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VwGH vom 30.04.2003, 99/13/0222

VwGH vom 30.04.2003, 99/13/0222

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Hargassner, Dr. Fuchs, Dr. Büsser und Dr. Mairinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin MMag. Ginthör, über die Beschwerde der P GmbH in W, vertreten durch Mag. Dr. Wolfgang Nikolaus, Wirtschaftsprüfer in 1130 Wien, Altgasse 20/11, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom , Zl. RV/762-15/16/99, betreffend Nachforderung an Lohnsteuer für den Zeitraum bis , zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von 332 EUR binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Im Zuge einer bei der Beschwerdeführerin durchgeführten, die Jahre 1990 bis 1994 betreffenden Lohnsteuerprüfung stellte der Prüfer u.a. fest, dem an der Beschwerdeführerin zu 25 % beteiligten Geschäftsführer seien im Prüfungszeitraum gemäß § 68 EStG 1988 steuerfreie Überstundenzuschläge "für 100 %ige Überstunden" ausbezahlt worden (Lohnsteuerprüfungsbericht vom ). Im Prüfungsverfahren seien Aufzeichnungen vorgelegt worden, aus denen die Anzahl und die Tage, an denen Überstunden geleistet worden seien, zwar hervorgingen, nicht aber die genaue zeitliche Lagerung der einzelnen geleisteten Überstunde. Nach einer Urgenz des Lohnsteuerprüfers seien dieselben Überstundenaufzeichnungen mit einer Ergänzung der Uhrzeiten vorgelegt worden. Der Nachweis für Überstunden könne aber nur durch zeitnah erstellte Aufzeichnungen erbracht werden. Nachträgliche Rekonstruktionen der zeitlichen Lagerung seien nicht als Nachweis anzuerkennen. Im Rahmen der Lohnsteuerprüfung sei daher die Steuerfreiheit der "100 % Überstundenzuschläge" aus diesem Grund aberkannt worden (ausgehend von einer "Basis 1990- 1994" von 132.341 S errechnete sich ein Lohnsteuer-Nachforderungsbetrag von insgesamt 46.319 S).

Gegen den auf der Grundlage des Lohnsteuerprüfungsberichtes ergangenen Haftungsbescheid erhob die Beschwerdeführerin Berufung. Der Nachforderungsbetrag ergebe sich daraus, dass vom Lohnsteuerprüfer Überstundenzuschläge deshalb nicht anerkannt worden seien, weil die vorgelegten Überstundenaufzeichnungen eine nachträgliche Rekonstruktion der zeitlichen Lagerung der Überstunden erkennen ließen. Es sei zwar richtig, dass auf den vorgelegten "Monatsübersichtsblättern" tatsächlich nachträglich auf Grund einer Urgenz des Prüfers die genaue zeitliche Lagerung der Überstunden eingetragen worden sei, diese "Monatsübersichtsblätter" stellten aber - was der Lohnsteuerprüfer verkannt habe - nicht die ursprüngliche Aufzeichnung der zeitlichen Lagerung der Überstunden dar. Diese werde vom Geschäftsführer jeweils zeitnah, nämlich am Tag der Ableistung der Überstunden, in einen Kalender eingetragen. Die Übernahme in die "Monatsübersichtsblätter" erfolge am Monatsende, um die Gesamtzahl der in diesem Monat geleisteten Überstunden übersichtlich zusammenzufassen, wobei hier eine Übernahme der genauen zeitlichen Lagerung der Überstunden natürlich nicht erfolge. Die Kalender mit den ursprünglichen, zeitnahen Aufzeichnungen seien vom Lohnsteuerprüfer nicht verlangt worden.

