VwGH vom 31.05.2006, 2003/13/0139
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak und die Hofräte Dr. Hargassner, Dr. Fuchs, Dr. Büsser und Dr. Mairinger als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Keidel LL.M., über die Beschwerde der A AG in W, vertreten durch die Exinger GmbH, Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft in 1010 Wien, Friedrichstraße 10, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Wien, vom , GZ. RV/0635-W/03, betreffend Nachforderung von Lohnsteuer, Dienstgeberbeiträgen zum Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen samt Zuschlag für den Zeitraum bis , zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die beschwerdeführende Partei hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die A-GmbH, Rechtsvorgängerin der beschwerdeführenden Aktiengesellschaft, leistete ihrem Geschäftsführer Mag. T. aus Anlass der einvernehmlichen Auflösung des Dienstverhältnisses per eine Zahlung in Höhe von 2,092.704 S, welche sie steuerlich als Pensionsabfindung im Sinne des § 67 Abs. 8 lit. b EStG 1988 in der geltenden Fassung behandelte. Um die Gesetzmäßigkeit dieser steuerlichen Behandlung der an den ausgeschiedenen Dienstnehmer geleisteten Zahlung geht der vorliegende Streit.
Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid wurde die Abfindung der Bestimmung des § 67 Abs. 6 EStG 1988 und nicht jener des § 67 Abs. 8 lit. b leg.cit. subsumiert und die Beschwerdeführerin zur Haftung für den Nachforderungsbetrag an Lohnsteuer herangezogen. Sachverhaltsbezogen wird im angefochtenen Bescheid zunächst ausgeführt, die A-GmbH habe mit Mag. T. in Pkt. 10 des Geschäftsführer-Dienstvertrages von sowie in den §§ 1 und 6 der Versorgungszusage vom folgende Pensionsvereinbarung getroffen:
"(Punkt 10) (des Geschäftsführer-Dienstvertrages) Die Pensionsansprüche des Geschäftsführers gegenüber der Dienstgeberin unterliegen einer gesonderten vertraglichen Regelung, die somit einen integrierenden Bestandteil dieses Vertrages darstellt. Die Pensionsvereinbarung ist ab dem Zeitpunkt ihrer Unterfertigung wirksam. Sollte diese Beendigung dieses Geschäftsführerdienstvertrages nicht wegen Übertritt in den Ruhestand erfolgen, wird der Pensionsvertrag dann, wenn diese Vertragsbeendigung mit einer Abfertigung gemäß Pkt. 8 diese Vertrages verbunden ist, gesondert abgelöst. Als Ablösesumme gilt das zu diesem Zeitpunkt gültige volle Rückstellungserfordernis nach versicherungsmathematischer Berechnung. Diese Ablöse wird neben einer dem Geschäftsführer gemäß Pkt. 8 zustehenden Abfertigung bezahlt.
(§ 1) (der Versorgungszusage) Wenn Sie in den Diensten unserer Firma das 60. Lebensjahr vollenden und zu diesem Zeitpunkt oder danach in den Ruhestand treten, gewähren wir Ihnen einen Ruhebezug nach Maßgabe des § 4.
(§ 6) (der Versorgungszusage) Wird das Dienstverhältnis vor Erreichen des 60. Lebensjahren aus anderen Gründen als durch den Eintritt der dauernden Invalidität (Berufsunfähigkeit) oder Ihrem Tod beendet, erlischt diese Versorgungszusage. Wird das Ausscheiden durch Gründe bedingt, die nicht in Ihrer Person liegen, so können Ihnen nach unserem Ermessen die für Ihre Versorgung angesammelten Mittel voll oder teilweise überlassen werden."
Der am geborene Geschäftsführer sei zum Zeitpunkt der Beendigung des Dienstverhältnisses im 44. Lebensjahr gestanden. Einen Anspruch auf monatliche Rente habe der Geschäftsführer nach den wiedergegebenen Vereinbarungen nur unter der Voraussetzung gehabt, dass er in den Diensten der Beschwerdeführerin das 60. Lebensjahr vollenden und zu diesem Zeitpunkt oder einen späteren Zeitpunkt in den Ruhestand treten werde. Mit der vorzeitigen Beendigung des Dienstverhältnisses sei nach § 6 der Versorgungszusage der Rentenanspruch erloschen und die Zahlung daher nicht in Abgeltung eines auf Rente lautenden Anspruches geleistet worden.
