Hälfte der Nettoeinnahmen überlassen, welche XY an die beteiligten Ringer ausgezahlt habe. Die Beschwerdeführerin sei nach § 99 EStG 1972 zur Einbehaltung und Abfuhr der Einkommensteuer verpflichtet gewesen, welcher Verpflichtung nicht entgegenstehen habe können, daß Teile der Ringergagen von der Beschwerdeführerin als Provisionen getarnt an eine liechtensteinische Anstalt überwiesen worden wären. Der Ringer XY sei entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin nicht als Schuldner der Ringergagen, sondern bestenfalls als Zahlstelle anzusehen. Ausgehend von der Hälfte der jeweiligen Nettogesamteinnahmen der Streitjahre ermittelte der Betriebsprüfer unter Bedachtnahme auf die von der Beschwerdeführerin einbehaltenen und abgeführten Lohnsteuerbeträge die Abgabenachforderungen der Streitjahre.
Das Finanzamt folgte der Auffassung des Betriebsprüfers und zog die Beschwerdeführerin gemäß § 101 Abs. 1 EStG 1972 zur Haftung heran.
Die Beschwerdeführerin berief. Während sie in einer zuvor eingebrachten Berufung gegen die nicht den Gegenstand dieses verwaltungsgerichtlichen Verfahrens bildenden Körperschaft- und Gewerbesteuerbescheide 1978 bis 1982 noch ausdrücklich erklärt hatte, daß sie als Veranstalter von Freistilturnieren auf dem Platz des W. Vereines aufgetreten sei, stellte sie sich nunmehr auf den Standpunkt, die Freistilringerturniere tatsächlich nicht veranstaltet, sondern dafür lediglich den Platz zur Verfügung gestellt zu haben. Veranstalter der Freistilringerturniere sei XY gewesen. Dies lasse sich schon aus den Feststellungen des Betriebsprüfers entnehmen. Bei XY seien die unternehmerischen Risken und Chancen gelegen, nachdem dessen Einkommen aus der Differenz des an ihn ausbezahlten Hälfteanteiles an den Eintrittsgeldern und der von ihm ausbezahlten Ringergagen bestanden hätte. XY habe nicht nur den wirtschaftlichen Nutzen aus seiner unternehmerischen Leistung der Veranstaltung des Ringerturnieres gezogen, sondern diesen Nutzen darüber hinaus als sogenannte Vermittlungsprovision an die E. in Liechtenstein zur Auszahlung bringen lassen. Es könne der Einkommensteuerabzug für die ausbezahlten Ringergagen nach § 99 EStG 1972 demnach auch nur bei XY vorgenommen werden.
Der Betriebsprüfer trat in seiner Stellungnahme zur Berufung dem Vorbringen der Beschwerdeführerin mit dem Hinweis darauf entgegen, daß bereits § 1 der Satzungen der Beschwerdeführerin u.a. als Mittel zur Erreichung ihrer Zwecke die Veranstaltung von Freistilringerturnieren dezidiert anführe. Die Verträge mit den Ringern seien eben nicht mit XY, sondern mit der Beschwerdeführerin geschlossen worden; diese habe von den Ringergagen "Lohnsteuer" einbehalten und abgeführt, auch der behauptete Veranstalter XY habe seine Gage im Angestelltenverhältnis zur Beschwerdeführerin erhalten.