VwGH vom 19.07.2000, 99/13/0255
Beachte
Serie (erledigt im gleichen Sinn):
99/13/0256 E
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss und die Hofräte Dr. Fellner, Dr. Hargassner, Mag. Heinzl und Dr. Fuchs als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Fössl, über die Beschwerde des Dipl.-Ing. M in P, vertreten durch KPMG Alpen-Treuhand AG, Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft in Wien IX, Kolingasse 19, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland, Berufungssenat X, vom , Zl. RV/328-17/07/96, betreffend Einkommensteuer für die Jahre 1992 bis 1994, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer ist Dienstnehmer eines amerikanischen Unternehmens und hatte in den Streitjahren auch einen Wohnsitz in Österreich. Seine beiden Söhne, die ihre Berufsausbildung in Belgrad in Angriff genommen hatten, erhielten nach dem von der belangten Behörde nicht in Zweifel gezogenen Vorbringen des Beschwerdeführers in Österreich keine Aufenthaltsbewilligung und setzten ihr Studium deshalb an einer amerikanischen Universität fort.
In seinen Einkommensteuererklärungen für die Jahre 1992 bis 1994 machte der Beschwerdeführer die ihm aus dem Studium seiner Söhne an der amerikanischen Universität erwachsenden Aufwendungen als außergewöhnliche Belastung geltend, die vom Finanzamt mit der Begründung nicht anerkannt wurden, dass die Bezahlung des Schulgeldes im Rahmen der Unterhaltsleistungen erfolge und damit auf einem freien Willensentschluss beruhe.
In der gegen die Einkommensteuerbescheide für die Streitjahre erhobenen Berufung verwies der Beschwerdeführer auf den Umstand, dass seine Söhne keine Aufenthaltsgenehmigung in Österreich erhalten hätten, weshalb die Aufwendungen für die auswärtige Ausbildung zwangsläufig entstanden seien. Mangels Möglichkeit einer Fortsetzung des Studiums in Österreich sei die Wahl eines Studienortes in den Vereinigten Staaten, in denen der Beschwerdeführer gleichfalls einen Wohnsitz habe, die nächstliegende Entscheidung gewesen.
In einem Vorhalt vertrat das Finanzamt die Auffassung, dass das Ingenieurstudium der Söhne des Beschwerdeführers ab Begründung dessen ordentlichen Wohnsitzes in Österreich im Mai 1992 auch in Österreich hätte fortgesetzt werden können; Wien liege im Einzugsgebiet des Wohnortes des Beschwerdeführers und biete für das Studium der Elektrotechnik ausreichende Möglichkeiten. Dem hielt der Beschwerdeführer entgegen, weder eine Aufenthaltsgenehmigung noch einen Studienplatz für seine Söhne im Inland erhalten zu haben. Ein Ersuchen um Vorlage entsprechender schriftlicher Unterlagen über den behaupteten Sachverhalt beantwortete der Beschwerdeführer damit, dass er bei den zuständigen Behörden mündlich vorgesprochen und dabei die abschlägigen Mitteilungen erhalten habe.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung des Beschwerdeführers nur durch Gewährung des Pauschbetrages nach § 34 Abs 8 EStG 1988 Folge, während der Berufung im Übrigen ein Erfolg versagt blieb. In der Begründung des angefochtenen Bescheides führte die belangte Behörde aus, dass die Zwangsläufigkeit der Berufsausbildung der Söhne des Beschwerdeführers in den Vereinigten Staaten nicht zu bestreiten sei, weshalb auch der Pauschbetrag nach § 34 Abs. 8 EStG 1988 zu gewähren sei. Die Frage, ob zusätzlich zu diesem Pauschbetrag noch der Abzug des Schulgeldes als außergewöhnliche Belastung in Betracht komme, sei zu verneinen, weil es sich beim Schulgeld nicht um die Deckung von Aufwendungen handle, die beim Unterhaltsberechtigten selbst eine außergewöhnliche Belastung darstellen würden; die eigene Berufsausbildung erwachse nicht zwangsläufig. Diese Rechtsansicht sei auch vom Verwaltungsgerichtshof in näher zitierten Erkenntnissen bereits wiederholt geäußert worden. Dass im gegenständlichen Fall das Versagen einer außergewöhnlichen Belastung unbillig erscheinen möge, sei dem Beschwerdeführer einzuräumen; es habe die belangte Behörde ihre Entscheidung aber nicht nach Billigkeit, sondern auf Grund des Gesetzes zu treffen, welches zufolge der Bestimmung des § 34 Abs. 7 EStG 1988 eine andere Auslegung nicht zulasse.
Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage, Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde und einer Erwiderung durch den Beschwerdeführer erwogen:
§ 34 Abs. 7 EStG 1988 in seiner für das Streitjahr 1992 geltenden und im Ergebnis des Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes vom , G 290/91, für den Beschwerdeführer unangreifbar gewordenen Stammfassung bestimmte, dass Unterhaltszahlungen nur insoweit abzugsfähig sind, als sie zur Deckung von Aufwendungen gewährt werden, die beim Unterhaltsberechtigten selbst eine außergewöhnliche Belastung darstellen würden, wobei ein Selbstbehalt auf Grund eigener Einkünfte des Unterhaltsberechtigten nicht zu berücksichtigen war.
