VwGH vom 26.06.2003, 2003/16/0073

VwGH vom 26.06.2003, 2003/16/0073

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldner und die Hofräte Dr. Steiner, Dr. Fellner, Dr. Höfinger und Dr. Kail als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Siegl, über die Beschwerde der R GmbH & Co KG in P, vertreten durch Mag. Alfred Lang und Mag. Ulf Schulze Bauer, Rechtsanwälte in Fürstenfeld, Realschulstraße 2a, gegen den Bescheid des Präsidenten des LG für ZRS Graz vom , Zl. Jv 1830-33/02, betreffend Gerichtsgebühren, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.088,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Aus der Beschwerdeschrift, der ihr beiliegenden Ausfertigung des angefochtenen Bescheides, der gemäß § 35 Abs. 2 VwGG eingeholten Stellungnahme der belangten Behörde und den von ihr dabei vorgelegten Verwaltungs- und Firmenbuchakten ergibt sich folgender Sachverhalt:

Mit Eingabe an das LG für ZRS Graz als Handelsgericht vom wurde die Eintragung der Beschwerdeführerin in das Firmenbuch unter Inanspruchnahme der Gebührenbefreiung gemäß § 1 NEUFÖG mit dem Vorbringen begehrt, die Beschwerdeführerin sei mit Gesellschaftsvertrag vom errichtet worden; persönlich haftender Gesellschafter (Komplementär) sei die am unter FN 222947p im Firmenbuch eingetragene R GmbH als reine Arbeitsgesellschafterin; Kommanditisten seien J, H und Ing. R.

Dem Eintragungsgesuch angeschlossen waren u.a. ein Erhebungsbogen für Firmenbucheintragungen und die Erklärung der Neugründung (§ 4 NEUFÖG) samt Bestätigung der Wirtschaftskammer Steiermark. Die Erklärung enthielt u.a. die Passage, dass sich der Betriebsinhaber bisher nicht in vergleichbarer Art beherrschend betrieblich betätigt hat.

Im Erhebungsbogen für Firmenbucheintragungen ist unter anderem der Beginn der Geschäftstätigkeit mit Juni 2002 und der Betriebsgegenstand mit "Führung eines Sparmarktes" in der Größenordnung von 600 m2 Verkaufsfläche genannt.

Die Eintragung der Beschwerdeführerin in das Firmenbuch wurde mit Beschluss vom bewilligt und am vollzogen.

Mit Zahlungsaufforderung vom forderte der Kostenbeamte des LG für ZRS Graz für die Eintragung der Beschwerdeführerin Gerichtsgebühr gemäß TP 10 I GGG im Gesamtausmaß von EUR 152,-- mit dem Hinweis an, der Betriebsinhaber habe sich in den letzten 15 Jahren vor der Neugründung als Betriebsinhaber eines Betriebes vergleichbarer Art betätigt.

Dagegen erhob die Beschwerdeführerin Einwendungen mit der Behauptung, es liege doch eine Neugründung iS des NEUFÖG vor.

Daraufhin erließ der Kostenbeamte einen Zahlungsauftrag über EUR 152,-- Gerichtsgebühr gemäß TP 10 I GGG zuzüglich EUR 7,-- Einhebungsgebühr gemäß § 6 GEG.

Dagegen stellte die Beschwerdeführerin einen Berichtigungsantrag, worin der Standpunkt eingenommen wurde, die Behauptung, der Komplementär der Beschwerdeführerin habe sich innerhalb der letzten 15 Jahre als Betriebsinhaber eines Betriebes vergleichbarer Art betätigt, sei unrichtig.

Die belangte Behörde gab dem Berichtigungsantrag mit dem im Kopf dieses Erkenntnisses näher bezeichneten Bescheid nicht statt und vertrat die Auffassung, es liege keine Neugründung vor, weil sich der Betriebsinhaber (nämlich der Komplementär der Beschwerdeführerin) in den letzten 15 Jahren vor der Gründung der Beschwerdeführerin als Betriebsinhaber eines Betriebes vergleichbarer Art betätigt habe. Dies begründet der angefochtene Bescheid mit dem Hinweis auf die Identität des Unternehmensgegenstandes in den Gesellschaftsverträgen der Beschwerdeführerin und ihres Komplementärs.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Verwaltungsgerichtshofbeschwerde wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts bzw. Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Die Beschwerdeführerin erachtet sich in ihrem Recht auf Gebührenbefreiung iS des NEUFÖG verletzt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

§ 2 Neugründungsförderungsgesetz - NEUFÖG (= Art. XV des Steuerreformgesetzes 2000, BGBl. 1999 I Nr. 106) lautet auszugsweise:

"Die Neugründung eines Betriebes liegt unter folgenden Voraussetzungen vor:


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1.
...
2.
Die die Betriebsführung beherrschende Person (Betriebsinhaber) hat sich bisher nicht in vergleichbarer Art beherrschend betrieblich betätigt. ..."
§ 2 der dazu erlassenen Verordnung BGBl. 1999 II Nr. 278 bestimmt auszugsweise:

"(1) Unter einem Betrieb im Sinne des § 2 Z. 1 NEUFÖG ist die Zusammenfassung menschlicher Arbeitskraft und sachlicher Betriebsmittel in einer organisatorischen Einheit zu verstehen. Ein Betrieb wird neu eröffnet, wenn die für den konkreten Betrieb wesentlichen Betriebsgrundlagen neu geschaffen werden ...

