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VwGH vom 27.11.2003, 2003/15/0087

VwGH vom 27.11.2003, 2003/15/0087

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Sulyok und Dr. Zorn als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Reinisch, über die Beschwerde des Kulturzentrums W (gemeinnütziger Verein in Liquidation) in S, vertreten durch Dr. Edmund Kitzler, Rechtsanwalt in 3950 Gmünd, Bahnhofstraße 58, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom , Zl. RV/456-17/13/2002, betreffend Abzugsteuer gemäß § 99 EStG für den Zeitraum 1998 bis 2000, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Der Beschwerdeführer veranstaltete Konzerte und engagierte dabei beschränkt steuerpflichtige Musiker. Im Rahmen einer abgabenbehördlichen Prüfung traf der Prüfer die Feststellung, der Beschwerdeführer habe es zu Unrecht unterlassen, von Künstlerhonoraren in Höhe von insgesamt S 63.500,-- (1998) S 114.000,-- (1999) und S 410.197,-- (2000) gemäß § 99 Abs. 1 EStG Einkommensteuer im Abzugswege einzubehalten und an das Finanzamt abzuführen.

Den Prüfungsfeststellungen folgend erließ das Finanzamt gemäß § 100 Abs. 2 EStG Haftungsbescheide betreffend die Steuerabzugsbeträge im Sinne des § 99 leg. cit. an den Beschwerdeführer.

In der Berufung gegen diese Bescheide begehrte der Beschwerdeführer die "Abstandnahme von der Abzugsbesteuerung aus Vereinfachungsgründen". Wie sich aus einer während der abgabenbehördlichen Prüfung vorgelegten Tabelle ergebe, seien in den meisten Fällen die Grundvoraussetzungen eines Erlasses des Bundesministeriums für Finanzen betreffend die Abstandnahme von der Abzugsbesteuerung aus Vereinfachungsgründen insofern erfüllt, so die Einkünfte pro mitwirkender Person nicht über S 6.000,-- gelegen seien. Außerdem sei in den meisten Fällen die Abzugsteuer entweder im Engagementvertrag oder bei der Honorarlegung vertraglich vom Empfänger bzw. von der Empfängerin übernommen worden.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab. Vereinbarungen zwischen dem Beschwerdeführer und den Künstlern, wonach entweder der Künstler oder der Beschwerdeführer die Abzugsteuer tragen sollten, könnten die gesetzlich normierte Stellung der Künstler als Steuerschuldner und die Stellung des Beschwerdeführers als Haftenden für die Abzugsteuer im Sinne des § 99 EStG nicht ändern. Gesetze seien nicht durch private Vereinbarungen veränderbar. Das Finanzamt habe den Beschwerdeführer zu Recht zur Haftung wegen des unterlassenen Steuerabzuges herangezogen.

Wenn der Beschwerdeführer vorgebracht habe, es ergäben sich nunmehr Schwierigkeiten, im Nachhinein die Formalerfordernisse des Vereinfachungserlasses des Bundesministeriums für Finanzen zu erfüllen, es erscheine aber glaubhaft, dass die "Gruppenangehörigen" in den einzelnen Jahren des Prüfungszeitraumes keine weiteren Konzerte in Österreich bestritten hätten, merke die belangte Behörde an, dass eben - schon, weil die genannten "Formalerfordernisse" nicht erfüllt seien - die Abzugsteuer nicht aus Vereinfachungsgründen entfallen könne.

Ob der Beschwerdeführer als Schuldner der Honorare zur Haftung für die Abzugsteuer herangezogen werde, sei eine Ermessensentscheidung. Gemäß § 20 BAO seien Billigkeit und Zweckmäßigkeit zu berücksichtigen, wobei sich die Ermessensübung vor allem am Zweck der Norm zu orientieren habe. Der Zweck des Steuerabzuges im Sinne des § 99 EStG sei die Sicherung des Steueranspruches der Republik Österreich gegenüber beschränkt Steuerpflichtigen durch die Verpflichtung der inländischen auszahlenden Stelle zum Steuerabzug. Die Erfüllung dieses Zweckes sei ein überragendes Argument für die Heranziehung des Beschwerdeführers im Vergleich zur Unbilligkeit für den Beschwerdeführer, die wegen des vom Beschwerdeführer zu Unrecht unterlassenen Steuerabzuges nur gering sein könne.

