VwGH vom 13.10.1999, 94/13/0008
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss und Senatspräsident Dr. Pokorny sowie die Hofräte Dr. Fellner, Dr. Hargassner und Mag. Heinzl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hanslik, über die Beschwerde des M in W, vertreten durch Dr. Konrad Faulhaber, Rechtsanwalt in Wien 8, Laudongasse 25, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom , Zl. GA 5-2086/93, betreffend Haftungs- und Zahlungsbescheid (Lohnsteuerprüfung für den Zeitraum bis ), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.860,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer betreibt das Dachdeckereigewerbe. Für den Zeitraum bis fand bei ihm eine Lohnsteuerprüfung statt. Mit der Begründung, es läge kein Nachweis (Aufzeichnungen) dafür vor, dass die den Arbeitnehmern des Beschwerdeführers steuerfrei ausbezahlten Schmutz- und Gefahrenzulagen tatsächlich für Arbeitsleistungen im Sinne des § 68 Abs. 5 EStG 1988 bezahlt worden seien, behandelte der Prüfer die Hälfte dieser Zulagen als steuerpflichtigen Arbeitslohn. Er ging dabei im Schätzungsweg davon aus, dass ein entsprechender Teil der Zulagen Arbeitszeiten betroffen habe, die der Arbeitsvorbereitung gedient hätten bzw. auf Werkstattarbeiten, Wegzeiten und andere nicht begünstigte Tätigkeiten entfallen seien.
Das Finanzamt folgte den Prüfungsfeststellungen und zog den Beschwerdeführer zur Haftung für Lohnsteuer im Ausmaß von insgesamt S 71.533,-- heran.
Der Beschwerdeführer erhob Berufung. Die Schmutz- und Gefahrenzulagen (bisweilen wird auch von Erschwerniszulagen gesprochen) seien gemäß den Bestimmungen des einschlägigen Kollektivvertrages ausbezahlt worden. Der Beruf des Dachdeckers sei schlechthin ein Paradebeispiel für einen Beruf, der "zu 90 % der Arbeitszeit" unter Gefahren für die körperliche Sicherheit oder gar des Lebens und unter Beeinträchtigung von Hitze, Kälte und Schmutz ausgeübt werde. In der Werkstatt werde nahezu nichts vorbereitet. Was noch in die tägliche Arbeitszeit falle, sei die Fahrt vom Betrieb zur Baustelle. In der Regel erschienen aber die Dachdecker direkt auf den Baustellen. Im Kollektivvertrag sei ausgeführt, dass die 5%ige Zulage für Schmutz und Gefahr das zusätzlich erhöhte Risiko abdecken solle.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung ab. Für die Begünstigung des § 68 Abs. 1 iVm Abs. 5 EStG 1988 sei nicht nur erforderlich, dass die dort genannten Schmutz-, Erschwernis- und Gefahrenzulagen aufgrund bestimmter lohngestaltender Vorschriften (z.B. Kollektivvertrag) bezahlt würden; vielmehr sei als weitere Voraussetzung normiert, dass tatsächlich Arbeiten unter Umständen verrichtet würden, die in erheblichem Ausmaß eine Verschmutzung des Arbeitnehmers und seiner Kleidung bewirkten bzw. eine Gefährdung von Leben, Gesundheit oder körperlicher Sicherheit des Arbeitnehmers mit sich brächten. Um diese Voraussetzungen überprüfen zu können, seien entsprechende Aufzeichnungen als Nachweis erforderlich. Einen derartigen Nachweis habe der Beschwerdeführer nicht erbracht. Der bloße Hinweis auf das Berufsbild des Dachdeckers und allgemein übliche Arbeitsabläufe reiche als Nachweis nicht aus.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 68 Abs. 1 und 5 EStG 1988 sind unter anderem Schmutz-, Erschwernis- und Gefahrenzulagen unter bestimmten Voraussetzungen steuerfrei. Als solche Zulagen sind jene Teile des Arbeitslohnes zu verstehen, die dem Arbeitnehmer deshalb gewährt werden, weil die von ihm zu leistenden Arbeiten überwiegend unter Umständen erfolgen, die in erheblichem Maß zwangsläufig eine Verschmutzung des Arbeitnehmers und seiner Kleidung bewirken oder im Vergleich zu den allgemein üblichen Arbeitsbedingungen eine außerordentliche Erschwernis darstellen oder infolge der schädlichen Einwirkungen von gesundheitsgefährdenden Stoffen oder Strahlen, von Hitze, Kälte oder Nässe, von Gasen, Dämpfen, Säuren, Laugen, Staub oder Erschütterungen oder infolge einer Sturz- oder anderen Gefahr zwangsläufig eine Gefährdung von Leben, Gesundheit oder körperlicher Sicherheit des Arbeitnehmers mit sich bringen.
Diese Begünstigungen setzen u.a. voraus, dass der Arbeitnehmer tatsächlich Arbeiten verrichtet, die überwiegend unter Umständen erfolgen, die die eben angeführten Voraussetzungen erfüllen. Der Arbeitnehmer muss also während der Arbeitszeit überwiegend mit Arbeiten betraut sein, die die genannte Verschmutzung zwangsläufig bewirken oder eine außerordentliche Erschwernis oder Gefahr darstellen. Dies erfordert nach Rechtsprechung und Lehre, dass der Behörde nachgewiesen wird, um welche Arbeiten es sich im Einzelnen gehandelt hat und wann sie geleistet wurden (siehe das hg. Erkenntnis vom , 94/15/0156).
