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VwGH vom 19.04.1995, 94/12/0317

VwGH vom 19.04.1995, 94/12/0317

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Germ und Dr. Waldstätten als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Leitner, über die Beschwerde des A in W, vertreten durch Dr. R, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom , Zl. 130.775/6-II/2/94, betreffend Ruhestandsversetzung nach § 14 BDG 1979, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 13.010,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der 1959 geborene Beschwerdeführer steht aufgrund des angefochtenen Bescheides seit als Revierinspektor i.R. in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund. Seine letzte Dienststelle war die Bundespolizeidirektion Wien.

Im Hinblick auf Bedenken an seiner Dienstfähigkeit unterzog sich der Beschwerdeführer über Anordnung der Dienstbehörde im April 1994 einer Untersuchung an der Universiätsklinik für Psychiatrie. In einem Schreiben vom wurden die Ergebnisse der Untersuchung, soweit für das Beschwerdeverfahren erheblich, dahin zusammengefaßt, daß sich im psychopathologischen Status das Bild einer mißtrauisch-dysphorischen Persönlichkeit mit Hinweisen auf Parathymie und herabgesetzter Realitätskontrolle ergeben habe. In der psychologischen Testuntersuchung sei die Konzentration bei ansonsten altersentsprechender psychophysischer Leistungsfähigkeit etwas vermindert gewesen (..). Aufgrund der erhobenen Befunde, insbesondere wegen der Hinweise auf die herabgesetzte Realitätskontrolle, werde aus psychiatrischer Sicht empfohlen - soweit dies von der Dienstbehörde aus möglich sei - den Beschwerdeführer im Dienst vorläufig ohne Waffe zu beschäftigen und in ca. sechs Monaten neuerlich zur Untersuchung zuzuweisen. Dieser Befund diene nur als Unterlage, die vom anfragenden Amtsarzt "zusammen mit den dort vorliegenden Beurteilungsunterlagen verwertet werden wolle".

Der von der Dienstbehörde in weiterer Folge beigezogene Amtssachverständige erstattete am folgendes Gutachten:

"Rev.Insp. A wurde vom Gefertigten polizeiärztlich untersucht.

Bei der Untersuchung ist er extrem dysphorisch, aggressiv und bezüglich der Vorhaltungen - seine Dienstleistung betreffend völlig kritiklos. Weiters sind Verfolgungsideen explorierbar.

Gutachten: Bei Rev.Insp. A handelt es sich um ein Krankheitsbild, das mit Sicherheit dem schizophrenen Formenkreis zuzuordnen ist - auf das Gutachten der Psychiatrischen Universitätsklinik vom wird verwiesen -.

Der Beamte ist dauernd nicht exekutivdienstfähig und sind ihm auch andere Tätigkeiten nicht zumutbar.

Bei einem eventuell noch ausständigen Disziplinarverfahren halte ich ihn für nicht verhandlungsfähig."

Am wurde dem Beschwerdeführer dieses Gutachten vom zur Kenntnis gebracht; gleichzeitig wurde ihm bekanntgegeben, daß unter Zugrundelegung dieses Gutachtens seine Versetzung in den Ruhestand beabsichtigt sei. Der Beschwerdeführer erklärte, "mit diesem Gutachten und mit dem Pensionsverfahren nicht einverstanden" zu sein.

Mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien vom wurde der Beschwerdeführer gemäß § 14 Abs. 1 Z. 1 BDG 1979 mit Ablauf des 31. Oktober in den Ruhestand versetzt. Begründend wurde ausgeführt, die Dienstbehörde sei aufgrund des Gutachtens vom , welches sich auf das Gutachten vom beziehe, zur Ansicht gelangt, daß der Beschwerdeführer wegen seiner körperlichen und geistigen Verfassung bleibend nicht mehr in der Lage sei, die einem Sicherheitswachebeamten zukommenden Aufgaben und Dienstpflichten zu erfüllen. Aufgrund des in den Gutachten beschriebenen Krankheitsbildes sei die dauernde Exekutivdienstunfähigkeit des Beschwerdeführers gegeben. Dies sei ihm am zur Kenntnis gebracht worden. Er habe erklärt, mit den Gutachten und dem Pensionsverfahren nicht einverstanden zu sein, ohne jedoch ein Gegengutachten bzw. andere taugliche Beweismittel vorzulegen.

Dagegen erhob der Beschwerdeführer Berufung, weil die im Bescheid angeführte Begründung unzutreffend sei; er beantragte, den erstinstanzlichen Bescheid aufzuheben.

Mit dem angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde diese Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG keine Folge gegeben und den erstinstanzlichen Bescheid bestätigt. Nach Darstellung der Rechtslage sowie der Anforderungen, denen ein Gutachten zu entsprechen hat, führte die belangte Behörde zusammengefaßt aus, daß ein Exekutivbeamter die Aufgabe habe, unter anderem schnelle Entscheidungen zu treffen und präzise Wiedergaben gemachter Wahrnehmungen durchzuführen. Infolge des festgestellten Krankheitsbildes, das nach dem Gutachten vom mit Sicherheit dem schizophrenen Formenkreis zuzuordnen sei, sei der Beschwerdeführer für die Erfüllung der wesentlichen Tätigkeiten des Berufsanforderungsprofiles eines Sicherheitswachebeamten absolut ungeeignet. Die Berufungsausführungen seien nicht geeignet, die im erstinstanzlichen Bescheid getroffenen Feststellungen und vorgenommenen Beurteilungen zu erschütttern. Die belangte Behörde nehme daher "als erwiesen an", daß der Beschwerdeführer "zur ordnungsgemäßen Dienstversehung dauernd nicht mehr in der Lage" sei.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Der Beschwerdeführer erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid in seinem Recht darauf, nicht ohne Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen nach § 14 Abs. 1 BDG 1979 in den Ruhestand versetzt zu werden, durch unrichtige Anwendung des § 14 leg. cit. sowie der Vorschriften über die Sachverhaltsermittlung, das Parteiengehör und die Bescheidbegründung verletzt.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in einer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Gemäß § 14 Abs. 1 BDG 1979 ist der Beamte von Amts wegen oder auf seinen Antrag in den Ruhestand zu versetzen, wenn er


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1.
dauernd dienstunfähig oder
2.
infolge Krankheit, Unfalls oder Gebrechens ein Jahr vom Dienst abwesend gewesen und dienstunfähig ist.

