VwGH vom 18.03.1994, 94/12/0034

VwGH vom 18.03.1994, 94/12/0034

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Höß und Dr. Riedinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Kommissär Mag. Unterer, über die Beschwerde des J in P, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in O, gegen den Bescheid des Bundesministers für Landesverteidigung vom , Zl. 404.986/7-2.2/93, betreffend Zurückweisung eines Antrages auf Zuerkennung des Anspruches auf Nebentätigkeitsvergütung wegen entschiedener Sache, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Auf Grund der Beschwerde und des vorgelegten angefochtenen Bescheides geht der Verwaltungsgerichtshof von folgendem Sachverhalt aus:

Der Beschwerdeführer steht als Oberst in Ruhe in einem öffentlich-rechtlichen Pensionsverhältnis zum Bund.

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom stellte die belangte Behörde - in teilweiser Bestätigung des erstinstanzlichen Bescheides des Korpskommandos I vom - fest, daß die vom Beschwerdeführer in der Zeit vom bis erbrachten Tätigkeiten (Doppelverwendungen) als Nebentätigkeit zu werten seien; gleichzeitig bestätigte sie jedoch die von der Dienstbehörde erster Instanz getroffene Feststellung, daß dem Beschwerdeführer "eine Nebentätigkeitsvergütung für Ihre Doppelverwendungen gemäß § 25 Gehaltsgesetz 1956, BGBl. Nr. 54, in der Fassung der 35. Gehaltsgesetz-Novelle, BGBl. Nr. 561/1979, im Zusammenhalt mit § 13b leg. cit. (GG 1956) nicht gebührt." Die belangte Behörde begründete die Abweisung eines Vergütungsanspruches im wesentlichen damit, der Beschwerdeführer habe für die als Nebentätigkeit gewertete Doppelverwendung den Anspruch auf Vergütung im Sinne des § 25 GG 1956 erst mit Schreiben vom - und damit nach Verstreichen der Dreijahresfrist nach § 13b GG 1956 - geltend gemacht.

Dieser letztinstanzliche Bescheid ist mit seiner Zustellung am in Rechtskraft erwachsen. Er wurde vom Beschwerdeführer nicht mit Beschwerde bei den Gerichtshöfen des öffentlichen Rechts bekämpft.

Mit Schreiben vom stellte der Beschwerdeführer (neuerlich) einen Antrag auf Zuerkennung des Anspruches auf Nebentätigkeitsvergütung gemäß § 25 GG 1956 für die im Bescheid vom festgestellten Nebentätigkeiten.

Mit Bescheid vom wies das Korpskommando I diesen Antrag gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurück.

In seiner Berufung machte der Beschwerdeführer - im wesentlichen unter Hinweis auf die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes - geltend, er habe seinerzeit keinen Antrag auf Zuerkennung des Anspruches auf Nebentätigkeitsvergütung gestellt, weshalb die Verjährungsfrist nach § 13b GG 1956 nicht in Gang gesetzt worden sei.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom wies die belangte Behörde diese Berufung "gemäß § 66 Abs. 4 iVm § 68 Abs. 1 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 (AVG), BGBl. Nr. 51, wegen entschiedener Sache" zurück. Nach Darstellung der oben wiedergegebenen Sachlage und Wiedergabe des § 68 Abs. 1 AVG führte die belangte Behörde aus, die Rechtskraft des Bescheides vom richte sich auch gegen die Oberbehörde, sodaß eine Sachentscheidung entsprechend dem Antrag des Beschwerdeführers auf Grund der Identität des Sachverhaltes (zu der mit Bescheid vom entschiedenen Angelegenheit) unzulässig sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinem Recht auf Anspruch der Zuerkennung der Vergütung für die (im Bescheid vom festgestellte) Nebentätigkeit infolge unrichtiger Anwendung der Verjährungsbestimmung des § 13b GG 1956 verletzt.

Nach § 1 Abs. 1 des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984, BGBl. Nr. 29, ist auf das Verfahren in Angelegenheiten des öffentlich-rechtlichen Dienst-, Ruhe- oder Versorgungsverhältnisses zum Bund, den Ländern, Gemeinden und Gemeindeverbänden das Allgemeine Verwaltungsverfahrensgesetz mit bestimmten - im Beschwerdefall nicht zur Anwendung kommenden - Abweichungen anzuwenden.

Gemäß § 68 Abs. 1 AVG sind Anbringen von Beteiligten, die außer den Fällen der §§ 69 und 71 die Abänderung eines der Berufung nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides begehren, wenn die Behörde nicht den Anlaß zu einer Verfügung gemäß den Abs. 2 und 4 findet, wegen entschiedener Sache zurückzuweisen.

Aus dieser Bestimmung folgt, daß Ansuchen, die offenbar die Aufrollung einer bereits rechtskräftig entschiedenen Sache bezwecken, auch dann wegen rechtskräftig entschiedener Sache zurückzuweisen sind, wenn das Begehren nicht ausdrücklich auf Aufrollung der entschiedenen Sache lautet. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist Voraussetzung für die Zurückweisung wegen "entschiedener Sache" im Sinne des § 68 Abs. 1 AVG die tatsächliche Identität der Sache. Haben sich seit der Erlassung des rechtskräftigen Bescheides wesentliche Änderungen im Sachverhalt ergeben, so liegt keine Identität der Sache vor (vgl. beispielsweise das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 90/09/0162, und die dort weiters angegebene Rechtsprechung).

