VwGH vom 28.02.1996, 94/12/0157
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Knell und die Hofräte Dr. Germ, Dr. Höß, Dr. Riedinger und Dr. Waldstätten als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Leitner, über die Beschwerde des M in W, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Wissenschaft und Forschung vom , Zl. 56.033/1-I/7a/94, betreffend Studienbeihilfe, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.120,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Der Beschwerdeführer nahm im Wintersemester 1991/92 sein Studium an der Wirtschaftsuniversität Wien auf und inskribierte in diesem Semester die Studienrichtung Volkswirtschaft. Im Sommersemester 1992 war er wegen Berufstätigkeit nicht inskribiert. Im Wintersemester 1992/93 inskribierte er die Studienrichtung Betriebswirtschaft und beantragte am erstmals die Gewährung von Studienbeihilfe.
Mit Bescheid vom wurde sein Antrag auf Gewährung von Studienbeihilfe mangels Nachweises eines günstigen Studienerfolges aus dem vorhergehenden Studium (Volkswirtschaftslehre) nach § 17 Abs. 1 StudFG abgewiesen.
In seiner dagegen erhobenen Vorstellung brachte der Beschwerdeführer vor, er sei im Wintersemester 1992/93, in dem er den Antrag auf Studienbeihilfe gestellt habe, erst im zweiten Semester inskribiert gewesen, weil er nach dem ersten Semester wegen Berufstätigkeit habe exmatrikulieren müssen. Sein Studienerfolg sei daher erst im dritten Semester fortlaufender Zählung nachzuweisen.
Dieser Vorstellung wurde vom Senat der Studienbeihilfenbehörde für Studierende an der Wirtschaftsuniversität Wien in der Sitzung vom vorerst stattgegeben.
Nach entsprechender Weisung der belangten Behörde vom wurde die Vorstellung aber mit Bescheid vom abgewiesen und der Bescheid erster Instanz bestätigt. Zur Begründung wurde ausgeführt, § 20 Abs. 1 Z. 2 StudFG sehe vor, daß der Nachweis eines günstigen Studienerfolges nach den ersten beiden Semestern ab Studienbeginn durch Zeugnisse über erfolgreich abzulegende Lehrveranstaltungen und Prüfungen zu erbringen sei. Durch die Einfügung der Wortfolge "ab Studienbeginn" sei die Absicht des Gesetzgebers verdeutlicht, daß für die Verpflichtung, einen Studienerfolg nachzuweisen, nicht die Zahl der inskribierten Semester maßgeblich sei, sondern der objektive Ablauf von zwei Semestern, gezählt ab dem Studienbeginn. Dabei sei es unerheblich, ob das objektiv zweite Semester tatsächlich inskribiert worden sei oder nicht. Es ergebe sich nämlich aus der Wortfolge "ab Studienbeginn", daß auf eine objektive Zählung der Semester und nicht auf eine subjektive Zählung der inskribierten Semester abzustellen sei.
Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer mit Datum Berufung mit der Begründung, daß er im Wintersemester 1992/93 erst im zweiten (- anrechenbaren -) Semester inskribiert bzw. immatrikuliert gewesen sei. Er habe im Wintersemester 1991/92 keinen Antrag auf "Studienunterstützung" gestellt. Wegen Berufstätigkeit habe er im Februar 1992 exmatrikulieren müssen, woraus folge, daß er im Sommersemester 1992 gar keine Möglichkeit gehabt habe, auch nur eine einzige Prüfung abzulegen. Im September 1992 habe er erneut, jetzt aber Betriebswirtschaftslehre, immatrikuliert bzw. inskribiert. In seinem ersten Semester Betriebswirtschaftslehre könne er den Nachweis eines günstigen Studienerfolges erbringen.
Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung gemäß §§ 6 Z. 3 und 20 Abs. 1 Z. 2 StudFG nicht statt. Zur Begründung wurde in rechtlicher Hinsicht ausgeführt, der Nachweis des günstigen Studienerfolges nach § 20 Abs. 1 Z. 2 StudFG sei durch abgelegte Prüfungen nach den ersten beiden Semestern AB STUDIENBEGINN (so im angefochtenen Bescheid) zu erbringen. Durch diese Formulierung, welche eine Zählung der Semester ab Studienbeginn vornehme und damit nicht auf die tatsächlich inskribierten Semester abstelle, werde deutlich gemacht, daß für den erstmaligen Nachweis eines Studienerfolges nicht die Zahl der inskribierten Semester maßgeblich sei, sondern der objektive Ablauf von zwei Semestern, gerechnet ab dem Studienbeginn. Ein Hinweis auf die Richtigkeit dieser Auslegung ergebe sich aus den Erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage zum StudFG 1992. Da für den Anspruch auf Studienbeihilfe die objektive Zählung der Semester ab Studienbeginn und nicht die subjektive Zählung der inskribierten Semester maßgeblich sei, sei der Beschwerdeführer im Wintersemester 1992/93, dem dritten Semester nach seinem Studienbeginn, gemäß § 20 Abs. 1 Z. 2 StudFG verpflichtet, den Nachweis eines Studienerfolges seinem Antrag auf Studienbeihilfe beizuschließen. Da er diesen Studienerfolg unbestritten nicht habe erbringen können, habe die Studienbeihilfenbehörde, Stipendienstelle Wien, den Antrag des Beschwerdeführers abgewiesen und der Senat der Studienbeihilfenbehörde diese Entscheidung zu Recht bestätigt.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit der kostenpflichtige Aufhebung wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes begehrt wird.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verfahrens vorgelegt, eine Gegenschrift erstattet und kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Im Beschwerdefall findet das StudFG 1992, BGBl. Nr. 305, Anwendung.
