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VwGH vom 17.09.1997, 94/13/0001

VwGH vom 17.09.1997, 94/13/0001

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss und Senatspräsident Dr. Pokorny sowie die Hofräte Dr. Fellner, Dr. Hargassner und Mag. Heinzl als Richter, im Beisein des Schriftführers DDDr. Jahn, über die Beschwerde der, vertreten durch Dr. Johann Fontanesi, Rechtsanwalt in Wien I, Graben 28, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom , Zl. GA 5 - 1938/92, betreffend Berücksichtigung erhöhter Werbungskosten im Zuge des Jahresausgleiches für das Kalenderjahr 1989, zu Recht erkannt:

Spruch

Der Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.920,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin, die ihren Beruf mit "Schauspieler, Sänger und Tänzer" bezeichnet, beantragte im Zuge der Durchführung des Jahresausgleiches für das Jahr 1989 den Abzug diverser Aufwendungen im Ausmaß von insgesamt S 104.451,-- als Werbungskosten.

Das Finanzamt berücksichtigte nur einen Teilbetrag von S 18.354,-- und - aufgrund einer Berufung der Beschwerdeführerin - mit Berufungsvorentscheidung einen solchen von S 18.754,-- als Werbungskosten. Es wies dabei auf § 20 EStG 1988 hin, wonach Aufwendungen für die Lebensführung selbst dann nicht steuerlich abzugsfähig seien, wenn sie zur Förderung des Berufes oder der Tätigkeit des Steuerpflichtigen erfolgten.

Die Beschwerdeführerin beantragte die Entscheidung über ihre Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz. Das Finanzamt habe "in keiner Weise auf das berufsspezifische Bild einer Musical-Darstellerin = Künstlerin" Rücksicht genommen.

Mit der angefochtenen Berufungsentscheidung kürzte die belangte Behörde die als Werbungskosten geltend gemachten Aufwendungen um weitere Beträge; als Werbungskosten wurden nur mehr Aufwendungen im Ausmaß von insgesamt S 4.759,-- anerkannt.

Gegen diese Entscheidung wendet sich die Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend gemacht wird.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Was das Beschwerdevorbringen betrifft, die belangte Behörde habe zu Unrecht von der Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung Abstand genommen, genügt der Hinweis auf § 284 BAO, wonach eine mündliche Verhandlung nur im Berufungsverfahren vor einem Berufungssenat vorgesehen ist und über eine Berufung in einer Jahresausgleichsangelegenheit nicht durch Berufungssenat, sondern monokratisch zu entscheiden ist (§ 260 BAO). Die geltend gemachte Rechtswidrigkeit liegt demnach nicht vor.

Von den ursprünglich geltend gemachten, aber nicht als abzugsfähig anerkannten Aufwendungen werden in der Beschwerde nur mehr die nachstehenden als Werbungskosten bezeichnet:

1. Fortbildungskosten (S 14.000,--):

Das Finanzamt hat die Beschwerdeführerin mit Vorhalt vom ersucht mitzuteilen, "um welche Fortbildungskosten es sich handelt".

Die Beschwerdeführerin beantwortete den Vorhalt wie folgt:

"Fortbildungs- Ausbildungskosten zur Erlangung der Bühnenreifeprüfung als Musical-Darstellerin ... im Tanz-Gesangs- Studio d. Theater a. d. Wien."

In der Beschwerde wird die von der belangten Behörde getroffene Feststellung, die als Fortbildungskosten bezeichneten Aufwendungen seien "Ausbildungskosten zur Erlangung der Bühnenreifeprüfung" als unzutreffend bezeichnet, obwohl diese Beurteilung der Vorhaltsbeantwortung entspricht. Im übrigen wird vorgebracht, die Beschwerdeführerin habe "bereits ein Jahr vor der Bühnenreifeprüfung einen Dienstvertrag mit den Vereinigten Bühnen Wiens mit vollen Bezügen als Schauspielerin/Sängerin/Musiktheaterdarstellerin mit Tanzverpflichtung für das Musical im Ronacher" gehabt, mit der Auflage, die Reifeprüfung innerhalb der Vertragsdauer nachzuholen.

