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VwGH vom 19.04.1993, 91/10/0257

VwGH vom 19.04.1993, 91/10/0257

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kirschner und die Hofräte Dr. Puck, Dr. Waldner, Dr. Novak und Dr. Bumberger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Klebel, über die Beschwerde des Mag. G in K, vertr durch Dr. M, RA in D, gegen den Bescheid des BM für Gesundheit, Sport und Konsumentenschutz vom , Zl. 262.181/2-II/A/4/91, betr die Konzession zur Errichtung und zum Betrieb einer neuen (dritten) öffentlichen Apotheke in K (mP: Mag. P in K, vertreten durch Dr. V, RA in W), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund (Bundesminister für Gesundheit, Sport und Konsumentenschutz) hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.480,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid vom erteilte der Landeshauptmann von Tirol dem Mitbeteiligten gemäß den §§ 3, 9, 10, 11, 46 und 51 des Apothekengesetzes, RGBl. Nr. 5/1907 idF BGBl. Nr. 362/1990 (im folgenden: ApG), die Konzession zur Errichtung und zum Betrieb einer neuen (dritten) öffentlichen Apotheke in K mit der in Aussicht genommenen Betriebsstätte A-Straße und einem näher umschriebenen Standort.

Der Beschwerdeführer erhob Berufung, in der er im wesentlichen vorbrachte, die Berechnung der Zahl der von der neuen Apotheke zu versorgenden Personen sei durch die Aktenlage nicht gedeckt und nicht nachvollziehbar.

Mit Bescheid vom wies die belangte Behörde diese Berufung als unbegründet ab. In der Begründung dieses Bescheides wird hinsichtlich der von der neuen Apotheke zu versorgenden Personen ausgeführt, im Standort der geplanten Apotheke seien 3.997 Personen wohnhaft. Da die in dieser Zahl enthaltenen Zweitwohnungsbesitzer nur zum Teil dem Versorgungspotential zuzurechnen seien, ergebe sich eine absolute Zahl von 3.872 Einwohnern. Auch bei den im Stadtteil Z wohnhaften 3.200 Personen sei ein Teil der Zweitwohnungsbesitzer (100 Personen) abzuziehen, sodaß 3.100 von den Apotheken in K zu versorgende Bewohner des Stadtteiles Z verblieben. Der erstinstanzlichen Behörde sei insoferne beizupflichten, als diejenigen Personen, die mit dem Pkw von Z aus ins Zentrum führen, nunmehr von der Apotheke des Mitbeteiligten absorbiert würden, nachdem sie vorher auf Grund der verkehrstechnisch günstigeren Lage der Oberen Stadtapotheke von dieser versorgt worden seien. Die Zurechnung von 1.000 Personen aus Z zum Versorgungspotential der neuen Apotheke finde nach Ansicht der belangten Behörde unter anderem dadurch ihre Rechtfertigung, daß in unmittelbarer Nähe der neuen Apotheke ein Parkplatz für ca. 90 Fahrzeuge errichtet werde (die K-Innenstadt sei für weitere Erledigungen von der B-Straße-C-Straße aus durchaus leicht zu Fuß zu erreichen) und daß sich 100 m vom Haus A-Straße eine Haltestelle des Städtischen Busverkehrs befinde, welcher von Z aus über die I-Brücke, die E-Straße und F-Straße in die A-Straße mündend geführt werde.

Da durch Zählung der primär heranzuziehenden ständigen Einwohner von ca. 4.872 für die neue Apotheke nicht das Mindestversorgungspotential erreicht werde, seien weitere bedarfsbegründende Umstände gemäß § 10 Abs. 5 ApG zu berücksichtigen. Im Standort befinde sich ein durch mehrere größere Betriebe gekennzeichnetes Gewerbegebiet, das jedenfalls dem Versorgungspotential der neuen Apotheke zuzurechnen sei und welches mit Sicherheit einen Großteil der in die Gemeinde K einpendelnden 3.763 Personen aufsaugen werde (Schreiben der Abt. Ic/Landesplanung des Amtes der Tiroler Landesregierung vom ). Nach Ansicht der belangten Behörde seien daher ca. 1.000 Personen als Einpendler in den Standortbereich in Anschlag zu bringen.

