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VwGH vom 16.10.2003, 2003/16/0021

VwGH vom 16.10.2003, 2003/16/0021

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Steiner und die Hofräte Dr. Fellner und Dr. Höfinger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Siegl, über die Beschwerde der Evelyn G in R, Schweiz, vertreten durch Dr. Clement Achammer, Mag. Martin Mennel, Dr. Rainer Welte, Mag. Clemens Achammer und Dr. Thomas Kaufmann, Rechtsanwälte in Feldkirch, Schloßgraben 10, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Vorarlberg vom , GZ AO-7000/8-V3/02, betreffend Eingangsabgaben, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Zur Vorgeschichte des Beschwerdefalles wird auf das hg Erkenntnis vom , Zl 98/16/0303, verwiesen. Dieses Erkenntnis betraf ein Abgabenverfahren, das auf Grund des Verdachtes, die Beschwerdeführerin - eine Prostituierte, die in der Schweiz in so genannten Massagesalons tätig war - habe einen PKW mit dem Schweizer Kennzeichen ZH 245.048 trotz eines inländischen Wohnsitzes in F im Inland benutzt, ohne die Voraussetzungen des formlosen, sicherstellungsfreien Vormerkverkehrs zu erfüllen.

In der Zeit vom 15. bis wurden vom Finanzamt Feldkirch 14 Zollwachbeamte der Zollämter Höchst und Lustenau als Auskunftspersonen vernommen. Die Auskunftspersonen gaben dabei an, die Beschwerdeführerin sei fast jede Nacht zwischen 00 und 03 Uhr über das Zollamt Höchst, bisweilen über das Zollamt Lustenau aus der Schweiz kommend nach Österreich eingereist.

Am gab Gerda S. als Zeugin gegenüber dem Hauptzollamt Feldkirch an, sie habe beobachtet, dass die Beschwerdeführerin seit Juni 1993 mit einem PKW mit dem Kennzeichen ZH 245.048 zum Nachbarhaus F gefahren sei. Eine genaue Anzahl der wöchentlichen Zufahrten könne sie nicht angeben. Die Beschwerdeführerin sei wochenlang jeden Tag gekommen und dann wiederum wöchentlich nur zwei bis drei Mal. Die Beschwerdeführerin komme fallweise auch untertags. Wenn sie in der Nacht ankomme, sehe die Zeugin den PKW morgens vor dem Haus stehen. Roman L. sei bis Oktober, November täglich im Nachbarhaus gewesen, danach nur mehr zwei oder drei Mal wöchentlich.

Am gab die Beschwerdeführerin vor dem Zollamt Feldkirch an, sie habe seit 1988 zusammen mit Hermine P. in U, Schweiz, ein Einfamilienhaus gemietet. Die wesentlichen persönlichen Sachen seien im Wohnhaus in U und in B, Schweiz. Dies sei ihre Geschäftsadresse und "zugleich ihr Wochenaufenthalt". Sie beantragte die Einvernahme der Zollwachebeamten zum Beweis dafür, dass sie seit Juni 1993 lediglich sporadisch und durchschnittlich zwei bis drei Mal pro Woche nach Österreich einreise und lediglich kurz in Vorarlberg verweile. Weiters beantragte die Beschwerdeführerin die Vernehmung von Hermine P. und Roman L.

Das Hauptzollamt Feldkirch erließ am an die Beschwerdeführerin einen Eingangsabgabenbescheid und führte darin aus, die Liegenschaft F sei seit im Besitz der Beschwerdeführerin; die offizielle Anmeldung sei am erfolgt und als Mitbewohner werde Roman L. als "Lebensgefährte" angeführt. Als erwiesen nahm die Abgabenbehörde auf Grund der Zeugenaussagen von 14 Zollwachebeamten der Zollämter Höchst und Lustenau an, dass die Beschwerdeführerin regelmäßig und in kurzen Zeitabständen an den Ort ihrer "familiären" Bindungen zurückkehre. Als maßgebender Zeitpunkt für die Festsetzung der Eingangsabgaben wurde der herangezogen.

Die Beschwerdeführerin machte im Berufungsverfahren geltend, sie habe ihren Lebensmittelpunkt in U, Schweiz, und beantragte (neuerlich) die Einvernahme von Hermine P. und von Roman L.

Bei einer neuerlichen Vernehmung gab Gerda S. am an, die Beschwerdeführerin sei auch zu Beginn des Jahres 1993 bis zum Juni 1993 wöchentlich sicher mehr als drei Mal zum Nachbarhaus gefahren.

