VwGH vom 31.03.2004, 99/13/0211

VwGH vom 31.03.2004, 99/13/0211

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Hargassner, Mag. Heinzl, Dr. Fuchs und Dr. Büsser als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Seidl LL.M., über die Beschwerde der Dr. P K und Mitbesitzer, Hausgemeinschaft in W, vertreten durch Treuhand-Union Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft m.b.H. in 1010 Wien, Jasomirgottstraße 3, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland (Berufungssenat Ia) vom , Zl. RV/67-15/13/98, betreffend einheitliche und gesonderte Feststellung von Einkünften gemäß § 188 BAO für das Jahr 1996, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.172,88 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die beschwerdeführende Hausgemeinschaft wird durch Dr. P. und Dipl. Ing. R.K. gebildet.

Für das Jahr 1996 wurde in einer Beilage zur Erklärung der Einkünfte von Personengesellschaften ein Überschuss aus Vermietung und Verpachtung von S 67.640,-- ausgewiesen, wovon je 50 % auf die Mitglieder der Beschwerdeführerin entfielen. Zuzüglich "Restmietzinsrücklage 1993 nach Teilauflösung" von S 674.012,-- und S 321.073,-- entfalle auf Dr. K. ein Betrag von S 707.832,-- und auf Dipl. Ing. K. ein Betrag von S 354.893,--. Diese Beträge entsprachen den in den Erklärungen enthaltenen Einkünften aus Vermietung und Verpachtung. In einer weiteren Beilage zur Steuererklärung werden Steuerfreibeträge gemäß § 28 Abs. 5 EStG 1988 (in der Folge nur: steuerfreie Beträge) aus 1994 und 1995 ausgewiesen.

Das Finanzamt setzte die Einkünfte der Beschwerdeführerin erklärungsgemäß fest.

In der dagegen erhobenen Berufung wurde unter Vorlage eines berichtigten Verzeichnisses über die steuerfreien Beträge begehrt, die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung mit S 67.640,-- (somit ohne Berücksichtigung einer Teilauflösung der steuerfreien Beträge aus 1993) festzustellen.

Das Finanzamt wies die Berufung mit Berufungsvorentscheidung ab. Begründend wurde ausgeführt, durch eine selektive Führung des Verzeichnisses gemäß § 28 Abs. 5 Z. 2 EStG könne im Effekt eine vorzeitige Teilauflösung der steuerfreien Beträge herbeigeführt werden. Die Teilauflösung sei in der Form erfolgt, dass der steuerfreie Betrag des Jahres 1993 nicht in das jährlich vorzulegende Verzeichnis aufgenommen worden sei. Im Verzeichnis müssten nicht nur die Bildung, sondern auch die Verwendung dargestellt werden. Im Übrigen sei die erstmalige Bildung und Verzeichnisvorlage nach Abgabe der ersten Steuererklärung nicht zulässig. Nach ständiger Rechtsprechung könne die in einem Verzeichnis einmal vorgenommene Auflösung eines steuerfreien Betrages später nicht mehr rückgängig gemacht werden. In diesem Zusammenhang verwies das Finanzamt auf Quantschnigg/Schuch, Einkommensteuerhandbuch, Tz 49 zu § 9.

