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VwGH vom 17.03.1999, 94/13/0029

VwGH vom 17.03.1999, 94/13/0029

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss und Senatspräsident Dr. Pokorny sowie die Hofräte Dr. Fellner, Dr. Hargassner und Mag. Heinzl als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Repa, über die Beschwerde des Dr. H in W, vertreten durch Dr. Arnold Rechtsanwaltskommandit-Partnerschaft in 1010 Wien, Wipplingerstraße 10, gegen den Bescheid des Bundesministers für Finanzen vom , Zl. G 2088/1/4-IV/4/93, betreffend Zuzugsbegünstigung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.770,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Schreiben vom beantragte der Beschwerdeführer bei der belangten Behörde die Erteilung einer Zuzugsbegünstigung gemäß § 103 EStG 1988. Die Pensionsbezüge seitens seines früheren Arbeitgebers sollten nur zur Hälfte der Einkommensbesteuerung unterzogen werden; in eventu möge auf diese Bezüge der begünstigte Steuersatz gemäß § 37 EStG 1988 Anwendung finden. Derzeit sei er in der Schweiz noch aktiv in leitender Stellung tätig, werde aber ab in den Ruhestand treten und beabsichtige danach seinen Wohnsitz (als "einzigen Wohnsitz") nach Wien zu verlegen. Zur Begründung verwies der Beschwerdeführer u.a. auf die wesentlich geringere Einkommensteuerbelastung in der Schweiz, sowie darauf, dass seine Einkünfte "ausschließlich fremden Volkswirtschaften entstammen" und in Österreich verbraucht würden.

Die belangte Behörde teilte dem Beschwerdeführer mit Schreiben vom (nach Urgenz) mit, sie bedauere, keine Zuzugsbegünstigung mehr erteilen zu können, weil "der Zuzug vom Ausland ins Inland unter dem Gesichtspunkt der europäischen Integration nicht mehr durch steuerliche Maßnahmen förderungswert erscheint".

In der Folge ersuchte der Beschwerdeführer über seinen Antrag bescheidmäßig abzusprechen, da der eben genannten Mitteilung kein Bescheidcharakter zukomme.

Mit dem angefochtenen Bescheid vom (der im Zuge eines Säumnisbeschwerdeverfahrens erlassen wurde) wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers auf Erteilung einer Zuzugsbegünstigung "gemäß § 103 Einkommensteuergesetz 1988 i. d.g.F. in Ausübung des freien Ermessens" ab. Zur Begründung wurde abermals darauf verwiesen, dass unter dem Gesichtspunkt der europäischen Integration keine Zuzugsbegünstigungen mehr gewährt werden könnten. Auch sei der Beschwerdeführer bereits einmal im Genuss einer Zuzugsbegünstigung gestanden (1972 bis 1981). Schließlich sprächen auch zwischenzeitig eingeführte "allgemein zugängliche Steuervorteile" (Endbesteuerung, Abschaffung der Vermögensteuer) gegen eine positive Antragserledigung.

In der Beschwerde wird zunächst gerügt, dass nicht erkennbar sei, welche gesetzlichen Vorschriften die belangte Behörde angewendet habe. Die (abgekürzte) Wortfolge "in der geltenden Fassung" mache nicht ausreichend deutlich, ob die belangte Behörde § 103 EStG 1988 in der Fassung vor dem Steuerreformgesetz 1993 oder in der Fassung eben dieses Gesetzes angewendet habe. Der Hinweis auf den "Gesichtspunkt der europäischen Integration", der sich auch im Motivenbericht zum Steuerreformgesetz finde, lasse allerdings die Vermutung berechtigt erscheinen, dass die belangte Behörde bereits dieses Gesetz angewendet habe. Der Hinweis sei aber nicht geeignet, die Ermessensentscheidung zu tragen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

§ 103 Abs. 1 erster Satz EStG 1988 in der Fassung vor dem Steuerreformgesetz 1993, BGBl. Nr. 818, lautet:

"Bei Personen, die ihren Wohnsitz aus dem Ausland ins Inland verlegen und hier, ohne erwerbstätig zu werden, ihre Verbrauchswirtschaft nach Art und Umfang in einer für das Inland nützlichen Weise einrichten, kann der Bundesminister für Finanzen für einen bestimmten Zeitraum die Besteuerung abweichend von den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes anordnen."