Gegen diesen Bescheid wendet sich die Beschwerde. Der Beschwerdeführer erachtet sich im Recht auf "Abstandnahme von der Abzugsbesteuerung aus Vereinfachungsgründen" verletzt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 99 Abs. 1 EStG wird die Einkommensteuer beschränkt Steuerpflichtiger durch Steuerabzug erhoben.

"1. Bei Einkünften aus im Inland ausgeübter oder verwerteter selbständiger Tätigkeit als Schriftsteller, Vortragender, Künstler, Architekt, Sportler, Artist oder Mitwirkender an Unterhaltungsdarbietungen, wobei es gleichgültig ist, an wen die Vergütungen für die genannten Tätigkeiten geleistet werden."

Gemäß § 100 Abs. 2 haftet der Schuldner dieser Einkünfte für die Einbehaltung und Abfuhr der Steuerabzugsbeträge im Sinne des § 99.

Der Beschwerdeführer bringt vor, der Erlass des Bundesministeriums für Finanzen vom sehe vor, dass aus Vereinfachungsgründen von der Abzugsbesteuerung im Sinn des § 99 EStG Abstand genommen werden könne, wenn das Honorar pro Veranstaltung maximal S 6.000,-- betrage und die Einkünfte, die der inländischen Besteuerung unterlägen, im Kalenderjahr den Gesamtbetrag von S 50.000,-- nicht überstiegen. Darüber hinaus würden im genannten Erlass als "Formalerfordernis" eine schriftliche Erklärung, dass die genannte Grenze der Jahreseinkünfte nicht überschritten werde, sowie ein Nachweis über die Identität und Angaben über Wohnort und Adresse des Künstlers gefordert. Die Heranziehung zur Haftung sei eine Ermessensentscheidung. Zweck des Erlasses sei, dass eine Abzugsteuer nicht zu entrichten sei, wenn eine bestimmte Einkunftsgrenze nicht überschritten werde. Die von der belangten Behörde zitierten Formalerfordernisse dienten lediglich der Nachvollziehbarkeit und Überprüfbarkeit der Angaben des jeweiligen Veranstalters. Wenn der Beschwerdeführer in der Lage sei, die inhaltlichen Voraussetzungen, die zu einer Abstandnahme von der Abzugssteuer berechtigten, durch andere Mittel nachzuweisen, und sich daraus ergebe, dass aufgrund der inhaltlichen Kriterien eine Abzugsbesteuerung nicht vorzunehmen gewesen wäre, hätte die belangte Behörde von der Haftung Abstand nehmen müssen. Der Beschwerdeführer habe Recherchen zur Rekonstruktion der Nichterreichung der Veranlagungsgrenze für beschränkt Steuerpflichtige in Gang gesetzt und entsprechende Unterlagen der belangten Behörde laufend vorgelegt. Die belangte Behörde habe diese Unterlagen zu Unrecht nicht berücksichtigt.

Die Frage, ob ein Haftungstatbestand verwirklicht ist, ob also die persönlichen und sachlichen Voraussetzungen der Inanspruchnahme einer persönlichen Haftung erfüllt sind, ist von der Abgabenbehörde in Rechtsgebundenheit zu entscheiden. Die Frage der Geltendmachung der persönlichen Haftung, für welche die tatbestandsmäßigen Voraussetzungen als erfüllt angesehen werden, stellt eine Ermessensentscheidung dar (vgl. Stoll, BAO, Kommentar Wien, 1994, 108 f, sowie die hg. Erkenntnisse vom , 2001/15/0152, und vom , 94/14/0049).

Der Beschwerdeführer bestreitet nicht, dass die Steuerabzugspflicht nach § 99 EStG im Beschwerdefall entstanden ist. Er bekämpft ausschließlich die Ermessensentscheidung der belangten Behörde. Unbestritten ist somit im Beschwerdefall, dass das Gesetz den Beschwerdeführer durch die Norm des § 99 EStG zum Steuerabzug und durch jene des § 101 EStG zur Abfuhr der Abzugsteuer verpflichtet hat.