Da nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes von einer begünstigt zu besteuernden Pensionsabfindung nur gesprochen werden könne, wenn ein bereits entstandener, auf Rente lautender Anspruch abgegolten werde, stehe der Hälftesteuersatz des § 67 Abs. 8 lit. b EStG 1988 nicht zu und sei die Haftungsinanspruchnahme der Beschwerdeführerin zu Recht erfolgt. Dem stehe weder die Bestimmung des § 117 BAO entgegen, noch komme es darauf an, ob der Beschwerdeführerin (ihrer Rechtsvorgängerin) ein Verschulden an der unrichtigen Einbehaltung und Abfuhr der Lohnsteuer anzulasten sei.
Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:
Gemäß § 67 Abs. 8 lit. b EStG 1988 in der im Beschwerdefall anzuwendenden Fassung, BGBl. Nr. 201/1996, sind zu versteuern
"mit der Hälfte des Steuersatzes, der sich bei gleichmäßiger Verteilung des Bezugs auf die Monate des Kalenderjahres als Lohnzahlungszeitraum ergibt, Zahlungen für Pensionsabfindungen, soweit sie nicht nach Abs. 6 mit dem Steuersatz des Abs. 1 zu versteuern sind".
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes liegen Pensionsabfindungen im Sinne des § 67 Abs. 8 lit. b leg.cit. nur dann vor, wenn die zu Grunde liegende Vereinbarung die Abgeltung eines - auf Renten lautenden - bereits entstandenen Anspruches zum Inhalt hat, während die Abgeltung einer bloßen Pensionsanwartschaft nicht unter den in Rede stehenden Tatbestand fällt (siehe die hg. Erkenntnisse vom , 2001/13/0228, vom , 2000/15/0090, vom , 2002/14/0131, vom , 2001/15/0165, vom , 2001/14/0130, vom , 98/14/0176, sowie das schon im angefochtenen Bescheid zitierte hg. Erkenntnis vom , 2001/15/0190). Er hat dies u.a. damit begründet, dass das Einkommensteuergesetz 1988 etwa in § 9 Abs. 1 Z 2 zwischen "Pensionen" und "Anwartschaften" auf Pensionen unterscheide und dass § 67 Abs. 8 lit. b EStG 1988 auf die Abfindung von Pensionen, nicht auf die Abfindung von Anwartschaften abstelle.
Zusätzlich setzt die Steuerbegünstigung des § 67 Abs. 8 lit. b EStG 1988 nach der Rechtsprechung voraus, dass die Pensionsabfindung nach oder in Zusammenhang mit der Beendigung des Dienstverhältnisses gezahlt wird, sodass ein "potenzieller Versorgungsfall" vorliegt (vgl. mit weiteren Nachweisen das schon angeführte hg. Erkenntnis vom ).
Die Erfüllung der letztgenannten Voraussetzung steht im Beschwerdefall außer Streit. Die belangte Behörde begründete die Versagung des Hälftesteuersatzes damit, dass Mag. T. die Voraussetzung für die zugesagte betriebliche Versorgungsrente nicht erfüllt habe, weil er vor Erreichen des 60. Lebensjahres aus den Diensten der A-GmbH ausgeschieden sei.
Dem hält die Beschwerde entgegen, dass sich der konkrete Anspruch auf Pensionsabfindung aus Pkt. 10 des Geschäftsführer-Dienstvertrages ergebe. Diese Regelung habe auch der Bestimmung des § 7 Abs. 1 Z 2 des Betriebspensionsgesetzes (BPG) entsprochen, wonach Anwartschaften aus einer direkten Leistungszusage nach fünf Jahren unverfallbar würden. Mag. T. habe daher trotz früherer Auflösung des Arbeitsverhältnisses einen Pensionsanspruch gehabt, dessen Abfindung gemäß § 67 Abs. 8 lit. b EStG 1988 mit dem ermäßigten Steuersatz zu erfassen sei.
