VwGH vom 07.08.2003, 2003/16/0058
Beachte
Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):
2003/16/0059
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldner und die Hofräte Dr. Steiner und Dr. Höfinger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Siegl, über die Beschwerden 1.) des J H und 2.) der M H, beide in T, beide vertreten durch Ing. Mag. Franz Waldl, Rechtsanwalt in Linz, Europaplatz 7, gegen die Bescheide der Finanzlandesdirektion für Oberösterreich als Finanzstrafbehörde zweiter Instanz vom , Zlen. 1.) RV 1749/1- 10/2002 und 2.) RV 1753/1-10/2002, je wegen Schmuggels bzw. vorsätzlichen Eingriffs in die Rechte des Tabakmonopols, zu Recht erkannt:
Spruch
Die angefochtenen Bescheide werden wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von je EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Strafverfügungen des Hauptzollamtes Linz als Finanzstrafbehörde erster Instanz vom wurden die beiden Beschwerdeführer betreffend 50 Stangen Filterzigaretten der Marke "Memphis Classic" des Finanzvergehens des Schmuggels gemäß § 35 Abs. 1 lit. a FinStrG und des vorsätzlichen Eingriffs in die Rechte des Tabakmonopols gemäß § 44 Abs. 1 lit. b FinStrG schuldig erkannt. Über den Erstbeschwerdeführer wurde eine Geldstrafe von ATS 28.000,--, über die Zweitbeschwerdeführerin eine Geldstrafe von ATS 10.500,-- verhängt; weiters wurde betreffend 40 Stangen Zigaretten anteiliger Wertersatz von ATS 7.100,-- verhängt und betreffend 10 Stangen Zigaretten auf Verfall sowie auf Kostenersatz erkannt.
Dagegen erhoben die Beschwerdeführer jeweils Einspruch, wobei der Erstbeschwerdeführer zugab, 10 Stangen Zigaretten geschmuggelt zu haben, jedoch den Schmuggel weiterer 40 Stangen im Wege von vier weiteren Fahrten energisch bestritt. Die Zweitbeschwerdeführerin wies darauf hin, sie habe nie zugegeben, fünf Schmuggelfahrten getätigt zu haben.
Auch in der daraufhin von der Finanzstrafbehörde erster Instanz abgeführten mündlichen Verhandlung blieben die Beschwerdeführer bei diesem Vorbringen.
Mit Straferkenntnis vom wurden die Beschwerdeführer von der Finanzstrafbehörde erster Instanz neuerlich der in den Strafverfügungen angeführten Finanzvergehen für schuldig befunden. Über den Erstbeschwerdeführer wurde eine Geldstrafe von EUR 2.000,--, über die Zweitbeschwerdeführerin eine Geldstrafe von EUR 750,-- verhängt; außerdem wurde jeweils auf Verfall bzw. anteiligen Wertersatz in Höhe von EUR 515,98 und auf Kostenersatz erkannt.
Dagegen erhoben die Beschwerdeführer jeweils Berufung, wobei sie bei ihrem Vorbringen, nur 10 Stangen Zigaretten geschmuggelt zu haben, blieben und den Schmuggel von weiteren 40 Stangen in Abrede stellten.
Die belangte Behörde wies die Berufungen mit den im Kopf dieses Erkenntnisses näher bezeichneten Bescheiden jeweils als unbegründet ab, wobei sie betreffend die Amtshandlung vom , bei der der Schmuggel von 10 Stangen Zigaretten entdeckt und von den Beschwerdeführern auch zugestanden worden war, unter anderem folgende Feststellungen traf:
"Über Vorhalt des amtshandelnden Zollorganes, der sich aus Eigenem an ca. zehn Einreisen des Ehepaares H ebenfalls knapp vor der Schließung des lediglich von 08.00 bis 18.00 Uhr geöffneten und mit einem österreichischen Zollorgan besetzten Grenzüberganges ab Juli 2000 erinnern konnte, allfälliger früherer Schmuggelfahrten, gab J H an, dass er sicherlich nicht bei jeder der angesprochenen zehn Fahrten in dem für die Aufbewahrung von 10 Stangen Zigaretten geeigneten Hohlraum unverzollte Zigaretten tschechischer Herkunft mit sich geführt habe. Der vom Zollorgan daraufhin erhobene Vorwurf von vier weiteren Schmuggelfahrten a 10 Stangen vor dem wurde von H nicht bestritten bzw. dessen Richtigkeit ausdrücklich eingeräumt. Der Berufungswerber zeigte sich zuerst an einer Erledigung gem. § 108 ZollR-DG interessiert, nahm aber nach Bekanntgabe des von ihm in diesem Fall zu entrichtenden Abgabenbetrages i.H. v. ca. ATS 35.000,-- bzw. ATS 28.000,-- davon wieder Abstand. Eine Unterschriftsleistung für die in weiterer Folge vom angeführten Zollorgan im Beisein von J und M H beim Zollamt Weigetschlag aufgenommene Tatbeschreibung (Einleitung des Finanzstrafverfahrens gem. § 83 Abs. 3 FinStrG) hinsichtlich seiner Person, wonach beim Zollposten Guglwald weitere vier Schmuggelfahrten a 10 Stangen zugestanden worden seien, verweigerte der Berufungswerber."