Der Beschwerdeführer beruft sich auf einen Erlass des Bundesministeriums für Finanzen (offenkundig den in Randziffer 8030 EStR 2002 erwähnten Erlass vom , AÖF 111/1999). Auch wenn dem Beschwerdeführer durch derartige Erlässe nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2002/14/0139) keine subjektiven Rechte eingeräumt werden, vertritt der Verwaltungsgerichtshof die Auffassung, dass im Rahmen der Ermessensübung eine erlassmäßige Regelung mitzuberücksichtigen ist, wenn es der Steuerpflichtige im Vertrauen auf die Erlasslage unterlassen hat, von den ausbezahlten Honoraren Steuer abzuziehen und an das Finanzamt abzuführen. Der genannte Erlass sieht unter Punkt 3 ("Abstandnahme von der Abzugsbesteuerung aus Vereinfachungsgründen") vor, dass unter bestimmten Voraussetzungen von der Einbehaltung der Abzugsteuer Abstand genommen werden kann, wenn voraussichtlich im Falle einer nachträglichen Antragsveranlagung gemäß § 102 Abs. 1 Z. 3 EStG keine Steuer anfallen wird. Unter den Voraussetzungen ist angeführt:

"b) Jeder beschränkt Steuerpflichtige erklärt schriftlich gegenüber dem inländischen Veranstalter, dass seine Einkünfte, die der inländischen Besteuerung unterliegen, im Kalenderjahr den Gesamtbetrag von S 50.000,-- nicht übersteigen werden. Ist der beschränkte Steuerpflichtige eine juristische Person, muss erklärt werden, dass nach Berücksichtigung der als Betriebsausgaben abzugsfähigen Aufwendungen kein körperschaftssteuerpflichtiges Einkommen in Österreich erzielt wird.

c) Der Veranstalter nimmt die Erklärung jedes beschränkt Steuerpflichtigen sowie einen Nachweis über seine Identität (z.B. Kopie aus dem Reisepass) und Angaben über Wohnort und Adresse zu den Unterlagen."

Im gegenständlichen Fall ist unbestritten, dass die dargestellten (vom Beschwerdeführer als "Formalerfordernisse" bezeichneten), im Erlass angeführten Voraussetzungen der schriftlichen Erklärung jedes beschränkt Steuerpflichtigen und der darauf bezogenen Aufbewahrungspflicht des Veranstalters nicht erfüllt sind. Dem genannten Erlass zufolge liegt sohin kein Grund für eine Abstandnahme von der Abzugsbesteuerung vor. Der Beschwerdeführer führt keinen Grund dafür an, dass das Unterbleiben des vom Gesetz vorgeschriebenen Steuerabzuges im Beschwerdefall nicht auf sein Verschulden zurückzuführen ist. Solcherart zeigt die Beschwerde nicht auf, dass die belangte Behörde von dem ihr eingeräumten Ermessen nicht innerhalb der vom Gesetz gezogenen Grenzen Gebrauch gemacht hätte. Bei Ermessenentscheidungen beschränkt sich die Überprüfung durch den Verwaltungsgerichtshof darauf, ob mit der Ermessensübung die vom Gesetzgeber gesteckten Grenzen überschritten sind oder nicht (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , 2002/14/0082).

Ob sich bei der Veranlagung der beschränkt steuerpflichtigen Künstler nach § 102 Abs. 1 Z. 3 EStG ergeben wird, dass (für einen großen Teil der Künstler) wegen der geringen Höhe ihrer Einkünfte keine Steuervorschreibung zu erfolgen hat, ist im gegebenen Zusammenhang nicht von Relevanz. Beim Steuerabzug für die einzelne Honorarauszahlung an den beschränkt Steuerpflichtigen stellt das Gesetz nicht auf eine bestimmte Höhe des ausgezahlten Betrages ab, weil der Haftungspflichtige idR nicht in der Lage ist, die im laufenden Jahr vom beschränkt Steuerpflichtigen in Österreich erzielten Einkünfte zu ermitteln, geschweige denn die Höhe der im laufenden Jahr künftig noch anfallenden Einkünfte vorauszusehen. Solcherart brauchte die belangte Behörde auch im Rahmen ihrer Ermessensübung nicht auf diesen Umstand Bedacht nehmen. Dass die belangte Behörde auf die vom Beschwerdeführer dem Beschwerdevorbringen zufolge hiezu im Verwaltungsverfahren vorgelegten Unterlagen im angefochtenen Bescheid nicht eingegangen ist, stellt daher keine relevante Verletzung von Verfahrensvorschriften (Verletzung der Begründungspflicht des Bescheides) dar.

Da sohin bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen lässt, dass die vom Beschwerdeführer behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung konnte in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat getroffen werden.

Wien, am