§ 34 Abs. 7 EStG 1988 in seiner für das Streitjahr 1993 geltenden Fassung der Novelle BGBl. Nr. 312/1992 regelte die außergewöhnliche Belastung für Unterhaltsleistungen in folgender Weise:
1. Unterhaltsleistungen für ein haushaltszugehöriges Kind sind durch die Familienbeihilfe sowie den Kinderabsetzbetrag gemäß § 33 Abs. 4 Z. 3 lit. a abgegolten, und zwar auch dann, wenn nicht der Steuerpflichtige selbst, sondern sein mit ihm im gemeinsamen Haushalt lebender (Ehe)Partner (§ 106 Abs. 3) Anspruch auf diese Beträge hat.
2. Leistungen des gesetzlichen Unterhalts für ein Kind, das nicht dem Haushalt des Steuerpflichtigen zugehört, sind durch den Unterhaltsabsetzbetrag gemäß § 33 Abs. 4 Z. 3 lit. b abgegolten.
3. Unterhaltsleistungen für den (Ehe)Partner (§ 106 Abs. 3) sind durch den Alleinverdienerabsetzbetrag abgegolten.
4. Darüber hinaus sind Unterhaltsleistungen nur insoweit abzugsfähig, als sie zur Deckung von Aufwendungen gewährt werden, die beim Unterhaltsberechtigten selbst eine außergewöhnliche Belastung darstellen würden. Ein Selbstbehalt (Abs. 4) auf Grund eigener Einkünfte des Unterhaltsberechtigten ist nicht zu berücksichtigen.
Nach der durch die Novelle BGBl. Nr. 312/1992 geschaffenen Bestimmung des § 34 Abs. 8 EStG 1988 gelten Aufwendungen für eine Berufsausbildung eines Kindes außerhalb des Wohnortes dann als außergewöhnliche Belastung, wenn im Einzugsbereich des Wohnortes keine entsprechende Ausbildungsmöglichkeit besteht. Diese außergewöhnliche Belastung wird durch Abzug eines Pauschbetrages von 1.500 S pro Monat der Berufsausbildung berücksichtigt.
§ 34 Abs. 7 EStG 1988 erhielt für das Streitjahr 1994 durch die Novelle BGBl. Nr. 818/1993 eine gegenüber der für das Jahr 1993 geltenden Fassung geringfügig geänderte Gestaltung ohne Bedeutsamkeit der Änderungen für den vorliegenden Beschwerdefall.
In seinem zum Einkommensteuergesetz 1972 ergangenen Erkenntnis eines verstärkten Senates vom , Slg.NF.Nr.6477/F, hat der Verwaltungsgerichtshof klargestellt, dass ein Aufwand für Schulgeld durch Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträge grundsätzlich nicht als abgegolten angesehen werden kann.
In seinem Erkenntnis vom , 94/14/0087, hat der Verwaltungsgerichtshof des Weiteren klargestellt, dass auch der Pauschbetrag des § 34 Abs. 8 EStG 1988 nicht die Funktion hat, die Entrichtung eines Schulgeldes abzudecken, welches grundsätzlich einen berücksichtigungsfähigen Aufwand nach § 34 Abs. 1 EStG 1988 darstellen kann. Es hat der Verwaltungsgerichtshof in diesem Erkenntnis aber auch darauf hingewiesen, dass nach der für das Streitjahr des betroffenen Beschwerdefalles geltenden, im Ergebnis des Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes vom , G 290/91, unangreifbar gewordenen gesetzlichen Regelung des § 34 Abs. 7 EStG 1988 in seiner Stammfassung Unterhaltsleistungen nur insoweit abzugsfähig sind, als sie zur Deckung von Aufwendungen gewährt werden, die beim Unterhaltsberechtigten selbst eine außergewöhnliche Belastung darstellen würden. Kosten der Berufsausbildung würden aber beim Unterhaltsberechtigten, wäre er der Steuerpflichtige, grundsätzlich keine außergewöhnliche Belastung darstellen, weil die Ausbildung doch kraft freien Willensentschlusses erfolgt und daher nicht zwangsläufig erwächst sowie zudem nicht außergewöhnlich ist. Eine außergewöhnliche Belastung könnte nur dann vorliegen, wenn dem Steuerpflichtigen die Existenzgrundlage ohne sein Verschulden entzogen wird und die Berufsausbildung zur künftigen Existenzsicherung notwendig ist, oder, wenn die (neuerliche) Berufsausbildung durch Krankheit, Verletzung und Ähnliches erforderlich wird. Berufsausbildungskosten für nahe Angehörige sind nur dann eine außergewöhnliche Belastung, wenn sie unter Bedingungen erfolgen, die auch beim Steuerpflichtigen selbst zu einer außergewöhnlichen Belastung geführt hätten.