In ihrer Beweiswürdigung führte die belangte Behörde dazu wörtlich Folgendes aus:
"Dieser sich weitestgehend mit den Feststellungen im angefochtenen Straferkenntnis deckende Sachverhalt ergibt sich aus den Akten der Finanzstrafbehörde I. Instanz, insbesondere aus der beim Zollamt Weigetschlag aufgenommenen Tatbeschreibung, Zl. 558/00294/2001, und der damit übereinstimmenden zeugenschaftlichen Einvernahme des GI. K vor der Finanzstrafbehörde I. Instanz vom , in der dieser nach ausdrücklicher Wahrheitserinnerung und nach Vorhalt der strafrechtlichen Folgen einer Falschaussage gem. § 289 StGB insbesondere angegeben hat, dass die Tatsache und die Anzahl der vom Berufungswerber vor dem auf die angeführte Weise durchgeführten Schmuggelfahrten und die Menge der tatgegenständlichen Zigaretten, nämlich insgesamt fünf Fahrten a 10 Stangen Zigaretten, bis zu der noch beim Zollposten Guglwald erfolgten Bekanntgabe der zu entrichtenden Eingangsabgaben für den Fall einer Erledigung gem. § 108 ZollR-DG zugestanden und erst nach Bezifferung des ihm offenbar zu hoch erscheinenden Abgabenbetrages weitere Fahrten vor dem kategorisch in Abrede gestellt worden waren.
Diesen Angaben war im Rahmen der freien Beweiswürdigung der Vorrang gegenüber der Darstellung von J und M H, wonach mit Ausnahme einer weiteren Schmuggelfahrt vor ungefähr zwei Jahren, keine weiteren Zigaretten in das Zollgebiet eingeschmuggelt worden seien, einzuräumen. Ausschlaggebend dafür war, dass den den im Straferkenntnis angeführten Tatumfang leugnenden Angaben von J und M H, die ihre Verdächtigen- bzw. Beschuldigtenaussagen im Unterschied zum Zeugen als nicht der Wahrheitspflicht gem. § 106 Abs. 1 FinStrG unterliegende Personen gemacht haben, auch im Berufungsverfahren keine die Aussagen des Zeugen GI. K in Zweifel ziehende Plausibilität zuerkannt werden konnte, war neben der sich schon aus den dargelegten Aussageumständen ergebenden höher einzustufenden Glaubwürdigkeit des Zeugen K insbesondere, dass J H, der neben der selbst zugestandenen Vorstrafe wegen Zigarettenschmuggel (Zollamt Wullowitz vom ) entgegen seinen Angaben noch eine weitere Vorstrafe wegen § 35 Abs. 1 FinStrG wegen Zigarettenschmuggel aus Tschechien (Zollamt Wullowitz vom ) aufweist, bereits am von den tschechischen Zollbehörden dabei betreten wurde, als er gemeinsam mit seiner Gattin zuvor in dem zwischen dem österreichischen und dem tschechischen Zollamt gelegenen Duty-Free-Shop erworbene und im Motorraum versteckte Zigaretten nach Tschechien einschmuggeln wollte.
Nach der im Strafakt aufliegenden Tatbeschreibung des tschechischen Zollamtes Dolny Dvoriste beabsichtigte das Ehepaar H in Tschechien die Zigaretten fachgerecht im Seitenfach des Kofferraums verstecken, um sie dann in weiterer Folge nach Österreich zu schmuggeln. Zieht man weiters ins Kalkül, dass der Berufungswerber selbst in seinem Einspruch gegen die Strafverfügung den ihm vom Zeugen K angegebenen Eingangsabgabenbetrag für die zugestandenen Zigaretten mit "Über ATS 20.000,--" beziffert hat, wohingegen die Eingangsabgabenbelastung für (die am vorgefundenen) und nach den Berufungsangaben lediglich zugestandenen 10 Stangen Zigaretten a ATS 120,-- lediglich ATS 3.565,-- betragen hat, so kann daraus auch unter Berücksichtigung des Grundsatzes, dass bei wechselnder Täterverantwortung den unmittelbar aus Anlass der Tatbetretung gemachten Angaben regelmäßig eine höhere Glaubwürdigkeit zuzuerkennen sein wird, als späteren, nach einiger Überlegung und nach Realisierung der mit dem Tateingeständnis verbundenen wirtschaftlichen Folgen, gemachten Angaben, mit der für einen Nachweis der Tat erforderlichen Gewissheit (vgl. Zl. 84/16/0094) der Schluss abgeleitet werden, dass der Berufungswerber gemeinsam mit seiner Gattin nicht nur die am vorgefundenen, sondern ab Juli 2000 zuvor bereits weitere 40 Stangen ausländische unverzollte Zigaretten in dem angeführten Versteck und ohne Durchführung eines Zollverfahrens in das Zollgebiet eingeführt hat."