Nach Abs. 3 leg. cit. ist der Beamte dienstunfähig, wenn er infolge seiner körperlichen oder geistigen Verfassung seine dienstlichen Aufgaben nicht erfüllen und ihm im Wirkungsbereich seiner Dienstbehörde kein mindestens gleichwertiger Arbeitsplatz zugewiesen werden kann, dessen Aufgaben er nach seiner körperlichen und geistigen Verfassung zu erfüllen imstande ist und der ihm mit Rücksicht auf seine persönlichen, familiären und sozialen Verhältnisse billigerweise zugemutet werden kann.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 14 BDG 1979 und auch zu vergleichbaren Rechtsnormen ist unter der bleibenden Unfähigkeit eines Beamten, seine dienstlichen Aufgaben ordnungsgemäß zu versehen, alles zu verstehen, was die Eignung des Beamten, diese Aufgaben zu versehen, dauernd aufhebt. Dazu können nicht nur Gesundheitsstörungen, sondern auch habituelle Charaktereigenschaften und leichtere geistige Störungen gehören, welche eine ordnungsgemäße Führung der ihm übertragenen Geschäfte ausschließen. Dabei ist nicht allein auf die Person des Beamten abzustellen, sondern es sind vielmehr auch die Auswirkungen solcher Störungen oder Eigenschaften auf seine Fähigkeit, die ihm gesetzlich obliegenden Pflichten zu erfüllen, und damit auch die Auswirkungen dieser Störungen und Eigenschaften auf den Amtsbetrieb entscheidend. Eine zum Zeitpunkt der Ruhestandsversetzung bestehende Dienstunfähigkeit ist dann als dauernd zu werten, wenn nach den Beurteilungsgrundlagen im maßgeblichen Zeitraum die Wiedererlangung der Dienstfähigkeit zumindest unwahrscheinlich ist; die bloße Möglichkeit der Wiedererlangung der Dienstfähigkeit genügt nicht (siehe dazu die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 89/12/0143 = Slg. NF 13.343/A, aus jüngerer Zeit etwa vom , Zl. 94/12/0095 oder auch vom 1. Feber 1995, Zl. 92/12/0286, mit weiteren Judikaturhinweisen uva.).

Die belangte Behörde hat zutreffend ausgeführt, daß es Aufgabe des ärztlichen Sachverständigen ist, an der Feststellung des entscheidungswesentlichen Sachverhaltes mitzuwirken, indem er in Anwendung seiner Sachkenntnisse und Erfahrungen - allenfalls unter Zuhilfenahme von Hilfsbefunden, Feststellungen über den Gesundheitszustand des Beamten und die Auswirkungen, die sich aus festgestellten Leiden oder Gebrechen auf die Erfüllung seiner dienstlichen Aufgaben ergeben, trifft, wobei auch eine Prognose über den weiteren Verlauf des Gesundheitszustandes zu treffen ist, um der Dienstbehörde eine Beurteilung der Frage der "dauernden Dienstunfähigkeit" zu ermöglichen. Das ärztliche Sachverständigengutachten muß ausreichend begründet, das heißt aus dem objektiven Befund schlüssig ableitbar sein.

Entgegen der Beurteilung der belangten Behörde wird aber das Gutachten vom diesen Anforderungen nicht gerecht, weil - wie der Beschwerdeführer zutreffend hervorhebt - daraus die Frage des Andauerns der festgestellten Beeinträchtigung insbesondere im Hinblick darauf, daß im Schreiben vom eine neuerliche Untersuchung in sechs Monaten angeraten wurde, was indiziert, daß der beurteilende Arzt eine Änderung des Zustandsbildes für möglich erachtete und damit die Rechtsfrage der "dauernden Dienstunfähigkeit" nicht verläßlich beurteilt werden kann. Ebensowenig kann auch deshalb die Frage beantwortet werden, ob dem Beschwerdeführer im Wirkungsbereich seiner Dienstbehörde ein mindestens gleichwertiger Arbeitsplatz, dessen Aufgabe er nach seiner körperlichen und geistigen Verfassung zu erfüllen imstande ist und der mit Rücksicht auf seine persönlichen, familiären und sozialen Verhältnisse billigerweise zugemutet werden kann, hätte zugewiesen werden können. Darauf ist die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid überhaupt nicht eingegangen, obwohl eine derartige Prüfung von Amts wegen sowohl nach § 8 Abs. 1 DVG als auch nach dem Gebot einer sparsamen und wirtschaftlichen Verwaltungsführung (vgl. Art. 51b und 126 B-VG) angezeigt gewesen wäre.

Schon deshalb war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 1bs. 2 Z. 3 lit. b und c wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben, ohne daß auf die weiteren Ausführungen in der Beschwerde einzugehen wäre.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.