Zu einer im Berufungsverfahren ergangenen Aufforderung des Finanzamtes legte die Beschwerdeführerin mit Schriftsatz vom die "Originalkalender für die Jahre 1990 bis 1994", in denen der Geschäftsführer seine sämtlichen betrieblichen Aufzeichnungen gemacht habe, vor. Erläuternd wurde ausgeführt, dass die Kalender nicht nur dem Festhalten der Überstunden dienten, sondern auch allen anderen betrieblichen Aufzeichnungszwecken, also etwa auch dem Festhalten des Zeitbedarfs für die einzelnen Aufträge. Die Überstundenermittlung "erfolgte dergestalt, dass für Wochentage (Montag bis Freitag) durch ein Zeichen (Kreuz, Haken, usw.) an der Zeitleiste des entsprechenden Tages das jeweilige Ende der Arbeitszeit festgehalten wurde (vgl. kopiertes Beispiel )". Arbeitsbeginn sei jeweils 6.00 Uhr gewesen; in Ausnahmefällen auch später, wobei diesfalls der spätere Arbeitsbeginn durch ein weiteres entsprechendes Zeichen an der Zeitleiste festgehalten worden sei. Die "Normalarbeitszeit" (38,5 Wochenstunden) habe Montag bis Donnerstag von 6.00 bis 15.00 Uhr mit einer Mittagspause von 45 Minuten und Freitag von 6.00 bis 11.30 Uhr gedauert. Die über diese Anwesenheitszeit hinausgehenden Zeiten seien grundsätzlich (unter Berücksichtigung eines allfälligen vereinzelten späteren Arbeitsbeginns im Wege des Zeitausgleichs) auf die bereits vorgelegten Monatslisten als Überstunden übernommen worden. Am Wochenende sei jeweils sowohl der Arbeitsbeginn als auch das Arbeitsende durch eine Markierung an der Zeitleiste festgehalten worden, weil es am Wochenende naturgemäß keinen fixierten Arbeitsbeginn gebe (vgl. das kopierte Beispiel ). Auch hier sei auf Grund dieser Aufzeichnungen die Übernahme in die Monatsaufstellungen bzw. der Nachtrag der von der Lohnsteuerprüfung gewünschten Zeitangaben über die an Sonntagen geleisteten Überstunden erfolgt.

In einem Ergänzungsersuchen vom forderte das Finanzamt die Beschwerdeführerin auf, den Dienstvertrag mit dem Geschäftsführer vorzulegen und bekannt zu geben, wie die Gehaltsaufwendungen des Geschäftsführers verrechnet würden.

In Beantwortung dieses Vorhaltes teilte die steuerliche Vertreterin der Beschwerdeführerin mit Schreiben vom mit, der Dienstvertrag sei anlässlich der Gesellschaftsgründung in mündlicher Form abgeschlossen worden. Dies sei dergestalt erfolgt, dass "die beiden Gesellschafter eine Willensübereinstimmung hinsichtlich der wesentlichen Bestimmungen des Dienstvertrages gefunden haben; insbesondere waren davon auch die Regelungen über die Arbeitszeit und das Entgelt, namentlich das Überstundenentgelt, erfasst, wobei ein ausdrücklicher Verweis auf die anwendbaren kollektivvertraglichen Bestimmungen erfolgt ist". Auf der Grundlage dieser dienstvertraglichen Vereinbarung werde die Gehaltsverrechnung durch die von der Beschwerdeführerin beauftragte Steuerberatungsgesellschaft erledigt.

Mit Berufungsvorentscheidung vom gab das Finanzamt der Berufung keine Folge. Nach der Bestimmung des § 68 Abs. 4 Z 1 bis 7 EStG 1988 sei nur das Entgelt für jede über die Normalarbeitszeit hinaus tatsächlich geleistete Arbeitsstunde steuerbegünstigt. Anzahl und zeitliche Lagerung aller einzelnen vom Dienstnehmer geleisteten Überstunden müssten genau feststehen. Als solcher Nachweis, der eine einwandfreie, jederzeitige und leichte Nachprüfbarkeit ermögliche, könnten nur Aufzeichnungen angesehen werden, die den Beginn der Arbeit, die zeitlichen Unterbrechungen (z.B. Pausen) und das Ende der Arbeit auswiesen und so die tägliche Bestimmung der geleisteten Arbeitszeit insgesamt und damit verbunden der gegebenenfalls geleisteten Überstunden ermöglichten. Der Nachweis über die genaue zeitliche Lagerung aller tatsächlich geleisteten Überstunden werde durch die vorgelegten Aufzeichnungen des Geschäftsführers nicht erbracht, weil diese Aufzeichnungen nur die Anzahl der an den einzelnen Tagen geleisteten Überstunden festhielten, nicht aber deren zeitliche Lagerung.