Auspendler seien als ständige Einwohner jedenfalls primär zum Versorgungspotential zu rechnen und nicht in Abzug zu bringen. Eine Aufrechnung der Einpendler nach K mit den aus K auspendelnden Personen erscheine im vorliegenden Fall auf Grund der räumlichen Gegebenheiten als nicht den tatsächlichen Verhältnissen entsprechend, weil "nicht logischerweise angenommen werden" könne, daß die aus kleinen Ortschaften im Umfeld K in die Stadt einpendelnden Personen in ihrer Heimatgemeinde durch aus K auspendelnde, in K wohnhafte Personen ersetzt würden. Es sei vielmehr anzunehmen, daß die in K wohnhaften Personen - soferne sie nicht dort auch beschäftigt seien - in den umliegenden größeren Städten wie z.B. D arbeiteten. Die 3.763 Einpendler seien daher zur Gänze als bedarfsbegründende Faktoren gemäß § 10 Abs. 5 ApG bei der "positiven" wie auch bei der "negativen" Bedarfsermittlung heranzuziehen. Diese Personengruppe stelle jedenfalls einen potentiellen Kundenstock für die öffentliche Apotheke dar (es erhebe sich lediglich die Frage, ob von diesen Personen angenommen werden könne, daß sie irgendwann in K ihre Medikamenteneinkäufe erledigen würden, was prinzipiell zu bejahen sei), weil Mittagspausen außerhalb der Betriebsstätte oder Arbeitsstätte und die Zeit nach Betriebsschluß bis 18.00 Uhr für Medikamenteneinkäufe und sonstige Einkäufe von dem Verkauf in der Apotheke vorbehaltenen Produkten genützt werden könnten. Aber selbst dann, wenn man lediglich die positive Pendlerbilanz von ca. 2.300 Personen als Versorgungspotential heranziehe, werde ein Großteil dieser Pendler auf Grund der günstigen Lage der Betriebsstätte der neuen Apotheke von dieser versorgt werden. Nicht auszuschließen sei weiters, daß einige, allerdings zahlenmäßig nicht leicht quantifizierbare Einwohner der direkt an die nördliche Begrenzung des Standortes anschließenden Straßenzüge auf Grund der kürzeren Entfernung nunmehr die Apotheke des Mitbeteiligten aufsuchen würden. Der Bedarf an der vom Mitbeteiligten beantragten Apotheke sei daher nach Ansicht der belangten Behörde, welche trotz unterschiedlicher Wertung des Personenpotentials im Vergleich zu den Ausführungen des erstinstanzlichen Bescheides im Endeffekt zum gleichen Ergebnis gelange, jedenfalls gegeben.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhalts geltend gemacht wird. Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinem Recht verletzt, daß eine weitere öffentliche Apotheke nur dann bewilligt werde, wenn die zu versorgende Personenzahl im Standort bzw. Einzugsbereich der künftigen Betriebsstätte mehr als 5.500 beträgt. In Ausführung des so bezeichneten Beschwerdepunktes bringt der Beschwerdeführer im wesentlichen vor, die Art und Weise, wie für die neue Apotheke eine Zahl von zumindest 5.500 zu versorgenden Personen konstruiert werde, sei nicht nachvollziehbar. Sowohl die belangte Behörde als auch die Behörde erster Instanz seien bei der Ermittlung der Anzahl der zu versorgenden Personen laufend von Annahmen und hypothetischen Überlegungen, aber kaum von empirischen Untersuchungen ausgegangen.

Die belangte Behörde hat ebenso wie der Mitbeteiligte eine Gegenschrift erstattet. In beiden Gegenschriften wird die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

§ 10 ApG lautet auszugsweise:

"(1) Die Konzession für eine neu zu errichtende öffentliche Apotheke ist zu erteilen, wenn

1. in der Gemeinde des Standortes der öffentlichen Apotheke ein Arzt seinen ständigen Berufssitz hat und

2. ein Bedarf an einer neu zu errichtenden öffentlichen Apotheke besteht.