Gegenstand der aus der formellen Rechtskraft folgenden materiellen Rechtskraft ist nur der im Bescheid enthaltene Abspruch über die verwaltungsrechtliche Angelegenheit, und zwar auf Grund der Sachlage, wie sie in dem von der Behörde angenommenen maßgebenden Sachverhalt zum Ausdruck kommt, und der Rechtslage, auf die sich die Behörde gestützt hat.

Die Rechtskraft eines seinerzeit ergangenen Bescheides steht der meritorischen Entscheidung über einen neuerlichen Antrag daher nur dann nicht entgegen und berechtigt die Behörde nicht zur Zurückweisung des Antrages, wenn in dem für die Entscheidung maßgeblichen Sachverhalt eine Änderung eingetreten ist. Dabei kann nur eine solche Änderung des Sachverhaltes die Behörde zu einer neuen Sachentscheidung berechtigen und verpflichten, die für sich allein oder in Verbindung mit anderen Tatsachen den Schluß zuläßt, daß nunmehr eine andere rechtliche Beurteilung des Antrages nicht von vornherein als ausgeschlossen gelten kann (vgl. u.a. die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 82/09/0150, und vom , Zl. 84/09/0080).

Auch rechtswidrige Bescheide, die in Rechtskraft erwachsen, sind verbindlich (vgl. Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 2300/77, sowie das Erkenntnis vom , Zl. 92/12/0149).

Im vorliegenden Verfahren ist Verfahrensgegenstand ausschließlich die Prüfung der Frage, ob die belangte Behörde zutreffend davon ausgehen durfte, daß über den mit Antrag des Beschwerdeführers vom geltend gemachten Anspruch auf Vergütung einer Nebentätigkeit bereits zu einem früheren Zeitpunkt eine in Rechtskraft erwachsene (negative) Sachentscheidung getroffen worden war, die mangels einer in der Zwischenzeit eingetretenen Änderung der Sach- und/oder Rechtslage einer neuerlichen Sachentscheidung entgegenstand.

Eine maßgebende Änderung des Sachverhaltes, die in der Zeit zwischen dem Bescheid der belangten Behörde vom und dem Antrag des Beschwerdeführers vom eingetreten wäre, liegt auf Grund der Angaben des Beschwerdeführers nicht vor und wurde von ihm selbst nicht einmal behauptet. Der Beschwerdeführer geht vielmehr im Ergebnis davon aus, daß der rechtskräftige Bescheid der belangten Behörde vom rechtlich verfehlt war. Da jedoch - wie oben näher dargelegt - auch rechtswidrigen Bescheiden, die in Rechtskraft erwachsen sind, Verbindlichkeit zukommt, die belangte Behörde nach dem Vorbringen des Beschwerdeführers in ihrem Bescheid vom negativ über denselben Anspruch abgesprochen hat, den er nunmehr neuerlich in seinem Antrag vom geltend gemacht hat, kommt seinem Vorbringen schon deshalb keine Berechtigung zu, da auch keine maßgebliche Änderung der Rechtslage in der Zwischenzeit eingetreten ist.

Soweit der Beschwerdeführer geltend macht, es lägen die Voraussetzungen nach § 68 Abs. 4 Z. 2 AVG vor, weshalb keine Zurückweisung wegen entschiedener Sache hätte erfolgen dürfen, ist auf § 68 Abs. 7 AVG zu verweisen: Gemäß dem ersten Satz dieser Bestimmung steht auf die Ausübung des der Behörde gemäß den Abs. 2 bis 4 zustehenden Abänderungs- und Behebungsrechtes niemandem ein Anspruch zu. Dies gilt auch für den Anwendungsbereich des DVG, da § 13 DVG in dieser Beziehung nichts Abweichendes im Sinne des § 1 Abs. 1 leg. cit. anordnet. Dem Beschwerdeführer steht demnach kein Recht auf Prüfung und Abänderung eines in Rechtskraft erwachsenen Bescheides nach § 68 Abs. 4 AVG zu (vgl. z.B. den Beschluß des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 92/09/0218). Die Nichtausübung der Befugnisse nach § 68 Abs. 4 AVG ist vollständig der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle (d.h. auch hinsichtlich der Gründe, warum die Behörden nicht von der ihnen eingeräumten Möglichkeit der Nichtigerklärung Gebrauch machen) entzogen. Im übrigen ist auch der dem Art. 18 Abs. 1 B-VG zu entnehmende Rechtssatz von der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung nicht im Sinne der Festlegung eines subjektiv-öffentlichen Rechtes auf gesetzmäßige Führung der Verwaltung zu verstehen (vgl. dazu den Beschluß des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 91/09/0173 mit weiteren Verweisen).

Da die Beschwerde bereits nach ihrem Inhalt erkennen läßt, daß die vom Beschwerdeführer behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war sie gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.