Im Antrag auf Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz brachte die Beschwerdeführerin vor, der Berufungsvorentscheidung sei nicht zu entnehmen, warum der für die begünstigte Besteuerung der Überstunden erforderliche Nachweis der genauen zeitlichen Lagerung der Überstunden durch zeitnah erstellte Aufzeichnungen nicht erbracht worden sei. Nach Ansicht der Beschwerdeführerin sei in den vorgelegten Originalkalendern zeitnah die genaue zeitliche Lagerung der vom Geschäftsführer geleisteten Überstunden festgehalten worden.

In dem die Berufung abweisenden angefochtenen Bescheid fügte die belangte Behörde den Ausführungen in der Berufungsvorentscheidung ergänzend hinzu, dass die von der Beschwerdeführerin vorgelegten Kalender keine Angaben über den Arbeitsbeginn enthielten, sodass für die Abgabenbehörde nicht erkennbar sei, in welchem Umfang der Geschäftsführer Normalarbeitszeit bzw. darüber hinausgehend Überstunden tatsächlich geleistet habe. Außerdem fehle an manchen Tagen das Zeichen in der Zeitleiste, welches nach den Ausführungen der Beschwerdeführerin das Ende der Arbeitszeit festhalten solle (z.B. 22. Jänner und ). Von der Beschwerdeführerin werde lediglich (vgl. das Schreiben vom ) der Versuch unternommen, darzustellen, wie sie die Überstunden "ermittelt" habe. Eine nachträgliche Rekonstruktion bzw. der Versuch einer solchen könnten den Nachweis durch zeitnahe Aufzeichnungen nicht ersetzen. Bei der Durchsicht der Kalender sei weiters festgestellt worden, dass an manchen Tagen im Kalender Überstunden eingetragen seien, diese jedoch nicht in der Monatsübersicht aufschienen (z.B. 22., 26., 28., 30. und ) oder umgekehrt (z.B. 2., 3., 5. und ). Da die enthaltenen Eintragungen mit den Monatsübersichten nicht übereinstimmten, seien die vorgelegten Kalender somit auch aus diesem Grund kein geeigneter Nachweis für die Anzahl und die zeitliche Lagerung der vom Geschäftsführer geleisteten Überstunden.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kommt die Steuerbegünstigung für Überstundenzuschläge nach § 68 EStG 1988 nur in Betracht, wenn die genaue Anzahl und zeitliche Lagerung aller im Einzelnen tatsächlich geleisteten Überstunden und die genaue Höhe der dafür über das sonstige Arbeitsentgelt hinaus mit den Entlohnungen für diese Überstunden bezahlten Zuschläge feststehen (vgl. z.B. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , 99/13/0029). Nach dem EStG 1988 besteht weiters die Notwendigkeit, auch zwischen "Normalüberstunde" (Überstunde zu Tagesarbeitszeiten an Werktagen) und so genannten qualifizierten Überstunden (Überstunden an Sonn- und Feiertagen und in der Nachtzeit) zu unterscheiden, weil § 68 Abs. 1 EStG 1988 neben der auf fünf Stunden "Normalüberstunden" (§ 68 Abs. 2 EStG 1988) beschränkten Steuerbegünstigung eine eigene Steuerbegünstigung normiert (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , 93/15/0068). In Anbetracht der dem § 68 Abs. 1 EStG 1988 zugrunde liegenden Intention, nur jene Arbeitnehmer steuerlich zu begünstigen, die gezwungen sind, zu den im § 68 Abs. 1 leg.cit. angeführten Zeiten Leistungen zu erbringen, muss auch der zwingende betriebliche Grund, gerade an diesen Tagen die Tätigkeiten zu erbringen, nachgewiesen werden (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , 97/15/0206). Bei einem auf die Erwirkung abgabenrechtlicher Begünstigungen gerichteten Verfahren tritt der Gedanke der strikten Amtswegigkeit insofern in den Hintergrund, als der eine Begünstigung in Anspruch nehmende Abgabepflichtige selbst einwandfrei und unter Ausschluss jeden Zweifels das Vorliegen jener Umstände darzulegen hat, auf die die abgabenrechtliche Begünstigung gestützt werden kann (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , 91/13/0066, Slg. Nr. 6649/F).

