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VwGH vom 15.09.1999, 94/13/0044

VwGH vom 15.09.1999, 94/13/0044

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss und Senatspräsident Dr. Pokorny sowie die Hofräte Dr. Fellner, Dr. Hargassner und Mag. Heinzl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Doralt, über die Beschwerde des Präsidenten der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland (Berufungssenat III) vom , Zl. 6/2 - 2342/92-10, betreffend Körperschaft-und Gewerbesteuer für das Jahr 1982 (mitbeteiligte Partei: Z GesmbH in W, vertreten durch Dr. Christoph Leon, Rechtsanwalt in Wien I, Reichsratsstraße 5), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

Streit besteht im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ausschließlich darüber, ob Schulderlässe, die von der Mitbeteiligten als Sanierungsgewinn erklärt wurden, steuerlich auch tatsächlich als solche anzuerkennen waren. Hiezu ist den Verwaltungsakten folgender

Sachverhalt zu entnehmen:

Im Zuge einer unter anderem auch das Streitjahr 1982 umfassenden Betriebsprüfung traf der Prüfer nachstehende

Feststellungen:

Der frühere Alleingesellschafter der Mitbeteiligten, Dipl.Ing. Sch. habe seine Geschäftsanteile im Streitjahr an Herbert C. abgetreten. Zu diesem Zeitpunkt habe eine Darlehensforderung des Dipl.Ing. Sch. an die Mitbeteiligte im Ausmaß von S 1,967.958,50 bestanden. Das Darlehen hätte gemäß einer Vereinbarung vom , abgeschlossen zwischen der Mitbeteiligten und Dipl.Ing. Sch., insoweit zurückgezahlt werden sollen, als es "aus der eingehenden Beteiligungssumme gemäß Punkt II./2. dieses Vertrages abgedeckt werden kann". In der zitierten Vertragsbestimmung sei vereinbart worden, dass Dipl.Ing. Sch. an den Einnahmen ("Netto-Fakturensumme") aus einem damals erwarteten Auftrag seitens einer ARGE mit jeweils 3 % beteiligt werden sollte. Entgegen dieser Vereinbarung habe die Mitbeteiligte die Darlehensverbindlichkeit per als a.o. Ertrag ausgebucht und anschließend alle als Provisionen bezeichneten Zahlungen an Dipl.Ing. Sch. als Betriebsausgaben geltend gemacht. Da jedoch Dipl.Ing. Sch. nach eigenem Vorbringen auf seine Darlehensforderung nicht verzichtet habe, sei die entsprechende Verbindlichkeit bei der Mitbeteiligten durch die Betriebsprüfung wiederum in die Bilanz zum eingestellt worden. Die Zahlungen an Dipl.Ing. Sch. seien sodann (erfolgsneutral) als Darlehensrückzahlungen verbucht worden.

Die Mitbeteiligte habe in ihrer Körperschaftsteuererklärung für das Jahr 1982 einen Sanierungsgewinn (§ 22 Abs. 5 KStG) geltend gemacht (laut Verwaltungsakten: S 13,320.805,--). Hauptgläubiger seien zum damaligen Zeitpunkt das Finanzamt (S 12,077.163,--) und Dipl.Ing. Sch. (S 1,967.958,--) gewesen. Zur letztgenannten Verbindlichkeit sei zu sagen, dass, wie bereits erwähnt, Dipl.Ing. Sch. auf seine Darlehensforderung nicht verzichtet habe. Was die Forderung des Finanzamtes betreffe, so sei diese nicht gemäß § 236 BAO nachgesehen, sondern (nach Zahlung eines Teilbetrages von S 1 Mio) gemäß § 235 Abs. 1 BAO wegen offenkundiger Aussichtslosigkeit der Einbringung durch Abschreibung gelöscht worden. Da der Schuldnachlass demnach nicht in Sanierungsabsicht erfolgt sei, komme die Tarifbegünstigung des § 22 Abs. 5 KStG nicht zum Tragen.

Wie sich aus dem Zahlenmaterial im Betriebsprüfungsbericht ergibt, wirkte sich diese rechtliche Beurteilung des Schulderlasses auch auf die Gewerbesteuer für das Jahr 1982 aus (Versagung der Tarifbegünstigung des § 11 Abs. 3 Gewerbesteuergesetz).

Das Finanzamt folgte den Prüfungsfeststellungen und erließ entsprechende Abgabenbescheide.

Die Beschwerdeführerin erhob Berufung. Dipl.Ing. Sch. habe sehr wohl auf seine Darlehensforderung verzichtet und zwar bereits im Abtretungsvertrag. Im Übrigen sei das Darlehen als verdecktes Eigenkapital anzusehen, dessen "vertragliche Rückführung ... rechtlich nicht zulässig" sei. Eine Kapitalherabsetzung habe nicht stattgefunden. Zu den Forderungen des Finanzamtes sei zu sagen, dass deren Löschung "sehr wohl die Absicht der Sanierung der ... (Mitbeteiligten) gefördert habe".

