VwGH vom 21.04.2005, 2003/15/0124

VwGH vom 21.04.2005, 2003/15/0124

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Sulyok, Dr. Fuchs, Dr. Zorn und Dr. Mairinger als Richter, im Beisein des Schriftführers MMag. Twardosz, LL.M., über die Beschwerde des Finanzamtes St. Pölten gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Wien, vom , Zl. RV/0375- W/02, betreffend Einheitswert des Grundvermögens sowie Grundsteuermessbetrag, zu Recht erkannt (mitbeteiligte Parteien: E und J):

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird, soweit er den Einheitswert betrifft, wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Begründung

Die beiden Mitbeteiligten (ein Ehepaar) waren je zur Hälfte Eigentümer des Grundstückes Nr. 2090 in der Gemeinde K (Grundstücksgröße 2344 m2). Mit Kaufvertrag vom 19. bzw. verkauften sie dieses Grundstück einer gemeinnützigen Wohnungsgenossenschaft.

Nachdem das Grundstück zunächst als land- und forstwirtschaftliches Vermögen bewertet worden war, erließ das Finanzamt zum gemäß § 22 Abs. 1 BewG einen Nachfeststellungsbescheid, mit welchem das Grundstück dem Grundvermögen ("unbebautes Grundstück") zugeordnet wurde. Unter einem wurden ein Bescheid über die Erhöhung des neu festgestellten Einheitswertes zum um 35 % gemäß Art. II des Abschnittes XXII AbgÄG 1982 sowie ein Grundsteuermessbetrag auf den erlassen.

In der Berufung gegen diese Bescheide wurde vorgebracht, das Grundstück sei als "Bauland-Wohngebiet" gewidmet, jedoch vorläufig nicht parzelliert. Es werde weiterhin landwirtschaftlich genutzt und zähle daher zum land- und forstwirtschaftlichen Vermögen.

Die Mitbeteiligten legten eine Bestätigung des Bürgermeisters der Gemeinde K vom vor, aus welcher sich ergibt, dass das Grundstück als "Bauland-Wohngebiet" gewidmet sei, dennoch aber landwirtschaftlich genutzt werde.

In der abweisenden Berufungsvorentscheidung führte das Finanzamt aus, gemäß § 52 Abs. 2 BewG seien land- und forstwirtschaftlich genutzte Grundstücksflächen dem Grundvermögen zuzurechnen, wenn nach ihrer Lage und den sonstigen Verhältnissen, insbesondere mit Rücksicht auf die bestehenden Verwertungsmöglichkeiten, anzunehmen sei, dass sie in absehbarer Zeit anderen als land- und forstwirtschaftlichen Zwecken dienen würden. Dies gelte insbesondere, wenn die Flächen als Bauland anzusehen seien. Bei der Entscheidung der Frage, ob ein Grundstück nach § 52 Abs. 2 BewG dem Grundvermögen zuzurechnen sei, habe die Behörde in erster Linie auf objektive Merkmale abzustellen, subjektive Merkmale hätten demgegenüber zurückzutreten. Durch die Bewertung solle die potenzielle Kraft der Grundeigentümer erfasst werden und somit eine objektive Werterhöhung nicht deshalb außer Betracht bleiben, weil keine Absicht bestehe, sie zu nutzen. Das in Rede stehende Grundstück Nr. 2090 werde zwar landwirtschaftlich genutzt, sei aber als "Bauland-Wohngebiet" gewidmet und werde sowohl von der D-Straße als auch von der M-Straße erschlossen. Daher seien die Voraussetzungen für die Zurechnung zum Grundvermögen gegeben.