Die Beschwerdeführerin hat somit die "Fortbildungskosten" selbst als Kosten zur Erlangung der Bühnenreifeprüfung und somit als (steuerlich nicht abzugsfähige) Ausbildungskosten bezeichnet. Wieso der von der belangten Behörde "gezogene Schluß", der dem Vorbringen der Beschwerdeführerin folgt, unzutreffend wäre, wird in der Beschwerde nicht dargelegt. Daß Aufwendungen für die Ausbildung zu einem Beruf keine Werbungskosten darstellen, wird von der Beschwerdeführerin nicht bestritten und entspricht der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. z.B. das Erkenntnis vom , 89/14/0227). Die Beschwerde erweist sich daher in diesem Punkt als unbegründet.

2. Fahrtkosten (S 8.871,--):

Die Beschwerdeführerin hat die berufliche Veranlassung von Fahrtkosten damit begründet, daß sie häufig genötigt gewesen sei, die Wegstrecke zwischen ihrer Ausbildungsstätte (Theater an der Wien) und dem Theater, in dem sie täglich aufgetreten sei (Ronacher) in kurzer Zeit zurückzulegen (Proben, Aufführungen); sie habe daher zu diesem Zweck öfters ein Taxi in Anspruch genommen.

Die belangte Behörde führt im angefochtenen Bescheid nicht aus, welche Gründe gegen die Anerkennung dieser Aufwendungen als Werbungskosten sprechen. Sie verweist nur ganz allgemein auf die Begründung der Berufungsvorentscheidung. In dieser wird die Auffassung vertreten, derartige Aufwendungen seien durch den Verkehrsabsetzbetrag abgegolten.

Diese Rechtsansicht ist unzutreffend. Gemäß § 16 Abs. 1 Z. 6 EStG 1988 sind mit dem Verkehrsabsetzbetrag nur die Ausgaben für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte abgegolten. Welche Überlegungen dafür sprächen, auch Fahrten zwischen einer Ausbildungsstätte und dem Ort einer Berufsausübung den Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte gleichzustellen - zutreffendenfalls könnte eine (weitgehende) Identität einer der beiden Orte mit dem Wohnort als Begründung herangezogen werden - ist weder in der Berufungsvorentscheidung noch in dem angefochtenen Bescheid erläutert. Der angefochtene Bescheid erweist sich daher in diesem Punkt als inhaltlich rechtswidrig.

3. Aufwendungen für ein Fahrrad (S 13.000,--):

Mit dem Hinweis auf die Schwierigkeit, mit öffentlichen Verkehrsmitteln oder Taxi stets pünktlich ihren beruflichen Obliegenheiten nachkommen zu können, hat die Beschwerdeführerin die Anschaffung eines Fahrrades als beruflich veranlaßt begründet. Die belangte Behörde verweist auch zu diesem Punkt lediglich auf die Begründung der Berufungsvorentscheidung. In dieser wird festgestellt, daß ein Fahrrad kein zur Berufsausübung der Beschwerdeführerin "unerläßliches Utensil" darstelle und daß von Verkehrsstauungen der Großteil der Arbeitnehmer betroffen sei.

Damit bleibt die belangte Behörde eine Erklärung dafür schuldig, warum die Benützung eines Fahrrades für die Zurücklegung beruflich veranlaßter Fahrtstrecken nach anderen Grundsätzen zu beurteilen wäre als die Benützung eines Kraftfahrzeuges. Der angefochtene Bescheid ist daher in diesem Punkt inhaltlich rechtswidrig, weil er auf einer unrichtigen Rechtsansicht beruht. Daß die Berücksichtigung der Anschaffungskosten des Fahrrades nur im Wege einer (anteiligen) Absetzung für Abnutzung (§ 7 EStG) in Betracht käme, hat die Beschwerdeführerin in ihrer Berufung ausdrücklich akzeptiert. Die belangte Behörde wird daher im fortgesetzten Verfahren die Frage zu klären haben, ob und in welchem Ausmaß die Beschwerdeführerin das Fahrrad für beruflich veranlaßte Fahrten verwendet hat und ob bejahendenfalls in den Anschaffungskosten - ähnlich wie bei teuren Kraftfahrzeugen - eine sogenannte "Luxustangente" enthalten ist.

4. Anschaffung einer Waage (S 1.758,--):

Die Beschwerdeführerin hat die berufliche Veranlassung für die Anschaffung einer Waage mit der Notwendigkeit einer täglichen Gewichtskontrolle begründet. Sie habe pro Vorstellung durch Flüssigkeitsverlust ca. 1,5 bis 2 kg abgenommen. Dieser Flüssigkeitsverlust sei auszugleichen gewesen.