Gegen diese Berufungsbescheide richten sich die vorliegenden Verwaltungsgerichtshofbeschwerden je wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Die beiden Beschwerdeführer erachten sich in ihrem Recht darauf verletzt, abgesehen von dem zugestandenen Schmuggel von 10 Stangen Zigaretten nicht für vier weitere Schmuggelfahrten zu je 10 Stangen Zigaretten bestraft zu werden.
Der Verwaltungsgerichtshof hat die Beschwerden wegen ihres persönlichen und rechtlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung verbunden und darüber erwogen:
Tragendes Begründungselement der angefochtenen Bescheide ist jeweils die Feststellung, es hätten insgesamt fünf Schmuggelfahrten mit je 10 Stangen Zigaretten stattgefunden. Diese Feststellung gründet die belangte Behörde darauf, der Erstbeschwerdeführer habe die Richtigkeit des Vorwurfes des Zollorganes GI K betreffend vier weitere Schmuggelfahrten a 10 Stangen vor dem ausdrücklich eingeräumt.
Dazu führt die belangte Behörde in ihrer Beweiswürdigung (mit der sie den Angaben des genannten Zollorganes gegenüber denen der Beschwerdeführer den Vorzug gab) unter anderem aus, es sei bei wechselnder Täterverantwortung den unmittelbar aus Anlass der Tatbegehung gemachten Angaben regelmäßig höhere Glaubwürdigkeit zuzuerkennen als späteren.
Für diese Ausführungen der belangten Behörde findet sich in den Verwaltungsakten allerdings keine entsprechende Grundlage:
In der am aufgenommenen Tatbeschreibung (deren Unterfertigung der Erstbeschwerdeführer verweigerte) findet sich betreffend die allein in Streit stehenden vier weiteren Schmuggelfahrten (a 10 Stangen Zigaretten) folgender Vermerk:
"J H reist des öfteren über das Zollamt Weigetschlag und den Zollposten Guglwald (meist gegen Dienstende).
Im Zuge der ersten Vernehmung gab J H an, wiederholt (mindestens fünf diesbezügliche Fahrten) in diesem extra angefertigten Versteck Zigaretten, ohne Verzollung nach Österreich verbracht zu haben."
Von einer bestimmten Zigarettenmenge ist dabei keine Rede.
Der zu dem Vorgang vom am niederschriftlich als Zeuge vernommene Zollwachebeamte K gab unter anderem Folgendes an:
"Ich machte Herrn J H nunmehr den Vorhalt, dass ich mich an mindestens 10 Abfertigungsfälle, wobei jedesmal auch Frau M H anwesend war, erinnern könne, und aufgrund der Tatsache, dass die Einreisezeit jedesmal so gewählt werde, dass sie kurz vor Ende der Öffnungszeit des Zollpostens Guglwald angesetzt wird, der Verdacht bestehe, dass bereits anlässlich dieser Einreisebewegungen Schmuggeltätigkeiten von Zigaretten stattgefunden haben. Ich halte jedoch fest, dass die insgesamt etwa 10 Einreisebewegungen sowohl in Guglwald als auch über das Zollamt Weigetschlag stattgefunden haben. Speziell in Guglwald ist die Einreisezeit von Herrn H offensichtlich aber immer knapp vor Schließung des Zollpostens gelegen gewesen, sodass für mich der Eindruck entstand, er wolle auf diese Weise einer eingehenderen Zollkontrolle entgehen.
Der Vorhalt wurde von Herrn H in der Weise beantwortet, dass er sicherlich nicht jedesmal Zigaretten, versteckt in der Ausnehmung im Kofferraum, ohne Zollverfahren eingeführt hat. Nachdem ich ihm aber einen weiteren Vorhalt machte, dass es dann möglicherweise bei der Hälfte der Einreisen der Fall gewesen sein wird, hat er diesen Vorwurf eigentlich nicht mehr bestritten und dessen Richtigkeit eingeräumt. ..."
Aus dieser Darstellung ist zu ersehen, dass die im Finanzstrafverfahren erforderliche Sicherheit des Nachweises von vier weiteren Schmuggelfahrten mit je 10 Stangen Zigaretten und daher für die festgestellte weitere Menge von 40 Stangen geschmuggelter Zigaretten in den Verwaltungsakten nicht vorliegt. Dazu kommt noch, dass von einer wechselnden Täterverantwortung keine Rede sein kann, weil der Erstbeschwerdeführer die Unterfertigung der Tatbeschreibung vom verweigerte und weil beide Beschwerdeführer die ihnen zur Last gelegten vier weiteren Schmuggelfahrten mit je 10 Stangen Zigaretten immer übereinstimmend bestritten haben.
Daraus folgt, dass die belangte Behörde den entscheidungsrelevanten Sachverhalt in einem wesentlichen Punkt aktenwidrig angenommen hat, womit sie ihre Bescheide mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. a und c VwGG belastet. Die Bescheide waren daher nach der zitierten Gesetzesstelle aufzuheben.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VO BGBl. II Nr. 333/2003.
Wien, am