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab. Sie traf ergänzende Feststellungen aus der Korrespondenz der E. in Liechtenstein mit der Beschwerdeführerin und aus der schriftlichen Vereinbarung zwischen XY und der Beschwerdeführerin vom sowie aus den Aussagen der vom Betriebsprüfer vernommenen Funktionäre der Beschwerdeführerin und des XY und gelangte zum Ergebnis, daß die Beschwerdeführerin nicht nur nach außen hin als Veranstalter der Turniere aufgetreten sei, sondern sie auch tatsächlich veranstaltet habe. Dies gehe aus den vertraglichen Vereinbarungen zwischen der Beschwerdeführerin und XY ebenso unzweideutig hervor, wie aus den Bekundungen des damaligen Vereinspräsidenten. Ebenso spreche dafür die Ausstellung von Lohnzetteln für XY. Als Schuldner der von den nicht abgeführten Abgaben betroffenen Entgelte müsse demnach auch die Beschwerdeführerin angesehen werden.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit welcher die Beschwerdeführerin die Aufhebung des angefochtenen Bescheides aus dem Grunde der Rechtswidrigkeit seines Inhaltes beantragt; sie erachtet sich ihrem Vorbringen nach erkennbar in ihrem Recht verletzt, zur Haftung für nicht abgeführte Einkommensteuer nicht herangezogen zu werden.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in welcher sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt. Die Beschwerdeführerin hat repliziert.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die Beschwerdeführerin wirft der belangten Behörde vor, in der Beurteilung der Frage, wer als Veranstalter der Turniere anzusehen sei, den Grundsatz der wirtschaftlichen Betrachtungsweise mißachtet zu haben. Der Einwand geht an der Sache insoweit vorbei, als es auf die auch im angefochtenen Bescheid in den Vordergrund der Betrachtung gerückte Frage der Veranstaltereigenschaft nicht ankommt. Entscheidend für die Zurechnung der im § 100 Abs. 1 EStG 1972 normierten Obliegenheit und für die aus § 101 Abs. 1 leg. cit. erwachsende Haftung ist allein die Frage, wer als Schuldner jener Einkünfte beschränkt Steuerpflichtiger im Sinne des § 99 Abs. 1 Z. 1 EStG 1972 anzusehen ist, von denen der gesetzlich vorgesehene Steuerabzug in dem von der belangten Behörde festgestellten Ausmaß nicht vorgenommen worden war.
Nach den Feststellungen im angefochtenen Bescheid hatte die zwischen der Beschwerdeführerin und dem Ringer XY für das Jahr 1981 abgeschlossene Vereinbarung - der in den Vorjahren im wesentlichen gleichlautende Vereinbarungen entsprochen hatten - bezüglich der Ringergagen folgendes enthalten:
"8.) Es steht Ihnen (gemeint: der Ringer XY) das Recht zu, an Veranstaltungen, an denen das gesamte Programm abgewickelt wurde, über die Differenz zwischen der täglichen Abendgage, die Ihnen zusammen mit den Ringern zusteht, und 50 % der täglichen Bruttoeinnahme abzüglich Umsatzsteuer derart zu verfügen, daß diese Differenz als Prämie für gute Leistungen an die am Turnier beteiligten Ringer zusätzlich zur Tagesgage ausbezahlt wird. Es ist zwischen uns wohlverstanden, daß die Summe sämtlicher Tagesgagen einschließlich aller Leistungsprämien 50 % der täglichen Bruttoeinnahmen nicht übersteigen dürfen.
9.) Für die Einhaltung dieser Vereinbarung übernehmen Sie uns gegenüber die persönliche Haftung.
10.) Es ist eine Selbstverständlichkeit, daß die Lohnsteuer und sonstige allenfalls gesetzlich geregelte Abgaben jedem Gagenempfänger in Entsprechung der behördlichen Vorschriften in Abzug gebracht werden."