Mit Bescheid vom wies die Finanzlandesdirektion für Vorarlberg die Berufung ab. In diesem Bescheid vertrat die Berufungsbehörde die Meinung, die Beschwerdeführerin habe die stärksten Bindungen an jenem Ort, an dem sie sich mit ihrem Lebensgefährten aufgehalten habe, nämlich in F; außerdem sah sie es als erwiesen an, dass die Beschwerdeführerin im Jahre 1993 mehr als 185 Tage in F gewohnt habe.

Mit dem oa Erkenntnis vom wurde der damals angefochtene Berufungsbescheid aufgehoben, weil die Berufungsbehörde durch die Nichtaufnahme der beantragten Beweise Verfahrensvorschriften außer Acht gelassen hätte, bei deren Einhaltung sie zu einem anderen Bescheid hätte gelangen können.

Im fortgesetzten Verfahren wurde Hermine P. am vom Hauptzollamt Feldkirch als Zeugin vernommen. Sie gab an, die Beschwerdeführerin sei im Jahre 1993 bei ihr in U gemeldet gewesen. Diese sei ca drei Mal wöchentlich bei ihr in U gewesen. Bei dem Haus handle es sich um ein zweistöckiges Wohnhaus. Küche, Wohnzimmer und das Schlafzimmer der Zeugin befänden sich im ersten Stock. Im 2. Stock befinde sich ein Gästezimmer und Badezimmer. In einem weiteren Raum sei ein Büro untergebracht. Im Parterre befinde sich ein weiteres Badezimmer und der Raum, in dem die Massagen durchgeführt worden seien. Die Beschwerdeführerin habe das Gästezimmer benutzt, wenn sie bei der Zeugin in U gewesen sei.

Roman L. gab am selben Tag als Zeuge an, er habe im Zeitraum 1992 bis 1994 nicht mehr mit der Beschwerdeführerin zusammen gelebt. In dieser Zeit sei er zwar in F noch gemeldet gewesen. Die Lebensgemeinschaft habe aber nicht mehr bestanden. Es könnte sein, dass er 20 bis 50 Mal bei dem Haus in F gewesen sei. Hie und da sei auch die Beschwerdeführerin anwesend gewesen; die meiste Zeit sei er allerdings allein anwesend gewesen, da sei unter der Woche selten anzutreffen gewesen sei. Nur wenn sie etwas zu erledigen gehabt habe, sei sie auch unter der Woche dort gewesen.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wurde die Berufung neuerlich abgewiesen. Die belangte Behörde ging in der Begründung zwar davon aus, dass die Lebensgemeinschaft der Beschwerdeführerin mit Roman L. im Jahre 1993 nicht mehr bestanden habe. Ansonsten zog sie aus den aufgenommenen Beweisen die Folgerung, dass die Beschwerdeführerin an mindestens 185 Tagen in F gewohnt habe. Die Behörde stützte sich dabei insbesondere auf die Aussage der Gerda S., wonach die Beschwerdeführerin wochenlang jeden Tag komme, dann wieder wöchentlich nur zwei bis drei Mal zu ihrem Haus gefahren sei. Diese Aussage stehe im Einvernehmen mit jener der Hermine P., wonach die Beschwerdeführerin ca drei Mal pro Woche bei ihr in U gewesen sei. Die Beschwerdeführerin habe dabei das Gästezimmer benutzt. Im Hinblick auf die Zeugenaussagen der Zollwachebeamten, wonach die Beschwerdeführerin "fast jede Nacht", "durchschnittlich jeden zweiten Nachtdienst", "jede Nacht" die Grenze passiert habe, sei auszuschließen, dass die Beschwerdeführerin in U gewohnt habe. Aus der Aussage des Roman L. könne die Beschwerdeführerin nichts gewinnen, da er nur über ein Zehntel des Jahres eine Aussage habe treffen können.

In der Beschwerde gegen diesen Bescheid erachtet sich die Beschwerdeführerin in ihrem Recht darauf verletzt, dass ihr keine Einfuhrumsatzsteuer vorgeschrieben wird.

Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift und legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Gemäß § 93 Abs 4 ZollG 1988 ist unter mehreren Wohnsitzen einer Person als gewöhnlicher Wohnsitz derjenige anzusehen, zu dem sie die stärksten persönlichen Beziehungen hat. Hat eine Person keinen Familienwohnsitz, so gilt als gewöhnlicher Wohnsitz derjenige, an dessen Ort sie während mindestens 185 Tagen im Kalenderjahr und demgemäß gewöhnlich wohnt.