Die Mitbeteiligten beantragten die Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz. Das Grundstück Nr. 2090 werde land- und forstwirtschaftlich genutzt, und zwar durch die Haltung von zwölf Mutterschafen und einem Widder. Auf dem Grundstück befinde sich der Stall sowie der Futterlagerraum. Die Mitbeteiligten seien Mitglieder des niederösterreichischen Schafzuchtverbandes. Das Grundstück Nr. 2090 sei zwar ebenso wie das Grundstück Nr. 2088 als Bauland gewidmet worden, im Gegensatz zu letzterem sei es aber nicht parzelliert. Die Mitbeteiligten besäßen nur dieses eine Grundstück, es sei nicht vorgesehen, es in absehbarer Zeit anderen als landwirtschaftlichen Zwecken zuzuführen, "da dieses Grundstück einmal für unsere Enkelkinder parzelliert werden wird". Dass das Grundstück einerseits von der längst bestehenden Landesstraße, der so genannten D-Straße, und der neu errichteten M-Straße erschlossen werde, könne für eine Zurechnung zum Grundvermögen nicht ausreichen. Gerade die D-Straße mit ihrem sehr starken Lkw-Verkehr zum und vom - ca einen Kilometer entfernt liegenden - Schotterwerk M vermindere den Grundwert. Der Anschluss bzw. die Verbindung der M-Straße zur D-Straße sei für eine Aufschließung der anderen Grundstücke (insbesondere Grundstück Nr. 2088) notwendig gewesen. Es werde auch darauf verwiesen, dass viele im Orts- und Wohngebiet liegende unverbaute Grundstücke, welche bereits von allen notwendigen Anschlüssen umgeben seien, noch immer landwirtschaftlich gewidmet seien. Das in Rede stehende Grundstück Nr. 2090 liege am äußersten Ortsrand der Gemeinde K.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung Folge und hob die bekämpften Bescheide des Finanzamtes auf. Es sei festgestellt worden, dass das Grundstück Nr. 2088 (im Eigentum der römisch-katholischen Pfarrpfründe K) parzelliert worden sei und von den dadurch gebildeten Baugrundstücken bislang fünf verkauft worden seien, während sechs (nämlich die dem Grundstück der Mitbeteiligten am nächsten liegenden) bislang noch nicht verkauft worden seien.

Bei Beurteilung der Frage, ob ein Grundstück noch dem land- und forstwirtschaftlichen Vermögen oder gemäß § 52 Abs. 2 BewG schon dem Grundvermögen zuzurechnen sei, komme es in erster Linie auf objektive Merkmale an. Wenn die Mitbeteiligten argumentierten, das Grundstück sei landwirtschaftlich genutzt und werde auch in Zukunft weiterhin landwirtschaftlich genutzt bleiben, zeigten sie damit nur subjektive Umstände auf, die bei der Beurteilung außer Betracht zu bleiben hätten.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes rechtfertige eine raumplanerische Widmung für sich alleine noch nicht, ein landwirtschaftliches Grundstück dem Grundvermögen zuzurechnen. Für eine solche Zurechnung seien noch weitere objektive Umstände erforderlich. Im gegenständlichen Fall könne die Erschließung des Grundstückes durch zwei Straßen als weiterer für die Zurechnung zum Grundvermögen sprechender Umstand herangezogen werden. Andererseits sprächen folgende Umstände gegen die Zurechnung zum Grundvermögen:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
-
Eine Parzellierung des Grundstückes sei noch nicht erfolgt.
-
Das Grundstück sei noch nicht erschlossen (keine Anschlüsse für Strom, Wasser, Gas und Kanal).
-
Auf dem Grundstück befinde sich ein Stall und ein Futterlagerraum (diese seien 1994 vergrößert worden).
-
Das Grundstück liege am äußersten Ortsrand der Gemeinde K, eine Nachfrage nach weiteren Bauplätzen sei in diesem Gebiet nicht gegeben, weil ansonsten bereits sämtliche bisher gebildeten Bauplätze (ehemaliges Grundstück 2088) verkauft worden wären.
Die für eine Zurechnung zum Grundvermögen sprechenden Umstände reichten sohin nicht aus, um eine solche Zurechnung aufrecht zu erhalten.
Gegen diesen Bescheid - wie sich dies aus der Formulierung der "Beschwerdepunkte" ergibt aber nur, soweit er den Einheitswert betrifft - richtet sich die vom Finanzamt gemäß § 292 BAO erhobene Beschwerde.