Diesem Vorbringen gelingt es nicht, eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufzuzeigen. Wie eingangs ausgeführt, ist nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zwischen der Abfindung eines bereits entstandenen Anspruches und der Abgeltung einer Pensionsanwartschaft zu unterscheiden, weil letztere nicht von der Steuerbegünstigung umfasst wird. Dass Mag. T. bei Beendigung des Dienstverhältnisses einen Anspruch auf laufenden Pensionsbezug - vergleichbar jenem Beschwerdefall, der dem hg. Erkenntnis vom , 2001/15/0165, zu Grunde lag -
hatte und lediglich die Fälligkeit erst bei Erreichen der Altersgrenze eingetreten wäre, behauptet die Beschwerdeführerin vor dem Hintergrund der getroffenen, im angefochtenen Bescheid wiedergegebenen Vereinbarungen zu Recht nicht. Das Beschwerdevorbringen zeigt damit lediglich auf, dass die Abfindung erworbener Pensionsanwartschaften im Falle der vorzeitigen Beendigung des Dienstverhältnisses schon im Geschäftsführer-Dienstvertrag vereinbart worden ist, nicht jedoch, dass die Voraussetzungen, die für einen Pensionsanspruch vereinbart waren, erfüllt gewesen wären. Im Übrigen spricht auch das von der Beschwerdeführerin für ihren Rechtsstandpunkt ins Treffen geführte BPG ausdrücklich von "erworbenen Anwartschaften", die bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses unverfallbar würden und deren Abfindung (allenfalls) verlangt werden könne.
Da somit kein Fall vorliegt, in welchem bereits entstandene Ansprüche auf laufende Pensionszahlung abgefunden worden sind, kann der belangten Behörde nicht mit Erfolg entgegen getreten werden, wenn sie zur Ansicht gelangt ist, dass die Tatbestandsvoraussetzungen des § 67 Abs. 8 lit. b EStG 1988 in der im Beschwerdefall anzuwendenden Fassung nicht erfüllt sind.
Für diesen Fall rügt die Beschwerdeführerin, dass ihre Haftung dennoch zu Unrecht in Anspruch genommen worden sei, weil sie "neue Judikatur" oder eine geänderte Verwaltungspraxis (der Prüfer habe den Fall aufgegriffen, weil die Finanzverwaltung erstmals in den Lohnsteuerrichtlinien 1999 verlangt habe, dass zwischen dem Zeitpunkt der Pensionszusage und dem Zeitpunkt der Abfindung ein mindestens siebenjähriger "Ansparzeitraum" liegen müsse) nicht habe voraussehen können und ihr daher keine Sorgfaltsverletzung vorgeworfen werden könne.
Die Geltendmachung der Haftung gemäß § 82 EStG 1988 setzt - worauf im angefochtenen Bescheid zu Recht hingewiesen wird - kein Verschulden des Arbeitgebers an der Lohnsteuerfehlberechnung voraus (vgl. etwa auch Doralt, EStG4, § 82 Tz. 8). Auch ergibt sich aus einer allgemeinen Verwaltungspraxis keine Bindung der Abgabenbehörde bei der Geltendmachung der Lohnsteuerhaftung (vgl. das schon angeführte hg. Erkenntnis vom ). Dass die Beschwerdeführerin (bzw. ihre Rechtsvorgängerin) von der durch § 90 EStG 1988 eingeräumten Möglichkeit, eine Lohnsteuerauskunft einzuholen, Gebrauch gemacht hätte und die Besteuerung der strittigen Abfindung dieser Auskunft entsprechend gemäß § 67 Abs. 8 lit. b EStG 1988 erfolgt wäre, behauptet die Beschwerdeführerin auch im vorliegenden Fall nicht. Soweit sich die Beschwerde auf eine "verfassungskonforme Interpretation des § 117 BAO" stützt, nach der das darin statuierte "Verböserungsverbot" auch bei Vorliegen einer allgemeinen Verwaltungspraxis greifen müsse, genügt der Hinweis, dass der Verfassungsgerichtshof die besagte Bestimmung mit Erkenntnis vom , G 95/04, als verfassungswidrig aufgehoben hat. Nach dem Ausspruch des Verfassungsgerichtshofes ist die Bestimmung - somit auch vom Verwaltungsgerichtshof - nicht mehr anzuwenden.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. II Nr. 333/2003.
Wien, am