Nach § 167 Abs 2 BAO hat die Abgabenbehörde unter sorgfältiger Berücksichtigung des Abgabenverfahrens nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht. Die somit von der Behörde anzustellende Beweiswürdigung ist vom Verwaltungsgerichtshof (nur) dahingehend zu überprüfen, ob die angestellten Überlegungen der Behörde schlüssig sind, ob sie also den Denkgesetzen und dem allgemeinen menschlichen Erfahrungsgut entsprechen und ob sie in einem von wesentlichen Mängeln freien Verfahren gewonnen wurden.

Unter diesem Gesichtspunkt kann der belangten Behörde nicht entgegengetreten werden, dass sie auf Grund der aufgenommenen Beweise von einem (gewöhnlichen) Wohnsitz der Beschwerdeführerin im Inland (in F) ausgegangen ist:

Auf Grund der Vernehmung zahlreicher Zollwachebeamter ist erwiesen, dass die Beschwerdeführerin in dem in Betracht kommenden Zeitraum an zahlreichen Tagen regelmäßig zwischen Mitternacht und drei Uhr früh nach Österreich eingereist ist. Dass sie anschließend an die Einreise das von ihr allein bewohnte grenznahe Wohnhaus in F aufsuchte, um hier zu übernachten, ist durch die Aussage der Gerda S. erwiesen. Die von der Beschwerdeführerin aufgestellte Behauptung, der Mittelpunkt ihrer Lebensinteressen liege in U, steht nicht im Einklang mit dem Umstand, dass sie nach der Aussage der Zeugin Hermine P. in dem Wohnhaus in U das Gästezimmer benutze. Wenn auch die belangte Behörde nicht in Abrede gestellt hat, dass der Beschwerdeführerin über dieses Gästezimmer eine Verfügungsgewalt zugestanden ist, so kann nicht angenommen werden, dass zu dem Ort des Gästezimmers stärkere Beziehungen als zum Wohnhaus in F bestanden. Überdies stehen die Behauptungen, die Beschwerdeführerin sei nur nach F gekommen, um sich "um das Haus zu kümmern", den Rasen zu schneiden, die Heizung zu kontrollieren und um Behördenwege zu erledigen, mit dem jeweiligen Zeitpunkt ihrer Ankunft und mit den übrigen Ermittlungsergebnissen in Widerspruch. Die von der belangten Behörde aus dem Ergebnis der Erhebungen gezogenen Folgerungen stehen somit mit den Denkgesetzen in Einklang. Dass dabei den Zeugen allenfalls exakte Einzelheiten der jeweiligen Umstände auf Grund der bis zur Vernehmung verflossenen längeren Zeit nicht mehr geläufig waren, ist für dieses Ergebnis nicht von Bedeutung.

Wenn die Beschwerdeführerin rügt, es hätten die vernommenen Zeugen neuerlich vernommen werden müssen, ist ihr entgegenzuhalten, dass die Abgabenbehörde nicht gehalten ist, Vernehmungen so lange zu wiederholen, bis ein anderes, für den Abgabepflichtigen günstigeres Ergebnis zustande kommt. Überdies unterliegen die in Rede stehenden Umstände wie Dauer und Anzahl von Begegnungen naturgemäß mit fortdauernder Zeit einer Schwächung des Erinnerungsvermögens. Wenn die Beschwerdeführerin insbesondere rügt, Hermine P. hätte befragt werden müssen, ob sich diese zur Ausübung ihrer Tätigkeit noch anderen Orten in der Schweiz aufgehalten habe, so steht dies in keinem Zusammenhang mit der Frage nach dem gewöhnlichen Wohnsitz. Auch die Frage der Besteuerung der Beschwerdeführerin in einzelnen Gebietskörperschaften der Schweiz ist für diese Frage nicht maßgeblich. Schließlich sind auch Umstände eines gegen die Beschwerdeführerin - gemeint offenkundig wegen Verkürzung von Einkommensteuer - geführten Finanzstrafverfahrens schon wegen der völlig anders gearteten Rechtslage im gegenständlichen, die Vorschreibung von Einfuhrumsatzsteuer betreffenden Verfahren nicht von Bedeutung.

Es bestehen daher insgesamt keine Bedenken gegen die Schlüssigkeit der von der belangten Behörde vorgenommenen Beweiswürdigung.

Die Beschwerde erweist sich damit als unbegründet, sodass sie gemäß § 42 Abs 1 VwGG abzuweisen war.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. I Nr. 333/2003.

Wien, am