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Der Verwaltungsgerichtshof erwogen:
Gemäß § 51 Abs. 1 BewG gehört zum Grundvermögen der Grund und Boden einschließlich der Bestandteile (insbesondere Gebäude) und des Zubehörs.
Gemäß § 52 Abs. 1 leg. cit. gehört zum Grundvermögen nicht Grundbesitz, der zum land- und forstwirtschaftlichen Vermögen gehört.
Gemäß § 52 Abs. 2 leg. cit. sind land- und forstwirtschaftlich genutzte Grundstücksflächen dem Grundvermögen zuzurechnen, wenn nach ihrer Lage und den sonstigen Verhältnissen, insbesondere mit Rücksicht auf die bestehenden Verwertungsmöglichkeiten, anzunehmen ist, dass sie in absehbarer Zeit anderen als land- und forstwirtschaftlichen Zwecken dienen werden, z.B., wenn sie hiernach als Bauland, Industrieland oder als Land für Verkehrszwecke anzusehen sind.
Die Widmung eines Grundstückes als Bauland rechtfertigt für sich allein noch nicht, ein landwirtschaftlich genutztes Grundstück ohne weiteres dem Grundvermögen zuzurechnen. Ist jedoch auf Grund hinzutretender objektiver Umstände - insbesondere betreffend die örtliche Lage und Aufschließung des Grundstückes, die bauliche Entwicklung in der Umgebung sowie die zum Bewertungsstichtag gegebene und für die Zukunft zu erwartende Marktlage - aus dem Gesamtbild der Verhältnisse anzunehmen, dass das landwirtschaftlich genutzte Grundstück in absehbarer Zeit anderen als land- und forstwirtschaftlichen Zwecken dienen wird, so rechtfertigt dies, ohne dass es dabei auf die Absicht des Grundeigentümers ankommt, die Zuordnung des Grundstückes zum Grundvermögen. Ein aus objektiven Umständen sich ergebender Wahrscheinlichkeitsschluss für eine Verbauung in absehbarer Zeit ist insbesondere bei einer Flächenwidmung als Bauland, bei einer Aufschließung durch Strom, Wasser und Kanal führende öffentliche Straßen und auf Grund der baulichen Entwicklung angrenzender Grundstück gerechtfertigt. Stellen die zu bewertenden Grundstücke Baulücken in einem sonst besiedelten Gebiet dar, so handelt es sich überhaupt um den typischen Anwendungsfall des § 52 Abs. 2 BewG (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 2000/14/0189, mwN).
Das Grundstück der Mitbeteiligten grenzt im Norden an einen Weg, im Osten an die Landesstraße (M-Straße), im Süden an die M-Straße, an deren Südgrenze das mit einem Einfamilienhaus bebaute Grundstück Nr. 1624/1 liegt, und im Westen an zwei der durch die Parzellierung des Grundstückes Nr. 2088 entstandenen elf Grundstücke. Der angefochtene Bescheid trifft die Feststellung, dass von den durch die Parzellierung des Grundstückes Nr. 2088 entstandenen Bauplätzen (im Westen des Grundstückes der Mitbeteiligten) erst fünf an Bauwerber verkauft worden seien. Das Grundstück der Mitbeteiligten weist eine Größe von ca. 2400 m2 auf.
Im angefochtenen Bescheid führt die belangte Behörde aus, für die Wahrscheinlichkeit, dass das Grundstück der Mitbeteiligten in absehbarer Zeit als Bauland verwendet werde, spreche die Widmung als "Bauland-Wohngebiet" und die Erschließung durch zwei Straßen. Dagegen sprächen aber das Unterbleiben einer Parzellierung, das Fehlen der Aufschließung mit Strom, Wasser, Gas und Kanal, die auf dem Grundstück befindlichen landwirtschaftlichen Gebäude (Schafstall und Futtermittelraum) sowie der Umstand, dass eine Nachfrage an weiteren Bauplätzen im betreffenden Gebiet nicht gegeben sei.
In der Beschwerde wird zunächst gerügt, die belangte Behörde sei davon ausgegangen, dass das Grundstück der Mitbeteiligten keine Anschlüsse an Strom, Wasser, Gas und Kanal aufweise. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes seien Grundstücke bereits erschlossen, wenn sie an eine öffentliche Straße angebunden seien, welche Strom, Wasser und Kanal führe. Die belangte Behörde habe im Beschwerdefall nicht beachtet, dass genau diese Anschlüsse bis zum Grundstück der Mitbeteiligten heranführten, zumal sich auf dem südlichen Nachbargrundstück Nr. 1624/1 ein schon 1970 errichtetes Einfamilienhaus befinde.
