VwGH vom 24.04.1997, 97/06/0075
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte
Dr. Waldstätten und Dr. Köhler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. König, über die Beschwerde der Marktgemeinde Krieglach, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in K, gegen den Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom , Zl. 03-12.10 K 31-97/2, betreffend Aufhebung einer Berufungsentscheidung in einer Bausache (mitbeteiligte Partei: X in L, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in Y), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Aus der Beschwerde und dem mit ihr vorgelegten angefochtenen Bescheid ergibt sich folgender Sachverhalt:
Der Mitbeteiligte suchte mit Schriftsatz vom um die Erteilung einer Widmungsbewilligung für die Errichtung einer Holzknecht- und Gerätehütte auf einem Grundstück im Gemeindegebiet der beschwerdeführenden Marktgemeinde an. Das Ansuchen des Mitbeteiligten wurde abgewiesen, eine vom Mitbeteiligten erhobene Berufung wurde mit Bescheid des Gemeinderates vom ebenfalls abgewiesen. Aufgrund der Vorstellung des Mitbeteiligten wurde dieser Bescheid des Gemeinderates der beschwerdeführenden Marktgemeinde von der belangten Behörde (im ersten Rechtsgang) mit der Begründung behoben, daß der Bescheid nicht ausreichend begründet worden sei und sich der Gemeinderat zumindest mit dem Vorbringen der Unschlüssigkeit des dem Bescheid zugrundeliegenden Gutachtens der Agrarbezirksbehörde hätte auseinandersetzen müssen.
Nach Einholung weiterer Gutachten wurde mit Bescheid des Gemeinderats der beschwerdeführenden Gemeinde vom die Berufung neuerlich abgewiesen und dem Mitbeteiligten der Ersatz der "Barauslagen für den amtlichen Sachverständigen" in der Höhe von S 18.000,- vorgeschrieben. Aufgrund der Vorstellung des Mitbeteiligten wurde auch dieser Bescheid (im zweiten Rechtsgang) mit Bescheid der belangten Behörde vom aufgehoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an die beschwerdeführende Marktgemeinde verwiesen. Die Aufhebung wurde damit begründet, daß der Gemeinderat der beschwerdeführenden Marktgemeinde sich auf ein Gutachten gestützt hätte, das die Frage der Erforderlichkeit eines Bauwerkes im Rahmen eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebes nicht ausreichend im Sinne des § 25 Abs. 3 Z 1 lit. b Stmk ROG geprüft habe. Darüber hinaus habe sich die im Bescheid enthaltene Kostenvorschreibung in der Höhe von S 18.000,-- als rechtswidrig erwiesen, da Barauslagen für den beigezogenen Berater der beschwerdeführenden Marktgemeinde nach der Verfahrenslage nicht als notwendige Kosten anzusehen seien.