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung hinsichtlich der steuerlichen Anerkennung des Sanierungsgewinnes im Jahr 1982 Folge (hinsichtlich anderer Veranlagungszeiträume und anderer Streitpunkte wurde die Berufung abgewiesen, was aber im vorliegenden Beschwerdeverfahren nicht relevant ist). Sanierungsbedürftigkeit und Sanierungsfähigkeit der Mitbeteiligten stünden außer Streit. Die Sanierungsabsicht sei ebenfalls zu bejahen, weil eine Löschung von Abgabenverbindlichkeiten gemäß § 235 BAO denselben wirtschaftlichen Gehalt habe wie eine Abgabennachsicht gemäß § 236 BAO. Auch sei zu beachten, dass es in den Folgejahren tatsächlich zu einer Sanierung der Mitbeteiligten gekommen sei, die hauptsächlich auf die Löschung des Abgabenrückstandes zurückgeführt werden müsse.

Gegen diese Entscheidung wendet sich die Beschwerde des Präsidenten der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland. Die Auffassung der belangten Behörde, dass eine Löschung von Abgabenverbindlichkeiten gemäß § 235 BAO denselben wirtschaftlichen Gehalt habe, wie eine Abgabennachsicht, sei verfehlt. Selbst eine Abgabennachsicht führe nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu keinem Sanierungsgewinn, wenn sie im Hinblick auf die Uneinbringlichkeit der Abgabenverbindlichkeit gewährt werde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 235 Abs. 1 BAO können fällige Abgabenschuldigkeiten von Amts wegen durch Abschreibung gelöscht werden, wenn alle Möglichkeiten der Einbringung erfolglos versucht worden oder Einbringungsmaßnahmen offenkundig aussichtslos sind und aufgrund der Sachlage nicht angenommen werden kann, dass sie zu einem späteren Zeitpunkt zu einem Erfolg führen werden.

§ 236 Abs. 1 BAO sieht dem gegenüber vor, dass fällige Abgabenschuldigkeiten auf Antrag des Abgabepflichtigen ganz oder teilweise durch Abschreibung nachgesehen werden können, wenn ihre Einhebung nach der Lage des Falles unbillig wäre.

Der Vergleich der beiden gesetzlichen Regelungen zeigt deutlich ihre unterschiedlichen Beweggründe und Zielsetzungen auf. Während § 235 Abs. 1 BAO ausschließlich von Zweckmäßigkeitsüberlegungen getragen ist, bei uneinbringlich gewordenen Abgabenschuldigkeiten erfolglose Einbringungsmaßnahmen aus verwaltungsökonomischen Gründen zu vermeiden, soll mit einer Abgabennachsicht gemäß § 236 BAO allfälligen Unbilligkeiten einer Abgabeneinhebung begegnet werden. Nicht verwaltungsökonomische Erwägungen, sondern besondere rechtliche oder wirtschaftliche Gegebenheiten auf der Seite des Abgabepflichtigen sollen maßgebend dafür sein, Härten, zu denen auch Existenzgefährdungen zählen, im Einzelfall zu vermeiden. Es mag zutreffen, dass beide Maßnahmen letztlich zum Erlöschen der Abgabenschuldigkeiten führen. Das Erlöschen von Verbindlichkeiten und die dadurch bewirkte gewinnerhöhende Vermögensvermehrung erfüllt aber für sich allein noch nicht den Tatbestand der Tarifbegünstigung des § 22 Abs. 5 KStG bzw. des § 11 Abs. 3 Gewerbesteuergesetz. In beiden gesetzlichen Bestimmungen wird nämlich gefordert, dass der Schulderlass "zum Zwecke der Sanierung" erfolgt. Nicht bloß das von der belangten Behörde als wirtschaftlich gleich gesehene Ergebnis des Schulderlasses, sondern die Beweggründe hiefür sind von maßgebender Bedeutung.

Im Beschwerdefall hat die Mitbeteiligte mit Schriftsatz vom einen Antrag auf Nachsicht der in Rede stehenden Abgabenschuldigkeiten gestellt. Das Finanzamt hat diesen Antrag an die belangte Behörde weitergeleitet und unter Hinweis auf das abgabenrechtliche Fehlverhalten der Mitbeteiligten (seit Jahren keinerlei Entrichtung von Abgaben einschließlich Umsatzsteuer und Lohnsteuer und nicht einmal Abgabe von Umsatzsteuervoranmeldungen) vorgeschlagen, "das Ansuchen vollinhaltlich abzuweisen", gleichzeitig aber mit Rücksicht auf die Uneinbringlichkeit der Abgaben, deren Löschung gemäß § 235 BAO zu verfügen. Schließlich hat das Bundesministerium für Finanzen mit der ausschließlichen Begründung der Uneinbringlichkeit der Abgaben deren Löschung angeordnet.

Bei dieser Sachlage durfte die belangte Behörde nicht davon ausgehen, dass eine aus der Sicht des Abgabengläubigers von Sanierungsabsicht getragene Abgabennachsicht vorlag. Dass bei der Mitbeteiligten ein Sanierungsbedürfnis gegeben war, wie dies in der Gegenschrift der mitbeteiligten Partei vorgebracht wird, vermag daran nichts zu ändern.

Der angefochtene Bescheid erweist sich demnach als inhaltlich rechtswidrig und war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Wien, am