(2) Betriebsinhaber ist die die Betriebsführung beherrschende natürliche oder juristische Person. Betriebsinhaber im Sinne des § 2 Z. 2 NEUFÖG sind ungeachtet allfälliger gesellschaftsvertraglicher Sonderbestimmungen:


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-
Einzelunternehmer
-
persönlich haftende Gesellschafter von Personengesellschaften
...

(3) Keine Neugründung liegt vor, wenn sich der Betriebsinhaber (Abs. 2) innerhalb der letzten 15 Jahre vor dem Zeitpunkt der Neugründung als Betriebsinhaber (Abs. 2) eines Betriebes vergleichbarer Art betätigt hat. ..."

In seinem Erkenntnis vom , Zl. 99/16/0398, hat der Verwaltungsgerichtshof zu der gemäß § 3 NEUFÖG relevanten Frage, wann der Betriebsinhaber "erstmals werbend nach außen in Erscheinung getreten ist", klargestellt, dass es dabei nicht auf den formalen Aspekt der Eintragung im Firmenbuch ankommt, sondern auf das Faktum des Anbietens der für den Betrieb typischen Leistungen am Markt. Da somit das Abstellen auf tatsächliche Gegebenheiten maßgeblich ist und nicht allein ein formaler Gesichtspunkt (wie die Bezugnahme der belangten Behörde auf den im Gesellschaftsvertrag genannten Unternehmensgegenstand) hat der Verwaltungsgerichtshof mit Verfügung vom gemäß § 35 Abs. 2 VwGG an die belangte Behörde die Aufforderung gerichtet, ein Vorbringen dahin zu erstatten, dass die von der Beschwerde behauptete Rechtswidrigkeit dem angefochtenen Bescheid nicht anhafte.

Darauf reagierte die belangte Behörde (offenbar in Verkennung des § 35 Abs. 2 VwGG) im Wege einer formalen Gegenschrift samt Aktenvorlage, wobei sie der Beschwerdeführerin anlastet, in der Beschwerde erstmals neue Argumente vorzubringen, und wiederum auf den Unternehmensgegenstand im Gesellschaftsvertrag der Komplementärin sowie darauf verweist, im Gerichtsgebührenrecht sei an formale äußere Tatbestände anzuknüpfen.

Damit gelingt es der belangten Behörde aber nicht, eine Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides darzulegen:

Zum einen hat die Beschwerdeführerin im Verwaltungsverfahren, und zwar nicht nur schon in der Erklärung der Neugründung, sondern insbesondere in ihrem Berichtigungsantrag ausdrücklich die Richtigkeit der Annahme, ihr Komplementär habe sich in den letzten 15 Jahren als Betriebsinhaber eines Betriebes vergleichbarer Art betätigt, bestritten. Damit stellt das entsprechende Beschwerdevorbringen keine Verletzung des Neuerungsverbotes dar.

Zum anderen kann die im Gerichtsgebührenrecht an sich anzuwendende formale Betrachtungsweise nichts daran ändern, dass es nach den besonderen Befreiungsvoraussetzungen im NEUFÖG und der dazu erlassenen Verordnung über rein formale Aspekte hinaus auf bestimmte (oben wörtlich wiedergegebene) faktische Umstände ankommt, deren Ermittlung der belangten Behörde nicht erspart bleiben kann. Schon durch die Formulierung "betätigt hat" stellt der Gesetzgeber eindeutig klar, dass es allein auf eine tatsächliche Ausübung und nicht etwa auf den Inhalt eines Gesellschaftsvertrages ankommt.

Die belangte Behörde durfte sich daher bei Beurteilung der Frage, ob sich der Komplementär der Beschwerdeführerin in den letzten 15 Jahren als Betriebsinhaber eines Betriebes vergleichbarer Art betätigt hat, im Lichte der von § 2 Abs. 1 der oben zitierten Verordnung festgelegten Kriterien für die Beurteilung des Vorliegens eines Betriebes sowie des schon oben zitierten hg. Erkenntnisses Zl. 99/16/0398 nicht mit einem bloßen Vergleich der in den Gesellschaftsverträgen genannten Unternehmensgegenstände begnügen, sondern hätte dazu auf Grund entsprechender Ermittlungen die erforderlichen konkreten Tatsachenfeststellungen treffen müssen. Davon, dass deshalb das NEUFÖG nicht mehr administrierbar wäre, kann insbesondere angesichts der aus den vorgelegten Firmenbuchakten ersichtlichen Ermittlungsschritte zur Klärung der Vollkaufmannseigenschaft der Beschwerdeführerin überhaupt keine Rede sein.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 35 Abs. 2 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VO BGBl. II Nr. 501/2001.

Wien, am