Mit Bescheid vom wies der Gemeinderat der beschwerdeführenden Marktgemeinde (im dritten Rechtsgang) die Berufung des Mitbeteiligten neuerlich ab und schrieb wieder Barauslagen für den amtlichen Sachverständigen in der Höhe von S 18.000,-- vor. In der Begründung des Bescheides wird eingehend dargelegt, aus welchen Gründen sich der Gemeinderat dem im zweiten Rechtsgang eingeholten Gutachten des Amtes der Steiermärkischen Landesregierung, Rechtsabteilung 8, angeschlossen habe und die Errichtung des beantragten Gebäudes als nicht erforderlich im Sinne des § 25 Stmk ROG angesehen werde. Der Gemeinderat sei der einhelligen Meinung gewesen, "daß der Bescheid vom hinsichtlich Ablehnung der Widmungsbewilligung ausführlich begründet war und hat es dem obersten Gemeindeorgan freizubleiben, welchem Gutachten es folgt, sofern dies ausreichend begründet ist". Der Wille des Gemeinderates sei im zitierten Bescheid vom ausführlich dargelegt und einwandfrei ersichtlich gewesen. Es sei daher wie im Spruche auf der Basis des Bescheides vom zu entscheiden gewesen.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid hob die belangte Behörde aufgrund der neuerlichen Vorstellung des Mitbeteiligten den Bescheid des Gemeinderates der beschwerdeführenden Gemeinde vom auf. Begründend führt die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid aus, daß Rechtsmeinungen der Aufsichtsbehörde, die in einem aufhebenden Vorstellungsbescheid ausgedrückt seien und den aufhebenden Spruch dieses Bescheides tragen, bindende Wirkung zukomme. Diese Bindung erstrecke sich auf alle beteiligten Parteien und Behörden einschließlich der Aufsichtsbehörde selbst; werde der betreffende Bescheid nicht mittels Beschwerde bekämpft, so binde die den aufhebenden Spruch tragende Rechtsmeinung auch den Verwaltungsgerichtshof, worauf sich auch das Recht der Parteien gründe, im fortgesetzten Verfahren die Beachtung der Bindung in diesem Umfang durchzusetzen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der unter dem Gesichtspunkt der Rechtswidrigkeit des Inhaltes insbesondere ausgeführt wird, daß es keine Rechtsfrage sei, wenn ein für den Gemeinderat durchaus schlüssiges und nachvollziehbares Gutachten für die "Oberbehörde angeblich nicht ausreichend begründet" sei. Es wird auf einzelne Punkte in einzelnen Gutachten, die im zweiten Rechtsgang eingeholt worden waren, eingegangen und festgehalten, daß die Frage, ob eine feste Betriebshütte für den Forstbetrieb notwendig und erforderlich sei, keine Rechtssondern eine Tatsachenfrage sei, welche nur aufgrund geeigneter Gutachten bzw. aufgrund der Lebenserfahrung und mit einem gewissen Hausverstand zu lösen sei. Nach umfangreichen Ausführungen zum Verfahrensablauf und zu möglichen weiteren Begründungen für die Abweisung des Antrages des Mitbeteiligten wird abschließend ausgeführt:
"Die Grenzen der Bindungswirkung aufsichtsbehördlicher Bescheide erstreckt sich ausschließlich auf die die Aufhebung tragende Rechtsansicht der Gemeindeaufsichtsbehörde. Die Frage einer Gutachtensbewertung ist keine Frage einer tragenden Rechtsansicht."
Unter dem Gesichtspunkt der Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften wird ausgeführt, daß sich die Gemeindeaufsichtsbehörde im Vorstellungsverfahren auf die Ermessenskontrolle zu beschränken hätte. Die Aufsichtsbehörde dürfe jedoch nicht selbst Ermessen üben. Sofern die zweitinstanzliche Behörde (gemeint: die Aufsichtsbehörde) neuerlich die vorliegenden Gutachten releviert habe und dabei durchblicken habe lassen, daß eigentlich zu erkennen gewesen wäre, daß der Bau dieser "Holzknechtshütte" für den Konsenswerber erforderlich wäre, übe sie nicht Ermessenskontrolle aus, sondern versuche selbst, Ermessen zu üben.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Wie sich auch aus der Darstellung in der Beschwerde ergibt, wurde der Bescheid des Gemeinderates vom von der belangten Behörde mit Bescheid vom (im zweiten Rechtsgang) deshalb aufgehoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an die beschwerdeführende Marktgemeinde verwiesen, weil sich der Gemeinderat der mitbeteiligten Marktgemeinde auf ein Gutachten gestützt hatte, das die Frage der Erforderlichkeit eines Bauwerkes im Rahmen eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebes nicht ausreichend im Sinne des § 25 Abs. 3 Z 1 lit. b ROG geprüft habe. Dieser Bescheid blieb unbekämpft. Die Ausführungen in der vorliegenden Beschwerde legen ebenfalls insbesondere dar, weshalb der Gemeinderat der beschwerdeführenden Gemeinde der Auffassung sei, daß die Rechtsauffassung der belangten Behörde in der Vorstellungsentscheidung im zweiten Rechtsgang unzutreffend gewesen sei, und weshalb sich der Gemeinderat dem im zweiten Rechtsgang eingeholten Gutachten angeschlossen habe. Darüber hinaus wird bestritten, daß der Gemeinderat der beschwerdeführenden Marktgemeinde bei der neuerlichen Entscheidung in der Sache an die Rechtsansicht der belangten Behörde zur Ungeeignetheit des eingeholten Gutachtens gebunden gewesen sei. Die beschwerdeführende Gemeinde vertritt dazu die Auffassung, daß "die Frage der Gutachtensbewertung ... keine Frage einer tragenden Rechtsansicht" sei.