(2) Ein Bedarf besteht nicht, wenn

1. die Zahl der von der künftigen Betriebsstätte der neu zu errichtenden öffentlichen Apotheke aus zu versorgenden Personen weniger als 5.500 beträgt oder

2. die Entfernung zwischen der künftigen Betriebsstätte der neu zu errichtenden öffentlichen Apotheke und der Betriebsstätte der nächstgelegenen bestehenden öffentlichen Apotheke weniger als 500 m oder

3. die Zahl der von der Betriebsstätte einer der umliegenden bestehenden öffentlichen Apotheken aus weiterhin zu versorgenden Personen sich infolge der Neuerrichtung verringert und weniger als 5.500 betragen wird.

(3) Zu versorgende Personen gemäß Abs. 2 Z. 1 sind die ständigen Einwohner aus einem Umkreis von vier Straßenkilomtern von der künftigen Betriebsstätte der neu zu errichtenden öffentlichen Apotheke, die auf Grund der örtlichen Verhältnisse aus der neu zu errichtenden öffentlichen Apotheke zu versorgen sein werden.

...

(5) Beträgt die Zahl der ständigen Einwohner im Sinne der Abs. 3 oder 4 weniger als 5.500, so sind die auf Grund der Beschäftigung, der Inanspruchnahme von Einrichtungen und des Verkehrs in diesem Gebiet zu versorgenden Personen bei der Bedarfsfeststellung zu berücksichtigen."

§ 10 ApG erhielt seine im Beschwerdefall anzuwendende Fassung durch die ApG-Novelle 1990, BGBl. Nr. 362. Die Erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage (1336 Blg NR 17. GP, S. 4 f) führen zum Begriff der "zu versorgenden Personen" aus:

"Was die Struktur dieses Personenkreises ("zu versorgende Personen") anlangt, soll durch die Erwähnung der ständigen Einwohner bewirkt werden, daß sich die Bedarfsbeurteilung primär an der Wohnbevölkerung (ständige Einwohner) orientiert. Aber auch ein durch andere Umstände als den Wohnsitz hervorgerufener Bedarf - etwa Verkehrsknotenpunkte, Geschäftszentren usw. - kann berücksichtigt werden. Die Fremdennächtigungen werden grundsätzlich bei der Bedarfsbeurteilung nicht heranzuziehen sein. Ausgenommen sind jene Fälle, in denen es sich um ausgesprochene Fremdenverkehrszentren handelt. Hiebei wird im Einzelfall genau zu prüfen sein, in welchem Ausmaß die Fremden im Hinblick auf ihre Aufenthaltsdauer und ihre besonderen Lebensgewohnheiten eine Arzneimittelversorgung in Anspruch nehmen. Bei der Gruppe der Zweitwohnungsbesitzer und der Pendler wird ebenfalls im konkreten Einzelfall festzustellen sein, in welchem Umfang durch sie der Bedarf an einer öffentlichen Apotheke mitbegründet wird, wobei lokalen, strukturellen und betrieblichen Gegebenheiten ein besonderes Augenmerk zuzuwenden sein wird. Grundsätzlich ist jedoch sowohl bei einer allfälligen Berücksichtigung der Fremdennächtigungen, wie auch der Zweitwohnungsbesitzer und der Pendler - wie oben bereits erwähnt - zu verlangen, daß der Großteil der den Bedarf begründenden zu versorgenden Personen innerhalb eines Umkreises von vier Straßenkilometern von der zu errichtenden öffentlichen Apotheke bzw. den benachbarten bestehenden öffentlichen Apotheken ansässig sein muß."

Die belangte Behörde ist zu einer Anzahl von durch die neue Apotheke zu versorgenden Personen von mehr als 5.500 gelangt. Sie legt ihren Berechnungen 3.872 ständige Einwohner im Standort, ca. 1.000 Personen aus dem innerhalb des Umkreises von vier Straßenkilometern von der künftigen Betriebsstätte der neuen Apotheke gelegenen Stadtteil Z und ca. 1.000 Einpendler zugrunde.