Durch das Steuerreformgesetz 1993 wurde diese Begünstigungsmöglichkeit auf Personen eingeschränkt, deren Zuzug der Förderung von Wissenschaft und Forschung dient und aus diesem Grund im öffentlichen Interesse gelegen ist.

Dem Beschwerdeführer ist beizupflichten, dass der Spruch des angefochtenen Bescheides nicht eindeutig erkennen lässt, welche der beiden Gesetzeslagen die belangte Behörde angewendet hat. Der Umstand, dass die Änderung durch das Steuerreformgesetz 1993 gemäß seinem Art. I Z. 65 Punkt 1 erstmals bei der Veranlagung für das Kalenderjahr 1994 anzuwenden war, während der angefochtene Bescheid bereits im Dezember 1993 erlassen wurde, bringt diesbezüglich keine Klarheit, weil der Bescheid auf keinen Veranlagungszeitraum Bezug nimmt und es durchaus denkbar ist, dass der bescheidmäßige Abspruch über einen Antrag, mit dem eine Abgabenbegünstigung angestrebt wird, die der Bescheiderlassung folgenden Veranlagungszeiträume betrifft.

Aus der Begründung des angefochtenen Bescheides geht allerdings mit genügender Deutlichkeit hervor, dass die belangte Behörde ihrer Entscheidung die Gesetzeslage vor Inkrafttreten des Steuerreformgesetzes 1993 zugrunde gelegt hat, da die Begründung mit der Wiedergabe des wesentlichen Inhaltes des § 103 Abs. 1 erster Satz EStG 1988 in der oben zitierten Fassung eingeleitet wird.

Die von der belangten Behörde getroffene Ermessensentscheidung ist jedoch mit dieser Rechtslage nicht in Einklang zu bringen. Weder der Gesichtspunkt der europäischen Integration unter Bedachtnahme auf die Niederlassungsfreiheit, noch die von der belangten Behörde angeführten allgemein zugänglichen Steuervorteile (Endbesteuerung, Abschaffung der Vermögensteuer) oder das Fehlen eines Doppelbesteuerungseffektes sind Umstände, an denen sich die im § 103 EStG 1988 vorgesehene Ermessensentscheidung zu orientieren hat. Vielmehr sieht das Gesetz als vorrangigen Maßstab das Interesse am Zuzug des Begünstigungswerbers unter dem Aspekt einer im Inland nach Art und Umfang nützlichen Weise eingerichteten Verbrauchswirtschaft vor. Gerade dieses Interesse hat der Beschwerdeführer hervorgehoben, indem er auf den Verbrauch seiner im Ausland bezogenen Pensionseinkünfte im Inland hingewiesen hat. Die belangte Behörde hat sich mit diesem Vorbringen überhaupt nicht auseinandergesetzt und im klaren Widerspruch zur Gesetzeslage behauptet, dass (ganz allgemein) "steuerliche Zuzugsbegünstigungen nicht mehr gewährt werden können". Sie hat damit das ihr eingeräumte Ermessen in der Weise gehandhabt, dass sie die Möglichkeit der Gewährung einer Zuzugsbegünstigung generell verneint hat. Wie eine solche Entscheidung mit § 103 EStG 1988 in der Fassung vor dem Steuerreformgesetz in Einklang gebracht werden kann, ist für den Gerichtshof nicht nachvollziehbar. Auch Ermessensentscheidungen haben sich im Rahmen der geltenden Rechtsordnung zu bewegen. Eine Änderung der für eine Steuerbegünstigung maßgebenden wirtschaftlichen oder gesellschaftlichen Rahmenbedingungen mag den Gesetzgeber veranlassen, die Begünstigung zu überdenken und allenfalls einzuschränken oder auch gänzlich entfallen zu lassen; vor Inkrafttreten einer solchen Gesetzesänderung hat aber die Verwaltung in Befolgung des Legalitätsprinzips nach wie vor die (bisher) geltende Gesetzeslage zu beachten.

Da die belangte Behörde dies verkannt hat und - wie auch in der Gegenschrift hervorgehoben wird - die Auffassung vertritt, der Wunsch des Gesetzgebers des Steuerreformgesetzes 1993, keine weiteren Zuzugsbegünstigungen mehr zu gewähren, sei bereits vor Inkrafttreten dieses Gesetzes zu beachten, erweist sich der angefochtene Bescheid als inhaltlich rechtswidrig und war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Von der Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG Abstand genommen werden.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am