Dieses Vorbringen ist nicht geeignet, der Beschwerde zum Erfolg zu verhelfen.
Die Beschwerdeführerin irrt, wenn sie behauptet, daß die Rechtsansicht der Vorstellungsbehörde, aufgrund derer sie zur Ansicht kommt, daß ein Verfahrensmangel des gemeindebehördlichen Verfahrens vorliege (hier: daß sich die Gemeindebehörde auf ein ungenügendes Gutachten gestützt habe), der eine Verletzung von Rechten des Vorstellungswerbers bedeute, keine Rechtsansicht sei, die im Sinne der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes die Gemeindebehörden (und in weiterer Folge die Aufsichtsbehörde und auch den Verwaltungsgerichtshof) in der Sache bindet, soferne die Vorstellungsentscheidung, die ausgehend von dieser Rechtsansicht ergangen ist, nicht mit Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof bekämpft wurde.
Es kann der belangten Behörde im Gegenteil nicht entgegengetreten werden, wenn sie im Sinne der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes davon ausgegangen ist, daß die dargestellte Rechtsauffassung der tragende Grund für die Aufhebung des Bescheides vom war. Ungeachtet der Frage, ob die Begründung der belangten Behörde im Vorstellungsbescheid im zweiten Rechtsgang zutreffend war, entfalten die tragende Gründe dieses Bescheides für das weitere Verfahren Bindungswirkung. Diese Bindungswirkung hätte die beschwerdeführende Marktgemeinde nur durch Bekämpfung der Vorstellungsentscheidung im zweiten Rechtsgang ausschließen können. Die nunmehrigen Beschwerdeausführungen richten sich ausschließlich gegen die dem Bescheid vom zugrunde liegende Rechtsansicht. Die beschwerdeführende Gemeinde verkennt, daß sie diese Argumentation in einer Beschwerde gegen diesen Bescheid vom vortragen hätte müssen, um den Eintritt der von der belangten Behörde zutreffend angenommenen Bindungswirkung zu verhindern.
Im Hinblick auf diese Bindungswirkung ist es dem Verwaltungsgerichtshof verwehrt, näher auf die Beschwerdeausführungen im Zusammenhang mit der Schlüssigkeit der im zweiten Rechtsgang eingeholten Gutachten einzugehen und die Begründung des Gemeinderates im Bescheid vom sowie des Vorstellungsbescheides der belangten Behörde betreffend diesen Bescheid einer Beurteilung zu unterziehen. Aufgrund des aufhebenden Vorstellungsbescheides war vielmehr der Gemeinderat der beschwerdeführenden Gemeinde nicht berechtigt, ohne entsprechende Ergänzung des Verfahrens zur Frage der Erforderlichkeit des beantragten Projekts für einen land- und forstwirtschaftlichen Betrieb den Antrag neuerlich abzuweisen. Die Abweisung allein auf der Grundlage des von der belangten Behörde als unzureichend qualifizierten Gutachtens war daher rechtswidrig.
Das Beschwerdevorbringen ist somit nicht geeignet, eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufzuzeigen.
Da dies bereits aus dem Inhalt der Beschwerde ersichtlich ist, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung abzuweisen.
Fundstelle(n):
GAAAE-60011