Die belangte Behörde hat ihre Annahme, von den

3.100 Einwohnern des Stadtteiles Z seien 1.000 dem Versorgungspotential der neuen Apotheke zuzurechnen, nicht durch entsprechende Ermittlungen (z.B. durch Anwendung von Methoden der empirischen Sozialforschung) untermauert. Die von ihr ins Treffen geführten Umstände (Parkplatzsituation, Erreichbarkeit der K-Innenstadt für weitere Erledigung, Vorhandensein einer Haltestelle des städtischen Busverkehrs) würden zwar, falls sie zutreffen, ein Indiz dafür sein, daß ein Teil der Bewohner von Z zum Versorgungspotential der geplanten Apotheke zu rechnen ist; wie die belangte Behörde aber gerade auf die Zahl von 1.000 der neuen Apotheke zuzurechnenden Personen kommt, legt sie nicht dar.

Nicht nachvollziehbar ist auch die Zurechnung von 1.000 Einpendlern zum Versorgungspotential der neuen Apotheke. Die belangte Behörde begründet diese Zuzählung damit, daß sich im Standort ein durch mehrere größere Betriebe gekennzeichnetes Gewerbegebiet befinde, welches jedenfalls dem Versorgungspotential der neuen Apotheke zuzurechnen sei und welches mit Sicherheit einen Großteil der in die Gemeinde K einpendelnden 3.763 Personen aufsaugen werde; sie verweist diesbezüglich auf das Schreiben der Abt. Ic/Landesplanung des Amtes der Tiroler Landesregierung vom . Aus diesem Schreiben geht hervor, daß in der Gemeinde K auf Grund des Volkszählungsergebnisses 1981 1.406 Auspendlern

3.763 Einpendler gegenüberstanden, sich also eine positive Einpendlerbilanz von 2.357 Personen für den gesamten Bereich von K ergab. Dem Schreiben ist weiters zu entnehmen, daß die Gesamtzahl der im Standortbereich in Betrieben mit mehr als 20 Arbeitnehmern beschäftigten Personen 1.181 beträgt. Wie viele davon Pendler sind, geht nicht hervor. Das Schreiben bietet keinen Anhaltspunkt dafür, warum von den

3.763 Einpendlern im gesamten Bereich von K 1.000 zum Versorgungspotential der neuen Apotheke zu zählen seien.

Es fehlen daher ausreichend untermauerte Feststellungen darüber, in welchem Umfang unter Berücksichtigung lokaler, struktureller und betrieblicher Gegebenheiten durch Einpendler der Bedarf an einer neuen öffentlichen Apotheke mitbegründet wird.

Das Schreiben der Abt. Ic/Landesplanung des Amtes der Tiroler Landesregierung vom weist für die Stadt K - sie liegt zur Gänze in der Vierkilometerzone der geplanten neuen Apotheke - 1.406 Auspendler aus. Die belangte Behörde hat es unterlassen, die Frage zu klären, ob diese Auspendler (ganz oder zum Teil) in der Zahl der ständigen Einwohner jener Gebiete enthalten sind, die von der belangten Behörde ganz (Bereich des Standortes der neuen Apotheke) oder teilweise (Stadtteil Z) dem Versorgungspotential der neuen Apotheke zugerechnet wurden, und ob bzw. inwieweit die entsprechende Auspendleranzahl vom Versorgungspotential der neuen Apotheke in Abzug zu bringen war. Auspendler können nicht ohne weiteres den ständigen Einwohnern gleichgehalten werden. Vielmehr ist im Einzelfall zu untersuchen, ob und in welchem Umfang Tages- oder Wochenpendler im fraglichen Bereich wohnen, wie weit und wohin ausgependelt wird etc. (vgl. Puck, Die Prüfung des Bedarfes bei öffentlichen Apotheken, in:

Winkler-FS, S. 228). Die belangte Behörde hat diesbezüglich lediglich die Vermutung geäußert, daß die Auspendler in den umliegenden größeren Städten arbeiten, und hat die Auffassung vertreten, sie seien als ständige Einwohner primär zum Versorgungspotential zu rechnen und nicht in Abzug zu bringen. Anders als in dem mit hg. Erkenntnis vom , Zl. 87/08/0089, entschiedenen Fall kann im Beschwerdefall mangels entsprechender Unterlagen nicht davon ausgegangen werden, daß es sich bei einem Großteil der Auspendler um Tagespendler handelt.

Aus den angeführten Gründen erweist sich der angefochtene Bescheid als rechtswidrig infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 VwGG aufzuheben war.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.