Voraussetzung für die Gewährung einer Studienbeihilfe ist unter anderem nach § 6 Z. 3 (Paragraphenzitate ohne Angabe der Rechtsquellen beziehen sich auf das StudFG 1992), daß der Studierende einen günstigen Studienerfolg nachweist (§§ 16 bis 25).
§ 20 Abs. 1 lautet:
"(1) An Universitäten ist der Nachweis eines günstigen Studienerfolges zu erbringen:
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1. | in den ersten beiden Semestern ab Studienbeginn durch die Aufnahme als ordentlicher Hörer; | |||||||||
2. | nach den ersten beiden Semestern ab Studienbeginn und nach den ersten beiden Semestern jeder Studienrichtung durch Zeugnisse über erfolgreich absolvierte Lehrveranstaltungen und Prüfungen, die in den Studienvorschriften vorgesehen sind, in einem der Studienzeit entsprechenden Ausmaß; der Nachweis des günstigen Studienerfolges ist auch schon vor Abschluß des zweiten Semesters einer Studienrichtung möglich; | |||||||||
3. | nach jedem Studienabschnitt durch die Ablegung der jeweiligen Diplomprüfung oder des jeweiligen Rigorosums." |
Da der Studiennachweis nach § 20 Abs. 1 Z. 2 (insofern vergleichbar mit der früheren Rechtslage nach § 8 Abs. 1 lit. b StudFG 1983) unter Bezugnahme auf die Studienvorschriften nach den ersten beiden Semestern den Nachweis erfolgreich absolvierter Lehrveranstaltungen und Prüfungen vorsieht und das Allgemeine Hochschul-Studiengesetz (AHStG) in seinem § 27 Abs. 1 und 2 die Zulassung zu Prüfungen grundsätzlich von der Inskription der Lehrveranstaltungen bzw. der vorgeschriebenen Semester abhängig macht, ist auf Grund des systematischen Zusammenhanges zwischen den beiden genannten Rechtsvorschriften (ungeachtet des Umstandes, daß eine ausdrückliche Regelung im Studienförderungsgesetz 1992 fehlt) davon auszugehen, daß § 20 Abs. 1 Z. 2 auf inskribierte Semester abstellt.
Daran hat auch die erst im StudFG 1992 enthaltene Wendung "ab Studienbeginn" nichts geändert, der auch ein bloß verdeutlichender Sinn zukommen kann. Keinesfalls sind daraus die von der belangten Behörde gezogenen Schlüsse zwingend zu ziehen. Im übrigen sprechen auch die EB zur RV zu § 20 (473 Blg. Sten.Prot. NR 18. GP, Seite 33 linke Spalte) für die Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichtshofes ("Die Bestimmung entspricht § 8 StudFG 1983. Wie bisher ist nach den ersten beiden Semestern jedes Studiums (jeder Studienrichtung) ein bestimmter, durch eine entsprechende Verordnung festgelegter Studienerfolg zu erbringen. ..."). Dies umsomehr, als § 8 StudFG 1983 (ungeachtet des auch damaligen Fehlens eines ausdrücklichen Hinweises auf die Inskription) in diesem Sinn ausgelegt wurde (vgl. dazu grundlegend das hg. Erkenntnis vom , Zl. 94/12/0057, mit weiteren Judikaturhinweisen).
Dies bedeutet freilich nicht, daß allein der Unterlassung der Inskription (aus welchem Grund auch immer) jedenfalls Bedeutung für § 20 zukommt. Vielmehr sind auch in diesem Zusammenhang in Verbindung mit dem Zweck des § 20 mangels einer abweichenden Regelung im StudFG 1992 die studienrechtlichen Bestimmungen maßgebend.
Im Beschwerdefall ist § 8 Abs. 2 AHStG von Bedeutung. Danach ist eine Behinderung auf Grund gesetzlicher Vorschriften oder aus wichtigen Gründen (§ 6 Abs. 5 lit. b letzter Satz AHStG) der Beurlaubung gleichzuhalten.
Nach § 6 Abs. 5 lit. b letzter Satz AHStG gelten als wichtige Gründe solche, die geeignet waren, den Studierenden an der gehörigen Fortsetzung des Studiums zu hindern. In der Aufzählung solcher Gründe im zweiten Halbsatz der genannten Regelung ist die Berufstätigkeit genannt. Die im Beschwerdefall geltend gemachte studienrechtliche Behinderung wirkt sich demnach - entgegen der Auffassung der belangten Behörde - auch auf die Semesterzählung nach § 20 Abs. 1 Z. 1 und 2 aus.
Daran ändert auch nichts der Hinweis der belangten Behörde in ihrer Gegenschrift auf die Erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage zu § 48 Abs. 1 StudFG; dies schon deshalb, weil § 48 den Nachweis zum Ausschluß der Rückzahlungsverpflichtung für die in den ersten beiden Semestern des Studiums bezogene Studienbeihilfe regelt und sich daher vom Regelungsgegenstand des § 20 Abs. 1 Z. 2 grundlegend unterscheidet.
Aus diesen Gründen war der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Der Kostenzuspruch gründet sich im Rahmen des Begehrens auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Pauschalierungsverordnung BGBl. Nr. 416/1994. Das Mehrbegehren an Stempelgebühren war im Hinblick auf die Gebührenbefreiung nach § 72 StudFG bzw. die Gewährung der Verfahrenshilfe abzuweisen.