Diesem Vorbringen hält die belangte Behörde in der Gegenschrift entgegen, dass das Grundstück Nr. 1624/1 nicht unmittelbar an jenes der Mitbeteiligten angrenze, weil zwischen diesen beiden Grundstücken die M-Straße verlaufe; die belangte Behörde räumt aber ein, dass die Landesstraße (D-Straße) Anschlüsse für Strom, Wasser und Kanal bis zum Grundstück 1624/1 führt.
Im Hinblick darauf, dass das Grundstück der Mitbeteiligten und das Grundstück Nr. 1624/1 nach Osten hin an die Landesstraße (D-Straße) grenzen und lediglich durch die vom Westen her kommend in die D-Straße einmündende M-Straße voneinander getrennt sind, ist davon auszugehen, dass sich die Anschlüsse für Strom, Wasser und Kanal in unmittelbarer Nähe des Grundstückes der Mitbeteiligten befinden und die Anbindung an diese nur einer kurzen, über das öffentliche Gut verlaufenden Strecke bedarf. Zu Recht führt das beschwerdeführende Finanzamt aus, dass Verhältnisse dieser Art nicht als Umstände gewertet werden können, welche gegen die Nutzung eines Grundstückes als Bauland in absehbarer Zeit sprechen.
In der Beschwerde wird weiters vorgebracht, das Grundstück der Mitbeteiligten liege am Rand einer als "Bauland-Wohngebiet" gewidmeten Fläche, die belangte Behörde habe angenommen, eine Nachfrage an weiteren Bauplätzen sei in diesem Gebiet nicht gegeben, weil nicht sämtliche der Ende des Jahres 1996 durch Parzellierung des Grundstückes Nr. 2088 gebildeten elf Bauplätze bereits an Bauwerber verkauft worden seien. Nach Ansicht des Beschwerdeführers treffe es nicht zu, dass sämtliche Nachbargrundstücke verkauft seien müssten, bevor ein Anwendungsfall des § 52 Abs. 2 BewG vorliege.
Dem beschwerdeführenden Finanzamt ist zuzustimmen, dass es in keiner Weise gegen die Wahrscheinlichkeit einer in absehbarer Zeit erfolgende Nutzung als Bauland spricht, wenn auf der angrenzenden Grundfläche im Jahre 1996 elf Bauplätze geschaffen worden sind, von denen in der unmittelbaren zeitlichen Folge zwar nicht alle, aber immerhin fünf Bauplätze verkauft werden konnten.
Das Grundstück der Mitbeteiligten ist mit einem Stall für Schafe (den im Verwaltungsakt einliegenden Fotos zufolge ein eingeschossiger Holzstall in Hüttengröße) und einem Futterlagerraum bebaut. Diese Baulichkeiten bringen zwar die bestehende landwirtschaftliche Nutzung zum Ausdruck. Die Anwendung des § 52 Abs. 2 BewG hat aber eine land- oder forstwirtschaftliche Nutzung zum Bewertungsstichtag ohnedies zur tatbestandsmäßigen Voraussetzung (vgl. nochmals das hg. Erkenntnis 2000/14/0189). Eine solche Nutzung spricht nicht gegen die Wahrscheinlichkeit der späteren Verwendung des Grundstückes aus Bauland. Daran ändert auch eine allenfalls im Jahr 1994 erfolgte Vergrößerung der für die Schafzucht verwendeten Baulichkeiten nichts.
Zutreffend zeigt die Beschwerde auch auf, dass bei einem Grundstück im Ausmaß von ca. 2400 m2 das Fehlen einer Parzellierung kein gewichtiges Indiz gegen eine in absehbarer Zeit eintretende Nutzung als Bauland darstellt, zumal außerdem keine Umstände aufgezeigt worden sind, wonach ein solches Grundstück nicht als Ganzes als Bauplatz Verwendung finden kann.
Wie sich aus dem Vorstehenden ergibt, hat die belangte Behörde einerseits ihrer Verpflichtung zur amtswegigen Sachverhaltsermittlung nicht hinreichend entsprochen und andererseits aus den ermittelten Umständen Folgerungen abgeleitet, welche der Schlüssigkeitsprüfung des Verwaltungsgerichtshofes nicht Stand halten und hat damit unter Verletzung von Verfahrensvorschriften die Feststellung getroffen, dass die tatbestandsmäßigen Voraussetzungen des § 52 Abs 2. BewG sachverhaltsbezogen nicht vorlägen. Solcherart ist der angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften belastet.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Wien, am