Der Lohnsteuerprüfer und ihm folgend die belangte Behörde haben mangels einer entsprechenden Nachweisführung durch den Beschwerdeführer nur 50 % der unter dem Titel Schmutz- und Gefahrenzulagen an die mit Dachdeckerarbeiten beschäftigten Arbeitnehmer des Beschwerdeführers bezahlten Lohnbestandteile als unter die Steuerbefreiung des § 68 EStG 1988 fallend anerkannt. Der Lohnsteuerprüfer hat sich dabei ausdrücklich auf § 184 BAO (Schätzung) sowie auf § 86 Abs. 2 EStG 1988 (Lohnsteuernachforderung im Wege eines Pauschbetrages) berufen. Bei der Schätzung ist er davon ausgegangen, dass in die Dienstzeit der Arbeitnehmer des Beschwerdeführers auch "Weg- und Fahrtzeiten, Arbeitsvorbereitungen, Werkstattarbeiten und andere nicht steuerbegünstigte Tätigkeiten" fallen.
In der Berufung hat der Beschwerdeführer eingewendet, dass der Beruf des Dachdeckers zu 90 % unter Umständen ausgeübt werde, die § 68 Abs. 5 EStG 1988 als Voraussetzung für die Steuerbefreiung normiere. In der Werkstatt werde nahezu nichts vorbereitet, die Ziegel würden direkt an die Baustelle geliefert und Fahrten zu den jeweiligen Baustellen kämen zwar in Betracht, in der Regel erschienen jedoch die Dachdecker direkt auf der Baustelle. Die belangte Behörde hat sich mit diesem Berufungsvorbringen nicht auseinander gesetzt, sondern die Auffassung vertreten, dass die Steuerbefreiung des § 68 Abs. 1 iVm Abs. 5 EStG 1988 mangels Vorliegens entsprechender Nachweise (Aufzeichnungen) nicht zu gewähren sei.
Diese Argumentation überzeugt schon deshalb nicht, weil mit dem angefochtenen Bescheid, der an die Stelle des inhaltsgleichen Bescheides erster Instanz getreten ist, die Begünstigung des § 68 EStG 1988 sehr wohl gewährt worden ist, wenn auch nur im Ausmaß von 50 % der ausbezahlten Zulagen. Damit gibt die belangte Behörde - will man ihr nicht den Vorwurf einer in sich widersprüchlichen Entscheidung machen - zu erkennen, dass sie das Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen für die Gewährung der in Rede stehenden Begünstigung offensichtlich für zutreffend erachtete, wenn auch nicht in vollem Ausmaß. Damit ist die belangte Behörde insoweit im Recht, als sie in den vermissten Aufzeichnungen kein unabdingbares Formalerfordernis für die Zuerkennung der Steuerbegünstigung erblickt, sondern ein Beweismittel, mit dem das Vorliegen entsprechender Arbeiten nachgewiesen bzw. glaubhaft gemacht werden muss.
Das Fehlen von Beweismitteln kann dazu führen, dass die Abgabenbehörde die Ermittlung des abgabenrechtlich relevanten Sachverhaltes im Schätzungsweg vorzunehmen hat. Auch im Beschwerdefall war der Lohnsteuerprüfer mit Rücksicht auf das Fehlen entsprechender Aufzeichnungen zur Schätzung berechtigt. Ob er dabei alle ihm zur Verfügung stehenden Erkenntnisquellen ausgeschöpft hat, um der Aufgabe jeder Schätzung, nämlich der Ermittlung eines Sachverhaltes mit möglichst hohem Wahrheitsgehalt, zu entsprechen, kann dahinstehen. Jedenfalls hat nämlich der Beschwerdeführer in seiner Berufung gegen den erstinstanzlichen Bescheid ein Tatsachenvorbringen erstattet, das die belangte Behörde im Rahmen der ihr im zweitinstanzlichen Verfahren ebenfalls obliegenden Schätzung zu berücksichtigen gehabt hätte. Der Hinweis des Beschwerdeführers, dass die Tätigkeit eines Dachdeckers in besonderer Weise unter Umständen erfolgt, die infolge einer Sturzgefahr zwangsläufig eine Gefährdung von Leben, Gesundheit oder körperlicher Sicherheit mit sich bringt, ist durchaus wirklichkeitsnah. Auch das Überwiegen solcher Umstände kann bei einem Dachdecker nicht ohne weiteres von der Hand gewiesen werden. Es trifft zwar zu, dass der Gerichtshof im oben zitierten Erkenntnis 94/15/0156 zum Ausdruck gebracht hat, die Abgabenbehörde sei nicht gehalten, von sich aus Ermittlungen anzustellen, wenn es der Abgabepflichtige versäumt hat, die erforderlichen überprüfbaren Nachweise zu erbringen. Das bedeutet aber nicht, dass sich die Abgabenbehörde mit einem entsprechenden Tatsachenvorbringen nicht auseinander zu setzen hätte. Der Nachweis oder die Glaubhaftmachung eines Sachverhaltes, der unter die Befreiungsbestimmung des § 68 Abs. 1 iVm Abs. 5 EStG 1988 fällt, kann nämlich nicht nur durch nachprüfbare Grundaufzeichnungen, sondern auch in anderer Weise erbracht werden. Die belangte Behörde war daher verpflichtet, sich mit dem Vorbringen des Beschwerdeführers in seiner Berufung auseinander zu setzen und schlüssig zu begründen, warum sie nur etwa die Hälfte der Tätigkeit der vom Beschwerdeführer beschäftigten Dachdecker als gemäß § 68 Abs. 5 EStG 1988 begünstigungsfähig beurteilt hat.
Da sie - ausgehend von der unrichtigen Rechtsansicht, nur durch Aufzeichnungen könne der erforderliche Nachweis des strittigen Sachverhaltes erbracht werden - keine derartigen Feststellungen getroffen hat, erweist sich der angefochtene Bescheid als inhaltlich rechtswidrig und war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am