Mit diesem Vorbringen wird keine berufliche Veranlassung zur Anschaffung einer Waage aufgezeigt. Gemäß § 20 Abs. 1 Z. 2 lit. a EStG 1988 sind Aufwendungen für die Lebensführung, selbst wenn sie die wirtschaftliche oder gesellschaftliche Stellung des Steuerpflichtigen mit sich bringt und sie zur Förderung des Berufes oder der Tätigkeit des Steuerpflichtigen erfolgen, bei den einzelnen Einkünften nicht abzugsfähig.

Die Kontrolle des menschlichen Stoffwechsels ist ebenso wie die Aufnahme der erforderlichen Nahrung und Flüssigkeit dem Bereich der Lebensführung zuzurechnen, selbst wenn mit der Berufsausübung ein überdurchschnittlicher Energie- bzw. Flüssigkeitsverbrauch verbunden sein sollte. Das diesbezügliche Beschwerdevorbringen erweist sich daher als unbegründet.

5. Anschaffung eines Ventilators (S 540,--):

Die Kosten für die Anschaffung eines Ventilators sind nach Auffassung der Beschwerdeführerin deswegen beruflich veranlaßt, weil in ihrer Garderobe im Sommer Temperaturen von mehr als 30 Grad geherrscht hätten. Ein Öffnen der Fenster oder der Tür wäre mit Rücksicht auf ihren "verschwitzten Zustand" gesundheitsgefährdend gewesen.

Damit bringt die Beschwerdeführerin selbst vor, daß der in Rede stehende Aufwand der Aufrechterhaltung ihrer Gesundheit und ihrer Leistungsfähigkeit gedient hat. Für derartige Aufwendungen gilt das unter Punkt 4. Gesagte; die Beschwerde erweist sich daher auch in diesem Punkt als unbegründet.

6. Reinigung der Kontaktlinsen (S 2.074,-):

Die Beschwerdeführerin weist zur Begründung der beruflichen Veranlassung dieses Aufwandes daraufhin, daß die Tätigkeit auf der Bühne eine erhöhte Staubentwicklung verursacht habe, sodaß ihr Bedarf an Reinigungsmitteln für ihre Kontaktlinsen entsprechend höher gewesen sei.

Auch diesem Vorbringen ist das unter den Punkten 4. und 5. Gesagte entgegenzuhalten. Ebenso wie der Aufwand für Kontaktlinsen ist auch der Aufwand für deren Reinigung dem Bereich der Lebensführung zuzurechnen. Die Beschwerde ist somit auch in diesem Punkt nicht begründet.

7. 50 % der Aufwendungen für Schminke, Kosmetika und Friseur (S 232,90 und S 1.686,--):

Die Beschwerdeführerin macht Aufwendungen für Schminke, Kosmetika und Friseur nicht mit der Begründung als Werbungskosten geltend, es handle sich dabei um unmittelbar durch den Beruf veranlaßte Kosten, wie sie durch das Auftreten als Schauspielerin, Tänzerin oder Sängerin typischerweise verursacht sein können. Sie weist lediglich auf die Notwendigkeit eines üblichen, wenn auch möglicherweise erhöhten Pflegeaufwandes hin, weil ihre Haut (durch Bühnenschminke) und ihr Haar (durch das Tragen von Theaterperücken) in besonderer Weise beruflich beansprucht würden.

Auch für diesen Aufwand gelten die Ausführungen unter den Punkten 4. und 5., weil sie der Erhaltung der Gesundheit bzw. eines gepflegten Aussehens dienen und damit dem Bereich der Lebensführung zuzurechnen sind. Es trifft zwar zu, daß nicht jede berufliche Tätigkeit in gleicher Weise oder in gleichem Ausmaß mit Belastungen und Strapazen für den menschlichen Körper verbunden ist; dementsprechend kann auch der Aufwand für die regelmäßige Körperpflege ein unterschiedliches zeitliches und finanzielles Ausmaß erforderlich machen. Dies ändert aber nichts daran, daß Aufwendungen, die der üblichen Körperpflege dienen, stets und in vollem Umfang zu den gemäß § 20 Abs. 1 Z. 2 lit. a EStG 1988 nicht abzugsfähigen Kosten der Lebensführung zählen.