Im Antrag auf Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz wurde ausgeführt, die Ansicht des Finanzamtes, dass die Auflösung steuerfreier Beträge nicht mehr rückgängig gemacht werden könne, möge für Rücklagen gelten, welche willkürlich in jedem Jahr aufgelöst werden könnten, nicht jedoch für Mietzinsrücklagen, welche nur gegen die im Gesetz taxativ aufgezählten Aufwendungen gegenverrechnet werden könnten. Sollte das "Verzeichnis der Mietzinsrücklage" falsch geführt oder nicht vorgelegt werden, so habe die Behörde den Steuerpflichtigen aufzufordern, ein richtiges Verzeichnis vorzulegen, widrigenfalls die Bildung der Mietzinsrücklage unzulässig sei. Gegenständlich sei ohne Aufforderung durch die Behörde das Verzeichnis berichtigt worden. Dieses sei daher in der Berufungsentscheidung zu berücksichtigen.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung ab. Begründend führte die belangte Behörde nach Wiedergabe des § 28 Abs. 5 Z. 2 EStG 1988 in der Fassung vor dem Strukturanpassungsgesetz 1996 aus, die Beschwerdeführerin habe unstrittig ein Verzeichnis vorgelegt. Dieses sei jedoch insoweit unvollständig gewesen, als die für das Jahr 1993 gebildete Rücklage mit dem für 1996 aktuellen Stand nicht in das Verzeichnis aufgenommen worden sei. Gleichzeitig habe die Beschwerdeführerin diese Beträge mit der Bezeichnung "Mietzinsrücklage Rest 1993" in ihre Einnahmen-Ausgaben-Rechnung aufgenommen und zusammen mit dem laufenden Gewinn 1996 als Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung erklärt. Damit habe das Finanzamt "in einer jeden vernünftigen Zweifel ausschließenden Weise, also mit Gewissheit davon ausgehen" können, dass die Beschwerdeführerin mit dieser Vorgangsweise im Ergebnis eine vorzeitige "freiwillige" steuerwirksame Auflösung der Mietzinsrücklage ex 1993 habe herbeiführen wollen. "Die mangelnde oder hier unvollständige Darstellung der Mietzinsrücklagen im vorgesehenen Verzeichnis" führe nach herrschender Lehre, Verwaltungspraxis und Judikatur dazu, dass die nicht dargestellten Beträge einkunftserhöhend aufzulösen seien. Da mit der Pflicht zur Vorlage des Verzeichnisses eine spezielle Mitwirkungspflicht des Steuerpflichtigen normiert werde, führe deren Verletzung einerseits zur Versagung des steuerfreien Betrages, andererseits zu dessen vorzeitiger Auflösung. Da die Beschwerdeführerin in ihrer Einnahmen-Ausgaben-Rechnung selbst diese Konsequenz vorweggenommen habe, diese also klar beabsichtigt habe, und andererseits ohnehin ein Verzeichnis mit den Erklärungen vorgelegt worden sei, erscheine es als völlig redundant und zudem unzulässig, wenn das Finanzamt die Beschwerdeführerin unter Setzung einer zweiwöchigen Frist zur Vorlage eines Verzeichnisses aufgefordert hätte, zumal die Unvollständigkeit des vorgelegten Verzeichnisses eindeutig nicht auf einem Irrtum, sondern auf Absicht beruht habe. Damit sei das Finanzamt entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin auch nicht verpflichtet gewesen, sie zur Vorlage eines berichtigten Verzeichnisses aufzufordern. Die nachträgliche Vorlage eines "berichtigten" Verzeichnisses im Berufungsverfahren sei nach Ansicht der belangten Behörde nicht möglich, da ansonsten die gesetzliche Verpflichtung, dieses Verzeichnis mit den Abgabenerklärungen vorzulegen, völlig inhaltsleer und ebenso wie die Nachfrist von zwei Wochen unverständlich wäre. Die Beschwerdeführerin habe sich bereits bei der Abgabe der Erklärungen durch gleichzeitige Vorlage eines entsprechend gestalteten Verzeichnisses festzulegen, ob sie einen steuerfreien Betrag bilden wolle bzw. ob sie diesen weiterhin beibehalten wolle. Die zweiwöchige Frist diene nur dazu, bei Unklarheit, völliger Nichtvorlage und/oder möglichem Irrtum Klarheit zu schaffen, nicht aber dazu, der Beschwerdeführerin die Möglichkeit zu bieten, ihre bereits bei Abgabe der Erklärungen zu fällende und im gegenständlichen Falle unzweifelhaft und eindeutig getroffene Entscheidung hinsichtlich des steuerfreien Betrages zu revidieren.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die dagegen erhobene Beschwerde erwogen:

Gemäß § 28 Abs. 5 EStG 1988 in der Fassung vor dem Strukturanpassungsgesetz 1996, BGBl. Nr. 201/1996, können bei der Vermietung eines Grundstückes (Gebäudes) auf Antrag steuerfreie Beträge gebildet werden. Dabei gelten folgende Bedingungen:


