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VwGH vom 24.09.2003, 99/13/0107

VwGH vom 24.09.2003, 99/13/0107

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Hargassner, Mag. Heinzl, Dr. Fuchs und Dr. Büsser als Richter, im Beisein der Schriftführerin MMag. Ginthör, über die Beschwerde des L in W, vertreten durch Dr. Otto Ackerl, Rechtsanwalt in 1210 Wien, Brünner Straße 37/5, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland (Berufungssenat II) vom , Zl. RV/8-15/12/99, betreffend Einkommensteuer 1996, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von 381,90 EUR binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer erklärte in seiner Einkommensteuererklärung für 1996 Einkünfte von S 724.101,-- und beantragte die Besteuerung mit dem Hälftesteuersatz, weil der Betrieb wegen Erwerbsunfähigkeit verkauft worden sei.

Bei der Veranlagung des Beschwerdeführers zur Einkommensteuer wurde der begünstigte Steuersatz nicht gewährt, weil trotz Vorhaltes der Nachweis einer vollständigen (hundertprozentigen) Minderung der Erwerbsfähigkeit nicht erbracht worden sei.

In einer dagegen eingebrachten Berufung vertrat der Beschwerdeführer die Ansicht, dass nach § 37 Abs. 5 EStG der Hälftesteuersatz u.a. zu gewähren sei, wenn "der Steuerpflichtige erwerbsunfähig" sei. Ein Erfordernis einer hundertprozentigen Minderung der Erwerbsfähigkeit werde nicht gefordert. Der Beschwerdeführer legte eine Bestätigung der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft vor, wonach er laufend Anspruch auf eine vorzeitige Alterspension wegen dauernder Erwerbsunfähigkeit im gesetzlichen Ausmaß habe.

Mit Berufungsentscheidung vom wurde die Berufung abgewiesen. Wie bei Gesprächen mit dem Hauptverband der Sozialversicherungsträger festgestellt worden sei, gebe es zwei Arten der Erwerbsunfähigkeitspension: Einerseits die Erwerbsunfähigkeitspension, die unabhängig vom Alter des Versicherten gewährt werde, wenn dieser auf Dauer außerstande sei, irgendeinem Erwerb nachzugehen, und andererseits die vorzeitige Alterspension wegen Erwerbsunfähigkeit nach § 131 lit. c Abs. 1 Z 3 GSVG, welche Männern ab dem 57. Lebensjahr gewährt werde, wenn der Versicherte auf Dauer gesehen außerstande sei, die in den letzten 60 Monaten ausgeübte Tätigkeit weiter auszuüben. Die diesbezügliche Überprüfung finde durch einen Arzt der Sozialversicherung der gewerblichen Wirtschaft statt. Dem Beschwerdeführer werde eine solche Pension gewährt. Dies bedeute aber nichts anderes, als dass er nicht mehr imstande sei, seinen Beruf auszuüben. Damit sei klar ersichtlich, dass keine hundertprozentige Erwerbsminderung vorliege.

Mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , 98/13/0104, wurde diese Berufungsentscheidung wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes aufgehoben. Der Begriff der Erwerbsunfähigkeit muss für den Bereich des Steuerrechts schon zur Vermeidung einer unterschiedlichen steuerlichen Behandlung der Abgabepflichtigen je nach ihrem Alter einheitlich verstanden werden. Aus dem Gesamtzusammenhang der Bestimmung des § 37 Abs. 5 EStG 1998 in der Fassung des Strukturanpassungsgesetzes 1996 (und des § 24 Abs. 6 leg. cit.) kann in diesem Sinn für den Bereich des Steuerrechts nur eine Person als erwerbsunfähig verstanden werden, die keine Erwerbstätigkeit mehr ausüben kann. Der belangten Behörde ist daher im Ergebnis zwar zuzustimmen, dass die Zuerkennung der vorzeitigen Alterspension wegen Erwerbsunfähigkeit gemäß § 131c Abs. 1 Z 3 GSVG kein entscheidendes Kriterium für die Bejahung der im § 37 Abs. 5 leg. cit. normierten Begünstigung darstellt, weil dem Versicherten nach dieser gesetzlichen Bestimmung ein Anspruch auf die entsprechende Pension zusteht, wenn er eine bestimmte - kurz gesagt, die in letzter Zeit ausgeübte - Erwerbstätigkeit nicht mehr ausüben kann. Allerdings ist der Umstand, dass (nur) diese Pension zuerkannt wurde, auch kein entscheidendes Kriterium gegen die Bejahung der vom Beschwerdeführer beantragten Begünstigung, weil damit nur zum Ausdruck gebracht wird, dass die sozialversicherungsrechtlichen Voraussetzungen (jedenfalls) für diese Pension erfüllt waren. Zur Beantwortung der Frage, ob allenfalls eine darüber hinausgehende Unfähigkeit, eine Erwerbstätigkeit auszuüben, vorliegt, trägt der Umstand, dass "nur" eine Alterspension wegen dauernder Erwerbsunfähigkeit zuerkannt worden war, nichts bei. Die aus der Zuerkennung der entsprechenden Alterspension abgeleitete Folgerung der belangten Behörde, dass damit "klar ersichtlich ist, dass keine 100 %-ige Erwerbsminderung vorliegt", ist daher verfehlt. Die belangte Behörde hat daher in Verkennung der Rechtslage keine Feststellungen getroffen, die eine abschließende Beurteilung der allein entscheidenden Frage ermöglicht, ob der Beschwerdeführer im Zeitpunkt der Betriebsveräußerung in seiner Erwerbsfähigkeit so weit gemindert war, dass er keine Erwerbstätigkeit mehr ausüben konnte (und deswegen der Betrieb veräußert wurde).

Im fortgesetzten Verfahren ersuchte die belangte Behörde den Beschwerdeführer unter Hinweis auf die im Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes zum Ausdruck gebrachte Rechtsansicht um Vorlage von ärztlichen Gutachten, aus denen seine Erwerbsunfähigkeit hervorgehe, und überdies um Zustimmung zur Einsichtnahme in die "amtsärztlichen" Gutachten bei der Sozialversicherung, welche der Beschwerdeführer in der Folge erteilte.

Mit gesonderter Eingabe beantragte der Beschwerdeführer für die neuerliche Behandlung der Berufung eine mündliche Verhandlung. Darüber hinaus teilte er mit, dass über das Vermögen des Unternehmenserwerbers ein Insolvenzverfahren eröffnet und dieses mit einem Zwangsausgleich abgeschlossen worden sei. Es werde daher unabhängig von anderen Rechtsfragen beantragt, den Verkaufserlös lediglich mit S 328.000,-- zu veranlagen, unter Berücksichtigung des (im Jahr 1996 erzielten) laufenden Verlustes von S 75.899,-- und des Freibetrages von S 100.000,-- somit S 152.101,-- "der normalen Besteuerung" zu unterziehen. Unterlagen über eine allfällige (100 %ige) Minderung der Erwerbsfähigkeit legte er nicht vor.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung nach Einsichtnahme in den Sozialversicherungsakt abermals ab. Der Beschwerdeführer habe keine Befunde vorlegen können, die den "amtsärztlichen" Befund (der Sozialversicherungsanstalt), der nur eine eingeschränkte Erwerbsunfähigkeit statuiere (der Beschwerdeführer könne danach überwiegend leichte und mittelschwere, jedoch keine schweren Tätigkeiten ausüben, weitere Einschränkungen bestünden hinsichtlich des Hebens und Tragens - nur 15 bis 25 kg - und der Arbeit unter Kälte-, Nässe- und Hitzeeinwirkung, dem Beschwerdeführer sei keine Arbeit im Fabriksmilieu zumutbar), widerlegten. Es sei daher nach Ansicht der belangten Behörde erwiesen, dass der Beschwerdeführer nicht zur Gänze erwerbsunfähig gewesen sei und damit die Voraussetzungen für die Anwendung des begünstigten Steuersatzes nicht erfüllt seien.