Zu den Anforderungen, die an die Erbringung des Nachweises über Anzahl und zeitliche Lagerung der Überstunden zu stellen sind, hat der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen, dass diesen Nachweis (insbesondere) dann, wenn es um eine Vielzahl von Überstunden in mehreren Jahren geht, in aller Regel nur zeitnah erstellte Aufzeichnungen zu erbringen vermögen, aus denen hervorgeht, an welchem Tag zu welchen Tagesstunden der einzelne Arbeitnehmer die Überstunden geleistet hat (vgl. z.B. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichthofes vom , 92/15/0037). Nachträgliche Rekonstruktionen der zeitlichen Lagerung der Überstunden können solche Aufzeichnungen im Allgemeinen nicht ersetzen (vgl. z.B. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , 96/13/0029).

Im Beschwerdefall hat die Beschwerdeführerin - erst im Berufungswege - Aufzeichnungen ihres Geschäftsführers vorgelegt, die neben "allen anderen betrieblichen Aufzeichnungszwecken, also etwa dem Festhalten des Zeitbedarfs für die einzelnen Aufträge", auch zur Nachweisführung hinsichtlich der vom Geschäftsführer in den Streitjahren geleisteten und begünstigt versteuerten Überstunden dienen sollten. Inwiefern diesen Aufzeichnungen allerdings die Qualität zukommen sollte, einwandfrei und unter Ausschluss jeden Zweifels das Vorliegen der Voraussetzungen für die angestrebte begünstigte Besteuerung nachzuweisen, macht auch die Beschwerde nicht deutlich. Regelmäßige Aufzeichnungen über den Beginn oder das Ende der Normalarbeitszeit (deren zeitliche Festlegung nach dem Vorbringen im Verwaltungsverfahren nur in Form mündlicher Vereinbarung bestand) enthalten die Aufzeichnungen unbestritten nicht, sodass diesen schon insoweit unmittelbar keine klare Trennung zwischen tatsächlich geleisteter Normalarbeitszeit und im Sinne des § 68 EStG 1988 begünstigter Überstunde zu entnehmen ist (in der Beschwerde ist auch nur davon die Rede, dass sich die Überstunden "mit vertretbarem zeitlichen Aufwand ermitteln" ließen). Die Kennzeichnung des Endes der täglichen Arbeitszeit und mitunter auch des Arbeitsbeginns nur durch Zeichen ("Kreuz, Haken, usw.") dient ebenfalls nicht einer leichten Nachprüfbarkeit und das in der Beschwerde eingeräumte Vergessen des Vermerkes des Arbeitszeitendes an den beiden im angefochtenen Bescheid angeführten Tagen ("und möglicherweise auch noch an einigen wenigen anderen Einzeltagen") spricht auch gegen die Beweiskraft der Kalenderaufzeichnungen in Hinblick auf eine genaue Erfassung der Arbeitszeiten.

Wenn in der Beschwerde zu den im angefochtenen Bescheid aufgezeigten Differenzen zwischen den vorgelegten Monatsübersichten und den Kalenderaufzeichnungen des Geschäftsführers u.a. geltend gemacht wird, der Geschäftsführer habe mitunter zwar Überstunden tatsächlich geleistet und daher auch in die tageweisen Kalenderaufzeichnungen aufgenommen, diese "causa societatis" geleisteten Überstunden dann aber nicht der Beschwerdeführerin verrechnet (sodass diese Überstunden nicht in die "Monatsübersichtsblätter", die die Grundlage der Lohnverrechnung gebildet haben, übernommen worden seien), bestätigt dies geradezu, dass aus den Aufzeichnungen die genaue Anzahl und zeitliche Lagerung aller im einzelnen geleisteten - und begünstigt besteuerten - Überstunden nicht ohne weiteres nachvollziehbar war.

Da die Beschwerde somit insgesamt keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides erkennen lässt, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001.

Wien, am