Diese Auffassung hat der Verwaltungsgerichtshof in seiner zu § 34 Abs. 7 EStG 1988 in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 818/1993 ergangenen Rechtsprechung in der Folge wiederholt bekräftigt (vgl. die hg. Erkenntnisse vom , 97/15/0047, und vom , 98/14/0119).
Auf diese Rechtsprechung stützt sich die belangte Behörde. Was sie dabei nicht erkannt hat, ist der Umstand, dass der Beschwerdeführer des vorliegenden Falles - anders als die Beschwerdeführer in den Fällen der hg. Erkenntnisse vom , 94/14/0087, und vom , 97/15/0047 - im Verwaltungsverfahren von Beginn an einen Sachverhalt vorgetragen hatte, der in seiner rechtlich gebotenen Bewertung einem der Ausnahmefälle für die Berücksichtigungsfähigkeit eigener Berufsausbildungskosten eines Steuerpflichtigen im Sinne der oben wiedergegebenen Rechtsprechung gleichgehalten werden muss. Es erhielten die in der Lebensphase der Berufsausbildung stehenden Söhne des Beschwerdeführers ungeachtet des Umstandes der Verlegung des Familienwohnsitzes durch den Beschwerdeführer nach Österreich - nach dem von der belangten Behörde nicht in Zweifel gezogenen Vorbringen des Beschwerdeführers - nämlich keine Aufenthaltsbewilligung in Österreich, womit den Kindern des Beschwerdeführers durch die für die Vollziehung des Fremdenrechts zuständigen österreichischen Behörden die Möglichkeit verwehrt wurde, bei ihren Eltern zu leben und von dort aus ihre Berufsausbildung fortzusetzen. Dieser Umstand veranlasste die belangte Behörde nicht nur zur Zuerkennung des Pauschbetrages nach § 34 Abs. 8 EStG 1988, sondern ganz offensichtlich auch zu ihrer Anmerkung in der Bescheidbegründung, dass die Versagung der außergewöhnlichen Belastung im vorliegenden Fall unbillig erscheinen mag.
Aufwendungen des Beschwerdeführers für das Schulgeld seiner Söhne als außergewöhnliche Belastung nach den für die einzelnen Streitjahre jeweils geltenden Fassungen des § 34 Abs 7 EStG 1988 nicht zu berücksichtigen, war im Beschwerdefall indessen nicht bloß als unbillig anzusehen, sondern als rechtswidrig zu beurteilen. Dass den Kindern des Beschwerdeführers durch die Verweigerung einer Aufenthaltsbewilligung im Wohnsitzstaat ihrer Eltern die Fortsetzung ihrer Ausbildung getrennt von ihren Eltern aufgezwungen wurde, begründete nämlich einen Umstand, der die Kosten der Berufsausbildung auch beim Steuerpflichtigen selbst zu einer außergewöhnlichen Belastung gemacht hätte. Stellen die Aufwendungen für Kosten der Berufsausbildung beim Steuerpflichtigen eine außergewöhnliche Belastung in einem Fall dar, in welchem dem Steuerpflichtigen die Existenzgrundlage ohne sein Verschulden entzogen worden und die Berufsausbildung zur künftigen Existenzsicherung notwendig wäre (vgl. neben den bereits zitierten Erkenntnissen auch die Ausführungen bei Quantschnigg/Schuch, Einkommensteuerhandbuch, TZ 38, "Berufsausbildung", zu § 34 EStG 1988), dann ist die aufenthaltsbehördliche Trennung der im Ausbildungsprozess stehenden Kinder von ihren Eltern einer solchen Sachverhaltskonstellation in der rechtlich gebotenen Wertung gleichzuhalten. Ein Steuerpflichtiger, der gezwungen wird, die Berufsausbildung zur künftigen Existenzsicherung getrennt von den Quellen, aus denen er seine Bedürfnisse speist, in der Fremde zu absolvieren, würde die mit der Schaffung der Grundlagen für die Existenzsicherung in einer solchen Weise verbundenen Aufwendungen als außergewöhnliche Belastung ebenso erfolgreich geltend machen können wie ein Steuerpflichtiger, dem die Existenzgrundlage ohne sein Verschulden entzogen worden und für den die Berufsausbildung zur künftigen Existenzsicherung in gleicher Weise notwendig wäre.
Die mit der Begleichung des Schulgeldes für seine Söhne verbundenen Aufwendungen des Beschwerdeführers deckten damit Aufwendungen ab, die beim Unterhaltsberechtigten selbst eine außergewöhnliche Belastung im Sinne der für die einzelnen Streitjahre geltenden Fassungen der Bestimmung des § 34 Abs 7 EStG 1988 darstellen würden. Da die belangte Behörde ihren Bescheid unter Zugrundelegung einer vom Verwaltungsgerichtshof nicht geteilten Rechtsauffassung erlassen hat, war der angefochtene Bescheid somit gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am