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1.
...
2.
Die steuerfreien Beträge sind in einem mit der Steuererklärung dem Finanzamt vorgelegten besonderen Verzeichnis auszuweisen. Aus diesem Verzeichnis muss die Höhe sämtlicher Beträge, ihre Berechnung und ihre Verwendung klar ersichtlich sein. Wurde ein steuerfreier Betrag gebildet und dieses Verzeichnis nicht mit der Steuererklärung vorgelegt, so hat das Finanzamt eine Nachfrist von zwei Wochen zu setzen.
3. Falls in einem der folgenden neun Jahre Instandsetzungsaufwendungen (Absatz 2) getätigt werden oder ein Verlust entsteht (höhere Werbungskosten als Einnahmen im Sinne der Ziffer 1), so sind die Instandsetzungsaufwendungen und der Verlust mit den für die Vorjahre gebildeten steuerfreien Beträgen, beginnend mit dem ältesten, zu verrechnen.
4. Steuerfreie Beträge (Teile von steuerfreien Beträgen), die nicht bis zum Ende der Neun-Jahresfrist der Z. 3 zu verrechnen waren, sind zu diesem Zeitpunkt einkünfteerhöhend aufzulösen.
Es mag - wie die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid meint - zutreffen, dass die Beschwerdeführerin mit ihrer Vorgangsweise, der Steuererklärung ein hinsichtlich des für 1993 gebildeten steuerfreien Betrages unvollständiges Verzeichnis im Sinne des § 28 Abs. 5 Z. 2 EStG 1988 in der dargestellten Fassung anzuschließen, ursprünglich versucht hat, im Ergebnis eine vorzeitige freiwillige steuerwirksame Auflösung des entsprechenden steuerfreien Betrages herbeizuführen. Dieser Versuch musste aber unabhängig von der Art der Vorgangsweise schon deswegen scheitern, weil die freiwillige Auflösung des steuerfreien Betrages - wie die Beschwerdeführerin in der Beschwerde zutreffend ausführt - nicht zulässig ist (vgl. auch das hg. Erkenntnis vom , Zl. 95/16/0172).
Nicht gefolgt werden kann der belangten Behörde aber insoweit, als sie davon ausgeht, dass die Beschwerdeführerin absichtlich ein unvollständiges Verzeichnis vorgelegt und deswegen keine Verpflichtung für die Behörde bestanden habe, die entsprechende Nachfrist von zwei Wochen zur Beibringung eines vollständigen Verzeichnisses zu setzen. Dem Gesetz kann nämlich nicht entnommen werden, dass für die Vorlage eines entsprechenden Verzeichnisses unter bestimmten Umständen eine Nachfrist nicht zu setzen wäre. Eine Nachfrist ist nach der entsprechenden gesetzlichen Bestimmung vielmehr immer dann zu setzen, wenn aus dem Verzeichnis nicht die Höhe sämtlicher Beträge, ihre Berechnung und ihre Verwendung klar ersichtlich sind.
Zutreffend führt die Beschwerdeführerin im Übrigen aus, dass die Ansicht, durch eine selektive Führung des Verzeichnisses nach § 28 Abs. 5 Z. 2 leg. cit. könne im Effekt eine Teilauflösung der steuerfreien Beträge hinsichtlich einzelner Jahre herbeigeführt werden, im Gesetz keine Deckung findet. Insbesondere kann dem Gesetz nicht entnommen werden, dass für den Fall eines hinsichtlich steuerfreier Beträge einzelner Jahre unvollständigen Verzeichnisses eine gewinnerhöhende Berücksichtigung nur der für die entsprechenden Jahre gebildeten steuerfreien Beträge zu erfolgen habe. Für den Fall eines im Sinne des § 28 Abs. 5 Z. 2 leg. cit. unvollständigen Verzeichnisses sind vielmehr sämtliche steuerfrei gebildeten Beträge aufzulösen (vgl. Kohler, Freiwillige vorzeitige Auflösung zulässig? SWK 1997, Seite 297). Eine solche Nachversteuerung hatte im Beschwerdefall allerdings nicht stattzufinden, da die Beschwerdeführerin - schon vor bzw. ohne Fristsetzung durch die Behörde, also von sich aus - das Verzeichnis entsprechend berichtigt hat.
Da die belangte Behörde aus den oben angeführten Gründen die Rechtslage verkannte, erweist sich der angefochtene Bescheid als inhaltlich rechtswidrig. Er war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. II Nr. 333/2003.
Wien, am