In der Beurteilung dieser vertraglichen Abmachung zwischen der Beschwerdeführerin und XY hat die Behörde im Festhalten an der Schuldnerposition der Beschwerdeführerin für Einkünfte beschränkt Steuerpflichtiger die Rechtslage aus folgenden Gründen verkannt:
Zwar ist es nach § 99 Abs. 1 Z. 1 EStG 1972 für die Einhebung der Einkommensteuer beschränkt Steuerpflichtiger durch Steuerabzug bei Einkünften aus im Inland ausgeübter oder verwerteter selbständiger Tätigkeit u.a. als Sportler, Artist oder Mitwirkender an Unterhaltungsdarbietungen gleichgültig, an wen die Vergütungen für die genannten Tätigkeiten geleistet werden, doch setzt der in dieser Gesetzesstelle vorgesehene Steuerabzug grundsätzlich Einkünfte beschränkt Steuerpflichtiger voraus. Nun hat die belangte Behörde aber außer acht gelassen, daß der vom Betriebsprüfer als bloße "Zahlstelle" angesehene unbeschränkt steuerpflichtige XY selbst auch aktiv als Ringer an den Turnieren teilzunehmen hatte. Die von ihm aus diesem Grunde erzielten Einkünfte waren solche beschränkt Steuerpflichtiger nicht. Indem die Beschwerdeführerin dem Ringer XY vertraglich die Befugnis einräumte, den Differenzbetrag zwischen den Abendgagen und der Hälfte der Abendeinnahmen im Wege von Leistungsprämien an die teilnehmenden Ringer nach seiner freien Entscheidung auszuschütten, hatte die Beschwerdeführerin sich der Disposition darüber begeben, in welchem Umfang beschränkt steuerpflichtigen Turnierteilnehmern (zusätzliche) Einkünfte erwuchsen. So war es nach der Vertragsgestaltung zwischen XY und der Beschwerdeführerin zumindest nicht ausgeschlossen, daß XY in der Beurteilung der von den Ringern erbrachten Leistungen zur Einsicht gelangen konnte, daß seine eigene ringerische Leistung die einzig wirklich gute gewesen und daher mit dem Gesamtbetrag der für Prämienzahlungen zur Verfügung stehenden Summe zu honorieren sei. Diesfalls wären Einkünfte beschränkt Steuerpflichtiger aus dem Differenzbetrag zwischen Abendgage und Hälfte der Abendeinnahmen überhaupt nicht entstanden. Inwieweit der Ringer XY aus vertraglichen Verhältnissen zu den ausländischen Ringern oder einer sie allenfalls vertretenden Organisation zu einer solchen Vorgangsweise berechtigt gewesen wäre, läßt sich nicht beurteilen, weil diese Rechtsbeziehungen im dunklen geblieben sind. Der Beschwerdeführerin gegenüber war er dem Vertragstext nach nicht gehindert, seine eigenen ringerischen Leistungen durch Prämienausschüttungen an sich selbst zu honorieren. Ob einem solchen Verständnis der vertraglichen Vereinbarungen zwischen XY und der Beschwerdeführerin die zwischen der Beschwerdeführerin und den einzelnen Ringern getroffenen Abmachungen entgegenstehen hätten können, läßt sich mangels Feststellung dieser Abmachungen nicht beurteilen.
Auf der Basis der getroffenen Sachverhaltsfeststellungen erweist sich die von der belangten Behörde vorgenommene Zuweisung der Schuldnerrolle für Einkünfte beschränkt Steuerpflichtiger an die Beschwerdeführerin im Ausmaß der Differenzbeträge zwischen Abendgagen und Hälftebetrag der Abendeinnahmen als unzutreffend. Hatte die Beschwerdeführerin sich der Entscheidungsbefugnis darüber, ob und in welchem Umfang hinsichtlich dieses Differenzbetrages beschränkt steuerpflichtigen Personen Einkünfte erwachsen würden, vertraglich begeben, so kann sie in diesem Umfang als Schuldner im Sinne des § 100 Abs. 1 EStG 1972 mit der Haftungsfolge des § 101 Abs. 1 leg. cit. auch nicht mehr angesehen werden. Insoweit die Ausschüttung der der Dispositionsbefugnis des XY unterliegenden Prämien allenfalls auf dem Umweg über die Firma E. in Liechtenstein erfolgt sein sollte, änderte dies nichts am dargestellten Beurteilungsbild. Unverändert bliebe das Recht des Ringers XY zur Entscheidung, welcher Ringer welche Prämien in welcher Höhe zu erhalten hätte; unverändert bliebe mit dem eigenen Prämienanspruch des Ringers XY der Beschwerdeführerin die Dispositionsmöglichkeit darüber genommen, ob und in welcher Höhe Einkünfte beschränkt steuerpflichter Personen aus der Ausschüttung von Leistungsprämien entstehen würden.
Die belangte Behörde hat ihren Bescheid somit in der Beurteilung der Schuldnerposition der Beschwerdeführerin im aufgezeigten Umfang mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet, weshalb der Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war. Von der Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden, weil die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten ließ.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 104/1991.