8. Berufskleidung bzw. deren Reinigung:

Unter dieser Bezeichnung hat die Beschwerdeführerin im Verwaltungsverfahren Aufwendungen für Unterwäsche und Oberbekleidung (Blusen, T-Shirt, Rock, Jacke, Gilet und anderes) als Werbungskosten geltend gemacht. In der Beschwerde wird diesbezüglich nur mehr von der Anschaffung und Reinigung von Trainingsanzügen gesprochen. Gerade dieser Bekleidungsaufwand, dessen berufliche Veranlassung, wie etwa auch bei Berufssportlern, nicht ausgeschlossen wäre, wurde im Verwaltungsverfahren nicht als Werbungskosten geltend gemacht. Dem Beschwerdevorbringen zu diesem Punkt ist daher das Neuerungsverbot des § 41 VwGG entgegenzuhalten. Zum verbleibenden Aufwand für "Berufskleidung" wird in der Beschwerde nichts mehr ausgeführt, sodaß sich eine Auseinandersetzung damit im verwaltungsgerichtlichen Verfahren erübrigt. Die Beschwerde erweist sich daher auch in diesem Punkt als unbegründet.

9. Aufwendungen für ein Fitneßstudio (S 4.700,--):

Die Beschwerdeführerin hat den Besuch eines Fitneßstudios mit der Notwendigkeit einer berufsspezifischen körperlichen Leistungsfähigkeit begründet. Die belangte Behörde hält dem lediglich entgegen, daß Aufwendungen für die Erlangung und Erhaltung der körperlichen Ertüchtigung dem Bereich der privaten Lebensführung zuzurechnen sind.

Diese Aussage ist in ihrer allgemein gehaltenen Form unzutreffend. Der Verwaltungsgerichtshof teilt zwar die Rechtsansicht der belangten Behörde insoweit, als Aufwendungen zur Aufrechterhaltung der normalen Körperfunktionen, wozu auch Kraft und Beweglichkeit zählen, den im § 20 Abs. 1 Z. 2 lit. a EStG 1988 steuerlich nicht abzugsfähigen Kosten der Lebensführung zuzurechnen sind. Bei Personen, deren Berufsausübung unter berufsspezifischen Aspekten eine weit überdurchschnittliche körperliche Leistungsfähigkeit (Kraft, Ausdauer, Bewegungsablauf, Geschicklichkeit etc.) erforderlich macht, muß jedoch eine von den allgemeinen Grundsätzen abweichende Betrachtungsweise Platz greifen.

Es kann wohl nicht ernstlich in Abrede gestellt werden, daß z. B. Leistungssportlern durch das erforderliche Training (regelmäßig auch durch Beiziehen eines Trainers) ein finanzieller Aufwand erwächst, der deutlich über jenem liegt, der für die private Lebensführung als üblich bezeichnet werden kann. Wird eine solche sportliche Tätigkeit als Beruf ausgeübt und werden mit ihr Einkünfte im Sinne des Einkommensteuergesetzes erzielt, so dienen die Aufwendungen für das Training zweifellos im Sinne des § 16 Abs. 1 EStG zur Erwerbung, Sicherung oder Erhaltung der Einnahmen und stellen daher Werbungskosten dar.

Gleichartige Überlegungen können auch auf Mitwirkende an Unterhaltungsdarbietungen zutreffen, wenn in berufsspezifischer Weise jene Fähigkeiten geübt und trainiert werden, die für die Berufsausübung erforderlich sind. Ein derartiges Training im Fitneßstudio hat die Beschwerdeführerin behauptet. Ausgehend von der unrichtigen Rechtsansicht, Aufwendungen zur Ertüchtigung des menschlichen Körpers kämen in keinem Fall als Werbungskosten in Betracht, hat die belangte Behörde keine Feststellungen darüber getroffen, ob die Art des Trainings als berufsspezifisch anzusehen war oder jenes Ausmaß nicht überschritten hat, das ohne Bezug auf eine bestimmte Berufstätigkeit zur Erhaltung der körperlichen Leistungsfähigkeit üblicherweise absolviert wird.

Der angefochtene Bescheid erweist sich somit in diesem Punkt ebenso wie in den Punkten 2. und 3. als inhaltlich rechtswidrig und war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.