Hinsichtlich des Begehrens, den Umstand zu berücksichtigen, dass der Beschwerdeführer nur einen Teil des Kaufpreises erhalten habe, wies die belangte Behörde darauf hin, dass Veräußerungsgewinn der Betrag sei, um den der Veräußerungspreis nach Abzug der Veräußerungskosten den Wert des Betriebsvermögens übersteige. Er entstehe im Zeitpunkt der Veräußerung des Betriebes. Für die Bewertung seien grundsätzlich die Verhältnisse am Bilanzstichtag maßgebend und nicht etwa die Verhältnisse am Tag der Aufstellung der Bilanz. Bereits am Bilanzstichtag eingetretene oder zu erwartende Ereignisse, die dem Steuerpflichtigen nach dem Bilanzstichtag, aber vor der Bilanzerstellung bekannt würden, müssten zu Folge dieser erlangten besseren Einsicht berücksichtigt werden, sofern die betreffenden, eine Wertveränderung verursachenden Umstände am Bilanzstichtag bereits vorgelegen seien. Wolle man davon ausgehen, dass das "Vorbringen des Beschwerdeführers den Tatsachen entspreche", käme man zu der Annahme, dass er den Betrieb an einen Käufer habe veräußern wollen, von dem er gewusst hätte, dass dieser nur einen Bruchteil des begehrten Kaufpreises zahlen werde. Dies sei jedoch nach den Erfahrungen des täglichen Lebens zu verneinen. Forderungsausfälle seien nachträgliche negative Einkünfte.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die dagegen erhobene Beschwerde erwogen:

An die im Vorerkenntnis 98/13/0104 geäußerte Ansicht, aus dem Gesamtzusammenhang der Bestimmung des § 37 Abs. 5 EStG 1988 in der Fassung des Strukturanpassungsgesetzes 1996 (und des § 24 Abs. 6 leg. cit.) kann in diesem Sinn für den Bereich des Steuerrechts nur eine Person als erwerbsunfähig verstanden werden, die keine Erwerbstätigkeit mehr ausüben kann, ist der Verwaltungsgerichtshof gemäß § 63 Abs. 1 VwGG selbst gebunden. Die Beschwerde ist damit, soweit sie hinsichtlich der Frage des begünstigten Steuersatzes erhoben wurde, schon im Hinblick auf diese Bindungswirkung unbegründet, zumal der Beschwerdeführer nicht behauptet, im fortgesetzten Verfahren dargetan zu haben, dass eine 100 %ige Minderung seiner Erwerbsfähigkeit vorgelegen wäre.

Aber auch das Beschwerdevorbringen, die belangte Behörde habe es unterlassen, über den in der mündlichen Berufungsverhandlung gestellten Antrag auf Zustimmung zu einer Bilanzänderung abzusprechen, ist verfehlt. Unter einer Bilanzänderung ist der Ersatz eines an sich zulässigen Bilanzansatzes durch einen anderen gleichfalls zulässigen Ansatz zu verstehen. Zutreffend hat die belangte Behörde aber darauf hingewiesen, dass bei Ermittlung des gegenständlichen Veräußerungsgewinnes kein Bilanzierungswahlrecht besteht. Gemäß § 24 Abs. 2 EStG 1988 ist Veräußerungsgewinn im Sinne des Abs. 1 der Betrag, um den der Veräußerungserlös nach Abzug der Veräußerungskosten den Wert des Betriebsvermögens (oder den Wert des Anteiles am Betriebsvermögen) übersteigt. Dieser Gewinn ist für den Zeitpunkt der Veräußerung zu ermitteln. Eine sich allenfalls später herausstellende (teilweise) Uneinbringlichkeit des Veräußerungspreises kann (als nachträgliche Betriebsausgabe) erst für den Zeitraum geltend gemacht werden, in welchem sie eintritt. Auf das hg. Erkenntnis vom , 93/13/0186, stützt sich der Beschwerdeführer schon deshalb zu Unrecht, weil darin lediglich auf die Grundsätze des Bilanzsteuerrechtes im Zusammenhang mit - im vorliegenden Beschwerdefall nicht gegebenen - Bilanzierungswahlrechten eingegangen worden war.

Da sich die Beschwerde somit insgesamt als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am